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Schneewolf 04.10.2016 20:09

Petschaft -Mittelalter?
 
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Hallo,

hier mal eine Gestern gefundene Petschaft.

Ich denke sie könnte Richtung Mittelalter gehen
und zu einem Ritter oder Adeligen gehören.

Dementsprechend bin ich gleich vorhin los und habe Knete
gekauft.
Für mich ist es ungemein wichtig herauszufinden was gensau dort
steht. Denn gefunden habe ich sie auf einer MA Wüstung die ich entdeckt habe.

"Henrici" kann man gut erkennen aber der Rest sind für mich böhmische Dörfer...

Ich hoffe mal wieder auf eure Hilfe.

Sonst habe ich immer nur Siegel von anderen eingestellt...
dies soll nun mein erstes sein...

Frank Enstein 04.10.2016 20:33

Heinrich der Fromme Erzbischof von Gnesen würde mir da spontan einfallen. Aber wäre ein e zuviel. Ich habs nicht so mit dem Christenzeug. Schau mal nach ev findest ein Siegel dazu

Hummel84 04.10.2016 20:41

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Hallo,

Das erinnert mich ein bisschen an das Zunftzeichen eines Steinmetzen.

Gruß Hummel

Niklot 04.10.2016 20:59

Ne Hausmarke ist es, nur welche, bzw von wem....

Anhand der Schrift zeichnet sich schon das Alter ab, was Neuzeitliches wird es nicht sein.

Gruß Jens

Büffel 04.10.2016 21:00

Sieht nach einer Hausmarke aus in der Mitte.
Gefällt mir außerordentlich.:yeap

Schneewolf 04.10.2016 21:36

Waren Hausmarken...also die Petschaften dazu nicht meisr rund?
Zu der "4" habe ich etwas auf der Seite des Petschaften-Archivs
entdeckt.
das stellt quasi eine 4 da und die Kreuzenden sollen eine Verbindung
zur Kirche sein...so ähnlich...

Trotzdem wärs geil zu wissen was da steht.

ghostwriter 04.10.2016 23:37

wenn mich meine müden augen nicht täuschen, dann steht da:

rhumes henricia enessce

gruß

Schneewolf 05.10.2016 01:21

Das könnte stimmen. Danke :)

Sagt das denn auch jemandem etwas? Per google war da nichts zu machen.

Also was versteht man denn genau unter dem Begriff Hausmarke...?
Eine Petschaft eines Patriziers...Handwerkers... eines Ritters oder eine Adeligen?
Niederer Landadel vielleicht?

Mir ist da noch nichts klar...

ghostwriter 05.10.2016 05:34

Zitat:

“Eine Hausmarke (auch Hauszeichen, Handgemal) ist ein Eigentumszeichen, später Sippenzeichen, das außen an Haus, Gebäuden und Gegenständen angebracht ist. [...]
da geht's weiter

die seite kennst du aber doch schon!? :uii

chabbs 05.10.2016 08:55

Hi,

da steht ca.

s´ (igilium) henrici de nesscerhv(?m?)e

Wie sich das auflöst, weiß ich nicht genau. Vielleicht Verwandschaft von den Adeligen Nesselröden (Hessen) oder Nesselrode (Grafschaft Berg)? Weiß ich nicht... zumindest gibt es da auch Heinriche... :)

Die Schrift ist eine relativ typische Gotische Majuskel. Die gab es so vom 10.-13. Jh. - auf Typaren halten sich Schriftarten m.E. ein klein wenig länger. Ich würde daher recht sicher davon ausgehen, dass das Petschaft ins späte 13. Jh. gehören müsste.

Auch die "Hausmarke" (hier vielleicht sogr noch im Wappen tingiert... also eher ein Wappen, aus dem sich die Hausmarke entwickelt haben könnte...)

Wenn es bei euch in der Ecke ein Bistums- oder größeres Kreisarchiv gibt, wird man Dir da sicher weiterhelfen können. Vielleicht lässt sich sogar noch die ein oder andere Urkunde Deines Petschaftverlierers nachweisen.

