Diamanten vom Ende der Welt
'Hundert Kilometer sind keine Entfernung und vierzig Grad Minus noch kein Frost', sagt man in Jakutien, sechs Zeitzonen östlich von Moskau. Die Provinz ist so groß wie die gesamte EU, hat aber kaum mehr Einwohner als Köln. Der erste Diamant wurde 1951 im Nordosten Jakutiens gefunden. Danach begann ein regelrechtes Diamantenfieber. Seit dieser Zeit wurden in der autonomen Republik weit nördlich des Polarkreises Dutzende von Diamantenfeldern entdeckt. Die technisch aufwändige und schwierige Ausbeutung und Verwertung der Edelkristalle prägen seitdem das Land und seine wenigen Menschen.
Dort, wo die klimatischen Bedingungen besonders hart sind, in der Nähe des Kältepols der Erde, 600 Kilometer nördlich des Polarkreises, arbeitet seit 1994 die Fördergesellschaft 'Untere Lena'. Die Diamantenfelder an der unteren Lena sind ebenso reich wie abgeschieden. 'Unser eigentliches Problem ist nicht das Klima, sondern die Entfernung von jeder Zivilisation', sagt Wladimir Kytschkin, der Direktor der Gesellschaft. Nördlich der Hauptstadt Jakutsk gibt es praktisch keine Landverbindungen. Mitarbeiter, Treibstoff, Material, Lebensmittel - alles muss über Tausende Kilometer auf dem Luftweg nach Norden gebracht werden. Versorgt werden die Arbeiter zum Teil von den einheimischen Fischern und Rentierzüchtern, die so vom Diamantenboom profitieren.
Das Arbeitsjahr der Minenarbeiter wird von der Natur diktiert. Nur im Winter gibt die Jakutische Tundra ihre Reichtümer preis. Nur wenn der Boden hart gefroren ist, können sich Lastwagen, Bagger und Bulldozer überhaupt bewegen. Von Februar bis März dauert die Zeit der schweren Technik. Riesige Raupenschlepper fressen sich in den Dauerfrostboden und werfen hart gefrorenes Gestein auf Lastwagen, die es zu großen Halden aufschütten. Aber erst im Sommer werden die Maschinisten erfahren, was ihre Arbeit wirklich wert war. Im Juni beginnt die interessanteste Phase des Produktionsjahres - die Auswaschung des Gesteins und die 'Ernte' der Diamanten: das Auswaschen der Rohdiamanten aus Tonnen von Geröll. Doch erst in der Diamantschleiferei in Jakutsk werden aus den beinahe unscheinbaren Steinen Brillanten.
