Mittelwerk

Geschichte des KZ Mittelbau Dora

Unweit der Stadt Nordhausen am südlichen Rand des Harzes liegt das ehemalige KZ- Mittelbau Dora. Heute erinnert  ein Museum an die über 60.000 Häftlinge, die zwischen 1943 und 1945 ein riesiges Tunnelsystem im  Kohnstein vortrieben, um dort für Kriegszwecke Waffen zu produzieren.

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Nach dem Luftangriff der Royal Air Force am 18. August 1943 auf die Heeresanstalt Peenemünde wurde die bis dahin dortige Produktion der A4-Rakete nach Nordhausen verlegt. Bereits im Frühjahr 1943 lief in den  peenemünder Rax-Werken, in Wiener Neustadt und in Friedrichshafen am Bodensee die Serienfertigung der „V2“ Rakete an. Aber auch diese Werke wurden im Juni und August 1943 durch Luftangriffe der Aliierten in Mitleidenschaft gezogen. Nachdem nun die Verlegung der Produktion in einen weniger gefährdeten Bereich dringend erforderlich wurde, entschied man sich für den Kohnstein bei Nordhausen, in den schon die Fa. Wifo seit 1936 ein unterirdisches Treibstofflager für die Wehrmacht ausbauen ließ. Die Leitung der Bauarbeiten im Mittelwerk wurde von SS-Gruppenführer Hans Kammler, Chef der Amtsgruppe C im SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt (WVHA), übernommen. Schon zehn Tage nach dem Luftangriff auf Peenemünde trafen am 28.August 1943 die ersten 107 KZ-Häftlinge mit ihren SS-Bewachern am Kohnstein ein. Das KZ-Buchenwald hatte mit diesem Tag ein weiteres Außenlager und schickte in den darauffolgenden Wochen und Monaten weitere Häftlingstransporte in das KZ-Mittelbau-Dora, welches von der SS als „Arbeitslager-Dora“ bezeichnet wurde.

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Ende September 1943 waren dort mehr als 3000 Häftlinge, Ende Oktober  befanden sich bereits 6800 im KZ-Dora, und schon im Dezember 1943 waren über 10500 KZ-Häftlinge im Kohnstein eingepfercht. Da im Herbst 1943 noch keine Baracken oder andere feste Unterkünfte vorhanden waren, wurden die Häftlinge in den Stollen des geplanten Mittelwerkes untergebracht. Das heutige Museum verweist auf die Kammern 43 bis 46, welche als „Schlafstollen“  mit vierstöckigen Holzpritschen eingerichtet waren.  Als Latrine dienten halbierte Ölfässer. Dies waren die einzigen sanitären Anlagen.
Erst als im Januar 1944 die Produktion der A4-Rakete im Mittelwerk anlief, wurden die ersten Häftlingsgruppen in das neue Barackenlager am Südhang verlegt. Bis zu diesem Zeitpunkt quälte und tötete Hunger, Durst, Kälte und nicht zuletzt auch die schwere Arbeit des Stollenvortriebs 679 Häftlinge. Die Mehrzahl waren Russen, Polen und Franzosen. Bis März 1944 starben in Dora fast 2900 Häftlinge, weitere 3000 sterbende Häftlinge wurden in die Konzentrationslager Lublin-Majdanek und Bergen Belsen überstellt. Im April 1944 nimmt das neu errichtete Krematorium im Häftlingslager seinen Betrieb auf. Zur gleichen Zeit werden in der Umgebung weitere Außenlager des KZ-Buchenwald eingerichtet, unter anderem Ellrich (gegründet: 02.05.1944), Harzungen (gegründet: 01.04.1944) und Rottleberode (gegründet: 13.03.1944).  Am 31. Juli 1944 beträgt die Lagerstärke in Dora 11675 Häftlinge.