Schneewolf 05.10.2016 09:06

Ja klar. Das hab ich auch soweit verstanden... nur ich denke eben darüber mach das so ein
Siegel ja unwahrscheinlich teuer gewesen sein muss.

Dementsprechend wird ja nicht jede Familie ein eigenes Siegel gehabt haben oder?
Da die Nachbarstadt bis ca. 1900 sehr klein war und ihre
Stadtrechte nur bekommen hat weil sie zur Burg gehörte und im
Prinzip auch wegen jener gegründet wurde..

Dort sind mir bzw generell nur 2 bis 3 Gebäude bekannt an denen noch
Inschriften erkennbar wären.
Das waren dann auch die einzigen Adelsfamilien.

Schwer wirds wenn das Stück zu einem Einwohner
des einstigen Ortes gehörte...aber das kann ich mir nicht
vorstellen.
Und eine zwar alte aber normal begüterte Familie
hatte sicher nicht solch ein Siegel oder?

Danke auch dir Seneca für die Erklärung... in 3km Entfernung
Steht ein Kloster welches zu den wichtigsten im ganzen Umkreis gehört.

Aber wie es dort mit den Akten aussieht...keine Ahnung.
ansonsten kann ich nur meinen Archi am komenden Montag fragen.

chabbs 05.10.2016 09:24

Zitat:

Zitat von Schneewolf (Beitrag 902322)
Und eine zwar alte aber normal begüterte Familie
hatte sicher nicht solch ein Siegel oder?

Naja, warum nicht? 50 Gramm Kupfer waren ja jetzt nicht die Welt :) Die Frage ist, ob sie es standesrechtlich durfte. Erst im späten Mittelalter wurden die freien, oft reich gewordenen Bürger in den Städten so Selbstbewusst, dass sie eben auch Herrschaftszeichen (Wappen, Kleidung etc) tragen wollten.

Hier gehe ich aber von Ritteradel aus. Das "von" zeigte das Geschlecht an, nicht den Wohnsitz ( das wäre dann "zu")- im Mittelalter wurde das sehr strikt eingehalten, später verwässert.

Also, das Petschaft hier gehörte m.E. einem Adeligen.

Schneewolf 05.10.2016 10:10

Aber wo erkennst du da ein "von"?

Also bleibt die Frage nach dem dort gemeinten Namen...
Wie gehe ich da am sinnvollsten vor?

ghostwriter 05.10.2016 12:21

Zitat:

Zitat von ghostwriter
rhumes henricia enessce

Zitat:

Zitat von Seneca
s´ (igilium) henrici de nesscerhv(?m?)e

da lag` ich ja nur knapp daneben!? :uii

chabbs 05.10.2016 12:43

Zitat:

Zitat von Schneewolf (Beitrag 902327)
Aber wo erkennst du da ein "von"?

"de" = "von"

Schneewolf 05.10.2016 21:10

Achso... okay.
Ich denke ich muss damit wohl tatsächlich meinen Archi nerven.
Während der Grabung :D

Niklot 05.10.2016 21:22

Genau, geh ihm damit ruhig auf die Nerven :freu
Und hier berichten bitte nicht vergessen.

Interessiert mich brennend was es an Ergebnissen gibt

Schneewolf 05.10.2016 23:23

Letzten Endes werde ich das ohnehin selber herausfinden müssen.
Aber so ein paar Tipps oder Ideen wird er sicher haben...

Und selbstverständlich erstatte ich Bericht. :D

chabbs 06.10.2016 08:29

Zitat:

Zitat von Schneewolf (Beitrag 902379)
Letzten Endes werde ich das ohnehin selber herausfinden müssen.
Aber so ein paar Tipps oder Ideen wird er sicher haben...

Und selbstverständlich erstatte ich Bericht. :D

Ich hab selber mal wegen eines mittelalterlichen Petschafts einige Tage im Bistumsarchiv verbracht... macht Spaß, trägt nicht immer Früchte und kann zwischendurch auch mal sehr nervenraubend sein. Gut wäre es, wenn es irgendjemanden bei euch in der Gegend gibt, der sich in Diplomatik auskennt... vielleicht mal beim historischen Institut einer nahegelegenen Uni anrufen...

