Für die Winterpause...

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  • gerohoschi
    Heerführer


    • 24.07.2005
    • 1830
    • DDR

    #1

    Für die Winterpause...

    Angekündigt hab ich's euch ja schon. Nun die Schicksalsjahre (1936 - 45) meines Papas (Lt. der Gebirgsjäger, EK II und Nahkampfabzeichen):

    "1936 bin ich mit der Mittleren Reife vom Gymnasium weg und für 2 Jahre nach Iquique in Nordchile, das ist ein Salpeterhafen am Rande der Atacamawüste, wo Verwandte meiner Mutter lebten. Der Onkel war Mineningenieur in einer Kupfermine in Saracoche in Peru, einem Minenarbeiterort 4800 m hoch gelegen. Er kam nur alle halbe Jahre heim, weil die Arbeit in der Höhe sehr anstrengend war und hatte dann ein halbes Jahr Urlaub. Einmal habe ich ihn in Peru besucht. In Saracoche gab es die höchstgelegenen Tennisplätze der Welt - natürlich nur für die Ingenieure. Nach 1 Jahr musste ich noch einmal nach Deutschland, und zwar mit einer alten Junkers und dann mit dem Schiff wieder zurück durch die Magellanstrasse am Südzipfel Südamerikas, die in den Pazifik mündet. Chile ist 7000 km lang und hat ein Klima, wie von Nordafrika bis Norwegen. Mittags steht die Sonne im Norden. In Valdivia bei Santiago lebten damals schon 40000 Deutsche. Es war eine tolle Zeit. Ich konnte ja nur Schulspanisch, und an den ersten Abenden nahm ich an einem abendlichen Corso teil, der auf einem großen Platz stattfand. Die Burschen gingen im Kreis links, die Mädchen rechts herum. Es war nun üblich, dass man einer Chica (Mädchen), die einem gefiel, etwas Nettes sagte. Da ich dergleichen nichts wusste, lies ich mich beraten und dann geschah Folgendes: Ich sagte einer hübschen Chica: "Que hermosa eres hija de una puta!" und bekam eine Ohrfeige und alle lachten schallend. Dem mieserablen Ratgeber nach hatte ich nämlich gesagt: "Wie hübsch bist du, Tochter einer Hure." Nach Aufklärung des Missverständnisses hatte sie mir dann gnädig verziehen. Ja, und dann kam die Liebe zu einer 14-jährigen Häuptlingstochter Cateu der Araukaner (einem Indianerstamm), der in der Atacamawüste am Fuße der Anden (Cordilleras de los Andeles) lebte. Bei ihnen lernte ich nach vielen, vielen Stürzen das Reiten auf ungesattelten Pferden. Einige der Worte ihrer Sprache kenne ich noch: "Antua caramatu" (Ich spreche die Wahrheit), "Ikema nagatu" (Ich liebe dich), "Ibi" (weil), "Isata pederu manii" (Du gewaltiger dort oben), "Ikuta nagate tamani tamanii" (So wird es sein auf immer und ewig), "Tekateru lao meneri" (Bleibe bei mir). Nach vielen Streitereien mit dem deutschen Konsulat - es ging darum, dass ich nicht mit Deutschen verkehrte, sondern mit Kreolen und Araukanern - musste ich 1938 Chile verlassen, weil mein Pass nicht verlängert wurde, denn selbst hier übten die Nazi ihre Macht aus. Ich war dann ein halbes Jahr bei Verwandten in Birmingham und anschließend bei Verwandten in Genf. Am 1.9.39 brach der 2. WK aus und ich wähnte mich in der Schweiz sicher. Doch eines Tages fuhr ein Wagen vor und 2 Männer stiegen aus, stellten sich als dt. Gestapo-Beamte vor und gaben mir mit knappen Worten zu verstehen, dass ich mich innerhalb von 24 Std. an der dt. Reichsgrenze zu melden hätte, andernfalls würden meine Eltern zur Rechenschaft gezogen. Und damit hatten mich die Nazi. Bei der Begrüßung an der Grenze hieß es gleich: "Aha, sie sind also der Beutegermane, den man erst holen muss, damit er seinen Vaterlandspflichten nachkommt." Von da an stand ich sozusagen unter Aufsicht und bekam in all den Jahren keinen Tag Urlaub, weil ich als "politisch unzuverlässig" eingestuft wurde. Ich wurde zunächst bei den Panzerjägern in Herford eingezogen und mit einer besonders harten Ausbildung versehen, um mir jegliche "Flausen" von vornherein auszutreiben. Unter anderem erhielt ich den Befehl: "Marsch, Marsch, bis zum Horizont!" mit dem Hinweis mein Brotbeutel hätte waagerecht in der Luft zu schweben. Nach meheren Stunden meldete ich mich bei meinem Spiess wortwörtlich "vom Horizont zurück" und bekam daraufhin 3 Tage Bunker. Nachdem Frankreich besetzt war, kam ich nach Ambonnay bei Chalons sur Marne. Von dort ging es 1941 nach Goldap in Ostpreußen. Am Morgen des Einmarsches in Russland (Unternehmen Barbarossa) wurde ich einer Vorausabteilung zugeteilt, die um 04:00 h morgens mit drei 3,7 cm "Panzerkanönchen" durch die eigenen Reihen hindurch nach Litauen musste.
