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-   -   Sir Alottafind's Expeditionen oder "Die Odyssee im Minicamper" (http://www.schatzsucher.de/Foren/showthread.php?t=94243)

Sir Alottafind 20.11.2018 19:19

Sir Alottafind's Expeditionen oder "Die Odyssee im Minicamper"
 
Ich bring mal ein wenig System in meine Burgenzeigerei in Form einer Reihe mit Bildern nebst Begleittexten. Man kanns auch Reisebeschreibungen nennen.


Ziel ist, auch nächstes Jahr etliche interessante Burgen, Ruinen, Schlösser und dergleichen in CH aufzusuchen. Dazwischenrutschen werden auch zb. historische Orte wie Schmelzen, Festungsbauten und ähnliches. Könnte fast ein wenig schwierig werden, bei der Auswahl. Auch besonders landschaftlich schöne Örtlichkeiten mit geschichtlichen Hintergründen werden auftauchen.

Dass es gleich angemerkt sei: der begabteste Bildermaler bin ich ned :rolleyes:...............

Zu Beginn einer jeden neuen Beschreibung unter SBT wird eine Übersichtskarte zur Orientierung zu sehen und der aktuelle Ort mit rotem Punkt gekennzeichnet sein.

Als appetizer als erstes eine fette Gesamtübersicht Schweizer Burgen. Dort gibts auch Grundrisse und feindetailliertere Ausführungen.



Ich geh davon aus, es besteht Interesse.....:suspekt:......

Eisenknicker 20.11.2018 21:12

:clap

Klar besteht Interesse!

Sir Alottafind 24.11.2018 00:27

Burg Campell
 
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Die Lage der Burg im Schweizer Kanton Graubünden ersehe man bitte aus dem angehängten Lageplan, und die umfassenden historischen Hintergründe/Daten gibt’s hier.

Ankommend am schon etwas späten Nachmittag aus östlicher Richtung Albulapass such ich mir in unmittelbarer Nähe von Campi ein nettes Stellplätzchen fürs Fahrzeug. Die Burg Campell ist schon im Blickfeld, und steht am Rande des Weilers Campi, der aus einer Handvoll Häusern besteht, hoch über dem Hinterrhein. Hier läuft die Schlucht ins Tal des Domleschg aus, aber die Lage der Burg ist dennoch noch beeindruckend.

Aber zuerst steuer ich so vier Kilometer weiter den Migros-Supermarkt in Thusis an, damit ich was zu beißen/schlucken hab fürs opulente Camper-Abendmahl. Entgegen des weitverbreiteten Klischees vom Luxuszwangsdaseins bei Aufenthalten in der Schweiz kommt man als Camper mit schmalem Budget hervorragend zurecht (sofern man sich nicht täglich einen Ranzen anfrisst oder Restaurants frequentiert). Einiges an Wurscht hab ich allerdings von daheim mitgenommen.
Bei der Gelegenheit werf ich einen Blick auf den hübschen Campingplatz in Thusis, sehr nah am Hinterrhein gelegen in einem Nadelwäldchen und mit Schwimmbad. Kanns nicht glauben, dass die Nacht reine Stellplatzgebühr für mein Campingformat nur 22 Franken kosten soll. Wahrscheinlich saisongeminderter Preis, und die Aussicht auf Kommunikation mit interessanten Mobilheimern ist verlockend.

Fahr aber trotzdem zurück an meinen auserkorenen Freilandstellplatz, weil von hier aus die Tour am nächsten Tag losgehen soll, und mach mich auf den kurzen Zufussweg runter zur Burg. Direkt hinfahren ginge, ist aber nicht erlaubt. Zu Fuss ists eh schauergibiger: die teilweise sehr alten Häuser lohnen der näheren Betrachtung der Details. Ein altes Haus, wahrscheinlich ehemaliges Bauernhaus, wurde unaufdringlich wohl zu einem Bikerhotel umfunktioniert, worauf die abgestellten Radmaschinen und die Nummernschilder der Autos schließen lassen. Mein leicht neidvoller Blick fällt auf einen sehr bequem aussehenden jacuzi im pittoresken Gartenambiente. Sollte ich einfach mal fragen ob ich mal dürfte.... ?

Erst lauf ich falsch und folge der Strasse in einen Feldweg. So komm ich zu der Bahnlinie, die ich vorher noch gar nicht bemerkt hatte. Bevor ich umkehr, gibt’s noch ein hübsches Bild mit Burg und Bahnkörper drauf.

Also ein Stück zurück, aber ein definierter Zugang zur Burg ist nicht in Sicht. Also frag ich einen strammwadeligen Bikersmann, der grad ins Hotel retourniert: über die Wiese, unter den Obstbäumen und einem kleinen Gartentürchen durch, so kommt man zur Burg. Viel Leut sind den Weg bisher nicht zur Burg gegangen, sonst würde man einen Pfad erkennen. Bis auf den Biker und einer aus ner Tür rauslugenden alten Frau ist niemand zu sehen/hören.

Man gelangt folgend auf einen kleinen, dicht umwachsenen huggeligen Burg-Vorplatz, der sicher verfallene Mauern birgt und grabungsmäßig was hergeben tät. Hier könnt man wunderbar ein Zelt aufschlagen.
Drunter verläuft irgendwo der Bahntunnel. Der Eingang zur Burg selbst ist leider verrammelt; sie wird grad hergerichtet, und innen ist ein Gerüst zu sehen. Allzu sicher sieht die Burg tatsächlich schon von Aussen nicht aus. Zwei Seiten des Gebäudes kann man entlanglaufen, die anderen gehen offensichtlich in den steilen Schluchtabgrund über. Nach ein paar Photos und sinnierend auf der Burgmauer hockendem Opferns eines Räucherwerks mit Blick aufs Schluchtenpanorama tret ich den Rückzug an. Fast ein wenig bedauernd, weils eine echt schöne Ecke ist. Muss ich halt nächstes Jahr als Biker einchecken.

Gegen Abend ists fast schon empfindlich kühl. Ein kurzes Stück der geplanten Wanderung des nächsten Tage lauf ich noch hoch, und einen Humpen heisser Griessnockerlsuppen mit Einlage später, angemessen grundsediert durch mitgebrachtem Fuchsberger Dunkel, lieg ich in der Falle, eingemullt in den Schlaftsack. Dessen Innentemperatur steigt stetig in den wohligen Bereich, und der müde Schädel ruht auf dem Knuddelkissen. Ich freu mich noch kurz auf die Tour am nächsten Morgen zum Crap Carschenna hoch, mit den seltsamen vorgeschichtlichen Felsritzungen dort, dann bin ich auch schon weggedämmert.


Auf der Suche im web nach guten Bildern von der Burg bin ich auf eine Modellbauseite gekommen. Die Panoramen von der Burg sind super und sehr anschaulich!

