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Alt 29.11.2018, 21:47   #5
Sir Alottafind
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Felszeichnungen Carschenna

Especially für you, Eisenfalter, Du mein einzigster Lesefreund......



Die Großlage ist wie gehabt aus der angehängten Karte zu ersehen.


Noch O2-gesättigt von der Lauferei vom Vortag wach ich ohne Weckerunterstützung in meinem warmen Fahrzeugnest um 7.00 auf. Wie bequem doch so ein popeliger Van sein kann. Ein Glück, dass das Auto ein Schiebedach hat; kann man einen Spalt öffnen, damit nicht der ganze Männerdampf drinnebleibt.

Ich merk's schon: draussen ist es zwar gut hell, aber keine einladenden Sonnenstrahlen. Himmel ist ziemlich verhangen, es ist kältlich, und der Gedanke 'Leg dich wieder nieder, penn dich aus, fahrst zum nächsten Nettcafe und kippst dir einen tollen Verlängerten und ein paar Kuchen rein' schleicht durchs Hirn.
Nönö, des machma jetzt, rauf zu den Felszeichnungen!! Das Radio angemacht, und zu konservierten Klängen von diesem und jenem gibt’s erst mal selbstredenderweise ne Wanne Selbstmachkaffee und zwei größere Wurschtsemmeln mit Gürkchen. Und während man sinnend vespernd dasteht, röhrt von irgendwo von den Hängen runter ein (wahrscheinlich) Hirsch. Der wird ja wohl doch nicht auf mich warten.... .
Werf mich in meine Superwanderselbstlaufstiefel, check nochmal ob auch überall volle Batterien drin sind, schwing den daypack um und die Stapferei geht los.

Es geht schon zu Anfang etwas steiler den Forstfahrweg hoch, rechtslinks steiles Gelände mit hohe Bäum, und man geht’s ein wenig gemächlicher an, damit der Apparat langsam auf Touren kommt. Nach einer Weile gibt’s den ersten Ausblick ins gesamte Domleschgtal bis zum Quertal. Hätte jede Burg/Schloss in diesem Tal in diesem Moment ein Leuchtzeichen an, wären mindestens 18 Leuchtpunkte in diesem Tal sichtbar. Einige davon werden mich früher oder später kennenlernen.

Und es fängt an zu Wummern. Ein Lastenhubschrauber bringt vom Gegenhang schräg links gegenüber über den Hinterrhein aus hohen Lagen Holzstämme ins Tal. Raufrunterraufrunter. Eine gute halbe Stund lang sind die am werkeln. Vom Weg vortags den Albulapass runter, bei der Rast in Bellaluna (https://de.wikipedia.org/wiki/Bellaluna) an einer historischen Erzschmelze (auch dazu gibt’s hier noch einen kurzen Bericht/Bilder), konnte man den Stammtranport per unglaublich langer mobilen Seilbahn den Berghang surrend runter bewundern.
Absolut erwähnenswert sind diese metallenen Wanderwegschilder. Edeledeledel, sag ich nur. Wo bei uns auf einer zerfallenden Holzplatte ein ebenso zerfallendes Plastikschild prangt, haben's hier solche schöne stabile Teile.

Der Himmel über mir wird stellenweise hellbläulich, weiter droben wird’s also Sonne geben. Juchhu! Ich erreich ein größeres Wiesenplateau, welches wahrscheinlich zu dem Stolleneingang gehört, der plötzlich am Weg auftaucht. Solide verschlossen, industriell aussehend, nicht mehr in Betrieb, aber im gepflegten Zustand. Wohl hab ich das Schild gelesen, welche Gesellschaft oder Betreuungsverein usw., aber leider nicht photographiert und somit vergessen. Im web könnt man's schon rausfinden. Hauptsache, ich kann mich vor dem Stolleneingang pausemäßig in die warmen Sonnenstrahlen hocken.

Und weiter geht’s. Plötzlich knatterts hinter mir, wird lauter, und ein rauchendes Enduromotorrädchen irgendwo aus den Siebzigern entsprungen, ohne Nummernschild und mit einem kleidungsmäßig zeitlich ebenso daherkommenden Fahrer drauf zieht stinkend an mir vorbei. Der Fahrer erwidert lässig meine Grußgeste, aber er hätt mich schon fragen können, ob ich nicht als Sozius mit hoch fahren hätte wollen. Ich hätt laut Ja gesagt. Der Forstweg ist für öffentlichen Verkehr gesperrt, so wird es wohl ein Almbewirtschafter gewesen sein. Allerdings, wenn man in einem Hotel wohnt, kann man sich mit Genehmigung auch hochfahren lassen.

