Hallo Leute,
ich war vor ein paar Tagen mal unterwegs auf Foto-Tour.
Habe mal ein paar Bilder aus dem Zünderwerk in Radeberg gemacht und wollte euch diese nicht vorenhalten. Ich habe leider keine genaueren Hintergrundkenntnisse zur Geschichte dieser Fabrik.Diese war zu DDR- Zeiten
als Radio- und Fernseherfabrik bekannt.
Südlich der Stadt Radeberg existierte Anfang des 20. Jahrhunderts ein 114 ha großer, ehemaliger Artillerie-Übungsplatz. Als dem Radeberger Stadtrat zu Ohren kam, dass sich die sächsische Militärbehörde auf der Suche nach einem geeigneten Gelände für eine neue Munitionsfabrik befand, verfasste dieser am 14.05.1915 folgendes Schreiben:
»Dem unterzeichneten Stadtrat ist bekannt geworden, daß seitens des Reichsmilitärfiskus die Errichtung einer Munitionsanstalt größeren Umfangs geplant ist und daß hierzu Erörterungen und Verhandlungen von der Königlichen Feldzeugmeisterei Dresden wegen Beschaffung eines geeigneten Baugeländes eingeleitet worden sind. In der Annahme, daß eine Entscheidung über das Baugelände noch nicht erfolgt ist, gestatten wir uns die Königliche Feldzeugmeisterei auf ein in Flur Radeberg südwestlich der Eisenbahn Dresden-Görlitz, zwischen dieser und der Grenze mit dem Staatsforstrevier gelegenes, außerordentlich günstiges Baugelände aufmerksam zu machen. ...
Das Gelände kann jederzeit ohne jede Schwierigkeit mit Zweiggleisen von der Hauptlinie Dresden-Görlitz aufgeschlossen werden. ...«
Obwohl nur wenige Kilometer entfernt in der Dresdner Albertstadt schon eine Munitionsfabrik bestand, entschied man sich für Radeberg. Am 10.06.1915 wurde eine Denkschrift zum Bau des "Feuerwerkslaboratoriums Radeberg" herausgegeben.
Der Landmesser Alfred Schöne aus Bautzen führte die Geländevermessung durch. Die Stadt Radeberg verpflichtete sich, die Kosten für die Verlängerung der Goldbachstraße und die Schaffung eines 550 m langen Gleises bis zur Grenze des Militärgeländes zu übernehmen. Im August 1915 lag die Kostenübersicht für das Bauprojekt vor, die Ausgaben in Höhe von 20,52 Mio. Mark beinhaltete. Im Herbst des Jahres begann die Dresdner Fa. Robert Berndt Söhne mit den Erdarbeiten im Gelände der Munitionsfabrik. Für den späteren Rangierbetrieb innerhalb des Geländes beantragte man zwei feuerlose Lokomotiven.
Im Jahr 1916 wurde die Errichtung der Gebäude in Angriff genommen. Dabei kamen im April 500 russische Kriegsgefangene zum Einsatz, die im Mai von der gleichen Anzahl serbischer Gefangener abgelöst wurden. Die Absteckung der Gleisanlagen (von denen gegenüber der Planung nur ein Bruchteil bewilligt wurde) fand im gleichen Monat statt. Den Gleisbau übernahm die Fa. Bruno Kost aus Sebnitz. Ein Schreiben vom 01.07.1916 erläutert dazu:
»Das Bauamt hat ... den eingereichten Vorentwurf über Herstellung der vollspurigen Gleisanlage für das Fl. Radeberg im Einvernehmen mit dem Fl. überarbeitet und nach Ausscheidung der für absehbare Zeit als nicht erforderlich bezeichneten Gleise die Gesamtsumme auf knapp 600 000 M festgestellt. Hierbei ist neues Gleismaterial für alle Gleise vorausgesetzt für den Fall, daß gebrauchtes nicht erreichbar sei.
Das Bauamt beabsichtigt nun vorläufig nur die Hauptgleise des Übergabebahnhofes und die Bogenstrecken der nach der Zünderwerkstatt, der elektrischen Zentrale und der Straße E führenden Ladegleise aus neuem Oberbau ... herstellen zu lassen. Hierzu sind neues Gleis rund 2 000 m erforderlich. ...«
Am Einfahrtstor enstand ein Postenhäuschen für den Schranken- und Weichenwärter als geputzter Ziegelbau. Für die Beleuchtung der Gleisanlagen sah man 16 "600-kerzige Halbwattlampen für Drehstrom 220 V" vor, die an Betonmasten zu befestigen waren.
