Achtung! Nur für Motorradfahrer!

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  • Wigbold
    Heerführer

    • 25.11.2000
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    #1

    Achtung! Nur für Motorradfahrer!

    Für Wolf, Freebiker, Enno und andere Zweiradler...


    Hallo @ all,


    Diese Artikel gehören zwar nicht zum Thema Schatzsuche, aber es gibt hier ja viele Motorradfahrer, daher setz ich das jetzt mal rein. Ich jedenfalls hab mich unter den Tisch gelacht..

    Vorwort:

    Vor Jahren gab es mal die Zeitschrift „Gummikuh“, eine nichtprofessionelle Zeitschrift „von Motorradfahrern für Motorradfahrer“. Geschrieben sozusagen mit verölten Fingern...

    Und so war es auch. Eine supergute Zeitschrift, die allerdings nicht über sehr große finanzielle Grundlagen verfügte.
    Daher folgte der Zusammenschluß mit „past perfect“, was aber den Untergang leider nicht aufhalten konnte.

    Da ich es schade finde, dass Beiträge dieser Qualität nur von Insidern gelesen wurden und dann in der Versenkung verschwanden, habe ich sie noch mal abgetippt.

    Viel Spaß beim Lesen!

    Humorvollerweise, Wigbold



    PS: An die Autoren: Ich weiß leider nicht, wie ich Euch erreichen kann. Wenn Ihr das hier zufällig lest und es Euch stört, bitte mail an mich, dann werden die Beiträge sofort entfernt.
    Trenne dich nie von deinen Illusionen und Träumen.
    Wenn sie verschwunden sind, wirst du weiter existieren, aber aufgehört haben, zu leben.

    Mark Twain



    ... weiter neue Wege gehen !
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    #2
    Erster Streich

    Aus: Gummikuh & Past Perfect, Ausgabe Nr 13 / 1990

    Autor: Uli Böckmann

    DER TERMIN

    Heute muß ich mit meinem Moped zum TÜV. Kein Problem, auch wenn viel Selbstgestricktes dran ist.

    Es soll ja Leute geben, die sich vor diesem Termin völlig verrückt machen. Einige sollen sogar nicht mehr Herr ihrer Sinne sein und Dinge miteinander verwechseln. Habe ich kein Verständnis für.
    Echt nich’ !

    „Jetzt dreh nicht durch, Alter“, sage ich nachdrücklich zu dem etwas übernächtigten Typen, der mich aus meinem Badezimmerspiegel anblickt. Dann ziehe ich langsam den fettigen Stielkamm heraus, den ich mir, im Glauben es sei die Zahnbürste, schon relativ weit in die Backen geschoben habe.
    „Jetzt ist auch klar, warum es heute morgen mit dem Kämmen solange gedauert hat“ murmele ich weiter vor mich hin und betrachte angewidert die dunkelblonden Haare, die sich lustig zwischen den Borsten meiner Zahnbürste verwickelt haben...
    Ich darf mich nicht so verrückt machen, schließlich bin ich gut vorbereitet. Eigentlich kann nichts schief gehen, es sei denn .... verdammt, Schluß damit! Alles wird glatt gehen, reg Dich ab, alter Junge, nur die Ruhe bewahren. „Kein Grund zur Panik“, beruhige ich mich ein letztes Mal, nachdem ich auch die Rasiercreme von dem Hornhautschaber abgewaschen habe und voller Tatendrang mein Bad durch die dafür vorgesehene Tür verlasse.
    Sie fällt hinter mir laut klappernd ins Schloß, und während ich mich noch kurz frage, wer wohl über Nacht meine Diele gekachelt hat, stelle ich resignierend fest, dass ich in meiner Duschkabine stehe...
    Wie kann ein einzelner Mensch, von seiner Veranlagung her ja ein vernunftbegabtes Wesen, sich nur so verrückt machen? Auch noch wegen einer solchen Lappalie. „So’n bisschen urdeutscher Normbehörden – Kram wird Dich doch nicht aus der Bahn werfen, mein Gutster“, feuere ich mich weiter an, während ich gleichzeitig die Tageszeitung aufschlage, um mich etwas abzulenken.
    Ich beziehe eine gute Tageszeitung, welche über engagierte Mitarbeiter verfügt, die die Dinge auch beim Namen nennen dürfen, kurzum, soviel frustrierende Tatsachen kann kaum ein Mensch zu dieser frühen Stunde schon verarbeiten. Ich schaue nur das Titelbild vom Kanzler an und stelle dann die Zeitung so hinter die Kaffeekanne, dass mich der Bundeshelmut nicht sehen kann.
    Doch er erinnert mich an das Eigenbau – Fässchen, welches als Öltank in seiner bauchigen Form hochpoliert im hinteren Rahmendreieck meiner Maschine hängt, wunderschön anzusehen, aber auch durchaus geeignet, einem überzeugten Amtsschimmel den Sod in Brand zu setzen. „Ich hätte es noch rausnehmen sollen“, schießt es mir durch den Kopf, bis ich merke, dass ich mir schon den vierten Löffel Zucker in den Mocca kippe....

    Ich bin kurz davor, den TÜV – Termin abzuhaken und mich einfach wider hinzulegen, da erwacht in mir der Held. „Plus! Plus! Plus! Plus ! Plus !“ stoße ich mehrfach konsulvisch aus, denn ich will an etwas positives denken, was mir auch sofort gelingt.
    Dann schütte ich den Kaffee in einem Zug hinunter, stutze für einen Moment, schaue auf den Zuckerpott, auf dem in großen Lettern „SALZ“ steht, gehe noch mal kurz ins Bad, halt um zu brechen, putze mit erneut die Zähne, spucke die Haare ins Becken und bin auch schon mit einem Satz an der Garderobe, um mich in Wachscotton zu kleiden.

    Dies alles tue ich in völliger Ruhe, weil ich nur eines im Sinn habe: „Plus! Plus! Plus! Plus!“ Positives Denken ! Kann sehr hilfreich sein in solchen Momenten, sagt jedenfalls mein Guru. Scheint auch zu klappen, denn ich war so positiv geladen, dass schon kleine Blitze aus meinen Ohren zuckten, mir konnte also nichts passieren.
    Fünf Minuten später verließ ich mit ruppig brabbelndem Motor, aber guten Mutes den Hof in Richtung TÜV.
    Das Moped ist „TÜV – gerecht“ zu -, bzw. hergerichtet und läuft nur unwillig. Wer mag’s ihm verdenken?
    Im festen Glauben, die Taschen voller Trümpfe zu haben, reihe ich mich mit meinem Krad in den allmorgendlichen Zug der Lemminge in Richtung Innenstadt ein.

    Beim Überwachungsverein ist erst mal anstehen angesagt. Schlange bei der Anmeldung. Vollabnahme, Teilstillegung, Eintragung, ASU, Brief, Schein, Gutachten, Bescheinigung. Eine gute halbe Stunde lang hört man kaum einmal ein anderes Wort. Natürlich bis auf den Typen, der sich direkt hinter mir in der Schlange einreiht und mir endlos ein Ohr abkaut von wegen seinem obergeilen Manta den er jezz überm Tüff bringen will mit all die Spoilers un’ die breiten Schluffen un’übahaupt tiefer, breiter, alu – alu un’Sporthocker un’so.

