Wer Zeit und Lust hat, kann Anfang September den Atombunker für "Frankfurter Führungskräfte" in der Wetterau bei Ilbenstadt besichtigen.
Weitere Infos und Termine:
Hintergrundinformation aus der Frankfurter Rundschau:
7.09.2001
Von Jutta Ochs
Der Atombunker in Ilbenstadt steht der Stadt-Elite nicht mehr zur Verfügung
Die Bundesregierung lässt ihren Schutzbunker für den Katastrophenfall in der Nähe von Bad Neuenahr zurückbauen, in Berlin werden im "Atombunker" unterm Kurfüstendamm Feten gefeiert. Der atomare Ernstfall wird offenbar nicht mehr ernst genommen. Auch in Frankfurt lässt die Furcht vorm dritten Weltkrieg nach.
Wenn die große Katastrophe über Frankfurt hereinbricht, der atomare Niederschlag fällt, weil doch noch der Dritte Weltkrieg ausgebrochen ist, dann gibt es für die Führungskräfte der Stadt keine Rettung mehr. Die einstige Befehlszentrale für Notfälle in Ilbenstadt ist klammheimlich aufgegeben worden.
1968 ließ der Bund auf der Wetterauhöhe mit Feldbergblick eine Kommandozentrale für den Notfall bauen.
Schon vor ihrer Vollendung aber war das Konzept eines Gürtels mit acht Befehlsstellen rund um die Großstadt ad acta gelegt worden. Der Ilbenstadtbunker wurde dennoch vollendet, Frankfurt musste den Unterhalt übernehmen. Die Führungskräfte der Stadt sollten von dort aus die Katastrophe managen, wenn sie über die Stadt hereingebrochen war.
Zweifel an dieser Idee gab es von Anfang an. Wie sollte der Bevölkerung vermittelt werden, dass ihre Führungsmannschaft in einiger Entfernung in Sicherheit ist, während am Ort gelitten wird? "Eine etwas seltsame Idee war das schon", erinnert sich Rainer Sagel, der im städtischen Hauptamt tätig und unter anderem für die Sicherheit der Stadtpolitiker im Römer verantwortlich ist.
Nach langwierigen Bemühungen ist es der Stadt nun gelungen, den Ilbenstadt-Bunker an den Bund zurückzugeben.
Der Magistrat müsste sich im Ernstfall mit Krethi und Plethi gemein machen. Denn wie eine Erinnerung an die Atom-Ängste der 70er und frühen 80er Jahre, als in manchen Gärten eigene Bunker für den Ernstfall angelegt wurden, und Filme wie "The Day after" viele nicht mehr ruhig schlafen ließen, gibt es ja noch die 27 Schutzbunker in der Stadt, sechs in der Tiefe, der Rest die bekannten Hochbunker aus dem Zweiten Weltkrieg.
"Tiefbunker" liegen beispielsweise unter dem Hauptbahnhof oder dem Shell-Hochhaus am Nibelungenplatz, dem "Fürstenhof" an der Gallusanlage, der Deutschen Bibliothek an der Adickesallee, dem ersten Polizeirevier in der Albusstraße sowie dem Innen-stadtparkhaus an der Querstraße.
Platz ist insgesamt aber nur für 30 000 Menschen. Angesichts von rund 650 000 Einwohnern gilt das Motto: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Betrieben und unterhalten werden diese Bunker von der Feuerwehr im Auftrag der Zivilschutzabteilung des Bundesverwaltungsamtes. Rund 600 000 Mark Kosten verursacht der Unterhalt im Jahr in Frankfurt.
Mehrzweckanlagen heißen die Tiefbunker in der Sprache von Michael Turley, der Referatsleiter für baulichen Zivilschutz im Bundesamt ist. Das klingt zum einen nicht so gefährlich, zum anderen wird damit deutlich gemacht, dass es sich ja eigentlich um Pkw-Tiefgaragen mit besonderer Ausstattung handelt. Einstmals gab es Zuschüsse des Bundes für Tiefgaragenerbauer, die die Versorgungsräume für den Ernstfall vorhielten. In speziellen Räumen ist die Sonderausstattung untergebracht, die die Garage im Notfall zum Bunker macht. Von einem Technikraum aus sind Wasser-, Ölpumpen, Luftfilter und Schleusentüren zu steuern. Aus Brunnen kann Trinkwasser her-aufgepumpt werden, Dieselmotoren sichern die Stromversorgung.
