Reparatur unter Palmen
Eine Kurzgeschichte
Es war um Weihnachten vor ungefähr 5 Jahren, da hatten ein Arbeitskollege und ich einen mehrwöchigen, anstrengenden, aber gut bezahlten Knochenjob zu erledigen. Nach Abschluß der Arbeiten wollten wir uns mit dem verdienten Geld einen ausgedehnten Urlaub gönnen, wobei wir beide nicht an Schnee und Eis dachten.
Nach vielen Jahren ohne Urlaub wollten wir auch mal die Füße in den Sand stecken, im klaren Wasser blubbern und uns die Sonne auf den Pelz brennen lassen.
Die Karibik sollte es sein, wenn schon, denn schon.
Ein Bekannter von mir empfahl uns Tobago. Nein, es ging nicht um Rauchwaren, sondern um eine winzig kleine Insel, die zu Trinidad gehört und auf der er Freunde hätte, die uns vor Ort unterbringen könnten.
Nachdem wir das Eiland mit Hilfe einer Lupe im Atlas entdeckten, entschieden wir: Das ist es !
Also viel Sonnenöl , Taucherbrille und Taucherflossen gekauft, den Seesack gefüllt, rein in den Jet und Abflug. Ade, tristes Deutschland, leb wohl Schnee, Regen, Graupelschauer und Stau am Hermersberger Kreuz.
Das Abenteuer lockte ! Und es kam auch prompt, das fing direkt bei der Ankunft schon an !
Denn kaum, dass wir am Flughafen gelandet waren, kam eine abenteuerliche Gestalt auf uns zu: Mager wie ein Hering, eine Frisur wie Bob Marley in seinen besten Zeiten, und ein Auto…. Nun ja, es hatte 4 Räder und brummte, also musste es doch ein Auto sein, oder ? Im Auslieferungszustand war es wohl mal eine Art Ford Fiesta oder so was in der Art gewesen, aber wie uns sofort klar wurde, hat dieses Land keinen TÜV ! Uns schwante schon, dass dies der Freund des Bekannten war, und so luden wir unser Gerödel ins Auto.
Die Fahrt ging auf der Küstenstrasse entlang und bot außer unmotiviert auf der Piste herumstehenden Ziegen auch einen wunderschönen Ausblick auf blaues Wasser, schlanke Palmen und braune Schönheiten.
Das Einzige, was uns ein wenig befremdete, war der Fahrstil des Rastamanns, der irgendwie nicht ganz dem Zustand seines Vehikels entsprach. Ich wäre mit dieser Karre möglicherweise nicht ganz so schnell gefahren und hätte sicher auch früher gebremst. Denn ich vernahm jedes Mal, wenn der verhärmte Mechanismus benötigt wurde, mahlende und schabende Geräusche, die mir die Nackenhaare sträubten, zumal die ganze Fuhre rubbelte und stempelte, wenn es durch die Kurven ging.
Später führte die Strasse dann ohne einengende Leitplanken an schwindelerregenden Felsabstürzen entlang.
Also irgendwie war es anscheinend sehr heiß im Auto, denn ich schwitzte nicht schlecht. Besonders ausgeprägt waren meine Schweißausbrüche an scharfen Spitzkehren, neben denen 50 Meter tiefer die Brandung an die Felsen krachte. Mir ging die Frage durch den Kopf, ob man den Aufschlag dort unten überhaupt noch spüren würde, aber irgendwie klappte es dann doch jedes Mal.
Der Fahrer war sehr gut gelaunt, redete wie ein Wasserfall in einer Art speziellem Englisch und hätte wohl für meine Bedenken keinen Sinn gehabt.
Die Tobeganer sind ein sehr heiteres, sorgloses und unbeschwertes Volk.
Jedenfalls kamen wir heil an, wurden gute Freunde und hatten viel Spaß zusammen. Aber wir bemerkten, dass ihn etwas bedrückte. Und eines Abends rückte er auch damit heraus:
Es drehte sich um sein heißgeliebtes Auto. Auf der Insel war der Besitz eines Autos nicht selbstverständlich, das sollte man erwähnen. Und da wir ja Deutsche sind, ging uns der Ruf voraus, Autospezialisten zu sein.
Wie dies ? Wir waren erstaunt zu hören, dass dort als selbstverständlich angenommen wurde, dass jedes Mitglied einer autoproduzierenden Nation, vor allem einer Nation die Porsche und Mercedes baut, zwangsläufig auch fachmännisch ein Auto reparieren kann. Erst jetzt fiel mir auf, dass wir seit unserer Ankunft keine Autowerkstatt gesehen hatte und so fühlten wir erst mal vor, worum es denn ginge.