Der Wald mit seinen stattlichen Bäumen wird stets lichter, die ersten Wiesenfreiflächen tauchen auf. In einer Kurve steht ein schiefes Schild: Strahlen verboten! Mein schnaufendes Hirn denkt sich erst, was??, Pinkeln soll hier verboten sein...... ??. Scheints also hier Mineralien zu geben.

Es ist ein komisches Gefühl, wenn man sich einer glockenbimmelnden Weide nähert, und irgendwelche haarige kleine Tiere (Mischung aus Ziege und Schaf) verharren abrupt absolut regungslos und das Gebimmel bedrohlich stille schweigt. Alle Augen gerichtet auf den daherkommenden Wanderer. Dann fängt eins von den Viecher an, auf einen zuzurennen und wild zu ….keine Ahnung … blöken oder määh. Der große Rest zieht nach, und ein wenig Grusel überkommet mich. Das dürre Zäunchen wird mich nicht retten. Man ist's halt nicht gewohnt, dass man derart freudig mit dem Futterbringer verwechselt wird.

Dort oben stehen recht hübsche kleine Holzhütten, die offensichtlich auch weidefremden Erholungszwecken dienen. So schön gestaltete freistehene Lokusse und Relaxingmöbel hab ich selten gesehen. Das Ziel des Wegs als auch dieser Schilderung kommt näher. Der Weg zweigt jetzt nach rechts ab, übergehend in die huggelige leichte Steigung eines Trampelpfades. Man sieht jetzt auch die Überlandstromleitung, im Zuge deren Baus in den 65ern die Felszeichnungen entdeckt wurden.

Und da ist er, der erste geritzte, sehr große längliche Stein. Mit Ausblick auf eine darunterliegende Weide beseh ich mir die Ritzungen. Ich strebe jedoch weiter, um erst mal einen schönen Pausenplatz in der Sonne zu ergattern; ich habs echt nötig. Wie man auf der Abbildung 5 sieht, findet sich auch ein nettes Plätzchen für eine halbe Stunde an der Sonne. Wenns nicht so kühl wär, wärs ein ideal Plätzchen für Geschäker und Liebeleien (gemerkt fürs nächste Mal...).

Es bimmelt von allen Seiten, man hört nen Hund bellen, kurz Kinderrufen. Hübsch hier, könnt man gut aushalten, auch für sehr länger. Ne hübsche Schweizerin, finanziell abgesichert, hier oben Carschennatorte feilbieten... mmmmh.

Nach der Erholungsphase beginne ich bewusst die Topographie wahrzunehmen, und dann die Steine des stufigen Abhangs nach Zeichnungen abzusuchen. Es existieren hauptsächlich diese kreisförmigen Muster. Das sehr harte und homogene Steinmaterial verhinderte gut das Unkenntlichwerden durch Verwitterung. Gefahr droht heute durch die immer zahlreicheren Besucher und deren Sohlen.

Die Lichtverhältnisse sind nicht so gut. Die mitgebrachte Lichtquelle fürs Schlachlicht brachte nichts. Per Bildnachbearbeitung kommen die Vertiefungen aber annehmbar zur Geltung. Besser kommts per Film rüber, aber die kann ich ja hier nicht reinstellen.

Über die Ritzungen lässt sich trefflich sinnieren. Was die wohl darstellen sollen, wer wie warum, großes Rätseln. Die näheren Hintergrundinfos finden sich hier. Einige wohl interessante Ritzungen gehen einem vor Ort leicht durch die Lappen des Bewusstseins, weils einfach zu undeutlich sind.

Nach so einer Stunde mit einsamen (dann ist so ein Ort erst zu genießen) Gucken und Photo tret ich den Rückweg an. Und wieder überholt mich der Töff-Fahrer, und wieder grüßt er nett zurück, und wieder nimmt er mich nicht mit ins Tal. So nen Seich!
Angehängte Grafiken
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