Die Photos sind mir nicht zufriedenstellend gelungen, aber es ist Besserung in Sicht durch neues Equipment in Form einer sony alpha68...:rolleyes:

Eisenknicker 28.11.2018 00:27

:yeap

Sir Alottafind 29.11.2018 21:47

Felszeichnungen Carschenna
 
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Especially für you, Eisenfalter, Du mein einzigster Lesefreund......



Die Großlage ist wie gehabt aus der angehängten Karte zu ersehen.


Noch O2-gesättigt von der Lauferei vom Vortag wach ich ohne Weckerunterstützung in meinem warmen Fahrzeugnest um 7.00 auf. Wie bequem doch so ein popeliger Van sein kann. Ein Glück, dass das Auto ein Schiebedach hat; kann man einen Spalt öffnen, damit nicht der ganze Männerdampf drinnebleibt.

Ich merk's schon: draussen ist es zwar gut hell, aber keine einladenden Sonnenstrahlen. Himmel ist ziemlich verhangen, es ist kältlich, und der Gedanke 'Leg dich wieder nieder, penn dich aus, fahrst zum nächsten Nettcafe und kippst dir einen tollen Verlängerten und ein paar Kuchen rein' schleicht durchs Hirn.
Nönö, des machma jetzt, rauf zu den Felszeichnungen!! Das Radio angemacht, und zu konservierten Klängen von diesem und jenem gibt’s erst mal selbstredenderweise ne Wanne Selbstmachkaffee und zwei größere Wurschtsemmeln mit Gürkchen. Und während man sinnend vespernd dasteht, röhrt von irgendwo von den Hängen runter ein (wahrscheinlich) Hirsch. Der wird ja wohl doch nicht auf mich warten.... .
Werf mich in meine Superwanderselbstlaufstiefel, check nochmal ob auch überall volle Batterien drin sind, schwing den daypack um und die Stapferei geht los.

Es geht schon zu Anfang etwas steiler den Forstfahrweg hoch, rechtslinks steiles Gelände mit hohe Bäum, und man geht’s ein wenig gemächlicher an, damit der Apparat langsam auf Touren kommt. Nach einer Weile gibt’s den ersten Ausblick ins gesamte Domleschgtal bis zum Quertal. Hätte jede Burg/Schloss in diesem Tal in diesem Moment ein Leuchtzeichen an, wären mindestens 18 Leuchtpunkte in diesem Tal sichtbar. Einige davon werden mich früher oder später kennenlernen.

Und es fängt an zu Wummern. Ein Lastenhubschrauber bringt vom Gegenhang schräg links gegenüber über den Hinterrhein aus hohen Lagen Holzstämme ins Tal. Raufrunterraufrunter. Eine gute halbe Stund lang sind die am werkeln. Vom Weg vortags den Albulapass runter, bei der Rast in Bellaluna (https://de.wikipedia.org/wiki/Bellaluna) an einer historischen Erzschmelze (auch dazu gibt’s hier noch einen kurzen Bericht/Bilder), konnte man den Stammtranport per unglaublich langer mobilen Seilbahn den Berghang surrend runter bewundern.
Absolut erwähnenswert sind diese metallenen Wanderwegschilder. Edeledeledel, sag ich nur. Wo bei uns auf einer zerfallenden Holzplatte ein ebenso zerfallendes Plastikschild prangt, haben's hier solche schöne stabile Teile.

Der Himmel über mir wird stellenweise hellbläulich, weiter droben wird’s also Sonne geben. Juchhu! Ich erreich ein größeres Wiesenplateau, welches wahrscheinlich zu dem Stolleneingang gehört, der plötzlich am Weg auftaucht. Solide verschlossen, industriell aussehend, nicht mehr in Betrieb, aber im gepflegten Zustand. Wohl hab ich das Schild gelesen, welche Gesellschaft oder Betreuungsverein usw., aber leider nicht photographiert und somit vergessen. Im web könnt man's schon rausfinden. Hauptsache, ich kann mich vor dem Stolleneingang pausemäßig in die warmen Sonnenstrahlen hocken.

Und weiter geht’s. Plötzlich knatterts hinter mir, wird lauter, und ein rauchendes Enduromotorrädchen irgendwo aus den Siebzigern entsprungen, ohne Nummernschild und mit einem kleidungsmäßig zeitlich ebenso daherkommenden Fahrer drauf zieht stinkend an mir vorbei. Der Fahrer erwidert lässig meine Grußgeste, aber er hätt mich schon fragen können, ob ich nicht als Sozius mit hoch fahren hätte wollen. Ich hätt laut Ja gesagt. Der Forstweg ist für öffentlichen Verkehr gesperrt, so wird es wohl ein Almbewirtschafter gewesen sein. Allerdings, wenn man in einem Hotel wohnt, kann man sich mit Genehmigung auch hochfahren lassen.

Der Wald mit seinen stattlichen Bäumen wird stets lichter, die ersten Wiesenfreiflächen tauchen auf. In einer Kurve steht ein schiefes Schild: Strahlen verboten! Mein schnaufendes Hirn denkt sich erst, was??, Pinkeln soll hier verboten sein...... ??. Scheints also hier Mineralien zu geben.

Es ist ein komisches Gefühl, wenn man sich einer glockenbimmelnden Weide nähert, und irgendwelche haarige kleine Tiere (Mischung aus Ziege und Schaf) verharren abrupt absolut regungslos und das Gebimmel bedrohlich stille schweigt. Alle Augen gerichtet auf den daherkommenden Wanderer. Dann fängt eins von den Viecher an, auf einen zuzurennen und wild zu ….keine Ahnung … blöken oder määh. Der große Rest zieht nach, und ein wenig Grusel überkommet mich. Das dürre Zäunchen wird mich nicht retten. Man ist's halt nicht gewohnt, dass man derart freudig mit dem Futterbringer verwechselt wird.

Dort oben stehen recht hübsche kleine Holzhütten, die offensichtlich auch weidefremden Erholungszwecken dienen. So schön gestaltete freistehene Lokusse und Relaxingmöbel hab ich selten gesehen. Das Ziel des Wegs als auch dieser Schilderung kommt näher. Der Weg zweigt jetzt nach rechts ab, übergehend in die huggelige leichte Steigung eines Trampelpfades. Man sieht jetzt auch die Überlandstromleitung, im Zuge deren Baus in den 65ern die Felszeichnungen entdeckt wurden.

Und da ist er, der erste geritzte, sehr große längliche Stein. Mit Ausblick auf eine darunterliegende Weide beseh ich mir die Ritzungen. Ich strebe jedoch weiter, um erst mal einen schönen Pausenplatz in der Sonne zu ergattern; ich habs echt nötig. Wie man auf der Abbildung 5 sieht, findet sich auch ein nettes Plätzchen für eine halbe Stunde an der Sonne. Wenns nicht so kühl wär, wärs ein ideal Plätzchen für Geschäker und Liebeleien (gemerkt fürs nächste Mal...).

Es bimmelt von allen Seiten, man hört nen Hund bellen, kurz Kinderrufen. Hübsch hier, könnt man gut aushalten, auch für sehr länger. Ne hübsche Schweizerin, finanziell abgesichert, hier oben Carschennatorte feilbieten... mmmmh.