Erleichtert sprudelte aus dem Rastamann heraus, dass er Probleme mit den Bremsen hätte. Ein Freund von ihm hätte mal nachgesehen, da eine Bremse undicht gewesen sei und seitdem hatte er den Eindruck, dass hinten rechts irgendwas nicht in Ordnung sei.
Wenn auch keine Flüssigkeit mehr herauslaufe.
Nun, das war ja kein Problem, ich warf mich unter das Auto und mich fröstelte bei dem Gedanken, dass ich in diesem Auto mitgefahren war: Irgend ein Spezialist hatte die Bremsleitung hinten rechts - unbeschwert von belastender Sachkenntnis - abgezwickt und zusammengehämmert !! Ich konnte zwar tatsächlich nicht bestreiten, dass der Bremsflüssigkeitsverlust gestoppt war, aber dennoch entsprach die Lösung des Problems irgendwie nicht ganz meinen Vorstellungen einer Reparatur ! Nun, dem Mann musste geholfen werden, auch im eigenen Interesse , schließlich saßen wir ja immer mit in der Kiste !
Also fuhren wir erst mal in die „Hauptstadt“ , um Ersatzteile zu besorgen. Man sollte den Begriff „Hauptstadt“ nicht überbewerten, die ganze Insel mit knapp 20 Ortschaften ist 40 km lang, da kann man sich die Dimensionen vorstellen.
Jedenfalls fragten wir im örtlichen „Fachgeschäft“ nach Bremsmanschetten und Bremsleitung, worauf der Verkäufer mit einer Plastiktüte anrückte, in der hunderte von Manschetten lagen ! Er holte eine Handvoll davon mit der Bemerkung heraus, dass die sicher passen würden. Eine ungefähr passende, gebrauchte Leitung legte er auch dazu. Na gut, fein.
Den Mund hab ich allerdings erst auf der Strasse wieder zu gekriegt.
Wir fuhren ins Dorf zurück, wo ich dann nach Werkzeug und einer Garage fragte, worin wir arbeiten können. Die Antwort bestand in einem Gemurmels, das von „Meine Oma ist gerade gestorben“ bis „Braucht Ihr auch eine Hebebühne?“ alles Mögliche hätte bedeuten können. Jedenfalls verschwand der Rastamann erst mal für eine Weile. Zurück kam er mit einer Einkaufstasche voll Werkzeug, das er überall im Dorf zusammengesammelt hatte.
Im Zuge einer sofort vorgenommenen Inventur förderten wir diverse stark korrodierte Gabelschlüssel zutage, bei denen sogar die Größenangaben weggerostet waren. Die Schlüssel muß Kolumbus höchstselbst damals vergessen haben und Seeluft ist halt aggressiv.
Ferner fanden sich ein paar zahnlose Zangen, einen Hammerkopf ohne Stiel und einige optisch ins Gesamtsortiment passende Schraubendreher.
Gewaltsam glättete ich meine gesträubten Nackenhaare, um sodann nach einer geeigneten Räumlichkeit zu fragen.
Wir fuhren an den Strand. Ich mutmaßte wieder mal ein Missverständnis, aber es war tatsächlich so vorgesehen: Wir sollten die Bremsanlage zerlegen und instand setzen, hier und jetzt am Strand ! Unglaublich.
Na gut, andere Länder, andere Sitten, man muß die Dinge nehmen, wie sie eben sind und im Improvisieren war ich schon immer gut. Mit ein wenig Treibholz unterbauten wir das Fahrzeug und ich fing an, die Bremse auszubauen. Nach Murphy hätte ja die letzte Schraube des Radbremszylinders nicht aufgehen dürfen, aber es hat wider Erwarten alles geklappt .
Eine widerspenstige Schraube hätte uns mit der minimalistischen Werkzeugausstattung vor unlösbare Probleme gestellt !
Nun ging es an das Zerlegen des hoffnungslos verrotteten Bremszylinders. Wie drückt man den festoxidierten Bremskolben ohne Presse oder Schraubstock aus dem Zylinder ?
Nun, man sucht sich einen Stein, der als Unterlage dienen soll, findet einen schlanken, langen Kiesel als Ersatz für einen Drückdorn und schlägt mit Hilfe des Hammerkopfes ohne Stiel solange auf den Kiesel, bis der Kolben nachgibt. Zugleich achte man sorgfältig darauf, dass der Kiesel die Lauffläche der Bohrung nicht beschädigt…
Es war eine Katastrophe, so primitiv hatte ich in meinen wildesten Alpträumen noch nicht gearbeitet, aber Not macht erfinderisch.
