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Alt 27.03.2012, 02:01   #1
Credi
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Luftbildfotografie - ganz einfach!

Da nun doch einige neugierig auf eigene Luftbilder geworden sind, will ich einen Aufsatz von mir hier ins Forum stellen, der allerdings einige Seiten lang ist. Fotos oder Abbildungen sind nur über die Links zu sehen. Es wären sonst zu viele.
Lasst euch nicht vor soviel Text abschrecken.

Gruß Credi



Luftbildfotografie – ganz einfach!
Christian Credner, Lambertsberg/Eifel

Wer hat nicht schon einmal davon geträumt, sich wie ein Vogel hoch
in die Luft zu schwingen, um von oben einen fantastischen Überblick auf
den Boden mit den zwergenhaften Figuren der Menschen, den winzig klein
erscheinenden Gebäuden, Straßen und Feldern zu haben.

Jeder glaubt, er müsse, um von oben zu fotografieren, einen Pilotenschein
erwerben, sich ein Sportflugzeug kaufen oder mieten und sagt sich:
wer soll das bezahlen, das wird ein teures Hobby.

Aber mit etwas Überlegung kommt man auf erheblich preiswertere
Lösungen, denn vielleicht reicht es ja schon, wenn meine Digitalkamera
allein in die Höhe fliegt und ich mir danach, wenn sie wieder heil
heruntergekommen ist, den Videofilm oder die einzelnen Bilder ansehen kann.
Die heutige Kamera-Generation verfügt außer dem geringen Gewicht über
weitere erstaunliche Eigenschaften.

Es ist anzunehmen, dass fast jeder schon einmal Kamera in der Hand
hatte, um am Boden stehend zu fotografieren. Aber so richtig ist nicht
jedem bewusst, zu welcher Weiterentwicklung es bei der Kameratechnik
in den letzten Jahren gekommen ist.
Den automatischen Film-Weitertransport gab es schon bei fast allen
Fotoapparaten, nur die Anzahl der Fotos auf jedem Film war auf maximal
40 beschränkt.


Hier nur einige Besonderheiten einer Digital-Kompaktkamera im Vergleich
zur Analog-Kamera mit Film:

1. Die Anzahl der möglichen Digital-Fotos ist durch die Akkuleistung
begrenzt. Ein frischer Akku schafft 300 bis 600 Aufnahmen. Die Analog-
Kamera nur 40. Mit einem Datenspeicher von z.B. 16 Gigabyte könnten
etwa 3000 bis 4000 Fotos aufgenommen werden.

2. Digitalkameras haben einen sog. AV-Ausgang, über den das Sucherbild
zu einem Sender geführt und einige 100 m weiter auf einen Monitor
gesendet werden kann. Ein solcher Sender wiegt nur wenige Gramm und
darf mit getrenntem Monitor nicht mehr als 100,- € kosten.

3. Digitalkameras können Videos in guter Qualität aufnehmen.

4. Einige Digitalkameras können in vorab eingestellten Intervallen, z.B. in
10 bis 15 Sekunden Abständen selbstständig fotografieren, bis der Akku
leer ist. Für das einfachste Segment der Kompaktkameras gehört nur bei
den Kameras der R- und CX-Reihe von Ricoh Intervallfunktion zum
Standard.

Eine solche Kamera könnte also im Intervallmodus fortlaufend automatisch
einzelne Fotos machen, auch wenn sie sich einige 100 m vom
Fotografen entfernt hätte.
Nur wozu benötigt jemand Luftbilder?


Dazu gibt es eine Reihe von Interessenten und Abnehmern:

· Es ist ein hochinteressantes Hobby, unsere Umwelt aus der
Vogelperspektive abzulichten. Diese Sichtweise ist uns, die wir nur die
Ameisenperspektive kennen, weitgehend versagt. Es erschließt sich eine
völlig neue Dimension der bildlichen Darstellung unserer Umwelt.

