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Alt 20.02.2006, 15:30   #1
bitti
Ritter

 
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Bunker und Lager der Dynamit AG bei Neugablonz

Wie aus Bunkern Wohnhäuser wurden

Nach dem Krieg machten Neugablonzer aus der Not eine Tugend

Von Markus Frobenius
Neugablonz - Frühjahr 1945: Ein Blick auf Kaufbeuren-Hart, das heute Neugablonz heißt, zeigt ein großes zusammenhängendes Waldgebiet, durch das ein paar Straßen und Schienenstränge führen. Doch der Schein trügt: In dem Wald befindet sich eine Filiale des Sprengstoffherstellers Dynamit AG (DAG) - mit zahlreichen unterirdischen Anlagen. Nach dem Krieg wurde das Werk in die Luft gesprengt. Doch ein Teil der Lager und Bunker widerstand den Zerstörungsversuchen. Was fast bizarr anmutet: Noch heute werden diese Bunker von Firmen, Verbänden oder sogar als Wohnhäuser genutzt.

„Halte Ordnung“ prangt noch in altdeutscher Schrift an der Decke in einem niedrigen Kellerbunker. Dort und im Nachbarbunker hat die Firma Sussmann und Steinhauser heute Chemikalien für die Herstellung von Klebstoffen und Lacken gelagert. Früher gehörten die Bunker zur DAG, deren Gebäude das Areal des heutigen Neugablonz überzogen. Nach dem Krieg hatte Hans Sussmann die Bunker übernommen und ließ dort Zahnpasta oder Haarwasser für seine Drogerie herstellen. Dabei ließ er auch das Erdreich auf den Bunkern abgetragen, das diese im Krieg tarnen sollte, erläutert Geschäftsführer Herbert Steinhauser. Die Anlagen nutzte das Unternehmen. Das Hauptgebäude der Firma entstand dann 1950, aber die Bunker seien nach wie vor „ideal, da wir mit Gefahrengut arbeiten“.
Ein Blick noch weiter zurück: 1939 war der Beschluss gefasst worden, das DAG-Werk in den Wald bei Kaufbeuren zu bauen. Dieser tarnte das Gelände, dessen Gebäude zusätzlich oft bepflanzte Flachdächer hatten. Zudem wurden die Bunker dezentral angelegt. Zunächst überstanden sie den Krieg. Auch die amerikanischen Soldaten, die Kaufbeuren am 27. April 1945 besetzten, liefen daran vorbei, erzählt Historiker Manfred Heerdegen. Erst als der Werkschutz sich bei den Soldaten meldete, besetzten sie das Gelände.
Während der Demilitarisierung wurde ein Großteil der Anlage im November 1945 spektakulär gesprengt. Die Bunkeranlage sei damals vor versammelter Presse und militärischer Prominenz in die Luft gejagt worden, so Heerdegen. Zeitzeugen berichten, dass bei der Sprengung sogar die Scheiben in Irsee geklirrt hätten. Doch einige Gebäude widerstanden den Zerstörungsversuchen. „Hans Sussmann erzählte, die Amerikaner hätten den ganzen Tag TNT in den Bunker getragen. Doch es machte nur Puff“, so Thomas Steinhauser, Zweiter Geschäftsführer von Sussmann und Steinhauser.

Nur Teil der Anlage

Solch massive Bunker machten freilich nur einen Teil der Anlage aus und waren zur Lagerung von Gefahrengut wie Schießbaumwolle bestimmt. Ehemalige Funktionsgebäude hatten hohe Fenster, damit möglichst viel Tageslicht für die Arbeiter einfiel - wie es heute in der Neuen Zeile bei einer ehemaligen Wäscherei zu sehen ist. Größere Gebäude wie die ehemalige Scheibler-Hütte in der Sudetenstraße, in denen mit gefährlichen Stoffen hantiert wurde, hatten seitliche Betonverstrebungen, damit im Falle einer Explosion nur die Ziegelsteine einstürzten, aber das Betongerüst stehen blieb. Rund 215 Gebäude vom Lager für Schießbaumwolle bis zur Omnibusgarage standen auf dem DAG-Gelände. Aus dem, was die Amerikaner stehen ließen, versuchten Kaufbeurer und vor allem die vertriebenen Gablonzer das Beste zu machen. 1995 waren noch etwa 70 Gebäude in unterschiedlichster Weise erhalten. „An den meisten erhaltenen Gebäuden hängen interessante Geschichten dran“, so Heerdegen. Von einigen Bunkern oder Lagerräumen wurden Fragmente in Neubauten integriert.

Markante Wache

Zu den markantesten Gebäuden, die erhalten blieben, gehören die Alte Wache in der Sudetenstraße, das Laboratorium, in dem sich das Hotel Europa befindet, oder die Feuerwache, in der heute der Bundesverband der Gablonzer Industrie seinen Sitz hat. Nach dem Krieg war dort zunächst ebenfalls die Feuerwehr untergebracht. Andere Gebäude wurde umgebaut: Eine WC-Anlage in der Gürtlerstraße oder ein Abstellgebäude in der Silberstraße wurden zu Wohnhäusern, die einen mit einem Balkon umzogenen zweiten Stock erhielten. „Diese Betonplatten sind ganz typisch für die 50er Jahre“, so Heerdegen. Auf diese Weise wurden Bunker und andere alte Bausubstanz in den neu entstehenden Stadtteil integriert.

Quelle: Allgäuer Zeitung
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