Als die Teile einzeln vor uns lagen, gingen wir ans Meer, um sie sauberzuwaschen und mit Hilfe von Papiertaschentüchern trockenzulegen.
Aber wie hont man unter diesen Umständen den Zylinder und den Kolben, damit er wieder gängig wird ? Ich war in meiner Verzweiflung schon drauf und dran, Sand zu nehmen, da fasste ich mir ein Herz und fragte nach sehr feinem Schleifpapier, obwohl ich mir sicher war, dass er im günstigsten Fall 40er Feinschotterpapier anschleppen würde.
Kein Problem, sagte der Rastamann, und kam mit einem Bogen 1600er wasserfestem Schleifpapier wieder. Mein fassungsloser Gesichtsausdruck nötigte ihn zu der Erklärung, dass er das nie verwenden konnte, denn das schleift ja nicht richtig !
Jedenfalls saß ich selig im Meerwasser und honte die Teile gründlich durch, mein Glück kaum fassen könnend. Unter gewissen Umständen empfindet der Mensch auch für geringe Gaben viel Freude….
Der Zusammenbau war dann nur noch Routine und auch die Entlüftung der Bremse breitete keinerlei Probleme.
Allerdings hatte die alte Bremsflüssigkeit die Konsistenz, die Farbe und vermutlich sogar den Geschmack von Bier, das schon mehrere Monate geöffnet in der Sonne steht. Der vorgenommene Flüssigkeitswechsel war also nicht als übertriebener Luxus einzustufen.
Eine Probefahrt zeigte, dass unsere Unternehmung von durchschlagendem Erfolg gekrönt war: Der Rastamann brachte sogar die Reifen zum Quietschen, ein für ihn völlig neuartiges Geräusch !
Die Begeisterung war grenzenlos.
Und seitdem waren wir dort die „deutschen Professoren“ ; Autoschlosser hatte als Bezeichnung wohl nicht gereicht, um die Verehrung des stolzen Autobesitzers auszudrücken.
Selbstgebrannte, hochprozentige Getränke waren ab diesem Zeitpunkt für den Rest des Urlaubs frei, wir verbrachten noch eine sehr lustige Zeit bis zu unserem Rückflug…
Geschichtenerzählenderweise, Wigbold
Eine Kurzgeschichte
Es war um Weihnachten vor ungefähr 5 Jahren, da hatten ein Arbeitskollege und ich einen mehrwöchigen, anstrengenden, aber gut bezahlten Knochenjob zu erledigen. Nach Abschluß der Arbeiten wollten wir uns mit dem verdienten Geld einen ausgedehnten Urlaub gönnen, wobei wir beide nicht an Schnee und Eis dachten.
Nach vielen Jahren ohne Urlaub wollten wir auch mal die Füße in den Sand stecken, im klaren Wasser blubbern und uns die Sonne auf den Pelz brennen lassen.
Die Karibik sollte es sein, wenn schon, denn schon.
Ein Bekannter von mir empfahl uns Tobago. Nein, es ging nicht um Rauchwaren, sondern um eine winzig kleine Insel, die zu Trinidad gehört und auf der er Freunde hätte, die uns vor Ort unterbringen könnten.
Nachdem wir das Eiland mit Hilfe einer Lupe im Atlas entdeckten, entschieden wir: Das ist es !
Also viel Sonnenöl , Taucherbrille und Taucherflossen gekauft, den Seesack gefüllt, rein in den Jet und Abflug. Ade, tristes Deutschland, leb wohl Schnee, Regen, Graupelschauer und Stau am Hermersberger Kreuz.
Das Abenteuer lockte ! Und es kam auch prompt, das fing direkt bei der Ankunft schon an !
Denn kaum, dass wir am Flughafen gelandet waren, kam eine abenteuerliche Gestalt auf uns zu: Mager wie ein Hering, eine Frisur wie Bob Marley in seinen besten Zeiten, und ein Auto…. Nun ja, es hatte 4 Räder und brummte, also musste es doch ein Auto sein, oder ? Im Auslieferungszustand war es wohl mal eine Art Ford Fiesta oder so was in der Art gewesen, aber wie uns sofort klar wurde, hat dieses Land keinen TÜV ! Uns schwante schon, dass dies der Freund des Bekannten war, und so luden wir unser Gerödel ins Auto.
Die Fahrt ging auf der Küstenstrasse entlang und bot außer unmotiviert auf der Piste herumstehenden Ziegen auch einen wunderschönen Ausblick auf blaues Wasser, schlanke Palmen und braune Schönheiten.
