Carinhall

Carinhall
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Etwa 65 km nördlich Berlins liegt mit 1259 Quadratkilometern das größte Naturschutzgebiet Mitteleuropas. Die Schorfheide.
Hier siedelten einst Slawen, Germanen und Askanier. Seit dem 12. Jahrhundert war es das bevorzugte Jagdgebiet der jeweiligen Landesherren. In seiner Eigenschaft als preussischer Ministerpräsident liess sich Hermann Göring Anfang 1933 in dieser idyllischen Landschaft ein Gelände von ca. 120 Hektar zur Verfügung stellen.
Er hatte sich dieses Fleckchen Erde aus mehreren Gründen ausgesucht. Einmal war es taktisch klug, eine Residenz in der Nähe der Reichshauptstadt zu haben, dann war Göring auch der Meinung, dass sich politische Probleme viel leichter auf der Pirsch lösen lassen und nicht zuletzt sollte es auch eine Erinnerungsstätte für seine verstorbenen Frau Carin werden. Daher auch der Name Carinhall.
Aller Anfang war ein Blockhaus schwedischen Stils, das im Herbst 1933 mitsamt Gelände in einem symbolischen Akt an den Ministerpräsidenten übergeben wurde.

   

Auf der Innenseite des schweren Eichenbalkens an der Eingangstüre prangte der Spruch:
„Seinem Ministerpräsidenten Hermann Göring, der mit kraftvoller Hand die Geschicke Preussens leitet, widmet das dankbare Land das Jagdhaus am Wuckersee in der Schorfheide zum dauernden Gebrauch, auf dasz des deutschen Waidwerks Schirmherr Waidmannslust und Freude finde in Preussens Forsten.
Berlin den 26. Oktober 1933
Das Preussische Staatsministerium: Popitz, Kerrl, Rust, Dr. Schmitt, Darré.
"

Schon 1936/37 reichte dem luxusliebenden Göring dieses Blockhaus nicht mehr aus und es wurde der erste Anbau geplant. In diesen Anbau wurde das Blockhaus integriert und nicht etwa abgerissen.

Grundrisspläne zu diesem Umbau existieren in Archiven fälschlicherweise unter der Signatur „Speer", obwohl die Architekten Tucher und Hetzelt dafür verantwortlich zeichnen.
 

Vorher war schon eine Adjuntatur entstanden und natürlich die Gruft am Ufer des Wuckersees für seine geliebte Carin, deren sterbliche Überreste er von Schweden überführen liess. Die Beisetzung Carins in der Gruft war eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen auch Hitler in Carinhall weilte.
Der Sarkophag in dieser Gruft war so gross ausgelegt, dass er nach Görings Tod auch seinen Leichnam hätte aufnehmen können.

Schon drei Jahre später wurde Carinhall schon wieder zu klein (jedenfalls nach den Vorstellungen Görings). Also wurde ein weiterer Erweiterungsbau, der Bibliotheksflügel, angefügt.


Somit bestand der gesamte Waldhof nun aus dem nördl. Wirtschaftsflügel, dem mittleren Gästeflügel und dem südl. Bibliotheksflügel. Das verbindende Quergebäude beherbergte die grosse Halle und die Galerie.



Dem interessierten Leser ist bestimmt das Führermuseum Linz ein Begriff. Logisch, dass auch Göring etwas derartiges haben musste, deshalb wurde für 1944/45 ein weiterer Flügel, der Museumsflügel geplant.

Die Galerie - vollgestpopft mit Kunst
 

Er sollte in seinen Dimensionen mehr als doppelt so gross werden wie die bisherigen Flügel von Carinhall. Dort wollte der Renaissance- Mensch Hermann Göring angeblich seine umfangreiche Kunstsammlung dem deutschen Volke zugänglich machen.

