Quelle=http://www.rhein-berg-online.ksta.de
Letzte Schicht im Schacht
Overath - Die Grube Lüderich hat eine bewegte Geschichte. Die Arbeit dort war schwierig und gefährlich. Das Erz konnte dem Berg nur mit viel Schweiß und manchmal unter Einsatz des Lebens entrissen werden. Aber der Grubenbetrieb gab auch vielen Menschen über Jahrhunderte Arbeit. Bereits im ersten Jahrhundert bauten die Römer Blei- und Silbererze ab und verhütteten diese.
Die erste dokumentierte Bergbautätigkeit am Lüderich reicht zurück ins Jahr 1518, als Herzog Johann von Jülich die Schürfrechte am „Loederich“ beurkundete. Während des Dreißigjährigen Kriegs (1618-1648) kam der Bergbau zum Erliegen. Doch danach ging es am Lüderich schnell wieder los. Mit Hacke und Schaufeln wurde dem Berg das Metall abgerungen.
Sprengung und Abtransport
Seit der Erfindung des Schießpulvers im Mittelalter war die Arbeit im Berg im Grunde immer gleich: Die Bergleute bohrten ein tiefes Loch und füllten es mit Schießpulver. Dann mussten sich alle in Sicherheit bringen - die Ladung wurde gezündet. Mit ohrenbetäubendem Lärm riss die Explosion das Gestein aus der Wand, das nun abtransportiert werden konnte. Mit Fülltrog und Kratze luden die Bergleute es mühsam in Förderwagen.
Die Sprenglöcher wurden mit dem Bohrmeißel in der linken und dem Handfäustel in der rechten Hand in den Fels geschlagen. Die Arbeit war hart und gefährlich. Zumal wegen der geringen Sprengkraft viele Löcher gebohrt werden mussten. Oft schaffte ein Bergmann nicht mal einen Meter pro Schicht. Ab 1912 kam der Presslufthammer zum Einsatz. Die neue Technik ließ die abgebaute Menge pro Mann in die Höhe schnellen. „Das machte Steinenbrück aber auch zum Dorf der Witwen“, erklärt Siegfried Raimann, stellvertretender Bürgermeister von Overath.
"Dorf der Witwen"
Der Presslufthammer wirbelte feinen Staub auf, der sich in der Lunge festsetzte. Die Bergleute fuhren ohne ausreichenden Schutz in den Schacht und holten sich eine Staublunge. Erst 1948 änderte sich das, denn nun wurde Wasser zum Kühlen der Bohrköpfe eingesetzt und der Staub so gebunden. Es folgten in immer schnelleren Abständen Innovationen im Bergbau. Neue Bohrer kamen, und anstelle kleiner Loren transportierten bald riesige Raupen das Gestein.
Aufbereitet wurde das Erz in Steinenbrück. Bei der Fahrt von dort in Richtung Heiligenhaus stehen in der Rechtskurve hinter dem Aldi auf der linken Seite zwei alte Häuser. Dort war früher die Aufbereitung untergebracht. „Man brauchte viel Wasser, und hier fließen Dresbach und Holzbach zusammen“, so Raimann. „Das Gelände rund um den Aldi lag früher deutlich tiefer. Da hat man immer die Schlacke abgeladen“, erzählt Raimann. Etwas oberhalb, die Römerstraße hinauf, wohnt der ehemalige Bergmann Heinz Lange. Er lebt noch heute in einem ehemaligen Grubengebäude am früheren Stollenausgang. „Die wurden damals zu einem guten Preis an die Bergleute verkauft“, sagt er. Von hier wurden die Loren über eine kleine Bahn zur Aufbereitung nach Steinenbrück gefahren.
Eigener Chef
„Die Bergleute waren sehr selbstbewusste Leute. Denen konnte keiner sagen: »Mach schneller!« Die wurden ja pro Meter bezahlt und waren damit ihr eigener Chef“, weiß Siegfried Raimann.
Die Frühschicht dauerte von sechs bis 14 Uhr. Vor Schichtbeginn sammelten sich die Bergleute am Schacht. Dann zogen sie sich um und nahmen die Sicherheitsausrüstung mit: den CO2-Filter, die Karbid-Lampe und den Helm. „Zu meiner Zeit musste man die Lampe noch selbst kaufen“, berichtet Raimann. Er arbeitete in den 50er Jahren selber für einige Jahre in dem Bergwerk. Später besuchte er die Bergschule und leitete dann eine Berufsschule in Bergisch Gladbach.
Die Kleidung wurde nach dem Umziehen an einer Kette hochgezogen, damit in den Umkleiden Platz für die nächsten Kumpel war. Dann ging es zum Förderschacht. Jeder Bergmann hatte eine Art Metallmünze mit einem Loch in der Mitte. Die wurde vor der Fahrt in den Schacht auf einen Metallring gezogen. Nach Schichtende mussten sich die Bergleute ihre Münzen in der gleichen Reihenfolge wieder abholen. „Blieb eine Münze übrig, war klar, dass noch jemand im Bergwerk ist“, sagt Siegfried Raimann.
