Thema: Via Mala
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Alt 08.03.2019, 22:02   #6
Sir Alottafind
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Nachdem ich endlich fertig bin mit Zählen von Sirs Geldspende (danked ihm, ohne gings nicht weiter), hier nun die kurze Beschreibung meines Besuchs in der Via Mala Schlucht via Besucherzentrum.

Grund für die Verzögerung war auch mein kräftezehrender Umzug von Scheiss-A nach Wunderbar-B. So viel Zeugs hat man da plötzlich am Hals, ein Sammelsurium an allem Möglichem und Gesammeltem. Ein Haufen Sachen wurde handfest entsorgt und verschenkt, das Besitztum auf die Kernsubstanz eingedampft. Und mir geht’s nicht ab, auch nicht die speziellen Charakteren, die ich nach der Reih auf den Mond geschossen hab.

Die neue Bleibe fusst auf einem alten Wirtshaus von anno dunnemals. Schon vor tausenden von Jahren hockten an dieser Stelle (heute Keller) bayerische Eingeborene in einer gastlichen Erdfelsspalte, und angeblich hört man noch manchmal deren schmutzigen Wirtshausherrenwitze aus der noch vorhanden Spalte rausgrummeln und kehliges heiteres Folgegrunzen.

Doch nun zum Besucherzentrum.

Angesichts der sehr mageren Parkmöglichkeiten und des mickrigen Baukörpers mag man eigentlich nicht von Zentrum sprechen. Zwei Busse, und dicht ist. Wenigstens kostet das Parkieren nichts. Das recht kleine Gebäude klebt regelrecht am steilen Hang, und das Entree erfolgt über automatic Glasschiebetür. Innen ein Souveniershop, man erwirbt an der Theke das Billett für 6CHFR und sehr guten (!) Kaffee, der auf der schmalen Aussichtsterrasse konsumiert werden kann. Innen ist viel Holz verbaut, was man auch angenehm riecht. Es gibt einen einzigen Angestellten, der einen bei Bedarf auch quer über die besauste Strasse
zu den Toilettitäten geleitet (weil zugesperrt). Ein ganz Netter, der auch sofort sieht, dass ich mit dem high tech Zugangssystem zur Schlucht nicht klarkomm, und mir zeigt wie's geht.

Es beginnt der 359-stufige Abstieg in die beeindruckenden Eingeweide des Felsgesteins. Jede Stufe entspricht dabei 80 Jahren Schneidearbeit des Wassers. Allgegenwärtig ist das Gerausche des Hinterrheins, der sich fein ausarbeitend in kaum sichtbare Tiefen runtergeschnitten hat und viele Strudeltöpfe aufweist. Zu längst vergangenen Zeiten muss laut Reiseberichten der Hinterrhein unglaublich tosend gewesen sein ('Ungeheuer Hinterrhein'). Unglaublich, wenn man die mageren und kaum erkennbaren Reste der ersten Saumpfade (römisch/mittelalterlichen Halbgalerien) im Steilsthang betrachtet, dass dort wirklich mal Leut mit Tragetieren unterwegs gewesen sein sollen. Ähnliches gibt’s wohl heute noch in den Anden und den immer noch benutzten hochgefährlichen Transportwegen zu bewundern. Durch eine etwas niedrige Felstunneltreppe gelangt man zum untersten Punkt der begehbaren Schlucht. Man hat einen froschigen Blick hoch zur Wildenerbrücke von 1739, gebaut in der typischen schweizerischen Kühnheit. Es fällt der Blick auf den markanten riesigen Findling aus dem Material der Splügner Kalkberge. Keiner weiß, wie der hierhergekommen ist; vermuteterweise wurde er von eiszeitlichen Gletschermassen hierherverfrachtet. Es soll sich je nach Lichteinfall ein lächelndes Gesicht auf dem Findling zeigen; heut lächelt er mich nicht an.

Angenehm wenig Leut treiben sich mit mir in den Tiefen herum. Herbst ist halt doch die beste Reisezeit für Campisten wie mich. Natürlich ist auch das Wetter optimal, wenn Engel reisen.

Angeblich wurde zu napoleonischen Zeiten mal eine gutgefüllte Heereskasse beim Passieren des Saumpfades in die Schlucht verloren, auf Nimmerwiedersehen. Die Kohlen sollen noch heute flussabwärts verteilt sein.

Wer einen Berg Stufen berab geht, darf sie auch wieder erklimmen. Da kommt so mancher bayerischer Urwaldelephant ins Luftschnappen. Trost ist die Tass Kaff, die ich mir oben tiefenentspannt mit Hübschgesamtsicht aufs Schluchtenpanorama genehmigen werde. Ich freu mich schon auf die warme Falle gegen Nacht im Camper für die müden Knochen. Geiler Tag, was wollte man mehr. Und jetzt, beim Schreiben, kann ich die Schneefreiheit der Passstrassen kaum mehr erwarten.
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