· Immobilienmakler schätzen die attraktiven Schrägaufnahmen ihrer
Verkaufsobjekte aus vielleicht 8 bis 12 m Höhe.

· Ebenso die Bodendenkmalpflege zur übersichtlicheren Darstellung von
Burgen, Schlössern, sonstigen Gebäuden wie alten Häusern oder
Denkmälern.

· Und schließlich die Archäologen, denen seit gut 20 Jahren der Etat für
konventionelle Luftbild-Befliegungen aus Kostengründen gestrichen
wurde. Sie sind dringend auf das Luftbild zur Dokumentation von
Grabungen, aber auch zur Erkundung bekannter und unbekannter
unterirdischer Bodendenkmäler angewiesen.

Auch wenn es widersinnig klingt, dass man in die Luft gehen muss um
etwas zu erkennen, was im Boden versteckt liegt.
Mit etwas Überlegung versteht man, warum über einer 1 m breiten
Grundmauer, die in Pflugtiefe beginnt, das Wachstum der Feldfrucht
gehemmt wird und warum es bei anhaltender Trockenheit über der Mauer
zuerst zur Vergilbung kommt.
Ursache ist der begrenzte Vorrat an Nährstoffen und Feuchtigkeit in der
dünneren Humusschicht.
Schräg einfallendes Licht erzeugt über den Mauerzügen Schatten- und
Aufhellungslinien.
Der Grundriss eines verfallenen Gebäudes wird hierdurch nachgezeichnet,
was im Zusammenhang aber erst von oben zu erkennen ist.
Gleiches geschieht über verdichtetem Boden, wie bei alten Straßenführungen.
Dagegen hat man über Gruben, Gräben oder Pfostenlöchern das
umgekehrte Phänomen: durch den über Jahrhunderte erfolgten Erdeintrag
in die Vertiefungen wird das Wachstum der Pflanzen begünstigt und das
Vertrocknen wird verzögert.

In beiden Fällen ist es das Relief, welches durch unterschiedliches
Höhenwachstum entsteht, was das Bodendenkmal sichtbar werden lässt.
Man nennt diese Veränderungen negative oder positive Bewuchsmerkmale.

Es gibt noch weitere wichtige Merkmale, wie die sog. Körnung der
Oberflächenerde, Verfärbung des Erdreichs durch hochgepflügtes Material
und wichtige Zeichen bei Schneebedeckung.
Der Archäologe kann mit dieser Methode sehr wichtige Informationen
über das Bodendenkmal erhalten, ohne es anzurühren und zu stören.

Dann wäre nur noch zu überlegen, wie ich meine Kamera in die Höhe lifte.
Unbelehrbare oder konservative Nutzer glauben immer noch, dass der
Standard für die bodennahe Höhenfotografie in der Verwendung von
Groß-Fluggeräten liegt, bei denen der Fotograf mitfliegt.

In der Weltraumforschung ist man wegen schrumpfender Budgets
rigoroser. Die Erkundung unseres Sonnensystems wird vornehmlich ohne
Astronauten, nämlich mit miniaturisierten Sonden und Robotfahrzeugen
geleistet. Man hat längst erkannt, dass die Gefährdung des Menschen
beim heutigen Stand der Technik für solche Abenteuer noch viel zu hoch
ist und diese Alternative nicht nur ungefährlicher, sondern auch erheblich
kostengünstiger ist.

Für unser Vorhaben so günstig, dass jedermann Luftbilder aufnehmen kann.
Aber ganz konkret, welche Trägerplattformen für meine Kamera gibt es,
welche funktionieren zuverlässig, sind leicht anzuwenden und preiswert
und wo kann es Schwierigkeiten geben.

