VON MARIO ULBRICH
Chemnitz. Ein neuer Läufer ist im Spiel. Ein weiterer Jäger auf der Spur des verlorenen Schatzes. Bis zum Sommer 2002 schienen die westerzgebirgischen „Reviere" bei der Bern-steinzimmersuche klar abgesteckt zu sein: Der Leipziger Privatdetektiv Dietmar Reimann gräbt im Poppenwald bei Hartenstein. Der Deutschneudorfer Bürgermeister Heinz-Peter Haustein lässt im wiederentdeckten Fortuna-Stolln seiner 1300:Seelen- Gemeinde forschen. Zwei Orte und zwei Männer mit ihren Teams.
Dann betrat Ralf Puschmann die Szene. Der Amateur-Schatzsucher aus Frankenberg meldete sich selbstsicher zu Wort. Reimann, erklärte er sei beinahe richtig. Er suche nur auf der falschen Seite der Mulde.
Ein Detektiv geht ins Kloster
Der Detektiv war zu diesem Zeit-Ipunkt nicht mal in Ufernähe. Seit April forscht seine Mannschaft im Kloster Grünhain, oder vielmehr dort, wo sich zu Zeiten der frommen Kuttenträger das Kloster-Vorwerk befand. Reimann folgt einer Nebenfährte. Ein Dutzend Häftlinge, eine kleine Wachmannschaft und einige Kisten aus rohem Holz: In den letzten Kriegslagen 1945 machten Menschen und Material Station im Klosterhof. Nach einer Nacht hastiger Arbeit blieben die Kisten zurück.
In Grünhain hofft Reimann auf einen Achtungserfolg. Ein paar Tafeln aus dem Bernsteinzimmer oder einige Stücke vom Hohenzollernschatz könnten seine Theorie beweisen. Die besagt, dass der deutsche Hochadel auf dem Gebiet der so genannten Freien Republik Schwarzenberg ein neues Königreich ausrufen wollte. Aber Hitler war nicht totzukriegen, und die Schätze, auf die sich die neue Regierung stützen sollte, mussten ei-lends verborgen werden. Reimann hat viele Indizien für seine Geschichte, doch der Beweis fehlt. Ein Artefakt aus dem verschollenen Schatz freilich könnte Sponsoren beeindrucken.
Als der Baggerarm im Klosterhof zu kreisen begann, erschien der neue Jäger auf dem Feld. Puschmann als Zaungast von Reimann. „Sie werden hier nur Kisten mit schmutzigem Werkzeug finden", versuchte der junge den alten Hasen zu verblüffen. Dieser drehte sich um und brummte etwas, das wie „Spinner" klang, in sei-nen Bart. Er fand weder Kisten noch Werkzeug, nur der Schmutz war da.
Puschmann hatte sich seine eigene Version von Reimanns Geschichte zurechtgedacht: In Grünhain sollen nur die Hilfsmittel des großen Versteckens unter die Erde gebracht wor-den sein. Vom Schatz befindet sich im Poppenwald bestenfalls ein Teil; der Haupt-Hort liegt im Hartensteiner Wald. Puschmann fühlte sich si-cher, weil er einen Code gefunden hatte, mit dem sich eine rätselhafte Einritzung in einem Baum im Pop-penwald übersetzen ließ.
Zeichen in der Rinde
Die Buche ist alt und dick. In ihre Rinde sind Buchstaben, Ziffern und Zeichen geschnitzt - das heißt, sie waren es. Im Sommer haben Unbe-kannte die Inschrift zerkratzt und ge-schwärzt. Ralf Puschmann ist der letzte Schatzsucher gewesen, der sich hier als Übersetzer versuchen konnte.
Am Baum fiel eine Buchstaben-kombination ins Auge: MK KM M. Daneben ein Datum: 14.4. Dann ein Dreieck sowie einige Krakeleien, die vieles oder nichts darstellen konnten.
Teil einer Inschrift in einer Buche im Poppenwald. Schatzpuzzle, symbolträchtige Zeichen oder bedeutungslose Krakelei? Im zurückliegenden Sommer wurde die Einritzung von Unbekannten zerstört.
In Dietmar Reimanns Theorie kommt dem Baum eine symbolische Bedeutung zu:
Da ist zunächst das Datum. Am 14. April 1945 soll das Schatzversteck im Poppenwald - ein alter Stollen - verschlossen worden sein. Weiter der Standort der Buche: Sie befindet sich 320 Meter östlich der Bergspitze, unter der Reimann das Bergwerk vermutet. Dieser Berg, so Reimanns Recherche, war seit Mitte ier 20-er Jahre eine Kultstätte regiolaler Freimaurer. Einige von ihnen, glaubt der Detektiv, waren mit den adeligen Verschwörern gegen Hitler m Bunde. Als der Traum von König-lich zerbrach, gaben sie ihren Tempel als Depot her. Eine Art Ge-genstück zu König Salomos Schatzkammer unter dem Tempel zu Jerusalem.