Das Einzige, was uns ein wenig befremdete, war der Fahrstil des Rastamanns, der irgendwie nicht ganz dem Zustand seines Vehikels entsprach. Ich wäre mit dieser Karre möglicherweise nicht ganz so schnell gefahren und hätte sicher auch früher gebremst. Denn ich vernahm jedes Mal, wenn der verhärmte Mechanismus benötigt wurde, mahlende und schabende Geräusche, die mir die Nackenhaare sträubten, zumal die ganze Fuhre rubbelte und stempelte, wenn es durch die Kurven ging.
Später führte die Strasse dann ohne einengende Leitplanken an schwindelerregenden Felsabstürzen entlang.
Also irgendwie war es anscheinend sehr heiß im Auto, denn ich schwitzte nicht schlecht. Besonders ausgeprägt waren meine Schweißausbrüche an scharfen Spitzkehren, neben denen 50 Meter tiefer die Brandung an die Felsen krachte. Mir ging die Frage durch den Kopf, ob man den Aufschlag dort unten überhaupt noch spüren würde, aber irgendwie klappte es dann doch jedes Mal.
Der Fahrer war sehr gut gelaunt, redete wie ein Wasserfall in einer Art speziellem Englisch und hätte wohl für meine Bedenken keinen Sinn gehabt.
Die Tobeganer sind ein sehr heiteres, sorgloses und unbeschwertes Volk.
Jedenfalls kamen wir heil an, wurden gute Freunde und hatten viel Spaß zusammen. Aber wir bemerkten, dass ihn etwas bedrückte. Und eines Abends rückte er auch damit heraus:
Es drehte sich um sein heißgeliebtes Auto. Auf der Insel war der Besitz eines Autos nicht selbstverständlich, das sollte man erwähnen. Und da wir ja Deutsche sind, ging uns der Ruf voraus, Autospezialisten zu sein.
Wie dies ? Wir waren erstaunt zu hören, dass dort als selbstverständlich angenommen wurde, dass jedes Mitglied einer autoproduzierenden Nation, vor allem einer Nation die Porsche und Mercedes baut, zwangsläufig auch fachmännisch ein Auto reparieren kann. Erst jetzt fiel mir auf, dass wir seit unserer Ankunft keine Autowerkstatt gesehen hatte und so fühlten wir erst mal vor, worum es denn ginge.
Erleichtert sprudelte aus dem Rastamann heraus, dass er Probleme mit den Bremsen hätte. Ein Freund von ihm hätte mal nachgesehen, da eine Bremse undicht gewesen sei und seitdem hatte er den Eindruck, dass hinten rechts irgendwas nicht in Ordnung sei.
Wenn auch keine Flüssigkeit mehr herauslaufe.
Nun, das war ja kein Problem, ich warf mich unter das Auto und mich fröstelte bei dem Gedanken, dass ich in diesem Auto mitgefahren war: Irgend ein Spezialist hatte die Bremsleitung hinten rechts - unbeschwert von belastender Sachkenntnis - abgezwickt und zusammengehämmert !! Ich konnte zwar tatsächlich nicht bestreiten, dass der Bremsflüssigkeitsverlust gestoppt war, aber dennoch entsprach die Lösung des Problems irgendwie nicht ganz meinen Vorstellungen einer Reparatur ! Nun, dem Mann musste geholfen werden, auch im eigenen Interesse , schließlich saßen wir ja immer mit in der Kiste !
Also fuhren wir erst mal in die „Hauptstadt“ , um Ersatzteile zu besorgen. Man sollte den Begriff „Hauptstadt“ nicht überbewerten, die ganze Insel mit knapp 20 Ortschaften ist 40 km lang, da kann man sich die Dimensionen vorstellen.
Jedenfalls fragten wir im örtlichen „Fachgeschäft“ nach Bremsmanschetten und Bremsleitung, worauf der Verkäufer mit einer Plastiktüte anrückte, in der hunderte von Manschetten lagen ! Er holte eine Handvoll davon mit der Bemerkung heraus, dass die sicher passen würden. Eine ungefähr passende, gebrauchte Leitung legte er auch dazu. Na gut, fein.
Den Mund hab ich allerdings erst auf der Strasse wieder zu gekriegt.
Wir fuhren ins Dorf zurück, wo ich dann nach Werkzeug und einer Garage fragte, worin wir arbeiten können. Die Antwort bestand in einem Gemurmels, das von „Meine Oma ist gerade gestorben“ bis „Braucht Ihr auch eine Hebebühne?“ alles Mögliche hätte bedeuten können. Jedenfalls verschwand der Rastamann erst mal für eine Weile. Zurück kam er mit einer Einkaufstasche voll Werkzeug, das er überall im Dorf zusammengesammelt hatte.