Nach der Erholungsphase beginne ich bewusst die Topographie wahrzunehmen, und dann die Steine des stufigen Abhangs nach Zeichnungen abzusuchen. Es existieren hauptsächlich diese kreisförmigen Muster. Das sehr harte und homogene Steinmaterial verhinderte gut das Unkenntlichwerden durch Verwitterung. Gefahr droht heute durch die immer zahlreicheren Besucher und deren Sohlen.

Die Lichtverhältnisse sind nicht so gut. Die mitgebrachte Lichtquelle fürs Schlachlicht brachte nichts. Per Bildnachbearbeitung kommen die Vertiefungen aber annehmbar zur Geltung. Besser kommts per Film rüber, aber die kann ich ja hier nicht reinstellen.

Über die Ritzungen lässt sich trefflich sinnieren. Was die wohl darstellen sollen, wer wie warum, großes Rätseln. Die näheren Hintergrundinfos finden sich hier. Einige wohl interessante Ritzungen gehen einem vor Ort leicht durch die Lappen des Bewusstseins, weils einfach zu undeutlich sind.

Nach so einer Stunde mit einsamen (dann ist so ein Ort erst zu genießen) Gucken und Photo tret ich den Rückweg an. Und wieder überholt mich der Töff-Fahrer, und wieder grüßt er nett zurück, und wieder nimmt er mich nicht mit ins Tal. So nen Seich!

Sir Alottafind 29.11.2018 21:49

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ein paar weitere Bilder...

Sir Quickly 29.11.2018 22:00

Zitat:

Zitat von Sir Alottafind (Beitrag 941672)
Especially für you, Eisenfalter, Du mein einzigster Lesefreund......

[Meldung machend] Ich lese aber auch mit - und das mit Begeisterung. :lol
Danke für deine Mühe und die kurzweilige, sehr gelungene Schreibe!

ghostwriter 29.11.2018 22:33

er hat aktuell 57 lesefreunde ...
und wenn zu jeder burgruine im kanton graubünden,
solche berichte kommen, werden es wohl noch mehr
werden!? :yeap

http://www.burgenseite.ch/graubuenden.html

Sir Alottafind 30.11.2018 09:32

Wennst mit der Klampfe nächtens ne Stunde vorm Fenster der Liebsten stehst und dein Sangestalent zum Besten gibst, die Dulcinea aber keinen Mucks von sich gibt, wird der Schmachter gern mal müde ob seines sinnlosen Tuns....:dance

Denn vielleicht liegts ja an seiner Röhre oder Unlieblichkeit, dass sich die Dame wortlos lieber die Decke übern Kopf zieht...... :rolleyes:

Wird er dagegen mit Goldstücken, Seufz, Dacapo und Schlüpfern beworfen (Merci an Geistreiter und Sir Moped), macht er gerne weiter! :D

U.R. 30.11.2018 12:58

Oh,oh...., auch ich lese mit Begeisterung mit......! :clap+ :dance

Suuuuuper......





Danke, dafür einen :Proscht < ALMDUDLER :D

Sir Alottafind 01.12.2018 00:32

Erzschmelze Bellalluna
 
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....dann kann ich ja nicht mehr anders, wenn Uhr auch mitliest :bussl.....

Wie im Carschennabericht angekündigt, folgt ein kurzer über die Ruinen der Erzschmelze bei Bellaluna. Diese liegen unmittelbar und schnell übersehbar neben der Albula-Passstrasse, zwischen Ortschaften Bergün und Filisur gelegen.



Passstrassen fahren ist eine wunderbare Sache. Nach einer Eingewöhnung von so einem Tag schwindet auch das schwummrige Kopfgefühl mit teilweise schwitzigem Stressgefühl, welches durch die extremen und vielen Kurven einer nicht enden wollenden Serpentine bei empfindsamen Menschen hervorgerufen werden kann. Diesmal gehts den schon angezuckerten Albulapass runter Richtung Sils im Domleschg.
Nach einer hübsch kalten Pause im Puderzucker (ein selten und seriös Abbild von mir sei bei der Gelegenheit präsentiert) führt der Weg weiter bergab, hinein in die 'Wärme'. Himmel ist, wie bei glücklichen Reisepilzen wie mir üblich, natürlich wie immer ziemlich blau. Das dahinschlängelnde Strassenband ist sehr frei von Fremdverkehr, dann hat man auch mehr Freiraum zum Gucken. Dazu das passende Kling und Klang.

Linkerhand glitzert plötzlich azurblaue Farbe durch die Bäume den Abhang rauf: ein gutaussehender See tut sich vor den geblendeten Augen auf. Es ist der Palpuognasee, der lockt. Muss man sich ansehen, also Auto parken und hin. Auf der Höhe herrschen noch empfindlich Kalttemperaturen, aber meiner doppelgemoppelten Jackenkombination macht das nix aus. Es reicht also für ein Verweilen auf einer Holzbank in der fast schon aufdringlich strahlenden Sonne und einem hellen Zigarillo. Ich realisier jetzt erst, dass auf einer wie gemalten Seeuferanhöhe gegenüber eine kleine Family irgendwie picknickt. Idyllisch, eine Gesamtszenerie geradezu nicht von dieser Welt. Tja, wennst Kindern solche Landschaften zeigen kannst, und die nicht gleich losjammern, weils ja ausser toller Landschaft und unkomfortablen Temperaturen nix zu sehen gibt..... .

Kurz danach passier ich die Ortschaft Preda. Just an diesem Tag erfolgt der Durchstich des zweiten Bahntunnels von Preda nach Spinas, also Albulatal ins Oberengadin. Der ca. 6 Kilometer lange Tunnel ist von der Rhätischen Bahn initiiert und dürfte der höchstgelegene Alpendurchstich sein.

Fahrt geht weiter, mit ein paar Blicken zurück auf die Albula. Nach Bergün und vor Filisur tauchen rechts der Strasse und jetzt ohne Puderzucker drei markante Ruinenfinger auf. Die sind mir schon zu früheren Gelegenheiten aufgefallen, aber Zeit war dafür nicht eingeplant. Heut schon. Aber auch ohne leichten Schneebelag ist es immer noch empfindlich niedertemperiert (in höheren Lagen lag Tage zuvor schon dicke Schnee auf Passstrassen: kurz vorm Umbrailpass auf viel Schnee ist der Sir Alottarutsch gescheitert. Hab noch nie Schiss gehabt beim Autofahren, aber da wars echt grenzwertig).

Es handelt sich um die historischen Ruinen einer Erzschmelze, genannt Bellaluna. Das Wie, Wann und Warum ist hier nachzulesen. Viel mehr an weiteren Bildern sind im web vorhanden.

