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Alt 01.10.2004, 10:10   #2
bitti
Ritter

 
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Bunker im ehemaligen DDR-Staatsratsgebäude

Die Berliner-Zeitung hat dazu folgenden Bericht veröffentlicht:


Honeckers Fluchttunnel entdeckt
Das frühere Staatsratsgebäude am Schlossplatz wird zur Business-Hochschule umgebaut / Professoren gesucht
Ulrich Paul


Die Überraschung findet sich in sechs Meter Tiefe. "Da ist der Bunker", sagt Olav Schnepf und öffnet die große schwere Stahltür, die vom Kellergeschoss des Staatsratsgebäudes abzweigt. Das Gebäude war bisher für seine Festsäle bekannt, für sein Foyer mit den sozialistischen Fensterbildern und das Kino - aber von dem Bunker hat kaum jemand gewusst.

Das 1964 errichtete Staatsratsgebäude wird derzeit zum Sitz der European School of Management and Technology (ESMT) umgebaut - einer Business-Hochschule der Deutschen Wirtschaft. Bei einem Rundgang durch das Haus zeigt Bauleiter Olav Schnepf von der Firma Hochtief die bislang unbekannte Seite des Gebäudes. Hinter der Bunker-Stahltür führt ein etwa 2,20 Meter hoher Gang durch ein halbes Dutzend Räume: Aufenthaltszimmer, Toiletten, Schlafzimmer. Möbel stehen nicht mehr darin. In einem kleinen Kabuff sind dafür zwei beigefarbene Fahrräder mit braunem Ledersattel und Ventilatoren montiert. Sie sollten dazu dienen, die Belüftung der Katakomben im Ernstfall per Pedalkraft sicherzustellen. Am Ende des Ganges findet sich der Raum, der zweifellos dem Staatsratsvorsitzenden zugedacht war. Das Zimmer ist mit roter Velourstapete ausstaffiert und könnte heute gut als Kulisse für einen Film im Rotlichtmilieu dienen. In einer Wand des Zimmers ist ein etwa ein mal ein Meter großes Loch. Dahinter verläuft ein etwa 30 Meter langer Fluchttunnel. Der Ausstieg befindet sich im Hof des Staatsratsgebäudes, versteckt neben Rosensträuchern.

Den Managern, die hier künftig ausgebildet werden, wird dieses kuriose Erbe aus der DDR jedoch verborgen bleiben. "Der Bunker wird zugemauert", sagt Ulrich Neumann vom Architekturbüro Merz, das für die Sanierungsplanung zuständig ist. "Der Raumbedarf ist nicht da." Hätte man ihn nutzen wollen, hätte eine Entrauchungsanlage eingebaut werden müssen, sagt Neumann. Der Bunker bleibe aber so, wie er ist. Später könne er wieder geöffnet werden - "wenn man will". Aus Sicht der Denkmalschützer spricht nichts gegen das Zumauern. Der Bunker sei nicht als Baudenkmal eingetragen, so die Sprecherin der Stadtentwicklungsbehörde, Manuela Damianakis.

Von der sozialistischen Baukunst wird ansonsten aber vieles in der künftigen Kaderschmiede des Kapitalismus erhalten bleiben. "Von außen werden wir kaum einen sichtbaren Eingriff vornehmen", sagt Architekt Neumann. Die Natursteinfassade wird gereinigt, die Fenster werden ausgewechselt. Der "Urzustand" des Staatsratsgebäude aus den 60er-Jahren werde wieder hergestellt. Im Innern bleiben die geschichtsträchtigen Säle und Räume erhalten, die die DDR-Obrigkeit für Feste, Diplomaten-Empfänge, Sitzungen und Auszeichnungs-Zeremonien nutzte. Die Räume werden nur aufgearbeitet und bekommen neue Funktionen: Aus dem Botschafter-Empfangssaal wird die Bibliothek, aus der Kantine ein Restaurant, der Kinosaal bietet Platz für zwei Hörsäle. Dort, wo der Staatsratsvorsitzende Erich Honecker sein Büro hatte, entsteht eine Art Lounge. Der ehemalige Bankettsaal wird zum größten Hörsaal (Auditorium Maximum) für 360 Personen. Der daneben liegende frühere Festsaal wird in zwei weitere Hörsäle aufgeteilt. 35 Millionen Euro kostet die Sanierung. Ab Oktober nächsten Jahres wird das Gebäude zu nutzen sein, im Januar 2006 soll der Lehrbetrieb im Vollzeitstudium beginnen.

Für die ESMT arbeiten derzeit rund 30 internationale Professoren - unter anderem am Standort in München und in Schloss Gracht bei Köln. Die Business-Hochschule will ihre Lehrtätigkeit in Berlin mit sechs bis sieben Vollzeit-Professoren und gut einem Dutzend Teilzeit-Lehrkräften aufnehmen, sagt ESMT-Sprecher Thomas Schulz. Vier Professoren für Berlin sind schon gefunden, zum Teil aus dem Kreis der international tätigen Lehrkräfte. Weltweit werde über Inserate in Fachzeitschriften nach geeigneten Kandidaten für die anderen Stellen gesucht, sagt Schulz. "Der Zulauf ist enorm." Bereits nach der ersten "Rekrutierungsoffensive" seien bei der ESMT rund 300 Bewerbungen eingegangen. Eine Professoren-Stelle konnte dadurch besetzt werden, mit mehreren anderen Bewerbern stehe man kurz vor Vertragsabschluss, sagt Schulz. Nach einer zweiten Rekrutierungsoffensive sollen die ausstehenden Positionen vergeben werden. Rechtzeitig zum Beginn der Lehrtätigkeit werde das Personal zur Verfügung stehen, sagt Schulz.

Soweit der Zeitungsbeitrag.

Weitere Informationen und Bilder finden sich hier: http://www.bunkernetzwerk.de/invboar...5&t=1263&st=11

bitti
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