    Der Typ hat’n Kinn wie ein Kohlenkasten, seine Statur erinnert mich an die Firma Bauknecht, dazu Rudi – Völler – Frisur und säuerlicher Mundgeruch. So richtig zum liebhaben. Ich konnte ihn schließlich davon überzeugen, dass sein Fahrzeug für mich ohne jedes Interesse ist, indem ich ihm nach einigen Minuten darauf hinwies, dass ich ihm unheimlich eine reinhauen würde, wenn er nicht sofort die Schnauze hält. Meine eigene Statur erinnert zwar auch an die Firma Bauknecht, dort aber doch mehr an die Kühl – Gefrier – Kombination, deshalb kommt von dem Klops kein Widerspruch.

    Er hält sein Maul, riecht aber weiter schlecht vor sich hin. Ich bin schon fast an der Reihe, als die Situation sich noch einmal zuspitzt. Der ältere Herr, der unmittelbar vor mir dran ist, hat bei dem langen Warten vergessen, warum er eigentlich gekommen ist. Die Dame gibt wirklich ihr Bestes, dem alten Knaben ein wenig auf die Sprünge zu helfen, da sie glaubt, aus seinen mitgebrachten Papieren erahnen zu können, was denn nun sein Begehr ist. Da er nur Behindertenausweis und Brillenpass mit sich führt, ziehen sich die Ermittlungen etwas hin, bis nach einigen Minuten schließlich jemand aus dem hinteren Winkel des Raumes fordert, man solle den alten Knacker endlich seinem Schicksal überlassen. Und da niemand widerspricht, führen ihn flinke Hände an die frische Luft, wo er bis auf weiteres abgestellt wird. „Wie gemein“, denke ich noch.
    Die Reihe ist nun an mir. „Normale Vorführung und sechs Eintragungen“, geht es mir spielend leicht von den Lippen, da sehe ich auch schon kleine Dollarzeichen in den Augen der Kasseuse blinken, wenn nicht sogar funkeln.
    Als sie mir die Endsumme nennt, verbrauche ich auf einen Schlag ziemlich viel positive Ladung. Der Kohlenkasten hinter mir grinst hämisch und atmet mir von schräg rechts ins Ohr. Ich steige ihm scheinbar ungeschickt mit dem Absatz meiner Stiefel auf die Adidas – Turnschlappen und entschuldige mich der Form halber, jedoch nicht ohne noch einmal kräftig durchzufedern. Sein Gesicht entschädigt mich für Vieles.

    Raus aus der Anmeldung und wieder warten. „Sie werden dann aufgerufen“, piepste mir die Kasseuse noch hinterher. „Fein“, piepste ich zurück; jetzt hocke ich auf meinem Moto und freue mich, dass es anfängt zu hageln....

    Also das Krad vom Ständer genommen und in die TÜV – Halle geschoben, ganz vorne rechts in die Ecke, um niemandem im Weg zu stehen und trotzdem diesem Kirmeslautsprecher noch zu hören, der die Kennzeichen aufruft. Ich habe die nasse Wachsjacke an den Lenker gehängt und fülle gerade ein gummiertes Stück Papier mit feingeschnittenem Tabak, da höre ich frontal von hinten den Satz: „Dassis hier aba keine Pausenhalle, junger Mann !“ Dreh’ Dich besser mal um, sag ich zu mir.

    Ich blicke in ein Normgesicht nach DIN 1435, quadratisch, praktisch, gar nicht mal so gut. Mir fehlen die Worte. Ihm offensichtlich auch, denn er deutet nur stumm auf einen kleinen Metallkasten an der Wand, den ich wohl seiner Meinung nach zugeparkt habe. „Wie soll man denn da jetzt noch rankommen?“, entfährt es ihm dann doch noch.

    „Ich mach’ Dir die Räuberleiter, Du Erdmännchen!“, sage ich natürlich nicht, sondern denke es nur, gleichzeitig pack’ ich meinen Brödel zusammen, wuchte das Bike vom Ständer und schiebe es zwei Meter weiter, um es dort abzustellen. Als ich mich wieder umdrehe, ist der Wichtel verschwunden. Er wollte nämlich gar nicht an den Kasten, aber es könnte ja sein, dass zufällig in fünf Minuten einer mal dran will...

    „Plus! Plus! Plus!“ Ich muß mich langsam wieder aufladen, mein Positiv – Akku wird zu stark beansprucht.

    In der Halle ist Hochbetrieb angesagt. Aus allen Richtungen klingt hämmern und klopfen, quietschendes Gummi und schlagende Metallplanken sind noch die akustischen Highlights.
    Schon nach gut einer Stunde bin ich an der Reihe, stehe sogar schon in der richtigen Spur. Ich nehme also nur die Jacke vom Lenker und harre in aktiver Gelassenheit der Dinge, die da kommen. Nachdem ich etwa fünf Minuten geharrt hatte, passierte es. „Stellen Sie das Krad bitte hierher!“, schnitt es mir von hinten messerscharf in die Ohren. Das Normgesicht hatte sich wieder angeschlichen, schon wieder von hinten.

    Ich erfüllte den Wunsch, das Moped stand nun wieder genau an der Stelle, von der er mich noch kurze Zeit vorher vertrieben hatte, als profilaktische Maßnahme sozusagen,.

    Ich registriere außergewöhnlich hohe Entnahmen aus meinem Positiv – Akku.

    Er huselt dreimal um das Moped herum, wobei er sich jedes Mal ducken muß, wenn er an dem Metallkasten vorbeigeht. Aber er hat es ja nicht anders gewollt. Dann geht er neben der Maschine in die Hocke, federt drei – bis achtmal in den Knien, wahrscheinlich um sich warmzumachen oder sich zu motivieren (man kennt so etwas ja vom American Football...), um dann katapultartig hochzuschnellen.

    Ich nehme an, dass er auch noch etwas sagen wollte, dies war zumindest seinem entschlossenen Blick und den schon gespitzten Lippen zu entnehmen. Doch er kam nicht mehr dazu, denn seine doch recht dynamische Aufwärtsbewegung wurde relativ abrupt gebremst.

    Durch den Metallkasten.

    An den er wohl nicht mehr gedacht hatte.

    Der aber direkt über ihm hing...

    Und den er jetzt wohl so schnell nicht wird vergessen können...

    Es hat so dermaßen gescheppert, dass ich dachte, ich kriege nur vom Hinsehen eine Beule. Mein Positiv – Akku platzte aus allen Nähten, er war auf einen Schlag randvoll. Jetzt war mir auch klar, woher sein Kopf seine quadratische Form hatte. Und ich hatte miterleben dürfen, wie er wieder ein gutes Stück eckiger und vor allem oben flacher geworden ist. Muß gerade auf Stehparties ungemein praktisch sein, wenn man mal die Hände freihaben möchte und nicht weiß, wohin mit dem Bierglas.