In weiteren Räumen sind Feldbetten sowie sanitäre Einrichtungen. Allerdings müsste beispielsweise unterm Nibelungenplatz in Schichten geschlafen werden. Der Bunker fasst 2000 Menschen, hat aber nur Betten für ein Drittel.
Einmal im Jahr werden die überall gleichen Anlagen von der Feuerwehr überprüft. Otmar Margraf ist dort für den Zivilschutz zuständig. Die Wartung der Anlagen, die nicht mehr in die Zeit zu passen scheinen und sowieso nur fünf Prozent der Bevölkerung Schutz bieten würden, stellt Margraf nicht in Frage.
"Da gibt es doch Werte, beispielsweise die Dieselmotoren, die erhalten werden müssen."
Michael Turley, der Bundesamts-Abteilungsleiter, scheint bereits genervt durch spöttischen Bemerkungen über das Bereithalten der "Atombunker", die insgesamt jährlich elf Millionen Mark verschlingen. Kommunen würden sich gerne die Hochbunkeranlagen unter den Nagel reißen, um wie beispielsweise schon drei Mal in Frankfurt geschehen, die Räume anderweitig, etwa als Musikübungsräume oder Lager, zu nutzen.
Auch würde die Existenz der Bunker, die nicht so einfach abgerissen werden dürfen, als "Investitionshemmnis" für mögliche Neubauten betrachtet. "Diese Kritik sind wir mittlerweile gewöhnt. Das Zivilschutzgesetz schreibt diese Schutzräume aber vor.
Und so lange dieses Gesetz nicht geändert wird, die jüngste Novelle war erst '97, müssen diese Schutzräume da sein." Und außerdem: "Sollte doch mal etwas passieren, dann wäre das Geschrei groß."
Ob es dies dann noch jemand anstimmen könnte, ist allerdings fraglich.
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26.08.2005
Von Jutta Rippegather
Wetterauer Verein will Überbleibsel des Kalten Krieges zugänglich machen / Geräte noch voll einsatzbereit
Ein Verein will die Geschichte des Kalten Krieges jungen Leuten anschaulich machen. Zu diesem Zweck hat er sich einen unterirdischen Atombunker im Wetteraukreis als Domizil ausgewählt. Ende der 60er Jahre war der Bunker als Kommandozentrale für Frankfurts Elite gebaut worden.
Niddatal · Wenn es oben gewittert, ist es unten mucksmäuschenstill. Und selbst im Hochsommer ist eine warme Jacke ratsam. "Man gewöhnt sich daran", sagt Thomas Köppe (31) aus Chemnitz. Für eine Woche hat sich der Sachse samt Freundin und zwei weiteren Mitstreitern im Ilbenstädter Atombunker einquartiert, um die alte Technik wieder in Schwung zu bringen. Das Quartett übernachtet sogar in dem unterirdischen Gebäude, das der Bund im Jahr 1968 auf der Wetterauhöhe errichten ließ. Der Komfort ist auf niedrigem Niveau. Die Schaumstoffmatratzen auf den Etagenbetten sind zum Teil noch original verpackt, es gibt eine Küche und sogar nach Geschlechtern getrennte Sanitäranlagen.
Auch wenn der gelernte Instandhaltungsmechaniker Köppe und seine Freunde noch nicht sämtliche Details der elektrischen Anlage durchdrungen haben: Grundsätzlich ist die Infrastruktur für einen längeren Aufenthalt vorhanden. Kein Wunder angesichts der ursprünglichen Funktion des Bauwerks. Hier sollte die Kommandozentrale für Frankfurts Honoratioren sein. Für die Führungskräfte der Stadt, die im Katastrophenfall die Geschicke der verseuchten Region hätten lenken sollen. Gefundenes Fressen für RAF-Sympathisanten, die Anfang der 80er in den Bunker einbrachen und die Wände des Lagerraums mit Parolen beschmierten. "Freiheit für die politischen Gefangenen" schrieben sie mit roten Lettern. Und auf die Karte von Frankfurt und Umgebung pinselten sie: "Kein sicheres Plätzchen für Bonzen. Schweine ins Weltall."
