Die Pipinsburg bei Osterode am Harz Teil 5
Die bisherigen Ausgrabungen auf der Pipinsburg haben bereits feststehende Ergebnisse geliefert, sie gelten jedoch vorerst nur für den näher untersuchten Innenbezirk der Befestigungsanlage. Nach Aussage des Fundmaterials beginnt seine Besiedlung während der Späthallstatt- und Frühlatenezeit. Der bereits durch die natürliche Struktur des Platzes gewährleistete Schutz wird gegen Süden noch zusätzlich durch die erste Befestigungsanlage verstärkt. Die Funde zeigen weiterhin, dass bis in die mittlere Latenezeit bzw. den Beginn der Spätlatenezeit mit einer ununterbrochenen Benutzung gerechnet werden muss. Während dieser Periode erlebte der Berg seine bedeutendste Besiedlungsphase, ihr entspricht im Südabschnitt des Innenwalles das zweite Baustadium: ein Lehmwall mit Palisadenwand und davorliegendem Graben. Mit großer Wahrscheinlichkeit muss für diese Zeit auch der Bau der starken Trockenmauer am Nordrand des oberen Innenplateaus angenommen werden. Die Besiedlung des Berges endet mit Beginn der Spätlatenezeit, denn charakteristische Leitformen der Stufe Latene D sind nicht mehr unter dem reichhaltigen Fundgut, weder in der Keramik noch unter den Metallsachen vertreten. Die stets festgestellten Zerstörungsspuren und Brandschichten im Innenraum wie auch im zweiten Wallbaustadium lassen auf ein gewaltsames Ende der Besiedlung schließen.
Während der nachfolgenden Zeitabschnitte bleibt der Berg bis ins Mittelalter anscheinend verlassen. Erst im 10./11. Jh. n. Chr. setzt nach Aussage des Fundmaterials eine erneute Besiedlung ein. Sie beschränkt sich jedoch nicht, wie bisher angenommen wurde, auf die von dem hufeisenförmig verlaufenden tiefen Spitzgraben umschlossene Nordspitze. Der gesamte Innenbezirk der Pipinsburg ist in diese mittelalterliche Anlage mit einzubeziehen. Dies zeigen eindeutig das aus gips- gemörtelten Mauern bestehende Tor in dem bereits vorhandenen Innenwall sowie dessen starke nochmalige Überhöhung. Gleichzeitig wird nunmehr auch die gesamte Westflanke des Berges durch einen Wall befestigt. Mag auch das Zentrum dieser mittelalterlichen Burg auf der Nordspitze gelegen haben, so gehörte doch auch der gesamte vom Innenwall umschlossene Bezirk als Vorburg mit zu ihr. Damit sind auch für die mittelalterliche Pipinsburg durch die Ausgrabungen neue Ergebnisse gewonnen worden.
Die Befunde über Topographie und Zeitstellung beziehen sich vorerst nur auf den inneren Burgbezirk. Inwieweit sich für den mittleren und äußeren Teil der Gesamtanlage gleiche Ergebnisse gewinnen lassen, muss durch zukünftige Grabungen geklärt werden. Erst dann wird man den Fragen nach der Bedeutung und Funktion dieser mächtigen Burganlagen eingehender nachgehen können.
Immerhin lassen sich mit den bisher gewonnenen Ergebnissen doch schon gewisse Problemstellungen aufzeichnen, wobei allerdings diejenigen, die sich auf die mittelalterliche Burg beziehen, nur in Verbindung mit der historischen Forschung geklärt werden können. Es steht aber bereits fest, dass es sich bei der vorgeschichtlichen Pipinsburg der vorchristlichen Eisenzeit um eine dauernd bewohnte Wehranlage handelt und nicht um eine nur in Zeiten der Bedrohung aufgesuchte Fluchtburg. Gegen die letztere Annahme würde allein auch schon die beherrschende landschaftliche Lage am Westharzrand in unmittelbarer Nähe der sicherlich schon in jener Zeit benutzten alten Fernstraße sprechen. Allein diese Situation und die Tatsache, dass unter dem Fundmaterial der Pipinsburg Formen auftreten, von denen einige auf weiterreichende Handelsbeziehungen hinweisen, andere aber als lokale Eigenschöpfungen bezeichnet werden müssen, lassen annehmen, dass die befestigte Siedlung einen kulturellen und wirtschaftlichen, wenn nicht sogar politischen Mittelpunkt des Westharzgebietes darstellt, obwohl offene Siedlungen in der näheren Umgebung, die doch wohl zweifelsohne bei einem derartigen zentralen Platz mit vorausgesetzt werden müssten, vorerst noch fehlen.
