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Alt 05.01.2009, 23:18   #1
Bingo
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Rüstunsgbetriebe Hannover

In den vergangenen Wochen habe ich mich ein wenig intensiver mit der Geschichte der Rüstungsbetriebe in Hannover bfasst. Hier der Anfang meiner Recherchen:

Ab 1933 entwickelte sich der Standort Hannover zum bestimmenden Rüstungszentrum der Region, das gegen Ende der 1930er Jahre lediglich von der auf ‚grüner Wiese’ errichteten Fabrikanlagen in der Salzgitter-Region an Einfluss übertroffen wurde. 1944 waren in Hannover 85 Betriebe mit über 68.000 Arbeitskräften in die Kriegsproduktion eingebunden, dominiert von den beiden Großbetriebe Hanomag und Conti mit jeweils über 13.000 Mitarbeitern.

Im Jahr 1934 erwarb der zu den Vereinigten Stahlwerken gehörende Bochumer Verein die finanziell in die Krise geratene Hanomag. Durch die Hereinnahme von Militäraufträgen nahm das Unternehmen einen steten wirtschaftlichen Aufschwung. Allein von 1932 bis 1936 hatte sich der Umsatz von 10,9 Millionen RM explosionsartig auf 120,3 Millionen erhöht. Der auf den Rüstungssektor entfallende Anteil des Unternehmens betrug 1935 etwa 40 % und erreichte 1936 bereits einen Anteil von 60 %. 1935 begann Hanomag mit der Herstellung von Feldhaubitzen und einer 8,8-cm-Flak. Bei der Ende 1938 einsetzenden Produktion von 12,8-cm-Flakgeschützen deckte die Hannoveraner Fabrik bald 50 % des Wehrmachtsbedarfs. Im gleichen Jahr lief die Produktion eines zwischen 1934 bis 1937 bei Borgward entwickelten schweren militärischen Halbkettenfahrzeugs an. Schwerpunkt der Munitionsabteilung, die 1936 etwa 2.600 Mitarbeiter zählte, war die Herstellung von Artilleriemunition. Die Granatendreherei war bereits 1934 in einen 3-Schicht-Betrieb übergegangen. Im weiteren Verlauf des Krieges stellte Hanomag unter dem Kennzeichen „bye“ auch Lafetten und Panzerteile her.

Die Zahl der Beschäftigten schoss mit 1.500 im Jahr 1933 auf 10.066 im Jahr 1936, also auf das Vierfache innerhalb von 3 Jahren. Im weiteren Verlauf des Krieges wuchs ihre Zahl weiter, und zwar von 10.000 Arbeitern im Jahr 1939 auf über 14.000 Anfang 1945. Gleichermaßen erhöhte sich die Zahl der im Werk tätigen Ausländer. Anfang 1941 zählte die Hanomag-Belegschaft 200 Zwangsarbeiter; im Januar 1945 waren es über 5.200. Außerdem waren seit dem 3. Februar 1945 etwa 500 Häftlinge aus dem KZ Laurahütte – einem geräumten Außenlager des Konzentrationslagers Auschwitz-Monowitz – in Hannover-Mühlenberg auf dem Hanomag-Gelände zur Zwangsarbeit eingesetzt. Sie waren in zwei angemieteten Fabrikhallen mit der Produktion von Flakgeschützen befasst, offenbar auf Rechnung der Rheinmetall-Borsig AG. Ein direkter Häftlingseinsatz durch Hanomag ist nicht belegt.

