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fleischsalat 15.06.2013 12:30

Bronzezeitliche Dolchscheide
 
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Hier seht Ihr das „Making-of“ einer bronzezeitlichen Dolchscheide.
Angelehnt an die Dolchscheiden(-Reste), die im Fürstengrab von Leubingen (Thüringen) gefunden wurden, wird meine auch aus Holz und Leder gefertigt.

Die Scheide sollte wenn möglich zeitgleich mit dem Dolch gebaut werden, da sie an ihn angepasst werden muss. In meinem Fall hatte ich noch eine Klinge übrig, die aufgrund eines Gussfehlers zu Testzwecken benutzt werden konnte.

Am Anfang steht die Wahl des richtigen Holzes: Da solch eine Scheide relativ aufwendig zu bearbeiten ist, nimmt man am besten ein leichtes Holz (hier Nadelholz).
Die Länge des benötigten Aststückes muss logischerweise größer sein, als die der Klinge.

Hat man nun ein geeignetes Stück gefunden, wird es der Länge nach gespalten. Dann glättet man die Innenseiten mit einem Abschlag, so man noch kein Metallwerkzeug dazu besitzt.

Ist die Innenseite so glatt, dass beide Hälften ohne zu Kippeln aufeinander liegen, macht man ein Feuer und legt die Klinge hinein. Keine Angst, der Klinge passiert nichts!
Nach einer Weile verfärbt sie sich violett.

fleischsalat 15.06.2013 12:34

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Nun kann die Klinge mit einer Holzzange aus der Glut genommen werden.
Man sollte vorher sicherstellen, dass die Holzzange die Klinge auch sauber packen kann, denn beim nächsten Schritt ist Präzision gefordert: Man legt die heiße Klinge auf die eine Holzhälfte und presst die zweite mit aller Kraft darauf. Hierbei müssen die Ecken genau zueinander ausgerichtet sein.
Was bei diesem Arbeitsschritt passiert, ist gleichermaßen einfach wie genial: Die heiße Klinge verkokt das Holz und sorgt so für ein exaktes Negativ, welches nur noch wenig Nachbearbeitung erfordert.

fleischsalat 15.06.2013 12:38

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Als nächstes wird die Scheide in ihrer Breite etwas näher an das gewünschte Maß gebracht. Soweit möglich, sollte man grobe Werkzeuge verwenden.
Wenn dies geschehen ist, wendet man sich der Innenseite mit dem Klingenabdruck zu. Alles verkohlte wird vorsichtig mit einem Holzmeißel entfernt. Um ein Verrutschen zu verhindern, sollte das Werkstück mit Stöckern am Boden fixiert werden.
Die Schläge auf den Meißel müssen vorsichtig ausgeführt werden, denn wenn man jetzt zuviel Material entfernt, kann es sein, dass der Dolch später zu locker in der Scheide sitzt.

fleischsalat 15.06.2013 12:42

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Zwischendurch sollte man prüfen, ob die Klinge schon passt.
Wenn dem so ist, ist nun die Außenseite der Scheide an der Reihe: Sie wird nach und nach abgeflacht. Die groben Arbeiten lassen sich hervorragend mit einem Holzmeißel ausführen, für die feineren eignet sich dann doch ein frischer Abschlag etwas besser.
Wer möchte, kann das Holz nun noch mit Schachtelhalm glätten. Falls man die Scheide allerdings noch bespannen will, ist dies nicht nötig.

(Schaut Euch mal die Flämmung des Holzes auf dem letzten Bild an:eek- Ich war schon drauf und dran, das Ganze so zu lassen)

fleischsalat 15.06.2013 12:47

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Jetzt geht es mit dem Leder weiter: Zuerst wird es um das Holz gelegt und falls erforderlich zurechtgeschnitten. Bei der Gelegenheit sucht man sich aus, welches die Schauseite wird und wo eine Gürtelschlaufe am besten sitzt.
Beim Anpassen des Leders sollte man auch gleich die Löcher für das Garn mit einem Pfriem herstellen, da selbst eine gut gearbeitete Geweihnadel bei Leder schnell an ihre Grenzen stößt.
Wenn das alles soweit vorbereitet ist, wird die Gürtelschlaufe geschaffen und auf das zweite Teil aufgenäht.
Dann näht man die Außenhaut fest um das Holz und schneidet eventuell überstehende Reste ab.
Die Nähte aus Hanfgarn sollten doppelt ausgeführt werden.