    Wie gesagt stieg mein Stimmungsbarometer durch diese unfassbare Darbietung gewaltig, zumal ich auch den Eindruck hatte, dass doch die Entschlossenheit seines Blickes etwas nachgelassen hatte.

    Er dreht sich etwa sechsmal im Kreis, eine Pirouette schöner als die andere, bis ihn die Wand rettet. Eigentlich ist dieser Tag für ihn gelaufen. Er weiß es nur leider nicht. Er rappelt sich wieder auf, doch sein Blick verrät eine tiefe innere Leere.

    Dann zieht er seine Abnahme durch, wobei es ihm am meisten Spaß macht, zwischendurch mal kurz ums Moped zu hüpfen und mit ziemlich viel Spucke ein Motorgeräusch nachzumachen.

    Schlagartig wurde mir einiges klar, ich erkannte meine Chance und nutze sie. Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass er mir auch einige Eintragungen machen muß, worüber er sich riesig freute. Das muß nur schnell über die Bühne gehen, bevor die Kollegen merken, dass ihr Kleinster jetzt die Narrenkappe trägt...

    Er trägt mir anstandslos alles ein, offene Anlage, offene Trichter, offenen Tank, Leistungsreduzierung, einfach alles, was mir so in den Sinn kommt.

    Nur zehn Minuten später verlasse ich das Gelände, mein kleiner Freund winkt noch einen Moment hinter mir her, um sich dann neue Spielkameraden zu suchen. Mein Fahrzeugbrief ist randvoll mit Eintragungen, unter anderem so sinnvolle Dinge wie die Freigabe für den Vierpersonenbetrieb, ein Cabrio – Verdeck und die Bestätigung, dass es sich bei meinem Motorrad um ein Campingfahrzeug handelt.
    Natürlich habe ich auch die neue TÜV – Plakette, er hat mir alle geschenkt, die er hatte. Niedliches Kerlchen.

    Ich weiß gar nicht, warum sich einige Leute so vor dem TÜV fürchten. Ich freu mich schon auf’s nächste Mal. Denn wann und wo bekommt man so etwas sonst geboten?

    Doch nur in seiner Phantasie....

    Uli Böckmann
    Trenne dich nie von deinen Illusionen und Träumen.
    Wenn sie verschwunden sind, wirst du weiter existieren, aber aufgehört haben, zu leben.

    Mark Twain



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      #3
      Zweiter Streich Teil 1

      Aus: Gummikuh & Past Perfect, Ausgabe Nr 14 / 1990

      Autor: Uli Böckmann

      ALPENGLÜH’N

      Eines Nachts wachte ich schweißgebadet auf. Irgendein Geräusch störte meinen ohnehin unruhigen Schlaf. War da nicht eine Stimme? Ganz in der Ferne... Tatsächlich: Meine Ungläubigkeit wich der freudigen Erkenntnis, ich war mir nun ganz sicher: Der Berg ruft !!!

      Schon das Alpenglüh’n im Herzen ( ich hatte im Verlauf der Nacht nur noch von Edelweiß, Kröpfen, und Spitzkehren geträumt...), trommelte ich am nächsten Tag gleich die richtigen Spezis zusammen. Es brauchte keine großen Überredungskünste, Zeitprobleme gab es auch nicht, eigentlich hätte es schon am nächsten Tag losgehen können, wenn, ja wenn nicht Hacki sich noch einen vollen Tag „Packzeit“ ausgebeten hätte.

      Warum zum Teufel braucht man einen ganzen Tag, um Badehose, T – Shirt, zwei Sloggys und die obligatorischen Tennissocken einzupacken? Alles in allem ja wohl mehr als ausreichendes Gepäck für einen achttägigen Alpenschrot. Aber es half nichts, die Stunde X war um 24 Stunden nach hinten verschoben.

      Wieder eine unruhige Nacht. Doch mit dem Wissen, am nächsten Abend den ersten 2000er im Handstreich zu nehmen, den kernigen Einzylinder durch die Serpentinen zu scheuchen, die Ohrläppchen zwei Zentimeter über dem Asphalt, müsste es doch eigentlich die herrlichsten Träume geben. Kurzum, ich habe kein Auge zugetan.

      Der nächste Morgen brachte Bilderbuchwetter. Die Maschine war schon seit dreißig Stunden gepackt, ich war eine Viertelstunde zu früh am Treffpunkt. Ich hatte die erste Zigarette noch nicht zuende geraucht, da waren, ich hatte es auch nicht anders erwartet, fast alle Alpenfahrer am Start. Wohlgemerkt fast.

      Als ich mir gerade die elfte Zigarette anstecken wollte, bog ein Tieflader um die Ecke, setzte den Blinker, und hielt direkt vor unserer Nase an. Aus der Nähe betrachtet war es schließlich doch kein Tieflader. Eingebettet in Seesäcke, diverse Gepäckrollen und einem Ding, von dem ich nie erfahren habe, was es eigentlich ist, saß, der geneigte Leser ahnt es schon, unser verspäteter Gipfelstürmer. Beim Anblick der Gepäckberge erstarrte ich in Ehrfurcht vor einem Mann, der es erstens schaffte, all das Gerümpel innerhalb eines Tages zu schnüren und dieses dann zweitens auch noch so auf einem Motorrad zu verteilen, dass selbiges sich auch noch bewegen lässt. Dolle Sache!

      Irgendwie muß Hacki das mit der Alpentour falsch verstanden haben. Ich sagte ihm auch, dass die Berge da unten für alle da sind und man nicht seinen eigenen mitbringen muß. Doch irgendwie war er wohl schon etwas eingeschnappt, weil Raini sofort in die Runde geworfen hatte, dass man ja gar nicht extra soweit fahren müsse, man könne ja auch an Ort und Stelle eine Tour durch Hackis Gepäckberge machen. Hacki fand das nicht ganz so komisch.

      Doch endlich ging es los. Die Fahrt selber verlief eigentlich ohne größere Zwischenfälle, mal abgesehen von einem kurzen hessischen Regenschauer, der, Hacki sei Dank, für eine kleine Verzögerung sorgte. Hier die Kurzchronik dieses feuchten Ereignisses: Sechs Mopeds rollen gen Süden – plötzlich fallen vereinzelte Tropfen – unter einer Brücke wird kurz gehalten – „Regenkombis oder warten ...?“ – Hacki meint, „Auf jeden Fall warten, der Regen hört in spätestens fünf Minuten wieder auf“ – nach einer halben Stunde hatte es sich eingeregnet – weitere zwei Minuten später haben fast alle die Regenkombis an – als Hacki nach einer weiteren halben Stunde endlich in der Pelle steckt, reißt der Himmel auf – strahlende Sonne – Hacki meint, „dann könne er ja die Kombi wieder ausziehen“ – eine der gezielt geworfenen Cola – Dosen trifft ihn am Kopf - er gibt klein bei – es geht weiter.