Der Bergbau brachte viele fremde Menschen nach Steinenbrück. Im Zweiten Weltkrieg schufteten zahlreiche Zwangsarbeiter in den Stollen. Später kamen insbesondere Italiener und Türken wegen des Bergbaus nach Steinenbrück.
Der erste Förderturm am Hauptschacht wurde 1836 errichtet. 1937 kam der neue Turm hinzu, der noch heute steht. Über den fast 500 Meter tiefen Hauptschacht förderten die Kumpel bis zur Stilllegung mehr als zehn Millionen Tonnen Roherz - nach der Modernisierung in den 50er Jahren waren es bis zu 800 Tonnen täglich. Damit war die Grube das leistungsfähigste Erzbergwerk im Bensberger Revier.
Gelände ist heute ein Golfplatz
An den 27. Oktober 1978 werden viele Menschen aus der Region noch mit Betroffenheit zurückdenken. An diesem Tag verließ der letzte Erzwagen den Förderkorb am Hauptschacht und beendete damit die lange Bergbaugeschichte des Erzbergwerks Lüderich. Dort war die tägliche Arbeit zwar nicht leicht, aber man verdiente gutes Geld. Doch nun machten die geringe Ausbeute des Bergwerks und sinkende Weltmarktpreise den Abbau hier unrentabel.
Die Bergleute mussten sich nach der Stilllegung eine andere Beschäftigung suchen, oftmals unter beachtlichen Einkommenseinbußen. Die Schächte wurden mit Magerbeton verfüllt und die Tagesanlagen abgebrochen. Das weitläufige Gelände diente für Jahrzehnte als Erddeponie und wird heute als Golfplatz genutzt. Lediglich der Förderturm am Hauptschacht blieb als Industriedenkmal erhalten und wurde durch den Eigentümer Hermann-Josef Spicher mit Unterstützung des Landes NRW für die Zukunft renoviert. Das Maschinenhaus, im dem bis 1978 die mächtige Fördermaschine stand, wurde zum Kernstück des Golfplatzes umgebaut. Es nimmt heute das Golfbüro und das Bergische Kulinarium als Golflokal auf.
Siegfried Raimann arbeitet derzeit mit anderen Heimatforschern an dem Buch „Das Erbe des Erzes Band 4. Der Lüderich.“
Overath - Die Grube Lüderich hat eine bewegte Geschichte. Die Arbeit dort war schwierig und gefährlich. Das Erz konnte dem Berg nur mit viel Schweiß und manchmal unter Einsatz des Lebens entrissen werden. Aber der Grubenbetrieb gab auch vielen Menschen über Jahrhunderte Arbeit. Bereits im ersten Jahrhundert bauten die Römer Blei- und Silbererze ab und verhütteten diese.
Die erste dokumentierte Bergbautätigkeit am Lüderich reicht zurück ins Jahr 1518, als Herzog Johann von Jülich die Schürfrechte am „Loederich“ beurkundete. Während des Dreißigjährigen Kriegs (1618-1648) kam der Bergbau zum Erliegen. Doch danach ging es am Lüderich schnell wieder los. Mit Hacke und Schaufeln wurde dem Berg das Metall abgerungen.
Sprengung und Abtransport
Seit der Erfindung des Schießpulvers im Mittelalter war die Arbeit im Berg im Grunde immer gleich: Die Bergleute bohrten ein tiefes Loch und füllten es mit Schießpulver. Dann mussten sich alle in Sicherheit bringen - die Ladung wurde gezündet. Mit ohrenbetäubendem Lärm riss die Explosion das Gestein aus der Wand, das nun abtransportiert werden konnte. Mit Fülltrog und Kratze luden die Bergleute es mühsam in Förderwagen.
Die Sprenglöcher wurden mit dem Bohrmeißel in der linken und dem Handfäustel in der rechten Hand in den Fels geschlagen. Die Arbeit war hart und gefährlich. Zumal wegen der geringen Sprengkraft viele Löcher gebohrt werden mussten. Oft schaffte ein Bergmann nicht mal einen Meter pro Schicht. Ab 1912 kam der Presslufthammer zum Einsatz. Die neue Technik ließ die abgebaute Menge pro Mann in die Höhe schnellen. „Das machte Steinenbrück aber auch zum Dorf der Witwen“, erklärt Siegfried Raimann, stellvertretender Bürgermeister von Overath.
"Dorf der Witwen"
Der Presslufthammer wirbelte feinen Staub auf, der sich in der Lunge festsetzte. Die Bergleute fuhren ohne ausreichenden Schutz in den Schacht und holten sich eine Staublunge. Erst 1948 änderte sich das, denn nun wurde Wasser zum Kühlen der Bohrköpfe eingesetzt und der Staub so gebunden. Es folgten in immer schnelleren Abständen Innovationen im Bergbau. Neue Bohrer kamen, und anstelle kleiner Loren transportierten bald riesige Raupen das Gestein.