    Die Russen waren anfangs total überrascht, doch bald schon kam ihr Widerstand. Bisher kannte ich nur von Wochenschauen, wie Krieg aussah, d.h. die Deutschen schossen und der Feind flüchtete-von Wiederschießen sah man Nichts. Aber nun schoss ein russischer Panzer auf uns vier Mann hinter der PAK. Das war ein ganz anderes Gefühl!!! Unsere eigenen Granaten prallten am Panzer ab. Die erste Grante der Russen schlug vor uns ein, die zweite dahinter. Damit hatten sie sich eingeschossen und der nächste Treffer hätte das Aus für uns bedeutet. Ich stand eine Todesangst aus, doch blieb der dritte Schuss aus und der Panzer fuhr querfeldein weiter.
    Mein fürchterlichstes Erlebnis war aber in Kowno, der Hauptstadt Litauens. Dort mussten wir Soldaten tatenlos zusehen, wie die Nazi-SD Kriminelle aus dem dortigen Zuchthaus befreite und unter Alkohol setzte, um ihnen dann den Auftrag zu geben, die auf dem Marktplatz zusammenngetriebenen Juden (Männer, Frauen, Kinder) mit Eisenstangen zu erschlagen. (Ein Bild von diesem Massaker fand ich nach dem Krieg in dem Buch: "Der gelbe Stern"). Bei diesem Anblick kotzte ich mir "die Seele aus dem Leib" und wurde als Feig- und Weichling beschimpft, nur weil ich, im Gegensatz zu den Übrigen, die fußhohe Schmiere aus Gehirn, Blut und Leichenteilen, sowie die Todesschreie nicht ertragen konnte. Weiter ging es in Richtung Peipus-See bei Leningrad. Unterwegs gerieten wir in eine Falle der Russen. Ich lag flach auf dem Bauch. Wie Vogelgezwitscher pfiffen die Machinengewehrkugeln über uns hinweg. Dazwischen schwere Granatwerfereinschläge. Ich spürte, dass ich niemals den Mut aufbringen könnte, aufzuspringen, was bei dem Kugelhagel den sicheren Tod bedeuetet hätte. Doch plötzlich sausten 2 dt. LKW heran. Glas splitterte, trotzdem gelang es ihnen, blitzschnell zu wenden. Soldaten sprangen auf und rannten auf den LKW zu und ich wusste, wenn ich ihn nicht erreichen würde, wäre ich sowieso verloren. Ich sprang also trotz meiner Todesangst auf und erreichte den LKW. Auf dem Wagen stellte ich dann fest, dass mir 2 Kugeln zwischen den Beinen durchgegangen waren und mir mit Ein- und Ausschusslöchern die Hose zerfetzt hatten. Außerdem hatte ich mehrere kleine Granatsplitter in der rechten Hand und einige unterhalb des Herzens. Unsere Verwundeten wurden von den betrunkenen Russen die Kehle durchgeschnitten und ein HK in die Brust geritzt. Ich kam ins Lazarett nach Pommern - mein Glück, denn meine Kompanie wurde später fast vollständig aufgerieben. Bis Ende 1941 war ich dann bei einem Ersatzheer, machte einen Reserveoffizierslehrgang, wurde dann Fähnrich und danach Leutnant, da in Russland dringend Offiziere benötigt wurden, weil die wie die Fliegen starben. Zuerst gelang es mir jedoch, mich als Skilehrer für Ausbildungslehrgänge zu melden, die für den Winterfeldzug in Russland getrimmt werden sollten. Das war in Fredeburg im Sauerland. Im Februar 1942 wurde ich mit einem Skibataillon in Rudnija bei Smolensk ausgeladen, wobei gleich das halbe Bataillon durch pausenlose Fliegerangriffe von russ. Radnas aufgerieben wurde. Ich kam wieder einmal davon. Die Überlebenden wurden gesammelt, die Verwundeten abtransportiert. Wir setzten uns mit den Skiern in Marsch auf ein Waldstück zu und wussten nicht, dass dort die Partisanen auf uns lauerten. Jeder zog auf dem abschüssigen Schneefeld einen Schlitten hinter sich her. Das war schon unsinnig, denn den erst kurzfristig skilaufenden Männern fuhren ihre Schlitten auf die Hinterenden der Skier und brachten sie zu Fall. In diese Chaos hinein feuerten nun die Partisanen mit Maschinengewehren und Granatwerfern. Es gelang mir, mich in den Schnee einzugraben, um dem direkten Beschuss zu entgehen. Als die Nacht kam, waren von dem ausgeladenen Bataillon nur noch wenige Männer übrig. Von den Partisanen war nichts mehr zu hören und zu sehen - wahrscheinlich hielten sie uns alle für tot.