Eine rund 13 000 Quadratmeter große Zufluchtstätte auf drei Ebenen. Mit Notausstieg, Funkraum und originaler Telefonzentrale. Mit funktionsfähiger Klimaanlage, Lüftung, Tiefbrunnen, Notstromaggregaten. Und mit Böden, die durch spezielle Lagerung auf Spiralfedern gegen die Erschütterung einer Atomwaffendetonation geschützt wurden. "Er ist so gebaut, dass er der Detonation einer Hiroshima-Atombombe in wenigen hundert Metern Entfernung widerstehen könnte", sagt Harald Fäth (46) aus Lauterbach im Vogelsberg. Für den gebürtigen Frankfurter ist der Bunker etwas Einmaliges in der Republik. Im Gegensatz zu anderen Schutzräumen sei die Einrichtung so gut wie unverändert. "Hier ist alles einsatzbereit."
Der Bunker sei weder rein militärischer noch rein ziviler Natur. Geht es nach Fäth, so soll von hier aus eine "Initialzündung" ausgehen, an dessen Ende eine "Museumslandschaft Fulda Gap" steht, eine Route, die anhand verschiedener Zeugnisse jungen Menschen die Geschichte des Kalten Kriegs nahe bringt. Fäth nennt es "aktiven Geschichtstourismus".
Um diese Idee zu verwirklichen, hat er den Verein Entwicklungsgesellschaft Fulda Gap gegründet. 13 Mitglieder zählt er derzeit. Die Hälfte stammt aus dem westlichen Teil Deutschlands, die andere aus dem Osten. Viel mehr sollen es nach Vorstellung des Vorsitzenden Fäths nicht werden. Nur wenn man sich persönlich kenne, sei gesichert, dass sich keine Neonazis oder Militaristen einschleichen. Die wollen Fäth, Köppe und Co nicht haben. Deshalb ist das Tragen von Tarnkleidung im Bunker unerwünscht.
Die alte Technik als große Herausforderung für Bastler
Es sei nicht die Faszination des Kriegs, die sie dazu treibt, ihre Freizeit unter Tage zu bringen. Als passionierter Bastler und Tüftler stellt für den Chemnitzer die alte Technik eine große Herausforderung dar. Wenn er mit seinem Kumpel an der Abwasserhebeanlage schraubt, Stromkreise wiederherstellt, dann ist er in seinem Element.
Fäth wiederum möchte den Bunker als Vehikel für seine Botschaft nutzen: "Der Dritte Weltkrieg war mehrfach ganz nah", sagt der Mann, der sich als freischaffender Autor betätigt. Jetzt, nach dem Zerfall der Blöcke und angesichts der aktuellen Ereignisse in Iran, sei ein Atomkrieg wahrscheinlicher als je zuvor. Das würde er Schulklassen und anderen jungen Leute gerne in Bunker-Seminaren vermitteln. Nur fehlt es dem Verein an finanziellen Mitteln.
Der Bunker ist mietfrei. Die Stadt Niddatal, die das Grundstück vor einigen Jahren vom Bund erworben hat, stellt ihn als Vereinsheim für ein Jahr kostenlos zur Verfügung. Das eine oder andere Ersatzteil bekam die Bunker-Crew von Sponsoren. Doch wenn hier tatsächlich einmal reger Publikumsverkehr herrschen sollte, müsse für Parkraum und Zugangswege gesorgt sein, sagt der Vize-Hauptamtsleiter von Niddatal, Thomas Herdt. Auch eine Versicherung wäre notwendig, sagt Fäth.
Mitte nächsten Jahres hofft er, die ersten Besucher empfangen zu können. Kopfzerbrechen bereiten ihm und seine Mitstreiter derzeit die Kommunikation nach außen. Ein Handyempfang ist nicht möglich, wohl aber eine Telefonanlage vorhanden. Nur: Die Telekom hat bislang die Leitungen nicht finden können.