Am markantesten Bauwerk - dem imposanten Gebäude der Zünderwerkstatt - wirkte u.a. das Unternehmen Wayß & Freytag mit, das die Stahlbetonarbeiten ausführte. Die Zünderwerkstatt wurde auf ihrer gesamten Länge von einem Gleis durchquert, wozu in den Flügelbauten Durchfahrten existierten. Im Sommer 1916 legte man in der südwestlichen Ecke des Geländes, am Rand der Dresdner Heide, sieben Magazine für Sprengstoff und Zünder an, die einen separaten Gleisanschluss erhielten. Das Ladegleis an der Südseite des Areals entstand erst 1918/19.
Im Gegensatz zur zustimmenden Haltung der Radeberger Stadtverwaltung gab es in der örtlichen Industrie und Bevölkerung zahlreiche Gegner des Bauvorhabens. Man fürchtete den Umgang mit explosiven Stoffen in unmittelbarer Nachbarschaft der Stadt. Als in der Nacht vom 19. zum 20.12.1916 auf dem Gelände des Feuerwerkslaboratoriums eine Baubude der Fa. Dyckerhoff & Widmann abbrannte, wurden die Zeitungen der Stadt ersucht, nicht über den Vorfall zu berichten.
Am 13.08.1917 kam es gegen 10 Uhr zum schwersten Unglück in der Geschichte des Feuerwerkslaboratoriums, als das Magazin 6 mit 27 t Schwarzpulver explodierte. Die benachbarten Pulvermagazine wurden dabei ebenfalls zerstört. Als Ursache der Explosion, die vier Tote und vier Verletzte forderte, vermutete man ein Attentat eines Bediensteten.
Am 01.01.1920 wurde das gesamte Areal an die 1903 gegründete "Sachsenwerk Licht- und Kraft-Aktiengesellschaft" Niedersedlitz verkauft, die die bestehenden Anlagen für die Produktion von Ölschaltern nutzte. Die Pulvermagazine wurden abgerissen und das Gleis dorthin um 1930 demontiert.
Mit dem Befehl 185 der SMAD vom 19.07.1946 war das Werk in sowjetische Verwaltung zu übergeben. Anfangs stellte man Elektromotoren her, ab 1950 Fernsehgeräte als Reparationsgüter für die SU. Im Jahr 1954 firmierte das Unternehmen als VEB Rafena-Werke und produzierte künftig für Volkswirtschaft und Export. In den fünfziger Jahren verschwand auch das südliche Ladegleis. Bis 1990 gehörte der Betrieb dem Kombinat Robotron an.
Quelle: www.sachsenschiene.de
Gruß Dirk
ich war vor ein paar Tagen mal unterwegs auf Foto-Tour.

Habe mal ein paar Bilder aus dem Zünderwerk in Radeberg gemacht und wollte euch diese nicht vorenhalten. Ich habe leider keine genaueren Hintergrundkenntnisse zur Geschichte dieser Fabrik.Diese war zu DDR- Zeiten
als Radio- und Fernseherfabrik bekannt.
Südlich der Stadt Radeberg existierte Anfang des 20. Jahrhunderts ein 114 ha großer, ehemaliger Artillerie-Übungsplatz. Als dem Radeberger Stadtrat zu Ohren kam, dass sich die sächsische Militärbehörde auf der Suche nach einem geeigneten Gelände für eine neue Munitionsfabrik befand, verfasste dieser am 14.05.1915 folgendes Schreiben:
»Dem unterzeichneten Stadtrat ist bekannt geworden, daß seitens des Reichsmilitärfiskus die Errichtung einer Munitionsanstalt größeren Umfangs geplant ist und daß hierzu Erörterungen und Verhandlungen von der Königlichen Feldzeugmeisterei Dresden wegen Beschaffung eines geeigneten Baugeländes eingeleitet worden sind. In der Annahme, daß eine Entscheidung über das Baugelände noch nicht erfolgt ist, gestatten wir uns die Königliche Feldzeugmeisterei auf ein in Flur Radeberg südwestlich der Eisenbahn Dresden-Görlitz, zwischen dieser und der Grenze mit dem Staatsforstrevier gelegenes, außerordentlich günstiges Baugelände aufmerksam zu machen. ...
Das Gelände kann jederzeit ohne jede Schwierigkeit mit Zweiggleisen von der Hauptlinie Dresden-Görlitz aufgeschlossen werden. ...«
Obwohl nur wenige Kilometer entfernt in der Dresdner Albertstadt schon eine Munitionsfabrik bestand, entschied man sich für Radeberg. Am 10.06.1915 wurde eine Denkschrift zum Bau des "Feuerwerkslaboratoriums Radeberg" herausgegeben.