Eine historische Ausdeutung wird man jedoch erst dann vornehmen können, wenn das Verhältnis der Burg zum historischen Siedlungsbild ihrer Landschaft deutlicher herausgearbeitet werden kann. Vorerst nimmt sie noch eine isolierte Stellung ein. Die zur Zeit noch fehlende Bearbeitung der vorchristlichen Eisenzeit im südniedersächsischen Bergland stellt für die Beantwortung dieser Fragen eine empfindliche Forschungslücke dar, wobei auch die Bedeutung weiterer früheisenzeitlicher, mit der Pipinsburg vergleichbarer Burganlagen Südniedersachsens dringend eine eingehendere Untersuchung fordert. Der gesamte Formenvorrat des Fundgutes von der Pipinsburg lässt starke Beziehungen zum späthallstatt und latenezeitlichen Kulturbereich Mitteldeutschlands erkennen, dagegen treten solche zu früheisenzeitlichen Kulturgebieten Norddeutschlands ganz wesentlich zurück. Ein Einfluss aus dem keltischen Kulturbereich, allem Anschein nach von Mitteldeutschland, speziell vom südlichen Thüringen ausgehend, dürfte damit für Südniedersachsen, zumindest für einzelne seiner Gebiete, weitaus stärker sein als bisher geahnt werden konnte. Bei einer eingehenderen Behandlung der durch die Pipinsburg aufgeworfenen Fragenkomplexe muss man daher, über die Grenzen des südniedersächsischen Berglandes hinausgehend, auch die zahlreichen späthallstatt- und latenezeitlichen Wehranlagen und befestigten Höhensiedlungen im thüringischen Raum mit heranziehen. Dabei scheinen sich innerhalb des geographischen Raumes der mitteldeutschen Gebirgsschwelle, der immer wieder als Kontaktzone zwischen den nord- und süddeutschen Kulturbereichen in Erscheinung tritt, stärkere Zusammenhänge abzuzeichnen.
Der vorliegende Bericht kann naturgemäß nur den augenblicklichen "Stand der Forschung" wiedergeben. Weitere Untersuchungen, vor allen Dingen aber auch weitere große Grabungen sind notwendig, um die Bedeutung sowie die kulturelle und zeitliche Einordnung dieses eindrucksvollen Befestigungswerkes genauer festlegen zu können.
Ende
Die bisherigen Ausgrabungen auf der Pipinsburg haben bereits feststehende Ergebnisse geliefert, sie gelten jedoch vorerst nur für den näher untersuchten Innenbezirk der Befestigungsanlage. Nach Aussage des Fundmaterials beginnt seine Besiedlung während der Späthallstatt- und Frühlatenezeit. Der bereits durch die natürliche Struktur des Platzes gewährleistete Schutz wird gegen Süden noch zusätzlich durch die erste Befestigungsanlage verstärkt. Die Funde zeigen weiterhin, dass bis in die mittlere Latenezeit bzw. den Beginn der Spätlatenezeit mit einer ununterbrochenen Benutzung gerechnet werden muss. Während dieser Periode erlebte der Berg seine bedeutendste Besiedlungsphase, ihr entspricht im Südabschnitt des Innenwalles das zweite Baustadium: ein Lehmwall mit Palisadenwand und davorliegendem Graben. Mit großer Wahrscheinlichkeit muss für diese Zeit auch der Bau der starken Trockenmauer am Nordrand des oberen Innenplateaus angenommen werden. Die Besiedlung des Berges endet mit Beginn der Spätlatenezeit, denn charakteristische Leitformen der Stufe Latene D sind nicht mehr unter dem reichhaltigen Fundgut, weder in der Keramik noch unter den Metallsachen vertreten. Die stets festgestellten Zerstörungsspuren und Brandschichten im Innenraum wie auch im zweiten Wallbaustadium lassen auf ein gewaltsames Ende der Besiedlung schließen.
Während der nachfolgenden Zeitabschnitte bleibt der Berg bis ins Mittelalter anscheinend verlassen. Erst im 10./11. Jh. n. Chr. setzt nach Aussage des Fundmaterials eine erneute Besiedlung ein. Sie beschränkt sich jedoch nicht, wie bisher angenommen wurde, auf die von dem hufeisenförmig verlaufenden tiefen Spitzgraben umschlossene Nordspitze. Der gesamte Innenbezirk der Pipinsburg ist in diese mittelalterliche Anlage mit einzubeziehen. Dies zeigen eindeutig das aus gips- gemörtelten Mauern bestehende Tor in dem bereits vorhandenen Innenwall sowie dessen starke nochmalige Überhöhung. Gleichzeitig wird nunmehr auch die gesamte Westflanke des Berges durch einen Wall befestigt. Mag auch das Zentrum dieser mittelalterlichen Burg auf der Nordspitze gelegen haben, so gehörte doch auch der gesamte vom Innenwall umschlossene Bezirk als Vorburg mit zu ihr. Damit sind auch für die mittelalterliche Pipinsburg durch die Ausgrabungen neue Ergebnisse gewonnen worden.