    Ich sollte mich dann bei einer anderen Abteilung melden, aber ich hatte jetzt schon die Schnauze voll, mich für "Führer, Volk und Vaterland" abschlachten zu lassen. Darin sah ich als Nicht-Nazi und "Beutegermane" keinen Sinn mehr, da ich in den wesentlichen vergangenen Jahren meines jungen Lebens Deutschland und alles, was mit ihm zusammenhing, aus einem völlig anderen Blickwinkel des Auslands gesehen hatte. Ich setzte mich einfach ab, was unter den Militär-§ "unerlaubte Entfernung von der Truppe" fällt. In der mich umgebenden Schneewüste brach ich aber vor Erschöpfung zusammen und wäre erfroren, wenn mich nicht ein LKW-Fahrer gefunden hätte und mich ins Lazarett nach Smolensk brachte. Da ich nicht verwundet war, sollte ich wieder an die Front. Für mich gab es aber nur noch einen einzigen Gedanken, nämlich den Krieg und Nazi-Dtl. zu überleben. Der Zufall und entsprechende Eigeninitiative ließen mich einen abfahrbereiten Lazarettzug sehen. Plötzlich heulten Luftschutzsirenen und ein Tieffliegerangriff auf den Bahnhof begann, wobei auch der Lazarettzug getroffen wurde.
    Und jetzt kommt etwas für was mich die anderen Vaterlandsverteidiger verdammen werden - ich stieg in dem Chaos in den Zug ein. Jeder Kranke oder Verwundete trug eine Karte um den Hals, die ihn berechtigte, mitzufahren. Der Zug fuhr endlich ab und bei einer Kontrolle konnte ich, wie einige andere auch, behaupten, dass die Karte bei dem vorausgegangenen Chaos abhanden gekommen wäre. Man mag mich ruhig einen Feigling schimpfen, als toter "Held" wäre ich längst begraben und vergessen. Wie sagt doch ein russ. Sprichwort? "Lieber 5 Min. feige, als ein ganzes Leben lang tot." Der Zug fuhr tagelang bis nach Ravensburg. Bei einem Halt unterwegs stand auf dem Nebengleis ein Sonderzug, aus dem bei unserer Ankunft der "GRÖFAZ" stieg, der es sich nicht nehmen ließ, "die Helden der Nation" zu begrüßen. So bekam ich "unverdientermaßen" die Gelegenheit, Hitler die Hand zu geben. Dieser schwammige Händedruck wird mir unvergesslich bleiben. Im Zug lernte ich einen Offizier der span. "Blauen Division" kennen. Er war Zahnarzt in Barcelona, ehemaliger Sozialist und deswegen vom faschistischen Franco-Regime als "Freiwilliger" in die Division geschickt worden. Diese Division sollte eine "Freundschaftsgeste" an Hitler bedeuten wegen seiner Hilfestellung im span. Bürgerkrieg. Nach 4 Wochen Lazarett - irgendetwas zum behandeln hatten sie bei mir doch gefunden - sagte mir der Spanier, dass er nicht mehr zur Div. zurückwolle und fragte mich, ob ich einen Weg wüsste, wie er in die Schweiz gelangen könnte. Da ich in Vorarlberg (Lustenau) entferne Verwandte hatte, die schon vor dem Krieg einen regen Schmuggelverkehr mit einem Schlauchboot unterhielten, machten wir uns an einem Ausgehtag dorthin auf den Weg. Zuvor beging ich den verhängnisvollen Fehler einen Mann aus der Schreibstube, der für den Ausgang zuständig war und einen vertrauenserweckenden Eindruck machte, kurz in unser Vorhaben einzuweihen, weil wir sonst keinen Urlaubsschein bekommen hätten. Leider war er ein 100 %iger Nazi. Als ich alleine zurückkam, erwarteten mich bereits die "Kettenhunde" und verhafteten mich ohne Angabe von Gründen. 8 Tage war ich in Weingarten bei Ravensburg arretiert und wurde dann ins WH-Gefängnis nach Ulm überstellt. Hier eröffnete man mir, dass ich zu gestehen hätte, einem Ring anzugehören, der ständig Fluchthilfe in die Schweiz leisten würde. Ich sollte angeben, wer noch dazugehörte. Da ich meine Verwandten nicht verraten wollte - sie wären sonst hingerichtet oder ins KZ geschickt worden - schwieg ich zu der Anklage. Da sie mit mir, ihrer Ansicht nach, so nicht weiterkamen, musste ich nach 2 Wochen meine Uniform ausziehen und bekam Zivilkleidung. In der gleichen Nacht wurde ich der GESTAPO überstellt. Hier begann für mich eine 10monatige Qual und ich erfuhr, was "Menschen" Menschen antun können. In Abständen wurde ich nachts zu insges. 28 Verhören abgeholt. Man schlug mir die Zähne heraus, drehte mir den re. Fuß solange ab, bis der Knöchel brach, schlug mich mit Stahlruten, brach mir mit Fußtritten die Rippen, schlug mich bis zur Besinnungslosigkeit ins Gesicht und auf den Kopf.
    "Bin ich nur glücklich, wenn es schmerzt?" (bo)
  • gerohoschi
    Heerführer