Heute darf in Deutschland die Leinenlänge für Drachen und andere
gefesselte Systeme, wie Ballons oder Ballondrachen, maximal 100 m
betragen. Die Höhenbegrenzung von 100 m gilt für alle Flugmodelle oder
unbemannte Drohnen, wie Modellflugzeuge, Zeppeline,
Modellhubschrauber (Mono-, Quadro-, Hexa- oder Oktokopter).
Der Luftraum darüber darf nur mit Ausnahmegenehmigung beflogen
werden.
Ab einer Höhe von 300 m außerhalb von Siedlungen beginnt der
öffentliche Luftraum. Von der äußeren Umgrenzung von Flugplätzen muss
ein Abstand von 1,5 km eigehalten werden.


Die folgende Aufstellung und Bewertung der Trägersysteme ist sicher subjektiv.
Ein Anderer wird möglicherweise die Reihenfolge umstellen.

· Der Fesseldrachen ist das erste alternative System, mit dem schon vor
der Existenz von Flugzeugen eine Kamera angehoben wurde.
1888 ließder Franzose Artur Batut einen Drachen mit Kamera aufsteigen.
Das war die Geburtsstunde der alternativen Luftbildfotografie. Allerdings
hatte bereits genau 30 Jahre zuvor sein Landsmann Gaspard Felix
Tournachon, genannt „Nadar“, ein Luftbild von einem Fesselballon aus
aufgenommen.

Der Drachen benötigt nur „Sonnenenergie“, bzw. die durch
Sonnenwärme
erzeugte Luftbewegung, den Wind. Den Drachen kann man kaufen oder
man wagt sich an den Eigenbau, wobei im Internet oder in Drachenläden
Pläne und Material erhältlich sind.

Zur Kamerabefestigung gibt es zwei Möglichkeiten:
Zum einen die etwas wackelige Aufhängung eines sog. Rig an der Leine,
mit oder ohne ein sog. Pikavetsystem oder zum andern die Montage
direkt am Drachen, z.B. am Spannkreuz eines Zellen- oder
Kastendrachens (KCF = Kite-Cross-Fitting), wobei die Kamera besser
geschützt ist.
Übrigens bezeichnet man international diese Luftbild Methode mit KAP,
was das Akronym von Kite-Aerial-Photography ist.

· Der Kopter mit vier bis acht Rotoren ist, wenn man die Steuerung gut
beherrscht, eine zuverlässige Foto-Drohne. Er muss aber sehr
diszipliniert, was die Flugdauer und Steuerung betrifft, geflogen werden,
weil die Akkukapazität begrenzt ist und nach mehreren Ladevorgängen
abnehmen kann, der Wind sehr störend wirkt und bei einer zu heftigen
Landung das Gerät, welches doch deutlich teurer als ein Drachen ist,
beschädigt oder zerstört werden kann.

· Der Einbein-Teleskopstab aus Fiberglas oder Aluminium-Profilrohr mit
einer Auszuglänge bis 12 m ist hervorragend für Senkrecht – und
Schrägaufnahmen zur Dokumentation in der Archäologie und für Fotos
von Gebäuden und Denkmälern geeignet.
Siehe hierzu meinen Beitrag bei www.grabungswoerterbuch.de unter
Luftbildtechnik.
Die Stabfotographie wird PAP genannt. Es ist das Akronym für Pole-Aerial-
Photography. Der ausgezogene Stab wird an den rechten (oder linken)
Innenfuß gestellt und mit der rechten Hand gehalten. Am linken
Handgelenk befindet sich der Monitor für den Empfang des
Sucherbildes.
Die Ausrichtung der Kamera erfolgt durch Neigung des Stabes und zugleich
durch kippen der Kameraplattform durch Zug an einem dünnen Seil mit
der linken Hand. Der Zug am Seil kann zugleich Schwingungen der
Stabspitze dämpfen. Die etwa eine Sekunde dauernde Verdunklung des
Monitors zeigt die Aufnahme und Abspeicherung des Fotos an.

Ein Fiberglas Teleskopstab ist erhältlich bei http://www.wimo.com unter
Antennenzubehör, Maste, Fiberglasmaste und der Alu-Stab bei
http://www.wischmop-shop.de/profi-gl...pstangenmeter- c-_72.html
in verschiedenen Längen, mit weiterem Zubehör.