Reimann hat Ähnlichkeiten in der Topographie seines Poppenwald-Felsens mit dem Jerusalemer Felsen-dom ausgemacht. Im Süden ein Tal, im Osten ein Tal, auf dem Hügel der Tempel. Und 320 Meter östlich davon? Im Poppenwald ein Baum mit einem Rätsel. In Jerusalem der Garten Gethsemane, wo die Römer Jesus fingen. Wo aus dem König der Juden der Messias der Christen wurde...
K wie König. M wie Messias.
Auch Ralf Puschmann bewies Vor-stellungskraft, dachte aber weniger mystisch. Für ihn war die in Rinde geritzte Zeichensammlung eine Kar-te: „K ist der 11. Buchstabe des Alpha-bets. M der 13. Ganz einfach." 12 und 13 entsprechen dieser Übersetzung zufolge Linien auf einer Militärland-karte, die 1945 in Gebrauch war. Sie sollen das Suchgebiet eingrenzen.
Das Dreieck stellte seiner Meinung nach das Spitzdach eines Hauses dar, das von der Buche aus zu sehen ist. Puschmann: „Steht man an diesem Haus, sind auf der Karte zwischen den Linien 11 und 13 die anderen am Baum verschlüsselten Geländemerk-male leicht zu finden." In den bis da-to Undefinierten Krakeleien will der Schatzsucher ein Sumpfgebiet, eine Weggabelung und einen Pfad zwi-schen zwei Teichen erkannt haben.
Als Puschmann im Klosterhof Reimanns Zorn riskierte, hatte er einen Ort gefunden, der alle Merkmale aufwies. Eine geophysikalische Messung hatte „eindeutig einen Hohlraum" an-gezeigt. Die Sache hatte nur einen Ha-ken: Es war kein Hohlraum da. Puschmann zahlte Lehrgeld. Reimann hatte seines ein fahr zuvor berappt. Bei
Sondierungen im Poppenwald waren „mögliche Hohlräume" entdeckt worden, deren Auffinden sich als ebenso unmöglich erwiesen hatte.
Fährten, die niemals erkalten...
Deutschneudorfs Bürgermeister Heinz-Peter Haustein musste ähnli-che Erfahrungen machen. „Da, wc der Fortuna-Stolln laut Messung seir sollte, fanden wir nichts", erinnert er sich. Dann gab ein Hang nach, und der Stollen wurde sichtbar - abseits der Messung. Das war 1998. Heute ist aus dem Stolln ein Besucherbergwerk geworden, und Haustein ist über-zeugt, dass der Schatz bei der weiteren Erschließung des Systems entdeckt wird. Aber: „Bei uns liegt nur das Depot Nummer fünf aus einer umfassenden Aktion." Das hat jedenfalls ein anonymer Anrufer behauptet.
Die Suche im Westerzgebirge geht weiter. Ralf Puschmann gibt nicht auf. Nächstes Jahr will er eine neue Stelle bei Hartenstein unter den Spaten! nehmen. Ein vierter Jäger ist Theodor! Erdmann, Rentner aus Rostock, der als Soldat bei einer Versteck-Aktion im Raum Aue-Schwarzenberg dabei war - unter anderem im Poppenwald. Nach einem Misserfolg in Erlabrunn sucht er nun bei Johanngeorgenstadt.
Auch im Kloster Grünhain ist die Fährte nicht kalt. Ein Vermessungs-Team der Bergakademie Freiberg hat unter dem Klosterhof einen Hohlraum geortet. Vielleicht nur ein weiterer geophysikalischer Witz, doch Detektiv Reimann ist guter Dinge, bei seinen Recherchen in Grünhain wurden Aufzeichnungen über den Bau des Amtshauptmannsgebäudes gefunden. Da ist die Rede von drei Gewölben unterm Haus. Von denen ist heute nur noch eines bekannt... Wo also sind die restlichen zwei?
