Pipinsburg Teil 4/5

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  • HarryG († 2009)
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    • 10.12.2000
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    • Bad Sachsa, Niedersachsen (Südharz)
    • Meine Augen

    #1

    Pipinsburg Teil 4/5

    Die Pipinsburg bei Osterode am Harz Teil 4

    Ähnliche mit Gips gemörtelte Mauerreste von rund 1,80 Meter Stärke fanden sich auf dem kleinen, von dem Spitzgraben hufeisenförmig umschlossenen Plateau an der Nordspitze, dem Platz der mittelalterlichen Burg. Dieser Graben selbst enthielt zwei deutlich voneinander getrennte Versturzschichten. Es liegt nahe, aus diesem Befund auf einen zweimaligen Verfall der mittelalterlichen Pipinsburg zu schließen, obwohl die historische Überlieferung nur die Zerstörung von 1365 nennt.
    Die zahlreichen bisher durchgeführten Flächenabdeckungen in dem inneren Burgbezirk lieferten durchweg übereinstimmende Befunde. Stets wurden, eingebettet zwischen schmalen Kiesrücken, stark ausgeprägte und überraschend fundreiche Kulturschichten angetroffen. Die große Menge des Fundgutes umfasst vorwiegend Keramik, zahlreiche Schmuck- und Gebrauchsgegenstände aus Bronze und Eisen, Perlen aus Bernstein und Glas, pflanzliche Reste, vornehmlich Körner verschiedener Getreidearten, wie z. B. Emmer, Spelzgerste und Einkorn sowie riesige Mengen von Säugetierknochen, unter denen vorwiegend Rind, Schaf, Schwein und auffallend häufig eine zierliche Pferderasse von etwa 1,3 Meter Widerristhöhe vertreten sind. Nicht selten fanden sich innerhalb dieser Kulturschichten menschliche Skelettreste, wobei es sich jedoch niemals um regelrechte Bestattungen handelte; sie lagen vereinzelt und vermischt mit dem übrigen Fundgut aller Art in den meist muldenförmig verlaufenden und mit Kulturschichten angefüllten Vertiefungen.
    Ein Nachweis von Hausgrundrissen ist bisher nicht gelungen, obwohl sehr häufig Pfostenverfärbungen in den einzelnen Grabungsflächen festgestellt werden konnten. Die für das Erkennen von Verfärbungen höchst ungünstigen Bodenverhältnisse, die Hanglage, die ein Verrutschen oder Abfließen der Erdschichten ermöglichte, und der durch Verwitterungsvorgänge sehr unruhig gestaltete, felsige Gipsuntergrund wirken sich für das Erkennen von Siedlungsspuren besonders erschwerend aus. Dennoch müssen Baulichkeiten bestanden haben, dafür sprechen das zahlreiche Auftreten von oft im Feuer geglühten Wandbewurfstücken mit Flechtwerk- und Rutenabdrücken, Reste von Steinsetzungen aus ortsfremdem Material, Teile von Herd- bzw. Feuer- und Eisenschmiedestellen. Werden all diese einzelnen Grabungsbefunde zusammenfassend berücksichtigt, so berechtigen sie zu der Annahme, dass auf der Pipinsburg eine länger dauernde Besiedlung stattgefunden hat.
    Soweit die Bodenverhältnisse überhaupt stratigraphische Unterscheidungen zuließen, konnten drei verschiedene Siedlungsschichten festgestellt werden, wobei sich die zuoberst liegende, jüngste Schicht scharf von der am deutlichsten ausgeprägten mittleren Schicht abhob, während zwischen dieser und der untersten, also ältesten Siedlungsschicht ein mehr allmählicher Übergang bestand.
    Diese sich aus den Siedlungsschichten ergebende Dreigliederung spiegelt sich auch in dem Fundinventar wider. Einige wenige jungsteinzeitliche Fundstücke können nicht als Belege für eine schon im Neolithikum erfolgte Besiedlung der Pipinsburg ausgewertet werden. Sie beginnt in der Späthallstattzeit, deren Fundgut vornehmlich in der untersten Siedlungsschicht vertreten ist. Kennzeichnende Fundstücke sind außer einigen bronzenen Nadelformen steigbügelförmige Bronzearmringe der Stufe Hallstatt D.
    Fließend, ohne eine deutlichere Unterbrechung vollzieht sich der Übergang zur nächstfolgenden latenezeitlichen Besiedlungsphase, die durch eine stark und markant ausgeprägte, fundreiche Siedlungsschicht gekennzeichnet ist. Die zeitliche Ansetzung wird .durch zahlreiche Fibeltypen, Nadel﷓ und Armringformen, Eisengeräte sowie große Mengen keramischen Fundgutes, unter dem auch Drehscheibenware auftritt, gegeben. Schließlich enthält die oberste weniger reich mit Fundmaterial ausgestattete Siedlungsschicht zum überwiegenden Teil mittelalterliche Keramik, deren älteste Stücke dem 10. und 11. Jh. angehören.
    An einer Geländeschwelle, die den Innenraum der Pipinsburg in ein oberes und ein unteres Plateau gliedert, konnte bei den Flächenabdeckungen ein gleichmäßig 2,5 Meter starkes Trockenmauerwerk freigelegt werden. Es umfasst das obere Innenplateau bogenförmig und schirmt es so gegen Norden und Nordwesten ab. Damit wird dieses als stark gesicherte Zentralanlage des gesamten Befestigungswerkes gekennzeichnet. Die beiden Außenfronten der Trockenmauer bestehen aus Dolomitplatten, die erst in etwa 2 km Entfernung vom Burgberg anstehen; der Mauerkern ist mit kleinerem Dolomitgestein in unregelmäßiger Lagerung aufgefüllt. Irgendwelche Holzeinbauten waren nicht vorhanden. Geschickt ist das Fundament der Mauer in die gelegentlich emporragenden Gipsriffe eingefügt. An verschiedenen Stellen lassen große Störungen in dem Mauerverlauf auf einen absichtlichen Abbau der Mauer schließen. Da die zur mittelalterlichen Burg auf der Nordspitze des Berges gehörende Mauer aus dem gleichen Steinmaterial besteht, kann angenommen werden, dass bei deren Bau die Steine aus jener Trockenmauer verwendet worden sind.
    Glück Auf!
    Harry

    Nur die Harten kommen in den Garten!
    Und ich bin der Gärtner

    Harry hat uns am 4.2.2009
    nach schwerer Krankheit für immer verlassen.
    In stillem Gedenken,
    das SDE-Team
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