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Aussicht vom Bunker über das Niddatal in die Umgebung:
Weitere Infos und Termine:
Hintergrundinformation aus der Frankfurter Rundschau:
7.09.2001
Von Jutta Ochs
Der Atombunker in Ilbenstadt steht der Stadt-Elite nicht mehr zur Verfügung
Die Bundesregierung lässt ihren Schutzbunker für den Katastrophenfall in der Nähe von Bad Neuenahr zurückbauen, in Berlin werden im "Atombunker" unterm Kurfüstendamm Feten gefeiert. Der atomare Ernstfall wird offenbar nicht mehr ernst genommen. Auch in Frankfurt lässt die Furcht vorm dritten Weltkrieg nach.
Wenn die große Katastrophe über Frankfurt hereinbricht, der atomare Niederschlag fällt, weil doch noch der Dritte Weltkrieg ausgebrochen ist, dann gibt es für die Führungskräfte der Stadt keine Rettung mehr. Die einstige Befehlszentrale für Notfälle in Ilbenstadt ist klammheimlich aufgegeben worden.
1968 ließ der Bund auf der Wetterauhöhe mit Feldbergblick eine Kommandozentrale für den Notfall bauen.
Schon vor ihrer Vollendung aber war das Konzept eines Gürtels mit acht Befehlsstellen rund um die Großstadt ad acta gelegt worden. Der Ilbenstadtbunker wurde dennoch vollendet, Frankfurt musste den Unterhalt übernehmen. Die Führungskräfte der Stadt sollten von dort aus die Katastrophe managen, wenn sie über die Stadt hereingebrochen war.
Zweifel an dieser Idee gab es von Anfang an. Wie sollte der Bevölkerung vermittelt werden, dass ihre Führungsmannschaft in einiger Entfernung in Sicherheit ist, während am Ort gelitten wird? "Eine etwas seltsame Idee war das schon", erinnert sich Rainer Sagel, der im städtischen Hauptamt tätig und unter anderem für die Sicherheit der Stadtpolitiker im Römer verantwortlich ist.
Nach langwierigen Bemühungen ist es der Stadt nun gelungen, den Ilbenstadt-Bunker an den Bund zurückzugeben.
Der Magistrat müsste sich im Ernstfall mit Krethi und Plethi gemein machen. Denn wie eine Erinnerung an die Atom-Ängste der 70er und frühen 80er Jahre, als in manchen Gärten eigene Bunker für den Ernstfall angelegt wurden, und Filme wie "The Day after" viele nicht mehr ruhig schlafen ließen, gibt es ja noch die 27 Schutzbunker in der Stadt, sechs in der Tiefe, der Rest die bekannten Hochbunker aus dem Zweiten Weltkrieg.
"Tiefbunker" liegen beispielsweise unter dem Hauptbahnhof oder dem Shell-Hochhaus am Nibelungenplatz, dem "Fürstenhof" an der Gallusanlage, der Deutschen Bibliothek an der Adickesallee, dem ersten Polizeirevier in der Albusstraße sowie dem Innen-stadtparkhaus an der Querstraße.
Platz ist insgesamt aber nur für 30 000 Menschen. Angesichts von rund 650 000 Einwohnern gilt das Motto: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Betrieben und unterhalten werden diese Bunker von der Feuerwehr im Auftrag der Zivilschutzabteilung des Bundesverwaltungsamtes. Rund 600 000 Mark Kosten verursacht der Unterhalt im Jahr in Frankfurt.
Mehrzweckanlagen heißen die Tiefbunker in der Sprache von Michael Turley, der Referatsleiter für baulichen Zivilschutz im Bundesamt ist. Das klingt zum einen nicht so gefährlich, zum anderen wird damit deutlich gemacht, dass es sich ja eigentlich um Pkw-Tiefgaragen mit besonderer Ausstattung handelt. Einstmals gab es Zuschüsse des Bundes für Tiefgaragenerbauer, die die Versorgungsräume für den Ernstfall vorhielten. In speziellen Räumen ist die Sonderausstattung untergebracht, die die Garage im Notfall zum Bunker macht. Von einem Technikraum aus sind Wasser-, Ölpumpen, Luftfilter und Schleusentüren zu steuern. Aus Brunnen kann Trinkwasser her-aufgepumpt werden, Dieselmotoren sichern die Stromversorgung.