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Im August 1944 lief auch die Produktion der „V1“ im Kohnstein an.
Im Zusammenhang mit der Bildung des „Jägerstabes“ und der Untertageverlagerung der Luftrüstung ab dem Frühjahr 1944, wird auch das Lager Dora am 28.Oktober 1944 zum eigenständigen KZ-Komplex Mittelbau-Dora. Für den Junkers-Konzern sollten im Rahmen des "Jägerprogramms" in der Umgebung von Nordhausen weitere unterirdische Verlagerungsbetriebe entstehen. Für den geplanten Rüstungskomplex im Südharz legt man Stromleitungen und baut Straßen, Bahnlinien und Barackenlager, um die nötige Infrastruktur zu schaffen.  Im Sommer 1944 kommen für den gegründeten „Geilenbergstab“ weitere Untertageverlagerungsprojekte der Mineralölindustrie hinzu. Jedoch ist im Angesicht des nahenden Kriegsendes kaum eines dieser Projekte auch nur annähernd fertiggestellt worden, obwohl man unter rücksichtslosem Einsatz KZ-Häftlinge, zwangsrekrutierte ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und auch dienstverpflichtete Deutsche dafür heranzieht. Nach dem 28.Oktober 1944 kommen mit der Verlagerung neuer Rüstungsprojekte noch weitere Außenlager zum KZ-Mittelbau hinzu. Man zählt im Frühjahr 1945 über 40000 Häftlinge in etwa 40 Mittelbau-Lagern. Bis März 1945 werden aus den Lagern Auschwitz und Groß-Rosen 16000 Häftlinge, darunter Frauen und Kinder, in das KZ-Mittelbau Dora verlegt. Die SS begann schon Ende 1944 aufgrund der heranrückenden Roten Armee mit der Evakuierung dieser Lager. Von diesem Zeitpunkt an steigt auch die Zahl der jüdischen Häftlinge in den Mittelbau-Lagern, ebenso die Sterblichkeitsrate.
Nachdem im März 1944  750 Häftlinge sterben, es im Sommer 1944 monatlich etwa 100 bis 150 Tote sind, ab Herbst 1944 diese Zahl weiter ansteigt und im Dezember 570 Tote erreicht, sind es zwischen Januar und April 1945 schon über 6000 Häftlinge, die in den Lagern des KZ-Mittelbau ihr qualvolles Ende finden. Das zentrale Sterbelager in der Boelcke-Kaserne, welches im Januar 1945 von der SS eingerichtet wurde, zählt davon schon 3000 tote Häftlinge.  Am 1. April 1945 zählt die SS  40202 Häftlinge in den Lagern des KZ-Mittelbau.  Nach den britischen Luftangriffen auf Nordhausen setzt am 03.April 1945 der „Todesmarsch“ des Hauptlager Dora ein, wo 4000 sowjetische Häftlinge nach Bergen-Belsen verbracht werden. Zwischen dem 04. und 06.April 1945 werden auch die meisten der anderen Lager geräumt und die Häftlinge in aller Eile und Brutalität  von den Wachmannschaften angetrieben. Wer nicht mithalten konnte wurde erschossen.  Mehrere mit Häftlingen beladene Züge, Güter- und Viehwaggons verlassen den Südharz am 06.April 1945 in Richtung Bergen-Belsen, Sachsenhausen und Ravensbrück.  Die zurückgelassenen kranken und sterbenden Häftlinge im Lager Dora wurden am 11.April 1945 von der US-Army befreit. Die männlichen Anwohner Nordhausens setzten am 16. April auf Befehl der Amerikaner 1000 Häftlinge auf einem Ehrenfriedhof in Nordhausen bei. Bis Ende Juni 1945 werden etwa 100 komplette „A4“-Raketen und wichtige Dokumente von den Amerikanern geborgen und abtransportiert. Die Rekonstruktion der A4- Rakete findet in Bleicherode, im sogenannten „Zentralwerk“, unter sowjetischer Leitung statt.  Im Oktober 1946 wird das Zentralwerk aufgelöst und mit Teilen der deutschen Belegung in die Sowjetunion verlagert.

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1948 werden die Stolleneingänge unter sowjetischer Leitung gesprengt.
20.000 Menschen überlebten die fürchterlichen Bedingungen in der Hölle von Dora nicht.
Seit April 1995 kann man als Besucher des Museums der Gedenkstätte Mittelbau-Dora Teile des Stollensystems besichtigen. Von den 120000 qm, die unter Tage vorhanden sind, kann man im Rahmen einer Führung ca.  8000 qm besichtigen, dazu kommen ca. 140 ha im Freigelände mit rund 80 denkmalgeschützten Einzelobjekten.

Dort ist auch das original erhaltene Krematorium mit einer Grabanlage für die hier verbrannten Häftlinge zu sehen. Die Länge der unterirdischen Anlage im Kohnstein beträgt ca. 20km.
Bei der Produktion der "V2" Rakete kamen mehr Menschen ums Leben als durch ihren Einsatz!
[Quelle: Gedenkstätte Mittelbau Dora]