    • 24.07.2005
    • 1830
    • DDR

    #2
    Zwischendurch kam ich immer wieder ins Lazarett, um die Verletzungen notdürftig auszuheilen. Ich bestand nur noch aus panischer Angst vor dem nächsten Verhör, war mir aber bewusst, wenn ich gestehen würde was sie hören wollten, ich ja sowieso zum Tode verurteilt würde.
    Irgendwann- ich hatte jeglichen Zeitbegriff verloren- bekam ich meine Uniform wieder und wurde ins WH- Gefängnis zurückgebracht. Neben mir in der Zelle war ein Ulmer Rechtsanwalt, der im Urlaub Bekannten gegenüber geäußert hatte, "langsam könne ihn der Barras am Arsch lecken". Unglücklicherweise glitt er beim Holzhacken mit der Axt aus und schlug sich 2 Finger ab. Seine Äußerungen den strammen Nazi- Bekannten gegenüber und die Verletzung genügten, um ihn wegen Selbstverstümmelung und Defaitismus zum Tode durch Erschiessen zu verurteilen. In einer Zelle neben ihm saß ein 18- jähriger Kriegsfreiwilliger, der aber nach seiner Ausbildung in die Schweiz flüchtete und dann von ihr ausgeliefert wurde. Todesurteil wegen Fahnenflucht...
    In der Nacht vor der Vollstreckung von Todesurteilen brannte immer das Licht im Eckzimmer des Direktors. So auch in der Nacht, deren Morgen ich nie vergessen kann,
    Am Morgen gegen 5 h fuhr im Hof ein LKW vor, Stiefel und Gewehrkolben polterten auf der Treppe, Schlüssel klirrten, und man holte neben mir den RA ab. Danach hörte ich die Schreie des jungen Soldaten, den sie über den Gang schleiften und der immer wieder "Mutter, Mutter, hilf mir!" schrie. Ja, und dann wurde meine Zellentüre geöffnet, ein Leutnant und 2 Mann kamen rein. Bevor ich richtig zu mir kam, waren mir bereits die Hände auf dem Rücken gefesselt. Ich dachte immer noch, es wäre ein Albtraum. Der Leutnant degradierte mich, indem er mir die Leutnatschulterstücke von der Uniform riss. Dann las er mir vor, dass ich im Namen des Führers und des dt. Volkes vom Kriegsgericht Münster in Abwesenheit zum Tode verurteilt wäre und das Urteil durch Erschießen sofort zu vollstrecken sei. Ich wurde runtergeführt. Auf dem LKW standen 3 einfache Särge, auf die sich jeder von uns rittlings setzten musste. Wir fuhren zur sog. "Ulmer Bastion", wo die Erschießungen stattfanden. Vor meinen Augen wurde jetzt der Rechtsanwalt erschossen, danach der junge Soldat, den sie so zusammengeschlagen hatten, dass sie ihn am Pfahl festbinden mussten, weil er nicht mehr stehen konnte. Weil sie nach den Schüssen noch zuckten, bekamen sie den "Gnadenschuss" mit der Pistole.
    Immernoch meinte ich, dass ich jetzt aufwachen müsste, so unwirklich erschien mir alles. Ich wurde dann an den Pfahl gefesselt, dass Peloton stand bereit. Mit einer Zigarette im Mund kam plötzlich der Vernehmer von der GESTAPO auf mich zu, grinste und blies mir den Rach ins Gesicht, ging ein paar mal um mich herum und sagte: "Na, mein Lieber, weit haben wir's gebracht, was? Noch ist Zeit. Nenn mir die Namen und du kannst weiterleben." Ich weiß nur noch, dass ich ihn anbrüllte und ins Gesicht spuckte. Er wischte sich das Gesicht ab und sagte: "Wie du willst, wie du willst." Dann kamen die Kommandos: "Peloton stillgestanden... Legt an... Feuer..." Danach war Nacht um mich und ich wachte erst nach Tagen aus dem Koma auf. Sie hatten mit Platzpatronen auf mich geschossen, mich aber in dem Glauben gelassen, erschossen zu werden, weil die GESTAPO bis zuletzt hoffte, auf diese Art von mir Namen zu erfahren. Die Anspannung in mir in der Erwartung der Kugeln war so groß, dass ich einen völligen Nerverzusammenbruch erlitt. Nach längerem Lazarettaufenthalt wurde ich dann wegen Mangel an Beweisen freigesprochen.