Der Landmesser Alfred Schöne aus Bautzen führte die Geländevermessung durch. Die Stadt Radeberg verpflichtete sich, die Kosten für die Verlängerung der Goldbachstraße und die Schaffung eines 550 m langen Gleises bis zur Grenze des Militärgeländes zu übernehmen. Im August 1915 lag die Kostenübersicht für das Bauprojekt vor, die Ausgaben in Höhe von 20,52 Mio. Mark beinhaltete. Im Herbst des Jahres begann die Dresdner Fa. Robert Berndt Söhne mit den Erdarbeiten im Gelände der Munitionsfabrik. Für den späteren Rangierbetrieb innerhalb des Geländes beantragte man zwei feuerlose Lokomotiven.
Im Jahr 1916 wurde die Errichtung der Gebäude in Angriff genommen. Dabei kamen im April 500 russische Kriegsgefangene zum Einsatz, die im Mai von der gleichen Anzahl serbischer Gefangener abgelöst wurden. Die Absteckung der Gleisanlagen (von denen gegenüber der Planung nur ein Bruchteil bewilligt wurde) fand im gleichen Monat statt. Den Gleisbau übernahm die Fa. Bruno Kost aus Sebnitz. Ein Schreiben vom 01.07.1916 erläutert dazu:
»Das Bauamt hat ... den eingereichten Vorentwurf über Herstellung der vollspurigen Gleisanlage für das Fl. Radeberg im Einvernehmen mit dem Fl. überarbeitet und nach Ausscheidung der für absehbare Zeit als nicht erforderlich bezeichneten Gleise die Gesamtsumme auf knapp 600 000 M festgestellt. Hierbei ist neues Gleismaterial für alle Gleise vorausgesetzt für den Fall, daß gebrauchtes nicht erreichbar sei.
Das Bauamt beabsichtigt nun vorläufig nur die Hauptgleise des Übergabebahnhofes und die Bogenstrecken der nach der Zünderwerkstatt, der elektrischen Zentrale und der Straße E führenden Ladegleise aus neuem Oberbau ... herstellen zu lassen. Hierzu sind neues Gleis rund 2 000 m erforderlich. ...«
Am Einfahrtstor enstand ein Postenhäuschen für den Schranken- und Weichenwärter als geputzter Ziegelbau. Für die Beleuchtung der Gleisanlagen sah man 16 "600-kerzige Halbwattlampen für Drehstrom 220 V" vor, die an Betonmasten zu befestigen waren.
Am markantesten Bauwerk - dem imposanten Gebäude der Zünderwerkstatt - wirkte u.a. das Unternehmen Wayß & Freytag mit, das die Stahlbetonarbeiten ausführte. Die Zünderwerkstatt wurde auf ihrer gesamten Länge von einem Gleis durchquert, wozu in den Flügelbauten Durchfahrten existierten. Im Sommer 1916 legte man in der südwestlichen Ecke des Geländes, am Rand der Dresdner Heide, sieben Magazine für Sprengstoff und Zünder an, die einen separaten Gleisanschluss erhielten. Das Ladegleis an der Südseite des Areals entstand erst 1918/19.
Im Gegensatz zur zustimmenden Haltung der Radeberger Stadtverwaltung gab es in der örtlichen Industrie und Bevölkerung zahlreiche Gegner des Bauvorhabens. Man fürchtete den Umgang mit explosiven Stoffen in unmittelbarer Nachbarschaft der Stadt. Als in der Nacht vom 19. zum 20.12.1916 auf dem Gelände des Feuerwerkslaboratoriums eine Baubude der Fa. Dyckerhoff & Widmann abbrannte, wurden die Zeitungen der Stadt ersucht, nicht über den Vorfall zu berichten.
Am 13.08.1917 kam es gegen 10 Uhr zum schwersten Unglück in der Geschichte des Feuerwerkslaboratoriums, als das Magazin 6 mit 27 t Schwarzpulver explodierte. Die benachbarten Pulvermagazine wurden dabei ebenfalls zerstört. Als Ursache der Explosion, die vier Tote und vier Verletzte forderte, vermutete man ein Attentat eines Bediensteten.
Am 01.01.1920 wurde das gesamte Areal an die 1903 gegründete "Sachsenwerk Licht- und Kraft-Aktiengesellschaft" Niedersedlitz verkauft, die die bestehenden Anlagen für die Produktion von Ölschaltern nutzte. Die Pulvermagazine wurden abgerissen und das Gleis dorthin um 1930 demontiert.
Mit dem Befehl 185 der SMAD vom 19.07.1946 war das Werk in sowjetische Verwaltung zu übergeben. Anfangs stellte man Elektromotoren her, ab 1950 Fernsehgeräte als Reparationsgüter für die SU. Im Jahr 1954 firmierte das Unternehmen als VEB Rafena-Werke und produzierte künftig für Volkswirtschaft und Export. In den fünfziger Jahren verschwand auch das südliche Ladegleis. Bis 1990 gehörte der Betrieb dem Kombinat Robotron an.
Quelle: www.sachsenschiene.de
Gruß Dirk
Kommentar