Zardoz 06.10.2016 15:26

Hier ein sehr gutes Buch zum Thema.....könnte dir wohl weiterhelfen :yeap
https://archive.org/details/diehausundhofma00homegoog


Gruss
Zardoz

Schneewolf 14.10.2016 01:43

So...

Nach längerem Begutachten bin ich immer noch nicht weiter...
Ich werde es mal bei offiziellen Stellen probieren. Mein Archäologe konnte mir auch nur Ratschläge zur weiteren Recherche geben. Letzten Endes ist uns kein Adelsgeschlecht in der Umgebung eingefallen und auch aus den vorhandenen Unterlagen lässt sich nichts ableiten oder herausfinden.

Also ein interessantes Rätsel.

@Zardoz: Hab vielen Dank, ich schaue dort Morgen mal hinein.

DerExperte 17.01.2017 17:45

Die Siegelumschrift ist zu lesen als: S' HENRICI . DE . NESSTERHVZE (oder NESSCERHVZE). Evtl. befindet sich über dem letzen E noch eine Kürzung, so dass (Nessterhvzen) gelesen werden müsste. Es handelt sich also um die mir unbekannte Familie "von Nessterhvzen (Nessterhausen ??) Von der Art her gehört das Siegel dem 13. Jhdt. an.

Schneewolf 18.01.2017 05:11

Danke dir für deine Einschätzung.

Ich darf leider noch nichts genaues schreiben, aber scheinbar hat das Siegel - man glaubt es kaum - eine Art unbekannter Verballhornung eines Ortnamens.
Es befindet sich zur Zeit zur Untersuchung und zwecks Recherche bei einem fachlich sehr kompetenten Menschen.
Eigentlich solle es wohl "Esscerhuze" heißen.

Aber jeder von uns der sich mit mittelalterlichen Wüstungen und deren Namen beschäftigt weiß wohl, das es für Orte teilweise viele verschiedene Schreibvarianten gibt.

Jedenfalls würde der Fundort und der erwähnte Ort gut zusammen passen. Ca. 9km entfernt und einen Heinrich gab es dort scheinbar auch zu dem Zeitpunkt.
Auch ist dort eine Adelsfamilie bekannt.

Ich werde sobald es geht hier die Auflösung bekannt geben.
Auch kann ich schonmal sagen, das das gute Stück wohl auch publiziert wird.

dcag99 18.01.2017 07:39

ja so ein mist, das seh ich ja jetzt erst weil ich damals in den flitterwochen auf cuba war.


das ist ja mal ein endsgeiles ding!

da du ja sicherlich mitbekommen hast wie sehr ich wappen, petschaften etc mag halt uns auf dem laufenden! wenn es nicht für alle bestimmt ist, gerne auch mich via PM!

Zum Petschaft: Die Schreibweise Esscerhuze und Esscerhuse ist ja nicht weit weg und könnte insoweit stimmig sein.

was auffällt:

gehen wir mal davon aus, dass das erste "S" (vor dem Henrici) wirklich für "Sigullum" steht, ist dies insofern etwas anders, weil man gern das S mit einem "+" abgetrennt -> "S+HENRICI"

zusätzlich fällt auch das N vor dem Esscerhuse auf. eigentlich würde ich (wie mein vorgänger) auch zu dem ortsnamen nesscerhuse tendieren, da das "n" sonst nicht passt.

13.jhd könnte passen, 14. wäre m.e. nach aber genauso drin, analog zu dem "sitzenden bären" petschaft den wir schon mal hatten.

Schneewolf 11.08.2017 11:43

Auflösung des Rätsels :)
 
Hallo,

wie versprochen kommt hiermit nun die Auflösung des Rätsels.


Umschrift: S(igullum) Henrici den Esscerhvze

Übersetzt: Siegel des Heinrich von Eschershausen



Dieses Siegel wurde ja auf dem Areal einer MA - Wüstung gefunden, auf der ich so einiges an älteren Funden machen konnte. Jüngst die heute eingestellte (eventuelle) Scheibenfibel und einen mittelalterlichen Pfennig.
Aber es waren auch viele andere Dinge darunter. Mehrere Fürspane und Grapenfüße. Für eine Wüstung aus dem Mittelalter finde ich die Funde echt super, zumal ich bisher die Erfahrung gemacht habe, das auf den meisten Wüstungen wenig bis gar nichts zu finden ist (hier bei mir).