    1943 erlebte ich noch einen "geistenkranken" Unteroffizier, der sich zur Veranschauung der Wirkung einer Stielhandgranate, diese auf den Helm stellte und detonieren ließ. Dies klappte einige Male, doch irgendwann begann er zu zittern und starb in Folge. Im selben Jahr versetzte ich mich mit einem Trick selbst zu den 136er Gebirgsjägern nach Innsbruck, der Stadt meiner Liebe. Hier machte ich den Sommer- und Winterlehrgang in Fulpmes im Stubaital und wurde zum Heeresbergführer ernannt. Nun konnte ich nicht mehr ohne die Erlaubnis des Divisionsgenerals an die Front versetzt werden. An ein Erlebnis kann ich mich noch erinnern: Wir übten das Gehen auf Eis auf einem Gletscher in einer 3-er- Seilschaft, bei der ich der Mittlere war. Über eine verschneite Spalte kam der 1. rüber, aber ich stürzte rein. Fast 1 h hing in der tiefen Spalte, unter mir die Schwärze und gurgelndes Wasser, bis sie mich herausgeholt haben, denn mit den damaligen Hanfseilen war das ein ziemliches Risiko.
    Von Innsbruck ging es dann eines Tages nach Leoben in der Steiermark und von dort nach Ijmuiden in Holland, das muss mitte 1944 gewesen sein. Wir waren das einzige Gebirgsjäger- Bataillon, das jemals in Holland war. Die Holländer waren uns gegenüber sehr zuvorkommend, da wir für sie die "Ostrijker" waren, die sie sehr schätzten, was zu Spannungen mit den dort stationierten Küstenkanonieren aus Pommern führte, die das einfach nicht glauben konnten. Das Edelweiss an der Mütze war unser Schutzpatron und wir konnten uns sogar ohne Bewaffnung bewegen.
    Im Herbst 1944 setzten die Allierten 3 Tage und Nächte Fallschirmtruppen bei Arnheim ab (Operation Market Garden) und wir wurden dorthin kommandiert. In der Waldschule oberhalb von Arnheim bezogen wir Stellung. Was des weiteren in Arnheim geschah, kann man im Film "die Brücke von Arnheim" in etwa nachvollziehen. Von hier sahen wir von unserer Flak auf das gegenüberliegende Rheinufer. Dort kam es zu einem grausamen, brutalen Gemetzel zwischen kanadisch- polnischen, sowie SS- Einheiten der SS- Division "Hitler- Jugend" oder der SS- Division "Wiking" (genau weiss ich das nicht mehr). Die SS- Soldaten gingen mit Schlauchbooten über den Rhein, wurden zusammengeschossen, zückten ihre Bajonette und extra geschliffenen Spaten und hackten in auf das Gegenüber ein. Keiner der SS- Soldaten hat dies überlebt.
    Zum ersten Mal in diesem Krieg habe ich hier Menschen getötet- aber aus reiner Notwehr. Ich hatte mehrere gefangene Fallschirmjäger zurückzubringen, wobei ich hinter ihnen ging. An einem Gebüschweg blieben sie plötzlich stehen, gestikulierten wild und deuteten nach vorne. Ich Trottel ließ mich täuschen, ging nach vorne, um zu sehen, was da los war. Der Vorderste sprang mich von hinten an, zog mir dabei den Stahlhelm nach hinten, um mich zu strangulieren und mir dann mit einem versteckten Messer die Kehle durchzuschneiden. Mit einem gelernten Überwurf landete er auf dem Boden, wobei es ihm aber vorher gelang, mir sein Messer in die Stirn zu stoßen. Die Spitze brach ab und blieb stecken. da mir das Blut in die Augen lief und ich fast blind war, schoss ich mit meiner MP 40 um mich, wobei Alle Gefangenen getötet wurden.