fleischsalat 15.06.2013 12:56

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Fertig!
Zum Stempeln des Leders gibt es demnächst noch ein gesondertes Thema, denn es ist nicht ganz ohne...:eek:D

fleischsalat 15.06.2013 15:20

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Um nochmal auf die thermische Verfärbung der Klinge zurückzukommen-
Wie man auf den Bildern sieht, lässt sich die Verfärbung mittels Sandstein und Wasser sehr leicht wieder entfernen.

Drusus 15.06.2013 15:56

Herzlichen Dank für die tolle Anleitung und die Bilder. Ich hab zwar nicht annähernd die Muse, sowas mal selbst zu probieren ;), aber es war dennoch sehr interessant zu lesen und anzuschauen! :)

Viele Grüße,
Günter

elcapitan 16.06.2013 00:13

Respekt Herr fleischsalat !!!

Dennoch komm ich um die übliche Kritik nicht rum.....

Über 50 % der Masse, sitzen "über" der Scheide....folglich hätte der Leubinger Fürst das Teil bei der ersten Turnübung wohl verloren....

Zum flanieren sicher ganz schick, aber im damals täglich rauen Einsatz, ist der Verlust des Dolches vorprogrammiert.....

Die Griffform ist eigentlich, für eine über das Parierelement hinausgehende Steckscheide aus Leder, in der Ausformung bestens geeignet.

Darin wäre das gute Stück um einiges besser aufgehoben.....

Gibt es Bilder vom Original ?

Gruß !!!

fleischsalat 16.06.2013 16:10

Zitat:

Zitat von elcapitan (Beitrag 776514)
Respekt Herr fleischsalat !!!

Dennoch komm ich um die übliche Kritik nicht rum.....

Über 50 % der Masse, sitzen "über" der Scheide....folglich hätte der Leubinger Fürst das Teil bei der ersten Turnübung wohl verloren....

Du alte Meckerziege:D:iron
Die Bilder täuschen ein bisschen- Die Scheide ist etwas länger, als es aussieht. Der Kreuzpunkt des Dolches liegt knapp unter dem Mund der Scheide, das ist nicht ganz ideal, aber es funktioniert.
Der Dolch hat einen festen, aber nicht zu strammen Sitz. Er lässt sich leicht ziehen, aber man muss die Scheide dennoch etwas festhalten.
Das Gewicht von Klinge und Scheide genügen, um das ganze Gebamsel senkrecht zu halten.


Zitat:

Zitat von elcapitan (Beitrag 776514)
Zum flanieren sicher ganz schick, aber im damals täglich rauen Einsatz, ist der Verlust des Dolches vorprogrammiert.....

Genau das ist der springende Punkt: Dolche, Schwerter usw. haben hauptsächlich als Statussymbol gewirkt. Die Funktionalität war erstmal zweitrangig- hauptsache, es sah gut aus (Diverse Funde von praktisch unbrauchbaren, aber reich verzierten Waffen belegen dies ausreichend)

Zitat:

Zitat von elcapitan (Beitrag 776514)
Die Griffform ist eigentlich, für eine über das Parierelement hinausgehende Steckscheide aus Leder, in der Ausformung bestens geeignet.

Darin wäre das gute Stück um einiges besser aufgehoben.....

Gibt es Bilder vom Original ?

Gruß !!!

Nein, es gibt leider keine Bilder. Die Zusammensetzung der Dolchscheiden aus dem Fürstengrab von Leubingen wurde anhand chemischer Analysen aus dem anhaftenden Material belegt.
Mitunter haften an bronzezeitlichen Funden Holzreste an, die durch die Verbindung mit den Metalloxiden erhalten sind.


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