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Alt 15.03.2010, 08:33   #7
htim
Heerführer

 
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Den Bericht gibt es auch Online:

Quelle= http://www.haz.de/Hannover/Aus-der-S...ur-Gartenstadt

Zitat:
Bundeswehrstandort
Eine Kaserne in Hannover wird zur Gartenstadt

Eine Kaserne wird zur Gartenstadt: Zehn Jahre nach der Schließung wird der nach Freiherr von Fritsch benannte Bundeswehrstandort in Hannover-Bothfeld umgebaut.


Das Gelände sieht aus wie ein riesiger Abenteuerspielplatz, nur realistischer. Eingeworfene Scheiben, aufgebrochene Gittertore, gesprengten Stahltore: Zehn Jahre lang ist die aufgegebene Freiherr-von-Fritsch-Kaserne in Bothfeld verwahrlost und heruntergekommen, sie war Ausflugsziel für Randalierer und Lieblingsplatz illegaler Schrottsammler. Seit November sorgt Wolfram Heitmeier im Auftrag des neuen Eigentümers für Ordnung. „Anfangs habe ich die Leute immer noch nett aufgeklärt, dass dies kein öffentlicher Bereich ist“, sagt er. „Inzwischen bringe ich sie zur Polizei und erstatte Anzeige wegen Hausfriedensbruchs.“

Die Fläche zwischen der Autobahn im Norden und den von kleinen Einfamilienhäusern und Mietsgebäuden geprägten Siedlungen im Sahlkamp und in Bothfeld ist 270.000 Quadratmeter groß. Der Berliner Projektentwickler Stefan Gräf von der Firma IPG hat sie zusammen mit drei israelischen Kompagnons gekauft. 27 Hektar Grund, dessen älteste Bebauung aus dem Jahr 1937 stammt und die danach das ganze Jahrhundert lang ergänzt wurde. Die letzte Baugenehmigung stammt von 1998, das war zwei Jahre vor Aufgabe der Kaserne.

Damals wurde ein 2300 Quadratmeter großes Küchengebäude errichtet, und wer sich anschaut, was davon heute übrig geblieben ist, bekommt ein gutes Bild davon, wie Behörden mit Steuergeld umgehen. Offenbar wurde schon während der Bauzeit festgestellt, dass das Gebäude gar nicht gebraucht wird. Die Fenster – teuer versprosste Mehrfachverglasung – sind zum Teil noch nicht einmal eingebaut. Die Küchenanlagen waren es wohl, aber die hochwertigen Edelstahlplatten und Geräte sind natürlich längst gestohlen – sie waren schließlich unbenutzt. Was noch geblieben ist von der Nachkriegsbebauung, wird jetzt abgeschoben und entsorgt: Wertlos sind die Wohngebäude, verfallen die meisten Fahrzeughallen.

Doch die ältesten Gebäude will Gräf erhalten. Sie stellen zwar nur gut ein Viertel der Bausubstanz dar, aber es sind die Gebäude, die das Ortsbild prägen. Und auch in der Bausubstanz sind sie die wertvollsten. Gräfs Projektleiterin Gerhild Steinmeier, studierte Architektin, schwärmt von einem echten Kreuzgang, den die Erbauer der Kaserne damals in den Gebäudeflügel zur General-Wever-Straße eingebaut haben. Projektentwickler Gräf kann sich dagegen vor allem für die massiven Wände der alten Kaserne begeistern. „Sogar im Hochsommer ist es hier angenehm kühl“, sagt er, „und man braucht keine Sorge zu haben, dass jedes Geräusch ins Nachbarzimmer dringt.“ Ganz anders als die heute üblichen Gipskartonwände und Leichtbaukonstruktionen.