      Zu dem Zeitpunkt, an dem wir längst in Livigno eine Ovomaltine schlürfen könnten, sehen wir in der Ferne die Dachkonstruktion des Olympiageländes. Es gibt nichts Schlimmeres, als abends, ermüdet von der langen Fahrt, in Franz – Josef – Stadt anzukommen. Wir schleppen uns aus der Stadt heraus, nach einem Plätzchen Ausschau haltend, das für die Nacht geeignet erscheint.
      Gesucht, gefunden.
      Das Letzte, was ich an diesem Tag wahrnehme, ist ein klappern und rascheln, weil Hacki noch versucht, sein Steilwandzelt aufzustellen...
      Am nächsten Morgen klingelt der Wecker um 6.30 Uhr. Jawohl, der Wecker! Was für viele Leute im Urlaub den Gipfel der Perversion darstellt, ist für Hacki eine Selbstverständlichkeit. Während wir schon mal im nächsten Dorf frühstücken fahren, war Hacki damit beschäftigt, den komplizierten Mechanismus seines Campingtisches zu besiegen. Den Zweiflammenkocher hatte er schon aufgestellt, das Kaffeewasser plödderte langsam durch den mitgebrachten Filter.
      Wir hatten schnell ein nettes, kleines Gasthaus ausgemacht, in dem wir uns billigst für die kommenden Pässe stärken konnten.

      Geraume Zeit später, wir hatten unser Frühstück nahezu verdaut, knatterte auch unser Klasse – Zwei – Alpinist heran, wohlgenährt und guten Mutes.

      Um es kurz zu machen: eine Stunde später tauchten am Horizont die ersten Berge auf. Es ist schon ein erhabenes Gefühl, die Felsgiganten in der Talsohle zu durchstreifen, mit der blitzartigen Erkenntnis, welch kleines Würmchen der Mensch doch ist. Legendäre Namen tauchen in Verbindung mit ihren großen Taten auf: Louis Trenker, Tonisailer, Heidi, und dort, dort in der Kurve..., ja ist das nicht die Geierwally?

      Aber nein, es ist nur Hacki, der gleich die allererste Kurve nicht richtig erwischt hat. Als er schließlich unter seinen Gepäckbergen wieder hervorkriecht, stellen wir erleichtert fest, dass ihm nichts passiert ist. Dem Motorrad konnte eh nichts passieren, es hatte ja Gepäckausleger, die den Eindruck entstehen ließen, als stünde es auf dem Seitenständer. Trotzdem gab es herbe Verluste zu beklagen, denn eine der Nylonwürste war etwas unglücklich zwischen Fahrbahn und Sitzbank eingequetscht worden. Die darin befindlichen Mitbringsel waren doch stark gezeichnet. So mussten wir unserem Hacki tröstend zur Seite stehen, als er sich, den Tränen nahe, von seinem Rasierspiegel, der Spielesammlung, dem Reiseführer von Dänemark, seiner Tim und Struppi – Sammlung und den acht Gläsern Babynahrung an Ort und Stelle trennen musste. Die vier Dosen Schuhcreme hatten zwar gewaltigen Blechschaden erlitten, waren aber hinzudengeln.
      Auch dem Telefonbuch von Amsterdam fehlten nur die ersten 67 Seiten. Alle holländischen Bekannten von Hacki, die im Alphabet nach Aarie von Bouweren folgten, waren also noch präsent.

      Hacki musste dann nur seine Ladung neu ordnen, schon gegen Mittag konnten wir gemeinsam versuchen, die zweite Kurve zu meistern. Im weiteren Verlauf des Tages passierte nichts mehr, was soll bei Schritttempo schon groß passieren? Jeder Gruppenreisende weiß: Alle orientieren sich am Langsamsten. Und Hacki ließ nichts mehr anbrennen....

      So meisterten wir die zweite Kurve ohne größere Probleme. Den kleinen Zwischenfall hatten wir schon fast wieder vergessen, die gewaltige Umgebung ließ uns an andere Dinge denken. Die monumentalen graublauen Gebirgszüge erschienen faszinierend und bedrohlich zugleich. Es machte uns überhaupt nichts, dass wir aufgrund unseres Schwertransporters im Zuckeltempo der ersten Paß er – fahren würden. 44 Kehren hinauf und 46 Kehren wieder hinunter, welch ein Gedanke.

      Eben dieser Streckenverlauf lag nun vor uns, alles verbreitete fiebrige Vorfreude, als Hacki beantragte, am Fuße dieses Passes noch eine kurze Rast einzustreuen. Er meinte nur: „Brotzeit“.

      Mir schwante übles, und tatsächlich, er fing an, an seinen Spanngurten herumzunesteln. Schweigende Blicke gingen in die Runde, als der erste Seesack nach Proviant durchsucht wurde. Gern hätte einer von uns Einspruch erhoben, doch niemand traute sich ein Wort zu sagen. Der dritte Seesack brachte schließlich eine angebrochene Packung Kekse zutage, so dass wir auf ein Ende der Verpflegungsaktion hoffen konnten. Doch weit gefehlt. Die Kekse wurden von Hacki sofort in die Kategorie „Nachtisch“ eingeordnet, die Suche nach der Hauptmahlzeit setzte er fort. Und Hacki kannte keine Gnade. Er glaubte sich erinnern zu können, dass er bei der Abfahrt eine Dose mit Frikadellen in der Hand gehabt habe. Wer wollte ihm da widersprechen?

      Es wäre ganz sinnvoll gewesen, wenn er sich einen kleinen Spickzettel gemacht hätte, in welcher seiner Gepäckwürste sich denn was befindet. Für diesen Spickzettel hätte er aber wahrscheinlich wieder eine Extratasche gebraucht...
      Kurzum, er fand weder eine Frika, noch eine Delle, fand sich mit ein, zwei drögen Keksen ab und begann erneut, sein Roß zu satteln.

      Die Sonne hatte ihre abwärts führende Bahn fast zuende gebracht, als wir tatsächlich noch am selben Tag den ersten, echten Paß angehen konnten. Alles andere war vergessen, als sich die ersten Serpentinen vor unseren Krädern zeigten.