Auf den Bildern sieht man das Absperrflatterband. Das bildet quasi einen Weg, dem ich hangaufwärts ziemlich ein Stück nachgehe. Aber es kommt nichts mehr an Ruinen, bzw. hätte vielleicht noch weiter rauf gemusst. Kommt auf den Bildern nicht zur Geltung, die Steilheit. Ohne griffigem Wanderschuhprofil ist da kaum ein Hochkommen. Die im vorangegangenen Bericht erwähnte mobile Holzstammseilbahn sieht man auf einem Bild als feine Linie im Hintergrund.

Auf der linken Strassenseite führt ein Fahrweg über eine kleine Brücke über das rauschende Albulaflüßchen. Dahinter befindet sich das alte Knappen- und Direktionshaus der Anlage. Und nu wird’s gruslig: dort wurde 1988 die Wirtin erdolcht. Sie soll eine recht schillernde Figur gewesen sein, und der Fall wurde sogar verfilmt. Auch einen alten Hexentanzplatz solls am Ort gegeben haben ('Bal a l'üna'; man beachte die Ähnlichkeit zu 'Bellaluna'). Nicht weniger interessant ist der kleine Schwatz mit einem artverwandten Minicamper: ein sehr netter Schweizer, der dort auf einem raren ebenen Platz gerade sein Rööschti brutzelt.

Nächste Haltestation meiner Fahrt wäre die Burg Greifenstein. Die würd einen schon reizen, aber deren Unzugänglichkeit erscheint mir als zu gewagt und meine körperlichen wie ausrüstungstechnischen Befindlichkeiten als zu unzureichend. Ist auch die Frage, ob mich das Schweizer Rettung- und Gesundheitssystem von da oben aufsammeln und wieder zusammenkleben können würde im Purzelfall. Ich heb mir diese Burg mal für eventuell später auf. Was aber gut erreichbar ist , ist die Burg Belfort. Und den Bericht gibt’s als nächstes.

Grubenmolch 02.12.2018 17:20

:clap Klasse Bericht, herrliche Gegend, interessante Orte!
Es macht Freude deine Berichte zu lesen. Bitte mehr davon!

Meint Grubenmolch.

1_highlander 02.12.2018 18:37

Schöne Fotos und gute Berichte! Bin begeistert und interessiert! Danke! :yeap

PS: Sind die Stellen auch mit einem größeren Wohnmobil erreichbar? :rolleyes:

Sir Alottafind 02.12.2018 19:05

Merci für den Zuspruch! :uii

Mit einem 'normalen' Womo kommst an alle Burgen heran, bzw. in deren Nähe zum Erwandern. Manche Strassen als auch idyllische Ortsdurchfahrten sind aber mitunter sehr schmal, und wehe du verfahrst dich mal und die Wegerl werden noch enger...... .

Infos gibts hier und hier. Schöne Campingplätze gibts auch genügend und über web leicht rauszufinden.

Will man über einen der zahlreichen Pässe, und derer gibts in der Schweiz viele (man kommt eigentlich nicht drumrum), sollte man sich über die Benutzungsreglements informieren. Für mich persönlich wärs keine Freude, zb. das Stilfser Joch Richtung Trafoi mit einem Womo-Gerät hoch- oder runterzufahren. Um Mittag rum, allgemein bei den doch vielen Velofahrern und noch belebter an Wochenenden ist das eher Stress. Zum groß Landschaftskucken kommst da wohl nicht mehr.

Ps: Wo ich bisher immer die meisten Womos für Übernachtung stehen gesehen habe, war stets aufm Gotthardpass (webcam) Zu dem sind aber auch die Rampen von Airolo und Hospental rauf gut ausgebaut. Ich weiß jetzt nicht definitiv, ob die historische Passstrasse Tremola von Airoloseite hoch für Womo freigegeben ist; aber wer die mit einem solchen Format fährt, tut sich echt was an.

Sir Alottafind 12.12.2018 23:41

Sperre Nauders
 
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Vorweg eine Berichtigung zum Beitrag Burg Campell:
Die als auch der Weiler Campi liegen natürlich nicht übern Hinterrhein, sondern über der Albula. Die Albula mündet ein paar Kilometer weiter in den Hinterrhein, der aus der Via Mala Schlucht ins Domleschg einfließt.



Auf der Tour von Burg zu Burg kommt man an neumilitärischen Bauten wie Festungen oder Strassensperren usw. in A und CH kaum vorbei. Möcht nicht wissen, an wievielen getarnten Geschützwerken, Einmannbunkern oder künstlichen Talverengungen usw. ich schon unbemerkt vorbeigefahren oder -gelaufen bin. Auf dem Weg in Unterengadin nun lag die Sperre Nauders, die ich mir mal ein wenig angesehen hab. Die Bildermenge ist sehr mager.


Ich befinde mich auf dem Anmarschweg nach Graubünden via Österreich.

Das Wetter ist ungemütlich für die Jahreszeit. Überraschungen erlebt man hinsichtlich des Wetters in und nahe den Bergen aber immer wieder. Es ist feucht, es ist relativ kalt, es nieselt leicht, und das Licht ist gegen frühen Abend diesig. Gar viel Verkehr ist nicht, und im Grenzbereich Österreich-Schweiz fahr ich die Reschenstrasse hoch in Richtung Unterengadin. Als Reisender ist das eine sehr einsame Tageszeit.
Hier geht’s kurvig sehr flott bergan, teilweise in Galerien hindurch. In denen kommt man sich zeitweise wie in einer dunklen, feuchten und von oben intensiv tröpfelnden Grotte vor. (Manche sehr 'urige' Tunnels auf italienischen Passstrassenstrecken sind reinrassige schlängelnde enge Grottenbahnen, die keine Ausbetonierung aufweisen und wie frisch/wild in den Fels gebissen aussehen. Wenn einem da ein hochprofessioneller italienischer Fahrzeuglenker mit Kastenwagen voller Schifahrer entgegenkommt, ist meist ein weiteres ergrautes Haar fällig.)

Es taucht rechterhand unvermittelt die Sperre Nauders auf, ein felsgraues klotziges Etwas.

Solche alten müffeligen Militärbauten, massiv hingeklotzt und wenig gemütserheiternd aussehend, wirken bei dem aktuellen Wetterbedingungen noch mal so grauslich. Eigentlich möcht ich gar ned aussteigen aus dem gemütlich verräucherten Wageninnern, wo grad besinnliche Klänge erklingen. Aber dann denkt der brave Mann an die lesewütigen Festungsfans auf sde, überwindet sich und zwackt ne halbe Stund Besuchszeit ab. Scheine der einzigste Besucher zu sein, was die drückende Verlassenheit der Örtlichkeit nochmal unterstreicht. Zirkle in die sparsame Parkmöglichkeit direkt vor dem Hauptgebäude, schlag kurz im Internet Festung Nauders nach, und schnapp mir Kamera und Regenschutz.