In weiteren Räumen sind Feldbetten sowie sanitäre Einrichtungen. Allerdings müsste beispielsweise unterm Nibelungenplatz in Schichten geschlafen werden. Der Bunker fasst 2000 Menschen, hat aber nur Betten für ein Drittel.
Einmal im Jahr werden die überall gleichen Anlagen von der Feuerwehr überprüft. Otmar Margraf ist dort für den Zivilschutz zuständig. Die Wartung der Anlagen, die nicht mehr in die Zeit zu passen scheinen und sowieso nur fünf Prozent der Bevölkerung Schutz bieten würden, stellt Margraf nicht in Frage.
"Da gibt es doch Werte, beispielsweise die Dieselmotoren, die erhalten werden müssen."
Michael Turley, der Bundesamts-Abteilungsleiter, scheint bereits genervt durch spöttischen Bemerkungen über das Bereithalten der "Atombunker", die insgesamt jährlich elf Millionen Mark verschlingen. Kommunen würden sich gerne die Hochbunkeranlagen unter den Nagel reißen, um wie beispielsweise schon drei Mal in Frankfurt geschehen, die Räume anderweitig, etwa als Musikübungsräume oder Lager, zu nutzen.
Auch würde die Existenz der Bunker, die nicht so einfach abgerissen werden dürfen, als "Investitionshemmnis" für mögliche Neubauten betrachtet. "Diese Kritik sind wir mittlerweile gewöhnt. Das Zivilschutzgesetz schreibt diese Schutzräume aber vor.
Und so lange dieses Gesetz nicht geändert wird, die jüngste Novelle war erst '97, müssen diese Schutzräume da sein." Und außerdem: "Sollte doch mal etwas passieren, dann wäre das Geschrei groß."
Ob es dies dann noch jemand anstimmen könnte, ist allerdings fraglich.
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26.08.2005
Von Jutta Rippegather
Wetterauer Verein will Überbleibsel des Kalten Krieges zugänglich machen / Geräte noch voll einsatzbereit
Ein Verein will die Geschichte des Kalten Krieges jungen Leuten anschaulich machen. Zu diesem Zweck hat er sich einen unterirdischen Atombunker im Wetteraukreis als Domizil ausgewählt. Ende der 60er Jahre war der Bunker als Kommandozentrale für Frankfurts Elite gebaut worden.
Niddatal · Wenn es oben gewittert, ist es unten mucksmäuschenstill. Und selbst im Hochsommer ist eine warme Jacke ratsam. "Man gewöhnt sich daran", sagt Thomas Köppe (31) aus Chemnitz. Für eine Woche hat sich der Sachse samt Freundin und zwei weiteren Mitstreitern im Ilbenstädter Atombunker einquartiert, um die alte Technik wieder in Schwung zu bringen. Das Quartett übernachtet sogar in dem unterirdischen Gebäude, das der Bund im Jahr 1968 auf der Wetterauhöhe errichten ließ. Der Komfort ist auf niedrigem Niveau. Die Schaumstoffmatratzen auf den Etagenbetten sind zum Teil noch original verpackt, es gibt eine Küche und sogar nach Geschlechtern getrennte Sanitäranlagen.
Auch wenn der gelernte Instandhaltungsmechaniker Köppe und seine Freunde noch nicht sämtliche Details der elektrischen Anlage durchdrungen haben: Grundsätzlich ist die Infrastruktur für einen längeren Aufenthalt vorhanden. Kein Wunder angesichts der ursprünglichen Funktion des Bauwerks. Hier sollte die Kommandozentrale für Frankfurts Honoratioren sein. Für die Führungskräfte der Stadt, die im Katastrophenfall die Geschicke der verseuchten Region hätten lenken sollen. Gefundenes Fressen für RAF-Sympathisanten, die Anfang der 80er in den Bunker einbrachen und die Wände des Lagerraums mit Parolen beschmierten. "Freiheit für die politischen Gefangenen" schrieben sie mit roten Lettern. Und auf die Karte von Frankfurt und Umgebung pinselten sie: "Kein sicheres Plätzchen für Bonzen. Schweine ins Weltall."
