26.12.2004, 21:10 | #1 |
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Heilanstalt Wuhlgarten Berlin-Biesdorf
Ich habe mich heute mal etwas intensiver mit dem Thema Krankenhausgelände Wuhlgarten beschäftigt (Ortsbegehung, Archivforschung, Zeitzeugenbefragung). Dabei ist folgende Abhandlung mit Fotos entstanden. Ich habe mal für das Thema einen neuen Thread aufgemacht weil das ein eigenständiges Gebiet ist. Nicht das da wieder so ein Durcheinander wie im anderen Biesdorf/Kaulsdorf Thread entsteht wo völlig unübersichtlich gleich mehrere unterschiedliche Themen behandelt werden.
Um das gleich mal vorweg zu nehmen - das Krankenhausgelände hat definitiv nichts mit dem Schlosspark Biesdorf und/oder der Eisenbahnteststrecke vom alten Siemens zu tun! Auch gibt es auf dem Gelände der ehemaligen Heilanstalt keinerlei Luftschutzbauten. Ein einfacher Grund dafür ist das dieses Gelände bereits um 1870 erschlossen und mit der Bebauung begonnen wurde. Alle Gebäude auf dem alten Gelände wurden in der Zeit von 1880 bis 1915 erbaut und seitdem nicht mehr großartig umgebaut bzw. verändert oder erweitert... und so lange vor dem Krieg hat man noch nicht wirklich an Luftschutzbauten gedacht. Was aber nicht heissen solldas es dort keine U-Anlagen gibt - aber dazu später mehr... Wie schon gesagt wurde das Gelände um 1870 erschlossen und mit dem Bau der bis heute etwa 50 Gebäude umfassenden Anlage begonnen. Ich klammer das heutige auf dem Gelände angrenzende Unfallkrankenhaus aus, welches übrigens das modernste in ganz Europa sein soll... Wenn man sich mal alte Karten von Berlin und Umgebung aus der Zeit um 1870 ansieht dann fällt schnell auf das die Heilanstalt wirklich damals mit im Nichts gebaut wurde, es gab damals keinerlei Infrastrucktur, kein Stromnetz, kein Wassernetz, keine Kanalisation - ringsrum waren nur Felder und Wiesen... das angrenzende Wuhletal das damals mehr einem Sumpfgebiet glich und die Bahnstrecke waren die einzigen Auffälligkeiten in der Nähe. Etwas weiter südwestlich lag dann der Schlosspark Biesdorf mit dem Schloss vom Siemens und noch weiter weg dann das kleine Dorf Biesdorf mit Dorfanger, Kirche und Gutshof... Bild 01: Diese Schmalspurgleise gingen vom Wirtschaftsteil im Zentrum der Anlage zu jedem Gebäude auf dem Gelände. Damit wurden die Gebäude, die damals schon zukunftsorientiert mit einer kohlebefeuerten Zentralheizungsanlage ausgestattet waren, mit Brennstoff versorgt. Jedes einzelne Gebäude hatte einen Heizungskeller aber keinen Kohlebunker, somit musste die Kohle täglich mit der kleinen Lorenbahn zu den Gebäuden gebracht werden. Gefahren ist die Bahn mit einer Minidampflok die mit Holzkohle betrieben wurde, später dann mit Diesel... Bild 02: Dieser Wasserturm war direkt am Turbinenhaus am Wirtschaftstrackt angebaut und diente der Wasserversorgung der Dampfmaschinen welche die gesamte Energie für das Krankenhaus lieferten. Das Krankenhaus musste das sehr große Energieaufkommen selbst bestreiten da es damals noch kein Stromnetzt in dieser Gegend gab. Bild 03: Auf dem Gebäude rechts kann man sehr gut den großen mittigen Schornstein der Zentralheizung sehen welche damals schon in jedem Gebäude eingebaut war. Bild 04: Von diesen Schächten gibt es auf dem Gelände an die hundert Stück und gehören zur Kanalisationsanlage die damals extra nur auf dem Gelände gebaut wurde. Das war damals sehr wichtig die Abwässer sofort vom Krankenhaus wegleiten zu können... Alle Schächte sind miteinander verbunden und werden heute noch teilweise genutzt. Bild 05: Hier sieht man eine ausgebesserte Gebäudebeschädigung aus dem zweiten Weltkrieg. Leider gab es damals auf dem Gelände einen Häuserkampf mit den Russen die am Blumberger Damm in Richtung B1 vorbeizogen. Bombenangriffe hat es auf dem Krankenhaus nie gegeben.
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26.12.2004, 21:12 | #2 |
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Bild 06:
Alle Gebäude sind schön und alt, Villenähnlich in eine Parkanlage integriert... Bild 07: Weiterer Granateinschlag. Normalerweise waren Krankenhäuser für alle Nationen ein kriegsfreies Gebiet, hier war das offensichtlich etwas anders da hier spezielle NS Anlagen standen - dazu später mehr... Bild 08: Und noch ein Gebäudeschaden... Bild 09: Etwa 3m langer Treppenabgang in die Kanalschächte - wovon es auf dem Gelände einige gibt... Bild 10: Blick nach unten in einen Schacht der von der Größe her locker mit einem kleinen LKW zu befahren war...
