Hannover: Im Dienste des Vaterlands

Einklappen
X
 
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge
  • Andrew.derLuchs
    Landesfürst


    • 02.11.2009
    • 693
    • 30449 Hannover-Linden

    #1

    Hannover: Im Dienste des Vaterlands

    Hannover

    Im Dienste des Vaterlands

    Die Liberale Jüdische Gemeinde zeigt eine Ausstellung über jüdische Soldaten

    Der Aufruf war von flammendem Patriotismus beseelt: „In schicksalsernster Stunde ruft das Vaterland seine Söhne“, verkündete der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens am 1. August 1914: „Eilt freiwillig zu den Fahnen!“ Später erinnerte sich der Feldrabbiner Arnold Tänzer an die Begeisterung beim Beginn des Ersten Weltkriegs, die „jedes deutsch fühlende Herz höher schlagen ließ“, wie er schrieb.

    „Viele Juden waren damals so gut integriert, dass sie begeistert für ihr Vaterland in den Krieg zogen“, sagt Ingrid Wettberg, Vorsitzende der Liberalen Jüdischen Gemeinde. Dort eröffnet heute um 17:00 Uhr eine Ausstellung, die das Militärgeschichtliche Forschungsamt Potsdam konzipiert hat. Zahlreiche Tafeln erinnern mit Texten, Fotos und Dokumenten an „Deutsche Jüdische Soldaten“. An dem Ausstellungsprojekt ist neben der Gemeinde auch das Landeskommando der Bundeswehr beteiligt.

    „Insgesamt dienten rund 100.000 deutsche Juden im Ersten Weltkrieg“, sagt Martin Stahl, Oberstleutnant der Reserve. Groß war die Sehnsucht der Juden, einen Platz in der nationalen Schicksalsgemeinschaft zu finden. Ob und wie sie überhaupt Militärdienst leisten durften, war in Deutschland immer Gradmesser für ihre Integration gewesen. Als 1842 in Preußen das Gerücht die Runde machte, Juden dürften nur noch freiwillig Kriegsdienst leisten und seien dazu künftig nicht mehr verpflichtet, klagte der Vorsteher der jüdischen Gemeinde, dies wäre für ihn „schmerzlicher als alles Übrige“.

    Fotos in der Ausstellung zeigen Juden in Uniform, die stolz als „Einjährig-Freiwillige“ posieren. Im 1871 gegründeten Bismarck-Reich waren sie rechtlich endlich gleichgestellt. Doch in einer Kabinettsordre verfügte Kaiser Wilhelm II. 1890, dass Truppenführer eine gute „christliche Gesittung“ mitbringen sollten – zu diesem Zeitpunkt war schon fünf Jahre lang kein Jude mehr zum preußischen Offizier befördert worden. Ausgrenzung blieb im Militär allgegenwärtig.

    Ein besonders beklemmendes Dokument in der Ausstellung zeigt ein Foto von Richard Stern. Als Nazis 1933 sein Geschäft in Köln boykottierten, legte er das Eiserne Kreuz an, das er im Ersten Weltkrieg bekommen hatte, und trat demonstrativ neben den SA-Mann vor seiner Tür. Die Auszeichnung galt ihm als Ausweis seiner Zugehörigkeit zur Nation. Stern trug sein Eisernes Kreuz wie einen Talisman – nicht ahnend, dass dieser nur noch trügerischen Schutz gewährte.

    Die Ausstellung ist in der Fuhsestraße 6 dienstags und donnerstags, 10:00 bis 12:00 Uhr, und mittwochs, 14:00 bis 16:00 Uhr, zu sehen.



    © HAZ - Hannoversche Allgemeine Zeitung - Seite 20 Ressort: HANN | 22.03.2012 von Simone Benne
Lädt...