Nun stellt sich noch ein italienisches Auto dazu, mit vier jungen Burschen drin. Laut Kennzeichen aus Brescia; die hamms aber auch noch etwas weit bis z'Haus. Leider verstehen die weder Deutsch noch Englisch. Solcherlei und auch verquatschtere Begegnungen gibt’s auf meinen Touren gerne mal, wie später im San Bernardino Hospiz mit einer ausnehmend hübschen jungen und suppeschlürfenden Frau, die sich auf der Heimreise ins Trentino befindet. Solche Geschöpfe trifft man eher selten in den tiefen bayerischen Gefilden. Gottchen, was bin ich doch schon alt und was für ein eckiger Provinzheini!! Zum Glück kann ich recht gut Englisch. Aber das ist eine andere Geschichte.

Das Museum im Sperrwerk ist heut geschlossen, also lauf ich so rum. In der Schlucht gibt’s natürlich auch ein rauschendes Gewässer mit Namen Stiller Bach. So stille ist der gar nicht. Zur Schneeschmelze oder bei viel Regen geht hier wohl richtig die Post ab. Er führt unter dem Bauwerk durch, man kann runter und über ein Brückchen laufen. Dort beginnt ein wahrscheinlich recht neuer und abenteuerlich ausgesetzt verlaufender Metallsteig. Der geht irre steil bergan und ist sehr schmal. Meine hübschen muskulösigen Beine melden bald ihre dringende Bitte um weniger schnelle Steiggeschwindigkeit an. Weiter oben sollen die Reste der frühmittelalterlichen Niklasmauer zu sehen sein, aber dazu ist heut wohl nicht der Tag. Ich kehr eher lustlos um und lass die Bergaufgehjungs gern vorbei.

Es ist recht laut hier in der Enge der Schlucht. Der Bach, dann die Autos und vor allem Laster. Die fahren wie die Gestochenen, und ich muss richtig achtgeben, wenn ich die Strasse überquer und ein paar Meter höherlaufend den Panzergarten ansteuer. Auf dieser Seite der Anlage steht ein Kasernengebäude und hier liegen auch einige verschlossene Eingänge in den Fels. Artillerie steht rum, und eingezäunt ein paar tote Panzer. Mit Waffenphotographieren hab ichs nicht so, deshalb welche hier und da allgemein.
und allgemein

Das Unterengadin, seine Burgen und der ersehnte Schlafplatz bei der Burg Tschanüff warten, daher setz ich meine Fahrt alsbald fort, mit dieser schönen Musike.

ghostwriter 15.12.2018 16:44

burgen und festungen
 
da hat aber einer noch was vor:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/List...in_der_Schweiz
https://de.m.wikipedia.org/wiki/List...in_der_Schweiz

:grbl

Sir Alottafind 15.12.2018 21:08

Das Schöne am internet ist, man kann sich die Burgen und Ruinen vorab ansehen, auswählen und Prioritäten setzen.

Viele der Standorte weisen nur noch Steinhaufen auf, sind sehr schwer zu erreichen oder sehen gleich aus. Zudem kristallisieren sich rund um einen Standort oft weitere besuchswürdige Stellen raus, die nichts mit Burgen zu tun haben. Alle Burgen abklappern wär ne Lebensaufgabe :eek und ist auch nicht mein Ziel. Ich lang in die Vollen, und wenn ich mal auf so einer Burg mit schöner Aussicht dereinst per Herzkasper lächelnd ausm Leben scheiden sollte.... super!

Man muss sich allerdings ein wenig sputen, denn man wird nicht ewiglich gut zu Fuss unterwegs sein können wie momentan :cry
Deshalb such ich auch in hiesigen boarischen Burgenwelten Standorte heim, und im Moment, wegen Kälte, Schneetreiben usw., stören keine lärmerigen Besuchergruppen den Stillegenuss..... Burgen und Landschaften kommen in Nebel und Diesig getaucht eh viel besser, mysteriöööööser. Auch wenns einem die kahle Birne einfriert :rolleyes:.......
Kreisende krächzende Raben übern Pallas gleichen den Unbill mehr als aus.

Sir Alottafind 15.12.2018 21:40

Kürnburg inna Oberpfalz
 
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Damit die heimische Burgenkost nicht zu kurz kommt, hier mal recht frische Bilder von der Kürnburg. Die kenn ich schon aus Kindertagen, und leider kommt man nicht mehr ins Gewölbe unter dem Haupthaus. Da gings früher mal recht tief rein, wurde zugemauert und aktuell können einem Brocken auf den Kopf fallen. Bei der Gelegenheit hab ich mit der neuen Kamera rumgemacht und mit den Einstellungsmöglichkeiten gespielt. Ich glaub, ich brauch noch ein Weitwinkel, aber ein David Hamilton werd ich wohl nie werden.

ghostwriter 15.12.2018 22:24

klasse bilder!! :yeap

hmh,
man könnte jetzt den threadtitel erweitern ...
oder nachträglich ein neues thema dazu eröffnen!?

dann würde es wieder passen ... :grbl

Sir Alottafind 15.12.2018 23:21

Dann erweiter mal den Titel!

Bis jetzt hamma Burgen Schweiz, Industrieruinen Schweiz, Burgen Oberpfalz, Festungswerk Österreich.

Dazukommen werden Pässe Schweiz, Konditoreien Österreich, Botanische Gärten Deutschland/Schweiz, Kirchen Österreich, Festungswerke Schweiz.... .

Wenn ich immer ein neues Thema erstelle, verlier ich den Überblick, was ich schon alles gepostet habe :uii.....

Wie klingt *Sir Alottafind's Expeditionen* ? Oder *2018:Odyssee im Minicamper* :lol

Dir fällt schon was phantasievoll-passendes ein :yeap ausserhalb von nüchternem Beamtensprech.

ghostwriter 15.12.2018 23:31

klingt gut!! :yeap
aber bitte das unterforum beachten ...

Sir Alottafind 15.12.2018 23:49

War jetzt doch ein bisschen auf Deine eingängigen Vorschläge gespannt....:popcorn:........

Es klängte persönlicher, wenn man's 'die Odyssee im Minicamper' nennen tätete, hmmmm :D ??

ghostwriter 15.12.2018 23:55

"wunsch ist wunsch"
... aber ich bin keine fee, die sich bückt!? :uii

Sir Alottafind 15.12.2018 23:57

Für ein 'die' müsstest Du Dich bücken? :eek

ghostwriter 16.12.2018 00:00

wortspielerei :lol

Sir Alottafind 16.12.2018 18:02

Die letzten acht Conversationen inklusive diesem könnte man aus Gründen der Homogenität der Odyssee-Berichtreihe eigenlich löschen.

Bitte nicht als Aufforderung zum Bücken verstehen :uii

ghostwriter 16.12.2018 18:29

keine sorge, die homogenität ist gegeben!!
bitte weitermachen mit den tollen berichten ...

danke :yeap

Sir Quickly 16.12.2018 18:31

Zitat:

Zitat von ghostwriter (Beitrag 942354)
bitte weitermachen mit den tollen berichten

Aber unbedingt! :)

allradteam 16.12.2018 20:32

tolle Berichte mit tollen Bildern - und auch die Links sind nicht zu unterschätzen

was mich allerdings noch interessieren würde: gibt es auch ein Bild vom Minicamper?