Eine rund 13 000 Quadratmeter große Zufluchtstätte auf drei Ebenen. Mit Notausstieg, Funkraum und originaler Telefonzentrale. Mit funktionsfähiger Klimaanlage, Lüftung, Tiefbrunnen, Notstromaggregaten. Und mit Böden, die durch spezielle Lagerung auf Spiralfedern gegen die Erschütterung einer Atomwaffendetonation geschützt wurden. "Er ist so gebaut, dass er der Detonation einer Hiroshima-Atombombe in wenigen hundert Metern Entfernung widerstehen könnte", sagt Harald Fäth (46) aus Lauterbach im Vogelsberg. Für den gebürtigen Frankfurter ist der Bunker etwas Einmaliges in der Republik. Im Gegensatz zu anderen Schutzräumen sei die Einrichtung so gut wie unverändert. "Hier ist alles einsatzbereit."
Der Bunker sei weder rein militärischer noch rein ziviler Natur. Geht es nach Fäth, so soll von hier aus eine "Initialzündung" ausgehen, an dessen Ende eine "Museumslandschaft Fulda Gap" steht, eine Route, die anhand verschiedener Zeugnisse jungen Menschen die Geschichte des Kalten Kriegs nahe bringt. Fäth nennt es "aktiven Geschichtstourismus".
Um diese Idee zu verwirklichen, hat er den Verein Entwicklungsgesellschaft Fulda Gap gegründet. 13 Mitglieder zählt er derzeit. Die Hälfte stammt aus dem westlichen Teil Deutschlands, die andere aus dem Osten. Viel mehr sollen es nach Vorstellung des Vorsitzenden Fäths nicht werden. Nur wenn man sich persönlich kenne, sei gesichert, dass sich keine Neonazis oder Militaristen einschleichen. Die wollen Fäth, Köppe und Co nicht haben. Deshalb ist das Tragen von Tarnkleidung im Bunker unerwünscht.
Die alte Technik als große Herausforderung für Bastler
Es sei nicht die Faszination des Kriegs, die sie dazu treibt, ihre Freizeit unter Tage zu bringen. Als passionierter Bastler und Tüftler stellt für den Chemnitzer die alte Technik eine große Herausforderung dar. Wenn er mit seinem Kumpel an der Abwasserhebeanlage schraubt, Stromkreise wiederherstellt, dann ist er in seinem Element.
Fäth wiederum möchte den Bunker als Vehikel für seine Botschaft nutzen: "Der Dritte Weltkrieg war mehrfach ganz nah", sagt der Mann, der sich als freischaffender Autor betätigt. Jetzt, nach dem Zerfall der Blöcke und angesichts der aktuellen Ereignisse in Iran, sei ein Atomkrieg wahrscheinlicher als je zuvor. Das würde er Schulklassen und anderen jungen Leute gerne in Bunker-Seminaren vermitteln. Nur fehlt es dem Verein an finanziellen Mitteln.
Der Bunker ist mietfrei. Die Stadt Niddatal, die das Grundstück vor einigen Jahren vom Bund erworben hat, stellt ihn als Vereinsheim für ein Jahr kostenlos zur Verfügung. Das eine oder andere Ersatzteil bekam die Bunker-Crew von Sponsoren. Doch wenn hier tatsächlich einmal reger Publikumsverkehr herrschen sollte, müsse für Parkraum und Zugangswege gesorgt sein, sagt der Vize-Hauptamtsleiter von Niddatal, Thomas Herdt. Auch eine Versicherung wäre notwendig, sagt Fäth.
Mitte nächsten Jahres hofft er, die ersten Besucher empfangen zu können. Kopfzerbrechen bereiten ihm und seine Mitstreiter derzeit die Kommunikation nach außen. Ein Handyempfang ist nicht möglich, wohl aber eine Telefonanlage vorhanden. Nur: Die Telekom hat bislang die Leitungen nicht finden können.
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Aussicht vom Bunker über das Niddatal in die Umgebung:
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