So weit kam es dann ja bekanntlich nicht mehr, weil ja der Krieg „vorzeitig" beendet wurde. Nichts desto trotz hatte sich der Waldhof bis dahin zu einer umfangreichen Anlage entwickelt. Neben den Hauptgebäuden gab es zwei Kasinos, Kommandantur, Adjudantur, eine ständige Bauleitung, da laufend etwas umgebaut werden musste. Wach- und Postenhäuser, einen Tennisplatz, sowie einen Schiessstand, ganz abgesehen von einer Nachbildung 1:10 des Potsdamer Hohenzollernschlosses Sans Souci. Edda-Schlösschen genannt, weil Görings Tochter Edda es zum Geburtstag geschenkt bekam.

 

Rund um Carinhall waren Flak- und Scheinwerfertürme zur Abwehr feindlicher Flieger verteilt. An einem etwas weiter nördlich gelegenen See wurde ein Scheincarinhall errichtet um feindliche Flieger Irre zu führen. Carinhall selber war ab 1944 mit Tarnnetzen gegen Luftaufklärung getarnt. Aber weder Carinhall, noch das Scheincarinhall waren jemals Ziel von Fliegerangriffen.
Dies alles, obwohl Göring ja als oberster Dienstherr und Chef der Luftwaffe die Lufthoheit über Deutschland garantiert hatte. In diesem Zusammenhang fragt man sich auch mit welcher Doppelmoral der bekannte Spruch von ihm „wenn jemals ein feindliches Flugzeug über Deutschland auftaucht, will ich Meier heissen" geäussert wurde und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem ein Bunker, nur für ihn, schon seit fast einem Jahr im Bau war. Der zweite, oberirdische Bunker, der sog. Pilzbunker, war ja eigentlich für das Personal vorgesehen.
Mein intensiveres Interesse an Carinhall begann, als mir verschiedene Leute über Bunker in oder um Carinhall erzählten.

 

Diese Schilderungen waren zum Teil masslos übertrieben und erzählten von bis zu 7 unterirdischen Etagen, oder einem unterirdischen Hangar für ein Wasserflugzeug am Ufer des grossen Döllnsees, von dem aus man dann unter der Erde nach Carinhall gelangen konnte. Sie hörten dann bei halbamtlichen, total unsinnigen Behauptungen auf, wie nebenstehende Tafel zeigt.
Ich liess mich damals aber von solchen Aussagen nicht fehlleiten, sondern begann meine eigenen Recherchen. Und zwar akribisch in allen Archiven, bis ich im geheimen Staatsarchiv preussischer Kulturbesitz unter der Rubrik Finanzamt fündig wurde.
Irgendwie mussten ja die immensen Baukosten für Carinhall in Höhe von über 15 Millionen RM (Versicherungswert 1944) abgerechnet werden.
Dort stand es geschrieben, ein Tagelöhner hatte notiert, dass er die Kellerwand auf sechs Meter länge durchbrochen habe, dazu den Liftschacht abstützen musste und das alles an der Westseite des Hauptgebäudes zwecks Herstellung des Bunkereinganges.
Was wollte ich mehr! Diese Aussage und mein inzwischen schon vorhandenes Wissen, dass der Bunker vom Hauptgebäude über eine Wendeltreppe, durch einen Garderobenraum erreichbar war, führte mich zu der richtigen Stelle -auf dem Plan!!!
Wer heute Carinhall besucht, wird enttäuscht feststellen, dass es dort, ausser ein paar Eisenteilen, die aus dem Boden ragen und Betonbrocken nichts zu sehen gibt, keine Spur einer Westseite, oder eines Liftschachtes! Schliesslich wurde Carinhall ja auf Befehl Görings am 28. April 1945 mit ca. 80 Fliegerbomben restlos gesprengt.
Nicht aber ohne vorher 3 (drei) Güterzüge (-Züge, nicht Waggons!) mit Kunstgütern abtransportiert zu haben.
Kunstgüter oder Reichtum war ja aber auch nicht die Triebfeder für meine Aktivitäten, mir ging es im wesentlichen um die Architektur und um den Nachweis, dass tatsächlich ein zweiter Bunker besteht.
Wer schon mal einen Bunker als Erster nach dem Versprengen betreten hat, kann dieses Gefühl wohl leicht nachvollziehen.
Nun ging es also nur noch darum, die besagte Stelle in der Natur wiederzufinden. Nach tagelangen Spaziergängen in Carinhall stellte ich fest, dass genau noch zwei Punkte (heute ist es nur noch einer) an der gleichen Stelle waren wie vor der Sprengung. Einmessen dieser Punkte anhand des Planes und mit Hilfe eines Theodoliten waren eigentlich nicht mehr schwer. Dann war es endlich so weit! Pikanterweise lag der gemessene Bunkereingang genau auf einem Trampelpfad, also sind schon Hunderte von Suchern genau darüber gelaufen, ohne zu ahnen, was sich unter ihnen befindet.
Die eigentlichen Grabungsarbeiten waren dann nur noch „Formsache". Man möge es mir verzeihen, ich habe die Zeit nicht gestoppt, aber wenn es eine halbe Stunde dauerte, war es lang. Dann kam auch schon die abgerissene Decke des Verbindungsganges Hauptgebäude - Bunker zum Vorschein. Noch 60 cm, dann war es geschafft, der erste Lufthauch, unverkennbar für einen länger verschlossenen Hohlraum, kam mir entgegen. Noch ein bisschen vergrössern, den Durchschlupf und dann rein. Nachdem ich den Schuttkegel runtergerutscht war und endlich meine Lampe anmachen konnte, war nun doch etwas überwältigt von dem Anblick, DAS hätte ich nicht erwartet;