· Von einem Teleskopmast spricht man, wenn das Stativ länger als 12 m
ist. Es ist dann nicht mehr von Hand sicher zu halten und benötigt einen
drei- oder vierbeinigen Fuß oder muss seitlich am PKW, an einer Mauer
oder ähnlichem mit z.B. einer Schelle fixiert werden. Da man den Mast
nicht wie den Stab neigen kann, sind Senkrechtaufnahmen nicht so
einfach möglich. Durch einen kurzen Ausleger könnte man eine seitliche
Neigung der Mastspitze provozieren und versuchen vertical
aufzunehmen. Komplette einsatzfertige T-masten gibt es zu kaufen.

· Der Ballon-Drachen mit Heliumgasfüllung ist flugfertig zu kaufen z.B.
unter der Bezeichnung „Helikite“ mit 1,0 oder 2,0 m³ Volumen. Die
große Füllung kostet an Gas etwa € 80,--.
Kostengünstiger wird es wenn der Ballon nach dem Einsatz vollständig
oder teilgefüllt bleiben kann und in einem Kastenwagen verstaut wird.
Das ist sinnvoll, wenn er stationär zur Grabungsdokumentation und
Umgebungsprospektion genutzt wird.
Er verliert jedoch auch durch die intakte Hülle immer etwas Gas.

Das Gerät besteht aus einem Deltadrachen, auf dessen Rücken ein
eiförmiger Ballon befestigt ist. Die Vorteile des Helikite sind
hervorragende Flugeigenschaften sowohl bei Windstille als auch bei
Wind.
Während Windstille wird nur eine geringe Nutzlast angehoben
(300 bis 600 g), wogegen bei Wind der Drachen zusätzlich für Auftrieb
sorgt und die Last verdoppelt oder verdreifacht werden kann.
Ein einfacher leinengebundener Ballon wird vom Wind nach unten
gedrückt, dem wird hier vom Drachen entgegengewirkt. Die Flugleine
sollte beim Helikite aus Sicherheitsgründen unbedingt am Körper des
„Piloten“ befestigt werden, da beim versehentlichen loslassen Ballon und
Kamera entschwinden und nicht wie der Drachen allein zu Boden schweben.

· Der Modell-Helium-Zeppelin könnte bei Windstille mit Motorkraft
(Propeller) gesteuert werden. Das würde aber schon bei Windstärke 2 Bft
wegen des Luftwiderstandes der großen Außenfläche kaum ausreichen,
sodass er an die Leine genommen werden müsste. Als Fessel-Zeppelin ist
er dann wenig anders zu handhaben als ein Ballon, nur dass er eine
längliche Form und stabilisierende Heckflossen hätte.

· Modellflugzeuge mit Motor oder als reiner Segler sollten erfahrenen
Modellflugbauern vorbehalten sein. Es ist sicher problematisch, damit
erst zu beginnen, wenn man beabsichtigt Luftbilder zu erstellen. Wenn
man sich hierfür entscheidet, ist es sinnvoll mit örtlichen
Modellflugvereinen zusammenzuarbeiten und dort auch um Rat zu
bitten. Ungeeignet sind sicherlich Hochgeschwindigkeitsflieger,
vorzuziehen sind langsam fliegende Motorsegler.


Bei allen aufgeführten Transportplattformen muss der Anwender selbst für
eine passende Kameramontierung sorgen. Vielfach sind diese schon von
anderen erdacht, in Gebrauch und im Internet anzusehen.
http://flic.kr/s/aHsjyvHQV6
http://flic.kr/s/aHsjgJg53m
Für den Eigenbedarf dürfen sie meist nachgebaut werden, wobei dann
auch eigene Ideen einfließen können.


Credi
(Christian Credner, Lambertsberg/Eifel)
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