    Ich irrte eine Zeilt lang umher, bis mich ein Melder mit seinem Krad (Beiwagen) aufgabelte und ins Lazarett im Königlichen Schloss "Het Loo" brachte.
    Ich wollte aber wieder nach Innsbruck, bekam jedoch einen Marschbefehl zum Sennelager bei Paderborn, den ich nach Innsbruck umfälschte. In der nächsten Frontleitstelle am Kölner Hauptbahnhof holte man mich aus dem Zug. Dort entwendete ich mehrere unterzeichnete Marschbefehle, da ich in die Ardennen, mitten in die amrikanische Großoffensive sollte. Ich ging in ein Geschäft, das Schreibmaschinen führte. Dort schrieb ich unter vorgehaltener Pistole eigenhändig meinen eigenen Marschbefehl "über Paderborn nach Innsbruck".
    In Hagen war ich so dumm, aus dem Zug zu steigen, und wurde prompt von einer Zivilstreife kontrolliert, der die Fälschungen auffielen und landete im Gefängnis, das am 09.12.44 samt der Stadt Hagen von Bombern angegriffen wurde. Zivilgefangene kamen während des Angriffs in den Luftschutzkeller, während wir Soldaten mit Handschellen an die Bettgestelle gefesselt wurden. Als eine Bombe das Gefängnis traf, lag ich unter den Trümmern, aber das stählerne Bettgestell hatt mich vor dem Zerquetschtwerden bewahrt. Ein paar Tage später war meine Kriegsgerichtsverhandlung, bei der ein General den Vorsitz hatte. Ich wurde wegen unerlaubter Entfernung von der Truppe "gnadenhalber" zu einem halben Jahr Gefängnis verurteilt. Gut, dachte ich mir, bis dahin ist der Krieg vorbei, aber nach der Urteilsverkündung brüllte mich der General an: "Wollen Sie nicht um Frontbewährung bitten?", was ich dann auch gezwungenerweise machte.
    "Frontbewährung" hiess, einem Strafbataillon zugeteilt zu werden, das ohne Waffen zum Minenräumen an der Front arbeiten musste- ein Himmelfahrtskommando, also.
    Ich bekam dann einen Marschbefehl zum berüchtigten Strafbataillon 999, das in der Tschechei den Russen gegenüberstand. Nun hatte ich mittlerweile einiges an Überlebenstraining hinter mir.
    Nachdem, wie sonst üblich eine Begleitperson mich dorthin schaffen sollte, fand man zu meinem Glück niemanden, und übergab mir somit "vertrauensvoll" meinen Marschbefehl und dazu noch sämtliche Stammpapiere, die ich beim Strafbataillon abgeben sollte, was im Grunde unzulässig war, für mich aber einen Glücksfall bedeutete.
    Ich stieg also in den Zug ein. Jetzt galt es nur noch, den nächsten Tieffliegerangriff auf den Zug abzuwarten, der dann auch bald kam. Ich zerriss meine Papiere bis auf mein Soldbuch, warf sie ins Feuer und meldete mich bei der nächsten Frontleitstelle. Dort ezählte ich, daß ich aus dem Lazarett in Arnheim käme, was ja auch im Soldbuch eingetragen war und sagte, daß ich auf dem Weg zu meiner Einheit in Innsbruck wäre, um meinen Dienst als Heeresbergführer anzutreten. Prompt bekam ich einen entsprechenden Marschbefehl.
    Nu ging es endlich nach Innsbruck. Dort angekommen, wollte ich mich nicht gleich in der Klosterkaserne melden, sondern blieb noch 2 Tage in der Wehrmachts- Übernachtungsstelle. Am Morgen des 2. Tages kam ein Standgericht der SS, um die Papiere zu überprüfen. Soldaten mit ungültigen oder gar keinen Papieren wurden sofort im Hof erschossen. Ich konnte über das Dach entkommen und meldete mich gleich in der Kaserne, wo man mein Zuspätkommen Gott sei Dank nur zur Kenntnis nahm- ohne Konsequenzen.