      Als wir uns langsam den Berg hochschraubten, erlebte ich zum ersten Mal, was mir bisher nur aus Erzählungen bekannt war. Im Lichte der untergehenden Sonne begannen die schroffen Felswände tatsächlich zu glühen. Ein unwirkliches Licht tauchte die gesamte Landschaft in eine geradezu mystische Stimmung. Niemals zuvor hat mich eine Naturerscheinung derart in ihren Bann gezogen. Allen anderen schien es ähnlich zu gehen, jedenfalls waren unter den Helmen nur entzückte Gesichter zu sehen. Selbst Hacki schien für einen Moment mal nicht an das nächste Picknick zu denken, oder daran, wer denn wohl seine Frikadellen zuletzt lebend gesehen hat. Viel zu schnell erreichten wir die Passhöhe, wenn es nach mir gegangen wäre, hätte sich das grobkörnige Asphaltband ruhig noch stundenlang gen Himmel winden können. Die Passhöhe selber holte uns dann allerdings recht schnell in die mittlerweile recht zugige Wirklichkeit zurück.
      In der sauerstoffarmen Luft bei immerhin 2880 Metern starb beim Auskuppeln mein Motor nach wenigen Sekunden ab, den anderen Singles ging es kaum besser. Nur Hardy’s BMW schien sich auch hier oben recht wohl zu fühlen und pöppelte stur vor sich hin. Erst als auch der Boxer den Schlussgong hörte, trat eine gespenstische Stille ein. Nur der Wind blies uns kräftig durch die Buxen und sorgte für ein leichtes Frösteln im Schritt.

      Hacki hatte dann doch sofort die letzte noch geöffnete Imbissbude entdeckt, und erkundigte sich nach der Speisekarte. Seine beiden Frikadellen konnte er dort zwar nicht entdecken, sah jedoch drei Bratwürste als adäquaten Ersatz an.

      Viel Zeit zum Verweilen hatten wir nicht, zu schnell versank die Sonne hinter den Felsmassiven. Ihre Strahlen erreichten schon nur noch die Spitzen der Berge, als wir gen Tal rollten. Die Zeit hätte durchaus noch gereicht zur Suche nach einem verträumten Campingplatz, wenn nicht ausgerechnet am Fuße des Berges noch die Grenze nach Italien vor uns gelegen hätte.

      Ein relativ schlecht gelaunter Zöllner nahm uns am Schlagbaum in Empfang und fragte uns nach unserem Reiseziel. Vielleicht hatte er was gegen den Laggo di Garda, als wir diesen nämlich erwähnten, wich spontan das feiste Grinsen aus seinem wettergegerbten Gesicht und schwang um in eine undefinierbare Maske aus „Dienst nach Vorschrift“ und „dann wollen wir doch mal sehen...“.

      Mit einer ungeahnten Zielsicherheit schlenderte er in typisch südländischer Art auf unseren Hacki zu, hob seine linke Hand, legte sie auf Hacki’s Gepäckberge und fragte ihn: „Sigarett, Snapps, Haschisch ?“

      Unser Hacki, noch nie von besonderen Geistesblitzen heimgesucht, begann zu lächeln und erwiderte: „Oh ja, gerne.“

      Unser Schrankenwärter, wir nennen ihn einfach mal Gepetto, lief unter seinem Schirmmützchen relativ blaß an, trat einen Schritt zurück und befahl: „Afsteign ! Auspakkn ! „ Klasse, echt klasse. Wir waren total begeistert. Nur Hacki freute sich immer noch darüber, dass man jetzt schon an der Grenze alle möglichen Drogen kaufen kann....

      Es wäre müßig, die folgenden Stunden zu beschreiben. Es stellte sich halt als besonderes Problem heraus, dem guten Gepetto jeweils im Einzelnen zu erklären, welchem Zwecke die mitgebrachten Utensilien dienen sollten. Mit unserem Gepäck gab es dabei eigentlich keine Unklarheiten. Schlafsack, Isomatte und ein paar Klamotten erklären sich selbst. Hacki hatte da schon größere Probleme.
      Kam er schon beim Batterieladegerät und den Staubsaugerbeuteln ins Schwitzen, so konnten sich alle Anwesenden bei der Erklärung des Kursbuches der deutschen Bundesbahn auf eine etwas längere Geschichte einstellen. Doch auch das ging vorüber. Als er noch einen kleinen Vortrag über das Für und Wider der Mitnahme eines Diskettenlaufwerkes hinter sich hatte, sah es so aus, als wenn wir noch vor Tagesanbruch die Fahrt fortsetzen könnten. Was mich an diesem Erlebnis im Nachhinein am meisten beeindruckt hat, war die Tatsache, dass Hacki wirklich niemals um eine Erklärung verlegen war. Phantasie hat er nu’ wirklich.

      Wir hinterließen einen nachdenklichen Gepetto, der sicherlich am Stammtisch seiner kleinen Alpengemeinde viel zu erzählen haben wird, obwohl, glauben wird’s wohl niemand.

      Nach wenigen Kilometern tauchte, genau wie Hacki’s Strassenatlas es versprochen hatte, rechts der Strasse der kleine Campingplatz auf. Die Anmeldung öffnete gerade, wir mieteten uns ein, und krochen bald todmüde in unsere Winz – Zelte.

      Hacki wollte es sich noch etwas in seinem Vorzelt gemütlich machen. Denn etwas Gutes hatte unsere Begegnung mit Gepetto, und das machte sich für Hacki jetzt voll bezahlt. Eingequetscht zwischen dem russischen Wörterbuch und dem kleinen Kaktus, ohne den Hacki eigentlich nie aus dem Haus geht, hatte Gepetto die beiden als vermisst gemeldeten Frikadellen gefunden. Und nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass man diese breiige Masse tatsächlich nicht rauchen kann, hatte er sie für den Verzehr freigegeben. Für Hacki waren sie jedoch in der Tat ein Rauschmittel und dem gab er sich nun zügellos hin. Das Letzte, was ich an diesem Tag hörte, war das hochfrequente Pfeifen von Hacki’s mitgebrachter Fruchtpresse, akkubetrieben, 19,50.- DM im Sonderangebot. Ich verstehe jeden, der es mir nicht abkauft....
      Trenne dich nie von deinen Illusionen und Träumen.
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      Mark Twain



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        #4
        Zweiter Streich Teil 2

        Es war schon später Vormittag, als ich durch rhythmisches Grunzen aus dem Nachbarschlafsack langsam aus meinen Träumen gerissen wurde. Es gibt Leute, die gehen abends ins Bett, schlafen eine gute Mütze voll, schlagen morgens relativ untheatralisch die Augen auf und sind im selben Moment hellwach. Es gibt aber auch eine Spezies, die zwischen dem ersten Augenaufschlagen und dem eigentlichen Erwachen ein bis zwei Stunden in einer Art Dämmerzustand verbringen. Während dieser Dämmerung ist betreffende Person zu keiner klaren Artikulation in der Lage, die in dieser Phase produzierten Laute deuten jedoch sehr auf die Abstammung des Menschen hin.

        Durch diese Urlaute geweckt zu werden, empfand ich als weniger unangenehm, es war vielmehr die Luft im Zelt, besser gesagt, was davon übrig geblieben war.
        Man stelle sich vor: Zwei ausgewachsene Burschen kriechen nach zweitägiger Anfahrt, während der sie Wasser und Seife nur aus der Ferne gesehen haben, mitsamt all’ ihrer Brocken in ein Zelt, welches vom Rauminhalt etwa einer Telefonzelle entspricht, in der drei Geldspielautomaten hängen. Wenn der andere Zeitgenosse dann noch zu dieser ganz besonderen Gattung Mensch gehört, die es in Bezug auf die Körperhygiene als ausreichend empfinden, sich jedes Jahr zu Ostern die Unterwäsche wegoperieren zu lassen, vermag der Leser sich ungefähr das aromatisch – würzige Luftgemische vorzustellen, welches zum Atmen noch zur Verfügung stand. Ich war jedenfalls froh, dass wir das Zelt mit Häringen an der irdischen Scholle befestigt hatten. Wir wären sonst wahrscheinlich in den sternenübersäten Nachthimmel gestiegen...

