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Alt 20.10.2018, 00:24   #30
2augen1nase
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Kosten

Nun, ich weiß gar nicht genau wo ich da anfangen soll.

Für mich war es erstmal sehr schwer das Projekt überhaupt zu kalkulieren, da ich mit dem Mauern an sich eigentlich keine Erfahrung habe - außer dass es eben bei den Kleinformaten ewig dauert bis man was sieht.

Hinzu kommt, dass die tägliche Leistung von vielen Faktoren abhängig ist: Wetter, Gerüst, Helfer, Materialfluss, Technologie usw.

Mit Technologie meine ich folgendes:

Grundsätzlich ist es zwar ein Neubau, er muss aber weitestgehend dem Original entsprechen. Anfangs war ich der Meinung, dass man eine Schablone quasi einmauert, diese später entfernt und dann mit den glasierten Klinkern aussetzt. Die Schablonen habe ich auch aus Seekiefertafeln hergestellt + verschraubt.
Danach kam dann die Idee, die hintere Wand zuerst aufzubauen, darauf dann anzuzeichnen und dann den Schriftblock hochzumauern. Der Gedanke kam, weil die Steine zum Teil so unterschiedlich sind, dass sie gar nicht richtig in die Schablone passen - zudem wäre das Ausrichten einer fast 10 Meter langen Schablone sehr schwierig geworden und ich hätte größtenteils nur von der Rückseite aus mauern können - hätte wahrscheinlich zu Qualitätsproblemen an der Front geführt.

Also hab ich mich quasi kurz vor Beginn erst dazu entschieden, die Schrift so zu mauern wie ich sie jetzt mauere: Anzeichnen der Buchstaben auf der unteren Schicht, danach Maße von der Schablone abnehmen und ggf. noch anpassen.

Anders werden die das früher auch nicht gemacht haben - aber quasi "Freestyle" sowas zu mauern, das habe ich mir in der Angebotsphase nicht zugetraut.

Schlussendlich konnte ich mangels Erfahrung nicht mal den Materialbedarf sicher einschätzen. Für die Schrift werden zum Beispiel ca. 300 glasierte Klinker benötigt. Da diese aber sehr empfindlich sind und ich auch einige zuschneiden muss und dieKlinker auch eine Sonderanfertigung sind (mit bis zu 2 Monaten Lieferzeit) habe ich gleich 400 Stück bestellt - trotz des Einzelpreises von 4,40€ / netto

Hinzu kommt auch, dass ich die geborgenen Altsteine wieder mit verbauen muss, was ebenfalls einen Mehraufwand ausmacht, da man die alten Steine schon sehr genau auswählen muss und auch einigermaßen gut verteilen muss, damit das einigermaßen homogen wird. Dummerweise wurde das alte Schriftfeld früher mal aufgehackt und verputzt, so dass ich nur Steine von den Pfeilern, dem Sockel und den Gesimsen bzw. der Rolle sinnvoll benutzen kann - und das ist wirklich wenig Material am Ende.


Kurz gesagt: Zumindest für mich ist so ein Projekt nicht wirklich kalkulierbar. Man kann ein paar Annahmen treffen - nach bestem Wissen und Gewissen - und einige wenige Posten hat man als harte Fakten verfügbar, das reicht aber nicht aus.

Ein Angebot war massgeblich für die Antragstellung der Fördergelder nötig und eben um dem Auftraggeber eine Richtung zu geben in die es gehen wird. Eine genaue Zahl werde ich aber nicht benennen, ich denke jeder kann sich denken, dass man so ein Projekt nicht für 3 Mark 50 ausführen kann.

Schlussendlich schreibe ich die Stunden und das verbrauchte Material mit und wenn es teurer wird, kann ich einen Nachtrag stellen - so sind wir verblieben und das ist aus meiner Sicht auch die einzige Möglichkeit solche Projekte überhaupt angehen zu können.

Ich kenne keine Norm für gemauerte Schriften und auch keine Norm für Wände in 38cm die im Grunde aus zwei völlig unterschiedlichen Verbänden bestehen. Sowas wird es auch nicht geben, solange man nicht hunderte solcher Giebel bauen wird.

Das ist halt Denkmalpflege und das sind schon auch so meine Lieblingsprojekte: Diese Spezialaufgaben an die sich kaum einer heranwagt und wo man die eigenen Grenzen auslotet und immer noch einen Tacken dazulernt.


Wirtschaftlich ist die Region hier beschissen. Die Projekte die ich hier mache, bekäme ich im Westen locker doppelt bis dreifach bezahlt - und da hätten die Auftraggeber immer noch das Gefühl ein Schnäppchen gemacht zu haben... Aber solche Projekte kann ich hier auch genau deswegen machen: weil es eben noch halbwegs bezahlbar ist. Das ist eben der tägliche Kampf: Entweder verdient man richtig Geld, hat auch mal Urlaub, Wochenende usw. dafür aber langweilige / stupide Projekte - oder aber man kann schöne Arbeit machen und krebst halt dafür immer so n bisschen am Limit herum.

Die einzige Zeit in der es bei mir wirtschaftlich wirklich mal gut lief, waren die 1,5 Jahre wo ein Auftraggeber mich bei zig Häusern mit Aufträgen überhäuft hat und ich durchgehend Arbeit hatte. Dieses Jahr hatte ich trotz schöner Projekte einen totalen Umsatzeinbruch und gleichzeitig habe ich immer noch das Problem, dass Ende Juni meine Gewerbefläche wegfällt und mir einfach das Geld fehlt um im "Budenkombinat" voranzukommen oder mich in meinem neuen Lager einzurichten - denn da muss ich auch noch ein Dach decken bevor ich da an Einzug denken kann. Die 10 Scheine für das Hallendach habe ich aber nicht verdient dieses Jahr und ich bin auch nicht bereit mir noch einen Kredit zu nehmen oder mich anderweitig zu verschulden - dafür ist mir die ganze Situation zu unsicher.

Das ist eben die Kehrseite der Medaille...

Dafür kann man dann aber auch mal schöne Sachen machen - wenigstens der Stolz kann einem nicht genommen werden und um ehrlich zu sein: Momentan macht mich die Arbeit mit den Ziegeln im Großen und Ganzen sehr glücklich. Trotz Rücken, trotz verätzter Hände, trotz allabendlichen Schmerzen in Knien / Füßen / Beinen durch das unbequeme und enge Gerüst...

Ich freue mich jetzt schon auf das Gesicht des Denkmalpflegers aus Dresden, der quasi als übergeordnete Instanz ab und an dort vorbeischaut. Der ging bei dem Gesims schon fest, bei dem Schmuckgiebel wird der ausflippen.
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