Seit die Bundeswehr ihre Truppe verkleinert hat und zudem weniger Personal in Kasernen unterbringt, stehen nach und nach immer mehr große Gelände zum Verkauf. Konversion heißt das, wenn militärische in zivile Einrichtungen verwandelt werden. „Schwerter zu Pflugscharen“ war der griffige Slogan der Friedensbewegung. Ein Beispiel dafür, wie so etwas aussehen kann, findet sich knapp einen Kilometer südöstlich der Freiherr-von-Fritsch-Kaserne in der ehemaligen Prinz-Albrecht-Kaserne. 1997 hatte dort der damalige Bundesbauminister Klaus Töpfer den Grundstein für die ersten Privathäuser gelegt, das Areal war Vorzeigeobjekt für die Umwandlung von Kasernen. Zwei Privatschulen, ein Pflegezentrum, Geschäfte, eine Altenwohnanlage und viele Wohnhäuser finden sich dort. Das Gelände ist allerdings nur knapp halb so groß wie die Freiherr-von-Fritsch-Kaserne. Und es ist von einer Mauer umgeben, die aus Denkmalschutzgründen bleiben muss.

So etwas soll es in der Gartenstadt Nord, die auf dem Gelände der Fritsch-Kaserne entsteht, nicht geben. Projektentwickler Gräf will das Grundstück zur Nachbarschaft öffnen. Zäune und Erdwälle sollen verschwinden. In der Mitte soll sich ein 50 Meter breiter Park mit Spielplätzen durch das einstige Kasernengelände ziehen. Die Grünanlage wird im Süden offen zugänglich sein, im Norden schließt sie sich direkt an das Landschaftsschutzgebiet an. Fast 600 Bäume sind auf dem Gelände kartiert. Die Investoren haben inzwischen dazugelernt, dass so etwas einen gewachsenen Wert darstellt. „Gut die Hälfte können wir erhalten“, sagt Projektleiterin Steinmeier. Auch sonst soll alles zeitgemäß ökologisch sein. Die alte, riesige Heizzentrale wird abgerissen, stattdessen entsteht ein Biogas-Blockheizkraftwerk. Die Bodenuntersuchungen sind abgeschlossen – und haben keine ungewöhnlichen Kontaminierungen ergeben. „Es war eben keine Panzerkaserne“, sagt Gräf. Weder Munitionsreste noch Rückstände von Ölwechseln sind im Boden zu finden.

Zu kämpfen hat der neue Eigentümer mit den neueren Verunreinigungen. Im Jahr 2000 waren während der Expo übergangsweise Polizeieinheiten auf dem Gelände untergebracht, seitdem liegt es brach. „Altreifen wurden hier in großem Stil abgeladen“, sagt Gräf. Für die illegalen Transporte seien ganze Zaunbereiche weggeschnitten worden. „Gut acht Lastwagenladungen liegen hier herum.“ Da kam es schon zu manchen kuriosen Begegnungen – etwa als Wachmann Heitmeier mit seinem scharfen Weimaraner-Mischling einen Mann mit zwei großen Reifen in der Hand stellte. Doch der wollte den Reifen gar nicht abladen: „Der erzählte, dass seine Frau ihn geschickt hatte – Altreifen zum Bepflanzen für den Garten holen.“

Auch sonst ist das Gelände für Überraschungen gut. Biegt man bei den alten Werkstattgaragen um eine Gebäudeecke, blicken einen zwei Lamas an – der kleine Zirkus Pfiffikus hat dort Winterquartier genommen. Und es kann dem Flaneur auch passieren, dass er von Autos in Brachialtempo fast überfahren wird: Spezialeinsatzkommandos der Polizei üben dort in martialischer Vermummung Verfolgungsjagden. In wenigen Wochen startet das Schauspiel ein Freiluftspektakel auf dem Gelände, die Investoren stellen es dafür kostenlos zur Verfügung. „Was soll ich da Geld für nehmen?“, fragt Gräf und lässt den Blick über das Areal schweifen: „Platz ist hier ja genug.“
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htim
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