        Im Zelt nebenan vernahm ich geschäftiges Treiben. Hacki war damit beschäftigt, zu den Klängen des Defiliermarsches das Frühstück zu bereiten. Eingekauft hatte er auch schon, so dass sich alle über frische Brötchen und dampfenden Kaffee freuen konnten. Nur Hardy war dadurch nicht sonderlich zu begeistern, da er schon morgens eine warme Mahlzeit bevorzugte und deshalb gerade etwas abseits eine Flasche Weizenbier erhitzte.

        Wir ließen uns mit dem Frühstück Zeit, beschlossen aber gleichfalls, noch am selben Tag bis zum Gardasee durchzudringen. Eine detaillierte Schilderung des Aufbruchs und der damit verbundenen Wartezeiten (Hacki ordnete sein Gepäck neu...) sei dem Leser an dieser Stelle erspart. Wenige Stunden später rollten wir wieder.

        Die italienischen Alpen zogen uns in ihren Bann, wie verzaubert schupperten wir durch die Serpentinen. Ich wurde jäh aus meinen Träumen gerissen, als plötzlich etwas rotes, schnelles und aggressiv kreischendes etwa eine Handbreit an meinem linken Lenkerende vorbeifegte, die gesamte Kombo überholte und in atemberaubender Schräglage durch eine Linkskurve wieder verschwand. Das ganze in Turnhosen und Badeschlappen, wir befanden uns ja in Italien.

        Hacki empfand den eindrucksvollen Auftritt des Einheimischen wohl als Aufforderung und machte plötzlich unheimlich Gas. Er versuchte, sich an das grobstollige Hinterrad des Edel – Crossers zu hängen. Dies wohlgemerkt mit einer hoffnungslos überladenen Serienenduro. Er glaubte wohl die leistungsmäßige Überlegenheit seines Konkurrenten durch sein fahrerisches Können wettzumachen. So entschwand das ungleiche Paar in den Windungen der asphaltierten Pfade.

        Als wir unseren Hacki nach etwa zehn Minuten aus dem zugegebenermaßen recht ungünstig platzierten Weidezaun zogen, war weniger passiert, als wir befürchtet hatten. Niemand sagte ein Wort, da unser Hacki in solchen Momenten doch erstaunlich reizbar ist. Gegen Abend erreichten wir dann doch noch den Gardasee.

        Hier passierte eigentlich nicht Aufregendes. Wir richteten uns für mehrere Tage auf dem Campingplatz ein und erkundeten Land und Leute. Wenn wir mal ans andere Ufer wollten, gingen wir meist zu Fuß über den See. Dies mag unglaubwürdig klingen, wer jedoch mühelos aus dem Stand zwei Meter weit springen kann, für den ist es ein Leichtes, von Surfer zu Surfer zu hopsen. Auch wenn man mal auf ein Anschlussbrett warten muß, dauert die Überquerung selten länger als zwanzig Minuten und Spaß macht es obendrein. Die Surfer sehen das etwas anders....

        So gingen die Tage ins Land, Tage, die ich nie vergessen werde.
        Unvergesslich auch der Moment, als Hacki einen recht kernigen Alpenbewohner zum Wettstreit im Fingerhakeln aufforderte. Ich werde nie das Geräusch vergessen, als sich das Gelenk seines Mittelfingers mitsamt der Sehne doch sehr geräuschvoll aus seiner bisherigen Lage löste, nur noch übertönt von Hacki’s hohlem Stöhnen, als er mit beiden Schienbeinen gleichzeitig an der rustikalen Tischkante entlangschabte....

        Als er sich dann auf der anderen Seite des Tisches wieder aufrichtete, war ihm schon klar geworden, dass er nun die Saalrunde zahlen musste, um die er mit dem Naturburschen gewettet hatte. Schade für ihn, dass wir in einem gut gefüllten Bierzelt saßen.

        Diese nette kleine Episode führte auch dazu, dass wir unseren Aufenthalt um zwei Tage verkürzen mussten, da nach der Saalrunde niemand von uns mehr Geld in der Tasche hatte. Hacki schaffte es immerhin noch, vor Ort seinen Farbfernseher und die Videokamera samt Recorder zu versetzen, so dass wir wenigstens noch Geld für den Sprit hatten. Auf diesem Rückweg gab es nur noch einen erwähnenswerten Zwischenfall. Als wir an die Grenze kamen, hatte ausgerechnet Gepetto wieder Dienst. Es war schon fast rührend, als er das ganze Dorf zusammentrommelte, konnte er doch endlich beweisen, was ihm Tage zuvor niemand glauben wollte. Man merkte dem armen Kerl richtig an, was er durchgemacht haben musste. Nun sahen Gepettos Freunde, was man alles auf einem Moped mitnehmen kann, sie wollten es nicht wahrhaben. Hacki genoß es sichtlich, so im Mittelpunkt zu stehen und verteilte kleine Geschenke an die Landbevölkerung.

        Wir konnten die dann folgende Einladung unmöglich ablehnen, der Abend wurde noch sehr, sehr lang. Wir haben dort viele Freunde gefunden und werden im nächsten Jahr bestimmt wieder hinfahren.

        Hacki meinte nur, wir sollten ihm dann eher Bescheid sagen, damit er nicht so hektisch packen muß.

        Der arme Kerl hatte doch tatsächlich die Hälfte vergessen...

        Uli Böckmann
        Trenne dich nie von deinen Illusionen und Träumen.
        Wenn sie verschwunden sind, wirst du weiter existieren, aber aufgehört haben, zu leben.

        Mark Twain



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        • Wigbold
          Heerführer

          • 25.11.2000
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          • 76829 Landau / Pfalz
          • OGF - L + W

          #5
          Dritter Streich

          Aus: Gummikuh & Past Perfect, Ausgabe Nr 7 / 1991

          Autor: David Longstroke

          KOMPRESSION


          Meinen Freund Otto habe ich schon erwähnt; nämlich in Zusammenhang mit meinem feuerspeienden Superwetzhobel. Otto war der Mann, der mir den BSA – Ariel – Verschnitt verkaufte, der das Ding antreiben sollte. Nun möchte ich ein klein wenig über Otto erzählen.
          Otto war ein „alter“ Motorradfahrer im besten Sinn. Er hatte in einem Vorstadtviertel der alten Motorradstadt Nürnberg eine kleine Werkstatt, in der er ganz allein herumfuhrwerkte und vorwiegend VW – Motoren reparierte. Ich lernte ihn rein durch Zufall kennen und verbrachte viele lange Nachmittage bei ihm, um ihm zuzuhören, wenn er von seinem Leben mit Motorrädern erzählte. Manche seiner Geschichten klingen unglaublich; aber ich habe in all den Jahren Otto als absolut ehrlichen und eher nüchternen Menschen kennengelernt und daher keinen Grund, an seinen Erzählungen zu zweifeln.