Im Zuge einer sofort vorgenommenen Inventur förderten wir diverse stark korrodierte Gabelschlüssel zutage, bei denen sogar die Größenangaben weggerostet waren. Die Schlüssel muß Kolumbus höchstselbst damals vergessen haben und Seeluft ist halt aggressiv.
Ferner fanden sich ein paar zahnlose Zangen, einen Hammerkopf ohne Stiel und einige optisch ins Gesamtsortiment passende Schraubendreher.
Gewaltsam glättete ich meine gesträubten Nackenhaare, um sodann nach einer geeigneten Räumlichkeit zu fragen.
Wir fuhren an den Strand. Ich mutmaßte wieder mal ein Missverständnis, aber es war tatsächlich so vorgesehen: Wir sollten die Bremsanlage zerlegen und instand setzen, hier und jetzt am Strand ! Unglaublich.
Na gut, andere Länder, andere Sitten, man muß die Dinge nehmen, wie sie eben sind und im Improvisieren war ich schon immer gut. Mit ein wenig Treibholz unterbauten wir das Fahrzeug und ich fing an, die Bremse auszubauen. Nach Murphy hätte ja die letzte Schraube des Radbremszylinders nicht aufgehen dürfen, aber es hat wider Erwarten alles geklappt .
Eine widerspenstige Schraube hätte uns mit der minimalistischen Werkzeugausstattung vor unlösbare Probleme gestellt !
Nun ging es an das Zerlegen des hoffnungslos verrotteten Bremszylinders. Wie drückt man den festoxidierten Bremskolben ohne Presse oder Schraubstock aus dem Zylinder ?
Nun, man sucht sich einen Stein, der als Unterlage dienen soll, findet einen schlanken, langen Kiesel als Ersatz für einen Drückdorn und schlägt mit Hilfe des Hammerkopfes ohne Stiel solange auf den Kiesel, bis der Kolben nachgibt. Zugleich achte man sorgfältig darauf, dass der Kiesel die Lauffläche der Bohrung nicht beschädigt…
Es war eine Katastrophe, so primitiv hatte ich in meinen wildesten Alpträumen noch nicht gearbeitet, aber Not macht erfinderisch.
Als die Teile einzeln vor uns lagen, gingen wir ans Meer, um sie sauberzuwaschen und mit Hilfe von Papiertaschentüchern trockenzulegen.
Aber wie hont man unter diesen Umständen den Zylinder und den Kolben, damit er wieder gängig wird ? Ich war in meiner Verzweiflung schon drauf und dran, Sand zu nehmen, da fasste ich mir ein Herz und fragte nach sehr feinem Schleifpapier, obwohl ich mir sicher war, dass er im günstigsten Fall 40er Feinschotterpapier anschleppen würde.
Kein Problem, sagte der Rastamann, und kam mit einem Bogen 1600er wasserfestem Schleifpapier wieder. Mein fassungsloser Gesichtsausdruck nötigte ihn zu der Erklärung, dass er das nie verwenden konnte, denn das schleift ja nicht richtig !
Jedenfalls saß ich selig im Meerwasser und honte die Teile gründlich durch, mein Glück kaum fassen könnend. Unter gewissen Umständen empfindet der Mensch auch für geringe Gaben viel Freude….
Der Zusammenbau war dann nur noch Routine und auch die Entlüftung der Bremse breitete keinerlei Probleme.
Allerdings hatte die alte Bremsflüssigkeit die Konsistenz, die Farbe und vermutlich sogar den Geschmack von Bier, das schon mehrere Monate geöffnet in der Sonne steht. Der vorgenommene Flüssigkeitswechsel war also nicht als übertriebener Luxus einzustufen.
Eine Probefahrt zeigte, dass unsere Unternehmung von durchschlagendem Erfolg gekrönt war: Der Rastamann brachte sogar die Reifen zum Quietschen, ein für ihn völlig neuartiges Geräusch !
Die Begeisterung war grenzenlos.
Und seitdem waren wir dort die „deutschen Professoren“ ; Autoschlosser hatte als Bezeichnung wohl nicht gereicht, um die Verehrung des stolzen Autobesitzers auszudrücken.
Selbstgebrannte, hochprozentige Getränke waren ab diesem Zeitpunkt für den Rest des Urlaubs frei, wir verbrachten noch eine sehr lustige Zeit bis zu unserem Rückflug…
Geschichtenerzählenderweise, Wigbold
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