Aber ich schweife ab.

Ich habe dieses Siegel nach mehreren eigenen Versuchen in fachmännische Hände abgegeben. Mein eigener Archäologe konnte mir nicht direkt weiterhelfen, zumal er mit einer Grabung mehr als ausgelastet war bzw. ist.

Nun dauerte es seine Zeit bis die ersten Ergebnisse kamen, welche aber auch unter Vorbehalt bestanden.

Das Endergebnis der Recherchen und Bemühungen war nun, das dieses Siegel einem Heinrich von Escherhausen gehörte. Es datiert in das letzte viertel des 13. bis zum ersten Drittel des 14. Jahrhunderts.
Die Umschrift habe ich oben übersetzt und das Zeichen in der Mitte ist - wie auch hier im Forum völlig richtig erwähnt - eine Hausmarke.

Zu jener Zeit gab es allerdings 2 Herren die diesen Namen trugen und beiden könnte das Siegel gehört haben. Der eine war Ratsherr in einer Stadt die circa 20km Luftlinie vom Fundort liegt und der andere war ein im Homburger Lehnsregister aufgeführten Bürger eine 10km entfernten Stadt der ebenfalls ein solches Siegel besessen haben kann.
Sicher feststellen lässt sich dies wohl nicht mehr.

Jedenfalls ein sehr schönes Stück Lokalgeschichte und einer meiner bisher interessantesten und schönsten Funde.


Nachzulesen ist der gesamte Bericht in: Archäologie in Niedersachsen Band 20 - Suchen und Finden: Methoden der modernen Archäologie

:yeap:yeap:yeap


Vielen Dank nochmals für all eure Hilfe und eure Bemühungen!!! :Proscht

1_highlander 11.08.2017 14:39

Danke, dass du es noch einmal aufgegriffen hast. Vieles geht leider einfach unter...
Jedenfalls ein Toppfund (finde ich) :clap

Die unterschiedliche quantitative Fundquote auf Wüstungen kann vielleicht auch damit erklärt werden, ob diese Orte freiwillig und "geordnet" verlassen worden sind oder durch Krieg und andere Katastrophen aufgegeben werden mussten.

Büffel 11.08.2017 16:56

Nach meinen Erfahrungen hängt die Fundmenge auch stark davon ab wie lange das Dorf bestanden hat.
War es eine klassische Fehlgründung und wurde nach einigen Jahrzehnten wieder aufgegeben weil nicht überlebensfähig, dann sind die Funde sehr spärlich.
Auf Dörfern die 200 Jahre und länger bestanden sieht das ganz anders aus, da war einfach mehr Zeit was zu verlieren.

Weißt du denn wie lange es das Dorf gab auf dem du unterwegs bist?

Achso, Petschaft ist natürlich immernoch geil.

Schneewolf 11.08.2017 22:32

Danke ihr beiden!

Ersterwähnung 1384 (also nach der Zeit des dort gefundenen Siegels).
Gilt als typische Hägersiedlung und war vor 1580 wüst. Sicher sogar schon um einiges früher, nur gab es in dem Zwischenraum von letzter und vorletzter Erwähnung lange zeit nichts (1438 und 1542).
Ich gehe von einem wüst fallen um 1480 aus.
Es gibt mehrere Indizien die diesen Schluss zulassen.

Man weiß ja von unendlich vielen anderen Fällen, das Ortschaften aufgegeben wurden und deren Bewohner in den Schutz einer befestigten Stadt zogen (wie hier).
Gleiches geschah wohl auch mit einigen anderen Wüstungen in diesem Gebiet. Diese sind jedoch bereits im 14.Jahrhundert wüst gefallen. Zu jener Zeit herrschte dort noch ein Adelsgeschlecht auf der Burg oberhalb der Stadt.

dcag99 14.08.2017 10:25

danke für die nachgereichte info schneewolf :)

immer wieder schön, solche sachen zu lesen.


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