Sir Alottafind 26.12.2018 22:21

Chastè da Tschanüff und Burg Belfort
 
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Als kleines Weihnachtspräsent gibts folgend eine kurze Beschreibung meines Besuchs der Burg Tschanüff, Zwischenstopp auf dem Flüelapass, und Bewanderung der Ruine Belfort. Die Burgen liegen im Engadin.

Sehnsuchtsvolles Vorwort:
Wenn ich mal ganz viel Geld hab, oder ne schöne Frau mit Geld, leg ich mir ein Ferienchalet auch im Engadin zu! Man hat immer von den lieblichen Gegenden und Panoramen von dort gehört, und was soll man sagen, es stimmt. Alleine die Ortsnamen wie Vnà und Sins, oder die Berge mit Namen wie Piz Linard, Piz S-chalambert, Piz Buin (da wo die Sonnencreme wächst), Strassennamen wie Fuschina und Bröl Dadaint..... entweder Zungenverschlingung oder Wortklangorgasmus.


Vor dem Standort Tschanüff liegt eigentlich noch die Burg Serviezel. Wenn man die aber recherchiert, lohnt sich ein Besuch zumindest vorerst nicht. Ich konzentrier mich erst mal auf die vollständigeren Exemplare. Aber man kommt ja sicher noch öfter auf der Route vorbei.

Die Nacht wird in der Nähe der Burg Tschanüff und der Ortschaft Valsot-Ramosch verbracht, in einer sehr stillen Ecke. Wie still, wird am nächsten sehr frühen Morgen beim Wischen der beschlagenen Innenscheiben sichtbar: ein sehr hübsch gelegener Friedhof gleich nebenan. Ich ruhte in Frieden.... .
Geschwind den Pott Kaffee aufgesetzt und diesen verträumt auf der Bank sitzend mit Aussicht genippt. So schön klare kühle Luft, kein Lärm, alles liegt einfach so da. Der am Hang gelegene Ort Ramosch ist alleine schon eine Woche Aufenthalt wert. Dann aber natürlich hotelmäßig und in Begleitung. Rundum liegt die Burg, eine prähistorische Siedlungsfläche, Gletschermühlen, Wanderwege bis zum Abwinken. Es geht auch eine Bahnstrecke durchs Tal, somit auch andere Punkte angenehm zu erreichen sind. Um die Morgenstund ziehen die dramatischen Nebelbänke über die Hochtäler herum, die jungen Sonnenstrahlen ergeben ein fast mythisches Hintergrundleuchten und lassen die grünen sanft gewellten Weideflächen im Tal wallen. Is kitschig, gell? Aber was sollst machen, ausser sich dem Anblick zu ergeben.

Der Blick auf die unter mir liegenden Burghügel ernüchtert trotzdem: die Burg ist im Moment eine Baustelle. Dann begnügt man sich halt mit ein paar Photos, plant den Besuch fürs nächste Mal und den Tag flugs um, und macht sich bald wieder auf die Gummisocken. I'll come back!

Etliche Kilometer weiter kommt die Ortschaft Scuol und kurz danach linkerhand das imposante Schloss Tarasp. Auf Bild 4 sieht man im Hintergrund das Gebäude auf dem Hügelchen. Leider gibt’s um die Zeit meines Vorbeikommens keine Führungen. Also noch ein Titel mehr auf der ToDo-Liste.

Am weiteren Weg liegt die Burg Steinsberg, die ich aber auch erst mal aussen vor lasse. Verkehr ist praktisch null und man kann entsprechend langsam dahinrollen und viel gucken. Fenster auf, Schiebedach auf. Cabrio wär jetzt auch nicht schlecht. Durch die gewonnene Zeit gibt’s Raum für einen Abstecher den Flüelapass hoch. Je höher ich fahr, desto kälter wird’s wieder. Und schließlich steh ich auf dem Pass in 2383 Meter im Schnee. Die Strass ist aber schon vollkommen freigeräumt. Die Besatzungen der abgestellten Räumfahrzeuge kippt wohl gerade ihren verdienten AfterWork-Käffli im Passhospiz (das natürlich auch eine webseite hat). Man beachte die doch recht moderaten Übernachtungspreise.
Es wird kontinuierlich mehr mit dem Kaffeetrinker/Jausenmacherverkehr. Manch Tesla kommt von der Davoser Seite hoch mit älterem Inhalt, und fährt auch wieder die gleiche Richtung runter. Naja, zum Morgenfrühstück kurz den Pass hoch, so stell ich mir auch mein dereinstiges Rentnerdasein vor. Die Sonne knallt dermaßen vom Himmel, dass ich meine Sonnenbrill bemühen muss. Die obligate TassKaff als Tageszweitschuss im Hospiz (Wirtshaus) schmeckt, und was für ein sonnendurchfluteter Wirtsraum. Ich könnt in so Restaurationen stundenlang hocken und Leute redenderweise belästigen.

Da ich ja übern Albulapass möchte, fahr ich nach Befriedigung der Fühlschaulust meine Flüelarampe wieder runter, überquer auf 2312 Metern den Pass und komm bei der schon beschriebenem Schmelze Bellaluna an. Dazu noch ein interessanter link nachgeschoben; Stöbern erlaubt.

Die Albula lass ich beschreibenderweise mal aus, dazu gibts sicher später mal mehr. Es folgt ein Besuch auf der schön gelegenen und sehr gut zu Fuss erreichbaren Burg Belfort. Zu der hab ich einen sehr schönen Drohnenfilm gefunden.

Frequentiert ist die Burg nicht, was mir natürlich willkommen ist. Liegt wohl am Wochentag, der Tages- und Jahreszeit. Es gibt einen kleinen unbefestigten Parkplatz, von dem man in einer Viertelstund zur Burg hochgehen kann. Einzig ein großer Geländewagen mit Kastenaufbau und offener Ladeluke steht da. Wie sich rausstellt, zum Auslüften vom Hundeduft: eine recht hübsche Frau mit zwei Hunden und zwei Kindern begegnet mir auf ihrem Rückweg zum Auto. Ist sehr schön zu laufen der Weg und so langsam schält sich die Burg aus dem dichten Wald ins Blickfeld. Eine ziemlich neue hölzerne Brücke ist zu queren (dessen Spender auf einer ziemlich großen luxuriös anmutenden Messingplatte (!) am Fels festgemacht genannt sind).