    Bei einem Morgenapell las der Hauptmann Tomassini den Wehrmachtsbericht vor und das wieder eine Menge Feindflugzeuge abgeschossen worden wären. Da ich darüber grinste, jagte er mich mit vorgehaltener Pistole so lange über den Platz, bis ich erschöpft zusammenbrach.
    Die letzte Episode begann für mich im April 45, als wir nach Kufstein in Marsch gesetzt wurden, um die von Rosenheim vorstoßenden Amerikaner aufzuhalten. Bei Sparchen bauten wir ein MG- Nest und sollten damit die amerikanischen Panzer aufhalten. Das hätte für einen Panzer nur einen einzigen Schuss bedeutet, und wir wären hin gewesen. Mit 10 Mann kamen wir im Bauernhof zu dem Entschluss, unsererseits diesen blödsinnigen Krieg zu beenden. Also marschierten wir von Kufstein in Richtung Kaisergebirge nach Ellmau. Nach einigen hundert Metern versperrte uns eine WH- Streife dén Weg. Einer von uns kommaniderte ganz laut: "Gewehre durchladen!", woraufhin uns die Streife ganz rasch vorbei ließ. Bei einem Bauernhof in der Nähe der "Steinernen Stiege" kam uns ein Mädchen entgegen gelaufen und warnte uns, daß ein mobiles Standgericht der SS ständig die Straße überwachen würde und wir sahen, daß an den Bäumen neben der Straße tote Soldaten hingen, die von der SS hingerichtet worden waren. Sie hatten Schilder um den Hals, wie: "Ich bin ein Feigling!" oder: "Ich habe meinen Führer verraten!". Wir gingen sofort von der Straße runter ins Gebirge, wo wir uns trennten. Nur ein Kamerad blieb bei mir und wir kamen in Ellmau bei einem Bauern unter. An einem der nächsten Tage wollten wir über die "rote Rinnscharte" im Kaiser nach Kufstein, um die Lage zu "peilen". Durch einen Schneesturm wurden wir aufgehalten und mussten im Winterstadl der "Gaudeamushütte" übernachten, die damals noch dem Himalaya- Besteigers Aschenbrenner gehörte. Leider war auch der ein Nazi, denn die Magd kam in der Nacht zu uns und sagte, der Aschenbrenner hätte die SS in Kufstein benachrichtigt, und die wären schon unterwegs, um uns aufzuhängen.
    Das habe ich dem Aschenbrenner nie verziehen und ihn auch nach dem Krieg zur Rede gestellt, aber da hat er natürlich Alles bestritten. Auch den Gestapo-Menschen traf ich genauso wie den Hptm. Tomassini nach dem Krieg in Innsbruck wieder und verprügelte beide derartig, daß die amerikanische "MP" einschreiten musste, woraufhin die beiden verhaftet wurden.
    Gott sei Dank kamen bald die "Amis" und die Quälerei hatte endlich ein Ende. Sie nahmen uns beide nicht gefangen, sondern beauftragten uns, im Kaiser nach versprengten Soldaten zu suchen und sie aufzufordern, sich zu ergeben. Die Texaner der "Rainbow Division" trauten sich nämlich nicht ins Gebirge.
    Für meine spätere Übersetzungsarbeit bekam ich jede Woche ein "care Paket"...
    Dieser Text ist nicht die Aufforderung zu politischen Diskussionen, sowie keine "Landser- Romantik". Dies ist ein gekürzter (!) Zeitzeugenbericht meines Vaters, dem genauso wie mir daran liegt, gegen das "Vergessen" oder "Verdrängen", das zur Zeit sehr in Mode geraten ist, zu wirken...
    Mag sein, daß mancher denkt, dies wäre nicht der richtige Ort. Nun, diese Entscheidung überlasse ich den admins/ mods...
    Read and think about it... Nie wieder Krieg!!!!!
    "Bin ich nur glücklich, wenn es schmerzt?" (bo)