Ab dem 2. Quartal 1944 stand der Reifenhersteller Conti dicht hinter Hanomag sowohl in der Stadt als auch im Rüstungskommando Hannover an zweiter Stelle. Das Zweigwerk der Hagener Akkumulatorenfabrik AG (AFA) konnte sich als drittgrößter Rüstungsbetrieb der Stadt Hannover etablieren. 1936 hatte der Mutterkonzern, vertreten durch ihren Aufsichtsratsvorsitzenden Otto Quandt, ein etwa 850.000 qm großes zwischen Stöcken und Marienwerder in der Nähe des Nordhafens gelegenes Gelände von der Sadt Hannover erworben. Nach schleppendem Baubeginn nahm der Betrieb die Produktion im November 1940 auf. Ursprünglich als Fabrik für Autobatterien konzepiert, wurden ausschließlich U-Boot-Akkumulatoren und Torpedos für die Marine hergestellt. Im Januar 1943 zählte die Afa-Niederlassung 3.400 Beschäftigte, doch bestand weiterhin ein ungedeckter Bedarf an Rüstungsarbeitern. Daher kam Anfang 1943 die Überlegung auf, KZ-Insassen in Hannover zu beschäftigen. Am 27. Februar 1943 forderte das OKH der Marine das Unternehmen dazu auf, den Einsatz von Häftlingen zu prüfen und noch am gleichen Tag fand eine Geländebesichtigung statt. Am 10. März 1943 erklärte sich die Rüstungsinspektion – mit Modellcharakter für weitere Außenkommandos in der Stadt – mit der Heranziehung von 500 Häftlingen bei der Afa einverstanden. Die Baracken, die von einem aus Neuengamme am 17. Juli 1943 abgestellten Häftlingskommando errichtet wurden, waren im Oktober 1943 fertig gestellt. Zu diesem Zeitpunkt waren etwa 500 Häftlinge in Stöcken untergebracht. Danach erhöhte sich die Zahl der Häftlinge bis zur Jahresmitte stetig auf 1.000 Häftlinge, um dann im Juli /August 1943 auf 1.500 zu steigen. Im zweiten Quartal 1944 zählte die Afa Hannover 4.932 Beschäftigte. Auf dem Höhepunkt waren es sogar 6.500 Personen, darunter 1.500 KZ-Häftlinge und 3.700 Zwangsarbeiter.

Ein weiterer Schwerpunkt der Hannoveraner Rüstungsindustrie lag im Bereich der Metallverarbeitung. Die 1939 durch die Eisenwerke Wülfel AG gegründete Maschinenfabrik Niedersachsen Hannover (MNH) hatte sich seit Januar 1943 auf die Produktion von Panzern spezialisiert. Die Produktionszahlen waren von anfänglich 20 pro Monat auf 160 im August 1944 angewachsen. Obendrein lieferte das Unternehmen Einzelteile für Geschütze. Von 1943 bis 1944 blieb die Belegschaftsstärke der MNH mit 3.200 bis 3.300 Personen nahezu konstant. Die Deutschen Edelstahlwerke (DEW) stellten Kurbelwellen für Flugzeuge und U-Boote sowie Tankteile und für das Heer Aufbauten für Panzerkampfwagen her. Wegen der gesteigerten Nachfrage nach Rüstungsgütern errichtete die DEW eine zusätzliche Halle, die im April 1940 stand. Gegen Ende des Krieges verlagerte der Hannoveraner Rüstungsproduzent aus Angst vor Luftangriffen einen Teil seiner Maschinen zur Herstellung Kurbelwellen in ein noch im Aufbau befindliches Stollensystem im Hils bei Holzen. Ende September 1944 waren in Hannover 1.455 Personen mit der Produktion von Kurbelwellen befasst. Die Firma Friedrich Krupp Stahlbau hatte sich mit seinem Werk in Langenhagen auf die Produktion von U-Boot-Hüllen spezialisiert. Die Fabrikation von Pionierbrücken rückte dagegen immer weiter in den Hintergrund, ruhte teils sogar komplett. Das Krupp-Werk Langenhagen hatte in Hannover den größten Ausländeranteil zu verzeichnen. Im Juni 1944 waren 68,7 % und Ende September 1944 sogar 72 % aller Beschäftigten Ausländer.

Zudem waren u. a. die VLW und die Brinker Eisenwerke in die Rüstungsproduktion einbezogen. Hierüber habe ich bislang aber wenig Material gefunden, insbesondere was die Firmengeschichte an sich angeht. Mal schauen, was die im Bundesarchiv bestellten Unterlagen ergeben.

Gruß
Bingo
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Alt 06.01.2009, 17:49   #2
U.R.
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Klasse der Beitrag und freue mich schon auf dem nachfolgendem.
Gruss U.R.
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Alt 06.01.2009, 18:19   #3
erwin210360
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Super Bericht. Da gabts noch Arbeit ohne Ende...
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Gruss Erwin

In jeder Minute, die du mit Ärger verbringst, verschwendest du 60 glückliche Sekunden deines Lebens.
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Alt 06.09.2009, 19:56   #4
U.R.
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ÄÄÄhhhhmmm, gibt es schon was neues.
Gruss vom neugierigen U.R.
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Alt 06.09.2009, 20:03   #5
Matthias45
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Beiträge: 4,299

VLW hat im Westfälischen Lengereich im Reichsbahntunnel produziert.
Deckname Rebhuhn.
__________________
Glück Auf!
Matthias
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