Kurz vor der Burg taucht als erstes rechts eine Lastenbahn auf. Davon träumt wohl der eine oder andere hiesige Burgenrenovierer, wenn er mit ein paar willigen Hilfskräften abgerollte Originalsteine hochschleppt.
Neben dem Eingang ist eine Supporterliste angebracht (Bild 12). Dergleichen hab ich in D noch nicht gesehen. Können sich die Schweizer eher zusammenraufen für so ein Projekt?
Im Innenhof windet sich eine Stahlkonstruktionstreppe hoch zum an der Aussenmauer angebrachten 'Balkon'. Beim Beschreiten merk ich, dass alles irgendwie schwingt; da habens ein wenig an Materialstärken gespart, die Eidgenossen. Das feingefühlte Schwingen befördert meine jüngst ausgebrochene Höhenangst massiv. Bild 17 zeigt, wo definitiv Schluss war mit Weitergehen. Auch auf Belfort findet sich diese spezielle Pietra Rasa Mörteltechnik, und die Qualität des neueren Renovierungsmörtels als auch die Anwendung scheint viel besser zu sein als zum Beispiel auf Oberpfälzer Burgen.
Eindrucksvoll sind die Durchblicke durch Fensteröffnungen und Durchgänge aufs Gebirg. Was sich mir nicht erschließt ist der betonierte Säulenstumpf (auf Bild 19 unten sichtbar). Für einen Messpunkt vielleicht??
In der Vorderfrontansicht ist diese perfekte Linie zu sehen, die zwei Baukörper trennt. Ausdruck des berühmten Schweizer Hangs zur Perfektion? Was sagt eigentlich ein sorgnix zu solchen Baukörperanschlüssen?

Vorne raus befindet sich links ein hübscher kleiner Chrüütergarten. Vom dort sprießenden Pfefferminz zupf ich ein paar frische Blätter für den Tee am nächsten Morgen. Das weitere Burgengrundstück hangabwärts geh ich nicht runter, weil ich schlicht einfach zu faul bin im Moment (recht steil.....) und dort unten eh ausser dem Grillplatz nichts zu sehen gibt. Ausserdem nagt der Hunger an mir, so ich meine Schritte zurück zum Wagen lenk. Am Parkplatz angekommen komm ich ins Gespräch mit einem Ehepaar aus Deutschland. Und welch ein Zufall, die kennen meine Heimat durchs Urlaubmachen! Dem Familienvater lege ich die wahnsinnig tolle Aussicht vom Burgenbalkon ans Herz, die ich angeblich natürlich in vollen Zügen genossen hätte. Gern wüsste ich, ob er es gewagt hat.

Sir Alottafind 26.12.2018 22:25

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...und der Rest

Sir Alottafind 26.12.2018 22:28

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... und der restliche Rest

U.R. 26.12.2018 22:43

Post 31 Bild 2 sieht ja mächtig Gefährlich aus!


Lese immer wieder gerne mit...:clap+ :Proscht

Sir Alottafind 26.12.2018 23:44

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Durchs Einfügen der Übersichtskarte bitte bei den Bildangaben immer plus eins bitte!

Du meinst das Bild mit der Kurve und linkerhand dem Friedhof, U.R.?
Täuscht ein wenig.

Geradausfahren ist im Gebirg nie gut und von längeren Purzelphasen geahndet.
Richtig fliegen ginge auf Strecken wie der Tremola auf den Gotthard. Die Stempelchen würden wohl nicht viel aufhalten.

Sir Alottafind 30.12.2018 01:45

Castello di Mesocco
 
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Ich weiß jetzt gar nicht mehr, welche Burg/Ruine oder so ich mir vor dem Castello angesehen habe. Liegts am Alter, oder man müsst mal ein Hurenbuch führen, aufgrund dessen die Tourenpunkte zeitlich nach der Reihe nachvollziehbar sind.
An der Festungsanlage bin in der Vergangenheit schon ein paar mal nächtens vorbeigekurvt. Die Schweizerischen Autobahnen und Alpentunnel fahr ich nicht so gern, obwohls mit den generell 120km/h sehr entspannt und vergleichsweise schnell vorangeht. Die Nebenstrassen oder alten Passstrassen geben visuell auch viel mehr her, pressiern tuts ja auch nicht (und die kosten keine Vignette...). Wenn wir mal den Drehort von den Don Camillo & Peppone Filmen besuchen, Brescello in der Poebene, dann kann man sicherlich durch die CH auch mal durchsausen (bei der Gelegenheit: wer kennt den Film 'Das vergessene Tal' mit Michael Caine? Gedreht wurde der Film in Trins. Die Ortschaft liegt quasi am Weg, wenn man den Brenner benutzt).





Kurbelt man die alte Strasse das Valle Mesolcina zum San Bernardino hoch, erhebt sich kurz vor der Orstschaft Mesocco rechterhand das besagte Castello. Das Ding liegt richtig sperrig im Tal, für eine solche Anlage der perfekte Ort.
Das Wetter besteht aus schmerzend blauen Himmel und strahlendster Sonne mit sehr angenehmer, nicht zu warmer Temperatur. Links raus auf einen Parkplatz (der ist wohl für die Besucher der Anlage gemacht, sogar ein kostenloses WC gibt’s da) und erst mal die Beine vertreten. Das ist jedesmal ein so anregender Moment, wenn man die Kiste an ein Ziel gebracht hat, und einige Stunden Ungewiss und Gucken vor einem liegen. Für die notwendige Laufkraft noch einen Schoki und Flüssigkeit konsumiert, die Wanderschuch angeschnallt, und los. Die Strasse und eine Brücke überquert gelangt man rasch zum Festungsgrundstück. Sehr schön: niemand da, ausser mir, alles nur für mich!
Es stehen am Fuss der Erhebung große alte Bäum rum, mit Bänken drunter. Die merk ich mir zum Verweilen beim Rückzug. Links erscheint die romanische, uralte Kapelle Santa Maria del Castello mit einem sehr großen Fresko (Christopherus?) an der Aussenwand. Ich möchte rein, weils da wunderbare alte Wandbilder zu sehen gibt, aber es ist zu.
Der unbefestigte Weg geht nun steiler bergan, rechts den Hang nauf ragen die Aussenmauern der Festung hoch. In der linken Aussicht über den Taleinschnitt erkenn ich einen windverwehten Wasserfall. Die Richtung sollte man auch mal fussläufig erkunden.... . Und dann steht man vor dem Eingang mit Schmiedeeisentor. Unerwarteterweis beginnen hier stärkere Windböen meinen Kopf zu umwehen, was dem Erleben des Ortes aber eher zuträglich ist. Wie wird das wohl sein bei Gewittern, die das Tal dramatisch hochsteigen?
Als erstes umfängt einen trotz der periodischen Hintergrundwindgeräusches die eigentümliche Einsamkeit und Abgeschiedenheit des Platzes. Man wird empfangen von sattem Rasengrün und getürmten Steinmassen in verschiedenen Geometrien. Markant ragt der Turm der Festungskirche San Carpoforo aus dem Steinmeer in den blauen Himmel. Eine recht große Fläche, viel zum rumlaufen. In einer Ecke fang ich mal damit an und arbeite mich durch die Materie. Ohje, was Photographieren, welcher Blickwinkel, wenn jeder Blick das reine optische Futter ist.
Ich finde einen von den alten Mauern windgeschützen Fleck, mit besagtem fast perfekten grünen Rasen. Das zwingt einen geradezu zum Niederlegen, feucht ists ja nicht. Also lieg ich da, zehn Minuten etwa, und seh schweifend in den Himmel mit den alten Mauern als Bilderrahmen. Solche schönen Verweilschauecken gibt’s dererlei einige am Ort. Aber dann wirst ja nicht mehr fertig mit dem Besuch..... . Ich bedauere zutiefst, dass kein Mädel mit mir ist. Man kann halt nicht alles haben (zumindest nicht heute...).
Die Ausblicke ins Tal runter sind optische Zuckerlis und wechseln je nach Standort auf der Festung. Man sinnt nach, dass die ehemaligen und längst vermoderten Besatzungen den gleichen Ausblicken frönte, allerdings vermutlicherweis mit besorgten Gesichtsausdrücken und nicht so verzückt starrend wie ein boarischer Besucher hunderte Jahre später.
An einigen Stellen erblickt man zb die zylindrische Vertiefung im Stein für die Türdrehung. Gleiches Drehsystem hatten's hier auf bayerischen Burgen auch. Schön gemauerte Steinbögen, Reste von Kapitellen, pittoreske Treppenaufgänge, Reste von Wandmalereien..... .