          Schon deshalb, weil einige davon so haarsträubend sind, dass sie gar nicht erfunden sein können.

          Ich möchte seine Geschichten gerne wiedergeben, einmal, weil ich der Meinung bin, dass sie zu gut sind, um völlig vergessen zu werden, zum Anderen, weil Otto ein echter Kerl war, motorradbegeistert, bescheiden und hilfsbereit – darum hat er es nie zu viel Geld gebracht. Er ist vor Jahren im Alter von (meines Wissens) 67 Jahren gestorben.

          Ottos Leben verlief keineswegs dramatisch. Schon als Lehrling – er ging bei einem Schlosser oder Mechaniker in die Lehre – wollte er unbedingt ein Motorrad haben. Das muß irgendwann zwischen 1919 und 1921 gewesen sein. Jedenfalls zog er für wenig Geld einen alten Schrotthaufen an Land und versuchte das Ding zum Laufen zu bringen. Und zwar mit wesentlich mehr Begeisterung als Sachkenntnis. Vor allem hatte er den Ehrgeiz, mit diesem Motorrad auch täglich zur Arbeit zu fahren. Er ließ es sich nicht verdrießen, jeden Tag um halb fünf Uhr aufzustehen, um dann stundenlang zu versuchen, die Kiste unter den Flüchen der in ihrer Nachtruhe gestörten Nachbarn zum Laufen zu bringen. Trotz seiner intensiven Bemühungen kam er regelmäßig eine bis anderthalb Stunden zu spät zur Arbeit, und er war bis zu seinem Lebensende davon überzeugt, dass dieser Umstand wesentlich zum späteren Bankrott seines Lehrherrn beigetragen hatte.

          Später, in den 30er Jahren, fuhr er Rennen auf einer englischen Triumph (er war zeitlebens ein Triumph – Fan). Nicht gerade auf vorderen Plätzen – das war damals wie heute den Leuten mit mehr Geld vorbehalten – aber er hatte seinen Spaß dabei. Außerdem lebt ein Rennen ja nicht nur von den drei Ersten, man braucht ja immer noch ein paar mehr!

          Schon in den 20er Jahren war Otto eine bekannte Persönlichkeit der damaligen „Szene“ , und alle Motorrad – Freaks machten natürlich untereinander alle möglichen Geschäfte und Geschäftchen. Eines Tages kam einer namens Hans in Ottos Bastelbude und wollte sehen, ob er nicht was Brauchbares finden konnte. Otto war nicht übermäßig begeistert, denn Hans hatte ihn schon ein paar Mal übers Ohr gehauen. Er gab sich daher eher wortkarg, und als Hans in einer Ecke einen beräderten Eisenhaufen stehen sah, wollte er erst gar nicht mit der Sprache heraus.

          Es handelte sich dabei um eine 250er OHV, die aus einer der vielen Motorradschmieden stammte, die es damals im Großraum Nürnberg gab. Ich habe den Namen dieses Fabrikats inzwischen vergessen, weiß aber noch genau, dass mir Otto erklärte, der Zylinderfuß habe einen Ovalflansch gehabt, der nur hinten und vorn mit je einer Schraube befestigt und daher in kürzester Zeit zu demontieren gewesen sei.
          Hans betrachtete sich das Ding und sagte, er habe Interesse an so etwas. Was die Maschine kosten solle. Otto sagte es ihm. Darauf probierte Hans den Kickstarter und meinte anschließend, die Krücke habe überhaupt keine Kompression und sei daher indiskutabel. „Auf dem Kickstarter muß ich verhungern können!“ behauptete er. Otto war sauer. Dann zuckte ein finsterer Gedanke durch sein Hirn. „Also, wenn Du in einer Woche noch mal kommen willst“, sagte er zu Hans, „da weiß ich einen, der hat für diesen Motor noch einen Sportzylinder rumstehen, den mach ich bis dahin drauf“.

          Am nächsten Tag begann Otto, seine rabenschwarze Idee in die Tat umzusetzen. Er wollte Hans eine Kompression vorführen, dass ihm die Augen tropften! Wie schon gesagt, war der Zylinder in Windeseile demontiert, dann nahm Otto eine starke Ventilfeder, bohrte ein Loch durch den Kolbenboden und montierte die Ventilfeder obendrauf. Das Ganze zusammengesteckt und den Kickstarter langsam runtergetreten. Und siehe da: Da war ein Widerstand, der eine gewaltige „Kompression“ anzeigte! Otto schwor mir übrigens Stein und Bein, dass der Motor damit sogar noch lief; wenn auch unter entsetzlichen Geräuschen, wenn die Feder auf die offenen Ventile knallte. Aber das brauchte er eigentlich gar nicht. Wichtig war der Vorführ – Effekt. Und der funktionierte denn auch zur vollsten Zufriedenheit aller Beteiligten. Als Hans einige Tage später wiederkam und nachsehen wollte, was es nun mit dem neuen Sportzylinder auf sich habe. Er stellte sich auf den Kickstarter, konnte ihn erwartungsgemäß nur mit Mühe runtertreten und sagte zu Otto: „Siehst Du, so muß eine Kompression sein!“. Dann zog er befriedigt mit seiner Neuerwerbung ab.
          Am nächsten Tag stürmte er wutschnaubend in Ottos Werkstatt und stieß unflätige Beschimpfungen aus. Otto mimte den völlig Ahnungslosen. Darauf schwor Hans Stein und Bein, er wolle mit Otto nie, nie und nimmermehr Geschäfte machen.

          Eigentlich wäre die Geschichte damit zu Ende. Sie hat jedoch noch eine amüsante Fortsetzung, auch wenn diese nicht unbedingt mit Motorrädern zu tun hat. Es dauerte einige Zeit, aber eines Tages überwand sich Hans doch soweit, Otto wieder einmal aufzusuchen.
          Gleichwohl schwelte der Groll noch in ihm, und so sah er sich sehr argwöhnisch um. Da fiel ihm ein Schuhkarton ins Auge. „Was ist denn da drin?“ wollte er wissen. „Das geht Dich gar nichts an. Du willst doch mit mir keine Geschäfte mehr machen!“ gab Otto patzig zur Antwort. Hans jedoch bohrte solange, bis Otto die Schachtel aufmachte. Ein Paar wunderschöne schwarze Schuhe lag darin. Otto sagte, die habe er von jemand bekommen, der ihm Geld schuldete. Hans war äußerst misstrauisch. Er fragte nach der Größe. Sie passte. Er fragte Otto nach dem Preis. Otto stellte sich stur: „Dir will ich sie überhaupt nicht verkaufen!“ Das reizte Hans natürlich erst Recht. Er wollte die Schuhe schon gerne haben und fragte, ob er sie mal ansehen dürfe. Otto zuckte die Achseln und nahm den einen Schuh heraus und ließ ihn im Licht spiegeln. Hans nahm sich den anderen Schuh und betrachtete ihn misstrauisch von allen Seiten. Er konnte keinen versteckten Fehler finden. Der Preis war außerordentlich niedrig, was Hans erneut misstrauisch machte, aber Otto schien an dem Verkauf gar nicht interessiert zu sein. Schließlich aber gab er nach und Hans klemmte sich die Schachtel unter den Arm und ging nach Hause. Daheim angekommen, setzte er sich gleich hin und probierte seine neuen Schuhe an. Sekunden später brachte ein fürchterlicher Fluch alle Fensterscheiben zum Klirren: Es waren zwei linke Schuhe....