 

Senkrechte Wände, die Decke ohne Risse, genau im Winkel und vor mir verliert sich der Gang im Dunkel. Vorsichtig gehe ich weiter. Da, eine Treppe, vier Stufen nur, aber eine Treppe. Danach ein Knick 90° nach rechts und eine weitere Treppe, diesmal mindestens 12 Stufen, am Fuße der Treppe eine Gasschutztür, die der Explosionsdruck aus den Angeln gerissen hatte. Links von mir an der Wand der Hinweis, dass ich in 12 Metern vor Bomben sicher bin.

Der Gang schien kein Ende nehmen zu wollen, nach der Tür noch mal ein Knick und noch einer, bis ich dann schliesslich im Hauptbunker stand. Auch hier, alles ganz, keine Risse in den Wänden oder der Decke. Diagonal gegenüber ein weiterer Gang, der aber nach ca. 10 m zerstört war.

  


Wie sich später herausstellte, war das der Notausgang, der zum Ufer des grossen Döllnsees führte.
Aber zurück zu dem eigentlichen Bunker; erst wunderte ich mich über den durchschnittlich 1 m hohen Schutt auf dem Boden. Es wurde aber schnell klar, dass der von diversen Zwischenwänden und vor allem der Wandverklinkerung mit vorgesetzter Holzvertäfelung stammte. An der Decke war ganz deutlich auszumachen, wie gross der eigentliche Bunkerraum mal war, denn nur dort war Rauputz an der Decke, die restlichen Deckenflächen waren, wie die Wände, einfach nur gestrichen.

Natürlich hatte ich gewisse Hoffnungen, als ich begann in dem Schutt zu wühlen. Ich sollte nicht enttäuscht werden, weisser Marmor, griechische Vasen, italienische Majolika und chinesisches Porzellan, alles war dort vertreten. 

Eineinhalb Jahre lang siebte ich mit Hilfe ganz weniger Eingeweihter den Schutt qdm für qdm (qdm = Kubikdezimeter!) unter Neonbeleuchtung durch.

Am Ende hatte ich ca. 300 kg Scherben gesammelt und sorgfältig sortiert.