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    • Werker123
      Heerführer


      • 14.12.2006
      • 1588
      • Niedersachsen- Hannover-Leinhausen

      #3
      Super der Bericht, sehr faszinerend, erschüttern!!!
      Was heißt "Defaitismus" ?

      Das wäre schade, wenn der rausgenommen wird, auch wegen der Schreibarbeit. Tastatur noch heile??
      Zuletzt geändert von Werker123; 12.01.2008, 16:55.
      Gruß
      Stefan R.
      Hobbyhistoriker Hannover

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      • Immelmann
        Heerführer


        • 23.12.2004
        • 5638
        • Hessen

        #4
        Wahnsinn, mehr fällt mir dazu nicht ein, einfach Wahnsinn.


        Zitat von Werker123
        Super der Bericht, sehr faszinerend, erschüttern!!!
        Was heißt "Defaitismus" ?

        Das wäre schade, wenn der rausgenommen wird, auch wegen der Schreibarbeit. Tastatur noch heile??
        Guckst du!
        Meine Rechtschreibfehler sind mein Eigentum, unanfechtbar, natürlich immer gewollt, und einfach knorke
        "Semper Fi - you rat, you fry!"

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        • Werker123
          Heerführer


          • 14.12.2006
          • 1588
          • Niedersachsen- Hannover-Leinhausen

          #5
          Danke Immelmann
          Wenn man Wiki nicht hätte
          Gruß
          Stefan R.
          Hobbyhistoriker Hannover

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          • Sorgnix
            Admin

            • 30.05.2000
            • 25923
            • Pöhlde - (=> Süd-Nds.)
            • Große Nase, Augen, Ohren, Merlin, Whites XLT, Tesoro, Nokta Impact, Rutus, Minelab XTerra, OGF-L, UW 720C, Mariscope Spy, Chasing M2 Pro ...

            #6
            ... ein paar Absätze bzw. Leerzeilen hätten mich den Bericht etwas leichter lesen lassen

            Beeindruckende Geschichte!
            Danke!
            jörg
            Die Berühmtheit mancher Zeitgenossen hat
            zu tun mit der Blödheit ihrer Bewunderer ...

            (Heiner Geißler)

            Kommentar

            • Siebken
              Heerführer


              • 12.01.2005
              • 6470
              • Nicht von dieser Welt.
              • XP Deus

              #7
              Respekt für diesen Bericht und Danke das wir den lesen durften.
              Gruß
              "Man muss etwas machen, um selbst keine Schuld zu haben. Dazu brauchen wir einen harten Geist und ein weiches Herz. Wir haben alle unsere Maßstäbe in uns selbst, nur suchen wir sie zu wenig."
              Sophie Scholl/Jacques Maritain

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              • fleischsalat
                Moderator

                • 17.01.2006
                • 7794
                • Niedersachsen

                #8
                Interessanter Bericht
                Er hat ja echt mehr als ein Mal Glück gehabt...
                Willen braucht man. Und Zigaretten!

                Kommentar

                • gerohoschi
                  Heerführer


                  • 24.07.2005
                  • 1830
                  • DDR

                  #9
                  Zitat von Sorgnix
                  ... ein paar Absätze bzw. Leerzeilen hätten mich den Bericht etwas leichter lesen lassen

                  Beeindruckende Geschichte!
                  Danke!
                  jörg
                  Ja, ich weiss, aber ich war froh, daß ich die story getippt hatte. Hab leider immer noch keinen neuen scanner (extremgeldmangelaufgrund2erkinder)
                  "Bin ich nur glücklich, wenn es schmerzt?" (bo)

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                  • Crysagon
                    Moderator

                    • 21.06.2005
                    • 5669
                    • "Throtmanni" So fast as Düörpm

                    #10
                    Das ist ein Bericht der unter die Haut geht.
                    Man kann nur froh sein diese zeit nie erlebt zu haben.

                    PS:Sollte der nicht besser im Bereich "Historisches und Recherchen" stehen ?

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                    • gerohoschi
                      Heerführer


                      • 24.07.2005
                      • 1830
                      • DDR

                      #11
                      Ups, hab ich da was übersehen?
                      Naja, hoffe, ihr nehmt es mir nicht übel. Wollte nur was Informatives, vielleicht auch ein bisserl "Erschütterndes" hier reinsetzen...
                      "Bin ich nur glücklich, wenn es schmerzt?" (bo)

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