          David Longstroke
          Trenne dich nie von deinen Illusionen und Träumen.
          Wenn sie verschwunden sind, wirst du weiter existieren, aber aufgehört haben, zu leben.

          Mark Twain



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          • Wigbold
            Heerführer

            • 25.11.2000
            • 3670
            • 76829 Landau / Pfalz
            • OGF - L + W

            #6
            Schluß für heute

            So, Leute

            ich hoffe, es hat alles geklappt und es hat Euch gefallen...

            DieFingerbandagierenderweise, Wigbold
            Trenne dich nie von deinen Illusionen und Träumen.
            Wenn sie verschwunden sind, wirst du weiter existieren, aber aufgehört haben, zu leben.

            Mark Twain



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            • DAff
              Heerführer

              • 14.12.2000
              • 1907
              • irgendwo im Land Brandenburg
              • XP Reaktor , Ebinger

              #7
              @ Wigbold


              Wenn du das jetzt wirklich abgetippt hast, dann glaub ich dir kein Wort mehr von Stress in Firma, Zeitdruck und Freizeitmangel !!!


              DAff

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              • DAff
                Heerführer

                • 14.12.2000
                • 1907
                • irgendwo im Land Brandenburg
                • XP Reaktor , Ebinger

                #8
                Hura !! Juhu !!


                Haha erst 10 Zeilen gelesen und schon gut abgefeixt. Dat wird jut !!
                Sowas feines braucht der Mensch!
                Ich schaue heute nix TV sondern lehne mich fein zurück und lese Wigbolds geile Texte.
                Jipi !

                DAff, hoch erfreut über soviel Humorniveau !

                Kommentar

                • Bacchus

                  #9
                  Die Stories sind echt Klasse Super !

                  J.

                  Kommentar

                  • Wigbold
                    Heerführer

                    • 25.11.2000
                    • 3670
                    • 76829 Landau / Pfalz
                    • OGF - L + W

                    #10
                    Original geschrieben von DAff
                    @ Wigbold


                    Wenn du das jetzt wirklich abgetippt hast, dann glaub ich dir kein Wort mehr von Stress in Firma, Zeitdruck und Freizeitmangel !!!


                    DAff

                    Hab ich wirklich. Aua, Aua!

                    Hat aber ne Woche gedauert, immer mal ein, zwei Stündchen...

                    Viel Spaß jedenfalls!

                    Jetztnixmehrschreibenderweise, Wigbold
                    Trenne dich nie von deinen Illusionen und Träumen.
                    Wenn sie verschwunden sind, wirst du weiter existieren, aber aufgehört haben, zu leben.

                    Mark Twain



                    ... weiter neue Wege gehen !

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                    • Oscha
                      Landesfürst

                      • 13.08.2001
                      • 622
                      • Minden Westfalen
                      • Meine Nase und den Verstand

                      #11
                      moped

                      solche Storys sollte man hier verbieten !!!!!!!!!

                      Wollte schon vor einer halben Stunde ins Bett. Naja kann sowieso nicht mehr schlafen weil mir jetzt der Bauch wehr tut vom Lachen.

                      Super, etwas Sportgel hilft deinen wunden Fingern!!!

                      gruss Oscha
                      Wer suchet der findet, wer nicht sucht ist tot.

                      Kommentar

                      • BOBO
                        Heerführer


                        • 04.07.2001
                        • 4432
                        • Coburg
                        • Nokta SimpleX+

                        #12
                        Geil

                        Der Text macht freude zu lesen, jetzt muß ich aber wieder an die Arbeit, stehen schon drei Mann hinter mir.

                        MfG BOBO
                        Angeli-Negri MC Chapter Coburg
                        MfG BOBO

                        Das menschliche Haar wächst mit 4,6 Yoctometer pro Femtosekunde

                        Kommentar

                        • Wolf
                          Landesfürst

                          • 28.10.2000
                          • 604
                          • Im tiefen Süden beim "Steinriegelgold"
                          • Fisher Aquanaut/ Whites Coinmaster 2000/ MD 5006 DTS

                          #13
                          Endlich

                          Endlich ma was für schatzsuchende Mopedfahrer.
                          Danke Wiggy
                          G + GF
                          Wolf


                          Die Nacht ist mein.



                          Schwertzeit, Beilzeit,
                          Schilde bersten,
                          niemand will den andern schonen.
                          Windzeit, Wolfszeit,
                          bis die Welt vergeht......

                          Kommentar

                          • ice

                            #14
                            Die TÜV - Story ist einfach - neeee - doppelt gut.

                            lol :ha lol
                            Selten so gelacht - SAU STARK !!!!

                            Hoffentlich denke ich nicht gerade DARAN, wenn ich im Mai mein Hobel mit ner neuen Plakette impfen lassen will - das gäbe nur Missverständnisse und nervige Sondertests

                            - oder ich drucke es aus und nehm es mit :ha lol
                            dann hat der TÜV-Mensch auch was zu lachen.


                            G & GF
                            ice

                            PS: Ich hoffe, da ist kein Copyright drauf, ich versende das Ding wie irre an Bikerfreunde

                            Kommentar

                            • ice

                              #15
                              und was für Autofahrer

                              Ein Düsseldorfer hat einen kleinen Unfall und einige Dellen im Auto.
                              Da kommt ein Kölner vorbei und sagt ihm:
                              "Du musst kraftig in den Auspuff blasen, da drückts die Dellen wieder raus."
                              Der Kölner fährt weiter und der Düsseldorfer denkt sich, das kann ich ja mal probieren.
                              Er kniet sich hin, nimmt den Auspuff an den Mund, bläst und bläst.
                              Da kommen 2 Polizisten vorbei und fragt ihn, was er da macht.
                              Er sagt, ein Kölner hat ihm gesagt, um die Dellen herauszubekommen, solle er in den Auspuff blasen.
                              Da fangen die Polizisten wie irre an zu lachen
                              Sagt der erste zum anderen:
                              "Iss der blöde, das funktioniert doch nie ...
                              Der 2.:
                              Neee, nie, ich habs auch gesehen, der Trottel hat noch das Schiebedach auf !


                              G & GF
                              ice

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