    

Aber nicht nur Scherben waren in dem Bunker, auch ganze Statuen  Man hatte ihnen, wie den anderen zurückgelassenen Statuen auch, den Kopf abgeschlagen. So nach dem Motto; was ich nicht haben kann, soll auch kein anderer haben. Schade! Was sich ebenfalls fand, waren Relikte, die den Luxus und Überfluss, in dem Göring lebte, signalisierten; Echt vergoldete Kommodenbeschläge.

   


Für mich stellte sich nun die Frage, wohin mit den ganzen Schätzen? Ich hatte ja lange Zeit zum überlegen und mein Entschluss stand schon seit längerem fest; auf den Schwarzmarkt kommen die nicht! Ich wusste inzwischen auch, dass im Museum für Früh- und Urgeschichte auf der Museumsinsel in Berlin weitere Fundstücke aus Carinhall lagerten, die direkt nach dem Krieg dort sichergestellt wurden. Also packte ich sorgfältig ein paar besonders schöne Stücke ein und wurde dort vorstellig. Entgegen meiner Befürchtung war man aber ganz und gar nicht erbost über meine illegale Bergung, sondern eher erfreut, denn zufällig ergänzten ein paar der mitgebrachten Teile, schon im Museum vorhandene Fragmente.
Trotzdem blieb mir natürlich der Weg zur Denkmalschutzbehörde nicht erspart. Dort wurde ich auch dahingehend belehrt, dass es eine Suche ohne Genehmigung wäre. Die Frage, ob ich denn eine Genehmigung bekommen hätte, wurde eindeutig verneint, wegen Bodendenkmal und Naturschutz (Brandenburgisches Waldgesetz). Nach langer, zäher Diskussion einigten wir uns dann schlussendlich darauf, dass es doch eigentlich ganz OK wäre, denn das Museum hat nun einige ausstellungswürdige Stücke mehr und ich habe ja eigentlich nicht gegraben, sondern nur einen vorhandenen Hohlraum geöffnet!
Trotzdem; vor Nachahmung rate ich dringend ab, es geht nicht immer so glimpflich aus!!!
Was nun folgte ist die mir auf ewig unverständliche Schlussfolgerung, dass so ein offener Bunker ein Magnet für braunen Massentourismus wäre und umgehend verschlossen werden müsse.
Da hatte ich allerdings erhebliche Einwände und nahm die Herausforderung „David ./. Goliath“ an.
Schon während des ganzen letzten Jahres hatte ich auf Rauchen im Bunker verzichtet und mich möglichst leise verhalten, weil Fledermäuse sich dort sehr wohl fühlten, nachdem er ja mal offen war. Ein Fledermausquartier muss her, schliesslich stehen die armen Viecher ja auch unter Naturschutz und ich mag sie wirklich!
Was soll ich lange schreiben, der Genehmigungsweg war lang und steinig, aber letztendlich war es geschafft, Forst, Denkmalschutz und was sonst noch was zu sagen hat, waren einverstanden, dass ich aus dem Bunker ein Fledermausquartier mache. Einzige Einschränkung: es darf nichts kosten!!!

Für Fledermausschutz ist offensichtlich kein Geld vorhanden! Die einzige Unterstützung bekam ich vom NABU wofür ich mich an dieser Stelle noch einmal recht herzlich bedanke!

 
       


Resümee:

Es lohnt doch, auf Zeitzeugen zu hören, aber nicht alles zu glauben. Eigene Recherchen sind zwar für manchen langweilig, besonders, wenn man sich durch Berge von Akten wühlen muss, bringen aber dann doch, unter dem Strich, den gewünschten Erfolg!
Auch habe ich nichts gegen Zusammenarbeit mit der Presse, wie es oft propagandiert wird. Tritt man denen vernünftig gegenüber, wird man auch fair behandelt. Ich jedenfalls kann nicht klagen.

 

© Big/ck-einblicke & cdf

Weitere Informationen:
Volker Knopf + Stefan Martens
Görings Reich - Selbstinszenierung in Carinhall

Ch.Links Verlag Berlin

ISBN 3-86153-176-3