Die Befunde über Topographie und Zeitstellung beziehen sich vorerst nur auf den inneren Burgbezirk. Inwieweit sich für den mittleren und äußeren Teil der Gesamtanlage gleiche Ergebnisse gewinnen lassen, muss durch zukünftige Grabungen geklärt werden. Erst dann wird man den Fragen nach der Bedeutung und Funktion dieser mächtigen Burganlagen eingehender nachgehen können.
Immerhin lassen sich mit den bisher gewonnenen Ergebnissen doch schon gewisse Problemstellungen aufzeichnen, wobei allerdings diejenigen, die sich auf die mittelalterliche Burg beziehen, nur in Verbindung mit der historischen Forschung geklärt werden können. Es steht aber bereits fest, dass es sich bei der vorgeschichtlichen Pipinsburg der vorchristlichen Eisenzeit um eine dauernd bewohnte Wehranlage handelt und nicht um eine nur in Zeiten der Bedrohung aufgesuchte Fluchtburg. Gegen die letztere Annahme würde allein auch schon die beherrschende landschaftliche Lage am Westharzrand in unmittelbarer Nähe der sicherlich schon in jener Zeit benutzten alten Fernstraße sprechen. Allein diese Situation und die Tatsache, dass unter dem Fundmaterial der Pipinsburg Formen auftreten, von denen einige auf weiterreichende Handelsbeziehungen hinweisen, andere aber als lokale Eigenschöpfungen bezeichnet werden müssen, lassen annehmen, dass die befestigte Siedlung einen kulturellen und wirtschaftlichen, wenn nicht sogar politischen Mittelpunkt des Westharzgebietes darstellt, obwohl offene Siedlungen in der näheren Umgebung, die doch wohl zweifelsohne bei einem derartigen zentralen Platz mit vorausgesetzt werden müssten, vorerst noch fehlen.
Eine historische Ausdeutung wird man jedoch erst dann vornehmen können, wenn das Verhältnis der Burg zum historischen Siedlungsbild ihrer Landschaft deutlicher herausgearbeitet werden kann. Vorerst nimmt sie noch eine isolierte Stellung ein. Die zur Zeit noch fehlende Bearbeitung der vorchristlichen Eisenzeit im südniedersächsischen Bergland stellt für die Beantwortung dieser Fragen eine empfindliche Forschungslücke dar, wobei auch die Bedeutung weiterer früheisenzeitlicher, mit der Pipinsburg vergleichbarer Burganlagen Südniedersachsens dringend eine eingehendere Untersuchung fordert. Der gesamte Formenvorrat des Fundgutes von der Pipinsburg lässt starke Beziehungen zum späthallstatt und latenezeitlichen Kulturbereich Mitteldeutschlands erkennen, dagegen treten solche zu früheisenzeitlichen Kulturgebieten Norddeutschlands ganz wesentlich zurück. Ein Einfluss aus dem keltischen Kulturbereich, allem Anschein nach von Mitteldeutschland, speziell vom südlichen Thüringen ausgehend, dürfte damit für Südniedersachsen, zumindest für einzelne seiner Gebiete, weitaus stärker sein als bisher geahnt werden konnte. Bei einer eingehenderen Behandlung der durch die Pipinsburg aufgeworfenen Fragenkomplexe muss man daher, über die Grenzen des südniedersächsischen Berglandes hinausgehend, auch die zahlreichen späthallstatt- und latenezeitlichen Wehranlagen und befestigten Höhensiedlungen im thüringischen Raum mit heranziehen. Dabei scheinen sich innerhalb des geographischen Raumes der mitteldeutschen Gebirgsschwelle, der immer wieder als Kontaktzone zwischen den nord- und süddeutschen Kulturbereichen in Erscheinung tritt, stärkere Zusammenhänge abzuzeichnen.
Der vorliegende Bericht kann naturgemäß nur den augenblicklichen "Stand der Forschung" wiedergeben. Weitere Untersuchungen, vor allen Dingen aber auch weitere große Grabungen sind notwendig, um die Bedeutung sowie die kulturelle und zeitliche Einordnung dieses eindrucksvollen Befestigungswerkes genauer festlegen zu können.
Ende