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Alt 25.03.2019, 09:52   #20
Zappo
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Zitat von maffyn Beitrag anzeigen
und die Regel und das "natürliche Empfinden von nichtnatürlichen Städten" kommt woher? Wer hat die aufgestellt? Tja, eben!!
Dein Text bestätigt ja quasi wie genau hintenrum so eine echte "elite" arbeitet ;-) Der Sklave merkt es gar nicht und denkt es ist ja alles ganz natürlich so.

So ein Germane hatte sein grosse Langhaus, das eingekreiste befriedete verpalisadierte Dorf mit seinen Häuseln drin, samt Vieh und die Götter sassen auf dem Berg oder im Baum. Zentren, wie die auf den Hertzsprungschilden dargestellten, waren eher die Ausnahme. Wie hätte der so eine mittelalterliche Stadt empfunden? (denen, denen das zu römisch usw. war, die segelten ja auch nach Island und sagten LmaA...)

Mein Verständnis ist ja genau in dem Punkt die "heilige Geometrie", wo ich mir vorstelle, daß es genau durch Anwendung jener möglich war, die Menschen zur Annahme so einer Stadtkonstruktion zu bewegen! Oder das als irgendwie "natürlich" zu empfinden, weil eben die geometrische Ordnung Ausdruck höherer Prinzipien ist...
Wenn (WENN) ich Dich richtig verstehe, dann gehst Du also davon aus, daß da jemand (die Elite) irgendwann beschlossen hat "wir werden ab jetzt die Obermuftis und wenn wir unsere (?) Städte so und so bauen, dann werden wir das auch so bleiben. Und das erreichen wir ganz easy dadurch, daß wir bei der Stadtplanung dafür sorgen, daß die heilige Geometrie da berücksichtigt wird".

Da bleiben denn doch ein paar Fragen - nicht zuletzt, woher die heilige Geometrie denn so weiß, wem sie dienen soll - und warum sie das tut

Warum kann das nicht alles viel einfacher sein? Die Welt ist so, weil wir so sind, wie wir sind. Da brauchts keinen übergeordneten Plan.

Jeder, der das Sagen hat, will das weiter so (er)halten. Jeder, der von den anderen lebt und nutznießt, will das auch weiter so tun. Alles, was wir bauen (oder anziehen oder wie wir handeln) hat zu großen Teilen damit zu tun, andere zu beeindrucken und die eigene Wichtigkeit zu unterstreichen - und die Unterprivilegierten in die Schranken zu weisen.

Und das trifft auf Gutsherr, König, Kirche oder einfach den, der Pferde statt Kühe hat, auch zu. Da machen alle mit. Immer und in jeder Zeit.

Das Haus des erfolgreichen Tuchhändlers im Mittelalter sieht anders aus als das des Flößerknechts. Da wird präsentiert. Die unzähligen Burgen bei uns in der Pfalz haben genau DIE Aufgabe - oft fortifikatorisch (bis auf Lage und Mauer) fortifikatorisch völliger Unsinn - demonstrieren sie Macht und "ich King - DU Depp". Heute brauchen manche dafür Goldkettchen, Jogginghosen und AMG-Mercedesse

Und die Kirche muß - entsprechend ihrer Wichtigkeit im Leben - eben auch ein prächtiges Gebäude sein. Und genau DAs hat auch der Schafhirte so empfunden. Weil Kirche, Religion bzw. der Kampf ums Seelenheil damals völlig REAL war.


Das Langhaus des oft von erfolgreicher Wikingfahrt heimgekehrten Nordmanns ist im übrigen auch ein repräsentatives Gebäude- und auch seine Klamotte und sein Trinkhorn und alles. Denn auch "so ein Germane" lebte von sozialen Unterschieden. Das ist ja jetzt keine Erfindung von Städten oder deren Planern.

Und die Situation ist doch auch nicht, daß die Leute vor der Entscheidung standen, daß sie in die (fertige?) Stadt ziehen oder im Langhaus bleiben sollten.

Städte sind ja in den allermeisten Fällen gewachsen - d.h. auch z.B. Strasbourg ist von einem kleine Fischerdorf über JahrHUNDERTE zur Stadt geworden. Und das Münster war irgendwann auch ne kleine Kapelle (und vorher ne heilige Stätte, m.Ws. - und der nötige Platz aussenrum wurde dann durchs Abreissen geschaffen. Natürlich ist das alles Ausdruck von Macht und - wenn man so will - Unterdrückung. Aber ob das mit der metergenauen Stadtkonstruktion nach irgendwelchem übergeordneten, generationenlang weitergereichten Plan zu tun hat, wage ich zu bezweifeln. Wir sind ja nicht bei Dan Brown.

Die Gelegenheit zum "Städtebau" d.h. vom grundsätzlichen Planen einer Stadt von Grund auf sind ja eher selten - das betrifft ein paar Städte des Mittelalters und der Neuzeit - möglich ist das auch nach irgendwelchen Katastrophen wie Neros (?) Rombrand und unseren Weltkriegen. Nach den Wirren der französischen Revolution usw. wurde der Stadtkern von Paris neu organisiert - schöne breite Boulevards, auf denen sich viel Militär ausbreiten und vorrücken kann, geteert, nicht gepflastert, damit der Pöbel keine Barrikaden errichten kann - und schnurgerade, damit Kanonen möglichst effektiv wirken können.

DAS sind denn doch handfestere machterhaltende Maßnahmen als ne heilige Geometrie.

Mit "Regeln" im Städetbau meine ich im übrigen das Berücksichtigen der Empfindungen, die wir seit hunderttausenden Jahren mit uns tragen. Das ist u.a. das, was uns in Städten (und Gebäuden) Verengungen und Erweiterungen, Durchgänge und Plätze* genießen lässt - und was bestimmt, wo Du zuhause Deine Couch und Dein Lagerfeuer ähhhh Fernseher hinstellst - und welchen Platz Du dir in der Kneipe raussuchst (wenn er frei sein sollte).

DAGEGEN sind alle zielgerichteten menschengemachten Absichten ne Lachplatte.

Gruß Zappo

*Wenn wir auch in Sienna den reizvollen Marktplatz, die Gassen und die Dachlandschaft bewundern - zuhause müssen wir ums Haus rumfahren können, kriegen Schnappatmung, wenn Nachbars Regenrinne 10 cm über unsere Einfahrt ragt und führen Prozesse, damit wir entgegen dem Bebauungsplan pinkfarbene Ziegel aufs Dach packen können.

Sorry, kleiner Exkurs eines Planers. Ich muß jetzt arbeiten
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