Aufbereitet wurde das Erz in Steinenbrück. Bei der Fahrt von dort in Richtung Heiligenhaus stehen in der Rechtskurve hinter dem Aldi auf der linken Seite zwei alte Häuser. Dort war früher die Aufbereitung untergebracht. „Man brauchte viel Wasser, und hier fließen Dresbach und Holzbach zusammen“, so Raimann. „Das Gelände rund um den Aldi lag früher deutlich tiefer. Da hat man immer die Schlacke abgeladen“, erzählt Raimann. Etwas oberhalb, die Römerstraße hinauf, wohnt der ehemalige Bergmann Heinz Lange. Er lebt noch heute in einem ehemaligen Grubengebäude am früheren Stollenausgang. „Die wurden damals zu einem guten Preis an die Bergleute verkauft“, sagt er. Von hier wurden die Loren über eine kleine Bahn zur Aufbereitung nach Steinenbrück gefahren.
Eigener Chef
„Die Bergleute waren sehr selbstbewusste Leute. Denen konnte keiner sagen: »Mach schneller!« Die wurden ja pro Meter bezahlt und waren damit ihr eigener Chef“, weiß Siegfried Raimann.
Die Frühschicht dauerte von sechs bis 14 Uhr. Vor Schichtbeginn sammelten sich die Bergleute am Schacht. Dann zogen sie sich um und nahmen die Sicherheitsausrüstung mit: den CO2-Filter, die Karbid-Lampe und den Helm. „Zu meiner Zeit musste man die Lampe noch selbst kaufen“, berichtet Raimann. Er arbeitete in den 50er Jahren selber für einige Jahre in dem Bergwerk. Später besuchte er die Bergschule und leitete dann eine Berufsschule in Bergisch Gladbach.
Die Kleidung wurde nach dem Umziehen an einer Kette hochgezogen, damit in den Umkleiden Platz für die nächsten Kumpel war. Dann ging es zum Förderschacht. Jeder Bergmann hatte eine Art Metallmünze mit einem Loch in der Mitte. Die wurde vor der Fahrt in den Schacht auf einen Metallring gezogen. Nach Schichtende mussten sich die Bergleute ihre Münzen in der gleichen Reihenfolge wieder abholen. „Blieb eine Münze übrig, war klar, dass noch jemand im Bergwerk ist“, sagt Siegfried Raimann.
Der Bergbau brachte viele fremde Menschen nach Steinenbrück. Im Zweiten Weltkrieg schufteten zahlreiche Zwangsarbeiter in den Stollen. Später kamen insbesondere Italiener und Türken wegen des Bergbaus nach Steinenbrück.
Der erste Förderturm am Hauptschacht wurde 1836 errichtet. 1937 kam der neue Turm hinzu, der noch heute steht. Über den fast 500 Meter tiefen Hauptschacht förderten die Kumpel bis zur Stilllegung mehr als zehn Millionen Tonnen Roherz - nach der Modernisierung in den 50er Jahren waren es bis zu 800 Tonnen täglich. Damit war die Grube das leistungsfähigste Erzbergwerk im Bensberger Revier.
Gelände ist heute ein Golfplatz
An den 27. Oktober 1978 werden viele Menschen aus der Region noch mit Betroffenheit zurückdenken. An diesem Tag verließ der letzte Erzwagen den Förderkorb am Hauptschacht und beendete damit die lange Bergbaugeschichte des Erzbergwerks Lüderich. Dort war die tägliche Arbeit zwar nicht leicht, aber man verdiente gutes Geld. Doch nun machten die geringe Ausbeute des Bergwerks und sinkende Weltmarktpreise den Abbau hier unrentabel.
Die Bergleute mussten sich nach der Stilllegung eine andere Beschäftigung suchen, oftmals unter beachtlichen Einkommenseinbußen. Die Schächte wurden mit Magerbeton verfüllt und die Tagesanlagen abgebrochen. Das weitläufige Gelände diente für Jahrzehnte als Erddeponie und wird heute als Golfplatz genutzt. Lediglich der Förderturm am Hauptschacht blieb als Industriedenkmal erhalten und wurde durch den Eigentümer Hermann-Josef Spicher mit Unterstützung des Landes NRW für die Zukunft renoviert. Das Maschinenhaus, im dem bis 1978 die mächtige Fördermaschine stand, wurde zum Kernstück des Golfplatzes umgebaut. Es nimmt heute das Golfbüro und das Bergische Kulinarium als Golflokal auf.
Siegfried Raimann arbeitet derzeit mit anderen Heimatforschern an dem Buch „Das Erbe des Erzes Band 4. Der Lüderich.“
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