Wie lange ich in dem Gemäuer schon rumlaufe, weiß ich nicht. Den Begriff Zeit gibt’s momentan einfach nicht. Langsam nähere ich mich wieder dem Eingangstor, schau nochmal tiefeinsaugend über das Panorama und verlass mit einem Gefühl des Abschieds von einem besonderen Ort die Festung. Der Kaffee im Hospiz San Bernardino wartet ja auch schon, und das Wetter scheint weiter oben ein wenig umzuschlagen. Auf der schnuckeligen Bank unter dem herbstgelbrotlaubigen und sonnendurchglitzerten großen Bäumen drunten bei der Kapelle gönn ich mir noch ein kleines Zigarillo als letztes innehaltendes Rausschmeißerchen und erreiche wieder mein kleines fahrbares Hotelchen. Macht sich jetzt gar so was wie Abschiedsschmerzchen breit?? Ein bissl wohl schon. Alles rundum hat man sicher nicht gesehen, und auch hier gilt die Erkenntnis, dass man auch in einer Woche Verweilzeit nicht alles sehen könnte.

Dann schraub ich mich halt weiter die Passstrecke hoch, natürlich wieder mit passender Musike untermalt. Das Wetter und Wolken werden jetzt gegen frühen Abend knackiger, die Kontraste zwischen verschwindenden Sonnenanteilen und grauen Bereichen im Himmel werden stärker. Da kriegst ein erhebendes Gefühl für Weite und malerischer Dramatik. Oben auf dem Pass kippts schon ins nur Graubläuliche mit letzten Resten des verschwindenden Sonnentages auf die gegenüberliegende Bergmassiv projeziert. Der Wind geht jetzt unangenehm, passt aber zur Örtlichkeit auf 2067 Metern. Lieblich sein kann der Pass aber auch.

Die meisten der alten Bauten an Passstrassen strahlen eine totale Verlassenheit und harte Einsamkeit aus, und total verlassen sind sie ja auch. Auf dem Furkapass, wo ich das erste Mal in meiner Schweizer Touren Karriere im Auto nächtigte, boten die beiden Hospizgebäude gegen späten Abend vor einem auftauchend und knapp vor einem Schneetreiben hohes Gruselpotential. Wenn man dann nächtens zum Pieseln rausgeht, hat man schon ein halbes mißtraurisches Auge auf die schwarzen Blöcke.... .
Das Hospiz auf dem Bernardino hat auch was Bedrückendes, aber es gibt einen sehr guten Kaffee im Restaurant/Bar/Caffé. Empfangen wird man im ersten Stock von Charme vergangener Zeiten, angeregtem Fremdsprachengesäusel, Stühlegerücke, feines Geschirrgeklapper und unverständlichen Konversationen zwischen Chef und seiner asiatischen Frau, die kochen tut. Alte Tische, alte Stühle. Jedoch nicht mit so einer aufgesetzten Antikwirkung, sondern einfach echt. Man kann sich vorstellen, dass zu früheren Zeiten das mühsalbeladene Wandervolk mit Behagen aus den Fenstern auf die unwirtliche Bergwelt geblickt hat. Schon die Römer sind hier durchgelaufen. In einem der recht beengten Schankräume steht ein steinern (Magnesit?) verkleideter Ofen mit 1878 als Jahreszahl drauf. Es ist wohl noch nicht kalt genug draussen zum Einschüren.
Gibt Kaffee, Suppen, Eis usw zur Auswahl. Nächstes Mal bestell ich wohl die gleiche heisse Suppe (Minestrone?), welches am Nachbarstische einladend einsam ein hübsch Mädel löffelt. Es entspinnt sich ein Dialog übers Woher und Wohin, beflügelt vom gemeinsamen wohligen Schicksal des Reisens. Tja, so Begegnungen....... manchmal können die durchaus zu wunderbar scharfen Abbiegungen im Leben führen. In dem Fall fast schon leider nicht.

Kommt man auf den Bernardino, sollte man einer alten Gepflogenheit nach auch ein Steinmännchen aufschlichten. Ein solches ist schnell gemacht, weil das Gestein dort (Bündner Quarzit) schön plattig vorliegt. Von solchen Männchen von winz bis drei Meter gibt’s mittlerweile wohl einige Hundert auf dem Passbereich. Mein Steinzeichen ist schon errichtet.

Nun denn neiget sich der Bericht dem Ende, schon weil die Sonderangebotspackung Edle Tropfen in Nuss leerschnabuliert und die vierte Tasse Incarom-Caffe intus ist. Muss mir mal Gedanken machen, ein günstiges Weitwinkel für bessere und unverzerrtere Architekturphotos zu ziehen.

Sir Alottafind 30.12.2018 01:48

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Sir Alottafind 30.12.2018 01:51

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Sir Alottafind 30.12.2018 01:59

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U.R. 30.12.2018 05:29

Sieht wirklich kahl ,kalt und einsam aus auf den Bildern, aber Bilderbuchwetter!

Nichts Gemütliches im Gasthaus zu sehen.


Zitat "die zylindrische Vertiefung im Stein für die Türdrehung".

Ist damit der abgescheuerte Radius durch die Tüt im Gestein gemeint?



Gruß :popcorn:

Sir Alottafind 30.12.2018 12:27

Ein paar Bilder vom Pass sind schon älteren Datums, und damals war blauer Himmel und spiegelglatte Seefläche.

Das Hospizinnere ist schon sehr reduziert. Lichtquelle, wie ich mich erinnern kann, war Neon. Aber wennst das Dielenholz knarzen hörst und die 'Betriebs-Gastgeräusche', fällt das nicht so sehr ins Gewicht. Für allzulangen 6GängeMenue-Aufenthalt ist die Lokalität eh nicht gedacht.

Türe/Tore seinerzeiten drehten sich per im Stein versenkter Holzachse (Angel?). Auf dem Bild sieht man eine solche vertiefte Achsenführung.


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