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26.12.2004, 21:14 | #3 |
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Bild 11:
Überbauter Schacht, quadratisch etwa 3x3m, etwa 4m tief und zum Gebäude hinführender Tunnel... Bild 12: das Selbe - etwas weiter weg... Bild 13: Der Eiskeller auf dem Gelände... Bild 14: dazugehöriges Entlüftungsrohr... Bild 15: wieder eine starke Gebäudebeschädigung...
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26.12.2004, 21:17 | #4 |
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Bild 16:
Turm des Hauptgebäudes, zu erkennen wo die Uhr mal war, das Berliner Wappen und die Bauzeit (1890-1892) Bild 17: Kirchturm Ostseite, im Krieg wurde die Spitze des Turms weggeschossen und danach mit einem provisorischen Flachdach abgedeckt... Bild 18: Kirchturm Südseite, rings um die oberste etage ist ein Schutzgitter gegen herabfallende Trümmer angebracht worden... Bild 19: Kirchturm Westseite, bis heute leider noch nicht geschafft zu sanieren - obwohl alle Gebäude auf dem Gelände unter Denkmalschutz stehen... Bild 20: Wieder geht's tief abwärts, noch zu erkennen ist die alte Balkenkonstruktion...
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26.12.2004, 21:19 | #5 |
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Bild 21:
Und mal wieder die große Lampe im Auto gelassen... :-( und mit Blitz habe ich nur den Zaun drauf... Bild 22: da geht's auch wieder runter, welchen Zweck diese Bauten und Tunnel genau hatten weiß ich noch nicht - aber ich bleibe dran! Bild 23: der von Bunkerfreund beschriebene Treppenabgang, mit tollem schmiedeeiserenen Geländer und schmalen Treppenstufen... Bild 24: hier geht es nicht in einen Bunker oder ähnlichem sondern ebenfalls ins Tunnelsystem... Bild 25: auf der Linie bis zum Gebäude befinden sich noch zwei weitere Schachtöffnungen...
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26.12.2004, 21:23 | #6 |
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Bild 26:
@Bunkerfreund, wie kann man nur davor stehen bleiben und nicht probieren ob sich die Tür öffnen lässt?! ;-) Bild 27: leider keine Panzertür - nur normales Blech... Bild 28: Gedenkstein der Euthanasieopfer, wie schon gesagt waren hier in dieser Heilanstalt ein paar Nazis welche die arische Säuberung durch Zwangstötung von unheilbar Geisteskranken vorrantreiben wollten... Bild 29: Ehemaliger Bahndamm der Regelspurweite. Der Verlauf lässt sich noch sehr gut erkennen, der Abzweig kam vom heutigen S-Bahnhof Biesdorf und führte mit einem Bogen in Richtung Nord-Osten direkt zum Kohleplatz vor dem Wirtschaftstrackt, von dort wo die Kohle ins Kraftwerk gebracht und von dort wurden auch die Schmalspurloren zur Gebäudebeheizung beladen... Bild 30: Das Gleis war insgesamt nur etwa 500m lang und wurde nur zum Transport der Kohle genutzt... die Schwellen sind aus Holz wie es vor über hundert Jahren noch üblich war...
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26.12.2004, 21:25 | #7 |
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Bild 31:
Genau dieser Weg unter dem Blumberger Damm und parallel zur S-Bahn war früher die Strecke des Nebengleises welches zwischen heutigem S-Bahnsteig und dem Wuhlgartenweg verläuft... Fast 90% der alten Krankenhausgebäude stehen heute leer und werden nicht mehr oder anderweitig genutzt. Zwar stehen alle Gebäude unter Denkmalschutz aber offensichtlich hat das Krankenhaus und die Stadt kein Geld für den Erhalt der Gebäude die ja auch nach heutigen Krankenhausansprüchen nicht mehr nutzbar sind... Das ganze Krankenhaus funktionierte damals autonom, mit eigenem Stromnetz und Stromerzeugung, eigener Wasserversorgung durch hauseigenem Wasserwerk und Tiefbrunnen, eigener Kanalisation - das Abwasser wurde in das Sumpfgebiet des heuzigen Wuhletals geleitet... Wer noch Fragen zu dem Thema hat, genauere Infos braucht oder sich das ganze etwas genauer ansehen will dann PN an mich...
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26.12.2004, 21:37 | #8 |
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re heilanstalt??
@brainiac
hallo.. kann es sein das es sich um das objekt handert was immer n och als krankenhaus in den topo-karten eingezeichnet ist und nördlich der s-bahn strecke liegt??
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Glück Auf! Matthias |
26.12.2004, 21:40 | #9 |
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Themenstarter
Ja, genau das ist es...
Genaugenommen ist das auch garnicht so falsch da das moderne Unfallkrankenhaus und die ehemalige Heilanstalt praktisch nahtlos inneinander übergehen...
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26.12.2004, 21:41 | #10 |
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Hi Swen,
sehr interessante & schöne Bilder. Hier, in Langenfeld, gibt es ein Areal (Galkhausen) mit ähnlicher Geschichte. Gruß, Stephan
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