Chemnitz. Ein neuer Läufer ist im Spiel. Ein weiterer Jäger auf der Spur des verlorenen Schatzes. Bis zum Sommer 2002 schienen die westerzgebirgischen „Reviere" bei der Bern-steinzimmersuche klar abgesteckt zu sein: Der Leipziger Privatdetektiv Dietmar Reimann gräbt im Poppenwald bei Hartenstein. Der Deutschneudorfer Bürgermeister Heinz-Peter Haustein lässt im wiederentdeckten Fortuna-Stolln seiner 1300:Seelen- Gemeinde forschen. Zwei Orte und zwei Männer mit ihren Teams.
Dann betrat Ralf Puschmann die Szene. Der Amateur-Schatzsucher aus Frankenberg meldete sich selbstsicher zu Wort. Reimann, erklärte er sei beinahe richtig. Er suche nur auf der falschen Seite der Mulde.
Ein Detektiv geht ins Kloster
Der Detektiv war zu diesem Zeit-Ipunkt nicht mal in Ufernähe. Seit April forscht seine Mannschaft im Kloster Grünhain, oder vielmehr dort, wo sich zu Zeiten der frommen Kuttenträger das Kloster-Vorwerk befand. Reimann folgt einer Nebenfährte. Ein Dutzend Häftlinge, eine kleine Wachmannschaft und einige Kisten aus rohem Holz: In den letzten Kriegslagen 1945 machten Menschen und Material Station im Klosterhof. Nach einer Nacht hastiger Arbeit blieben die Kisten zurück.
In Grünhain hofft Reimann auf einen Achtungserfolg. Ein paar Tafeln aus dem Bernsteinzimmer oder einige Stücke vom Hohenzollernschatz könnten seine Theorie beweisen. Die besagt, dass der deutsche Hochadel auf dem Gebiet der so genannten Freien Republik Schwarzenberg ein neues Königreich ausrufen wollte. Aber Hitler war nicht totzukriegen, und die Schätze, auf die sich die neue Regierung stützen sollte, mussten ei-lends verborgen werden. Reimann hat viele Indizien für seine Geschichte, doch der Beweis fehlt. Ein Artefakt aus dem verschollenen Schatz freilich könnte Sponsoren beeindrucken.
Als der Baggerarm im Klosterhof zu kreisen begann, erschien der neue Jäger auf dem Feld. Puschmann als Zaungast von Reimann. „Sie werden hier nur Kisten mit schmutzigem Werkzeug finden", versuchte der junge den alten Hasen zu verblüffen. Dieser drehte sich um und brummte etwas, das wie „Spinner" klang, in sei-nen Bart. Er fand weder Kisten noch Werkzeug, nur der Schmutz war da.
Puschmann hatte sich seine eigene Version von Reimanns Geschichte zurechtgedacht: In Grünhain sollen nur die Hilfsmittel des großen Versteckens unter die Erde gebracht wor-den sein. Vom Schatz befindet sich im Poppenwald bestenfalls ein Teil; der Haupt-Hort liegt im Hartensteiner Wald. Puschmann fühlte sich si-cher, weil er einen Code gefunden hatte, mit dem sich eine rätselhafte Einritzung in einem Baum im Pop-penwald übersetzen ließ.
Zeichen in der Rinde
Die Buche ist alt und dick. In ihre Rinde sind Buchstaben, Ziffern und Zeichen geschnitzt - das heißt, sie waren es. Im Sommer haben Unbe-kannte die Inschrift zerkratzt und ge-schwärzt. Ralf Puschmann ist der letzte Schatzsucher gewesen, der sich hier als Übersetzer versuchen konnte.
Am Baum fiel eine Buchstaben-kombination ins Auge: MK KM M. Daneben ein Datum: 14.4. Dann ein Dreieck sowie einige Krakeleien, die vieles oder nichts darstellen konnten.
Teil einer Inschrift in einer Buche im Poppenwald. Schatzpuzzle, symbolträchtige Zeichen oder bedeutungslose Krakelei? Im zurückliegenden Sommer wurde die Einritzung von Unbekannten zerstört.
In Dietmar Reimanns Theorie kommt dem Baum eine symbolische Bedeutung zu:
Da ist zunächst das Datum. Am 14. April 1945 soll das Schatzversteck im Poppenwald - ein alter Stollen - verschlossen worden sein. Weiter der Standort der Buche: Sie befindet sich 320 Meter östlich der Bergspitze, unter der Reimann das Bergwerk vermutet. Dieser Berg, so Reimanns Recherche, war seit Mitte ier 20-er Jahre eine Kultstätte regiolaler Freimaurer. Einige von ihnen, glaubt der Detektiv, waren mit den adeligen Verschwörern gegen Hitler m Bunde. Als der Traum von König-lich zerbrach, gaben sie ihren Tempel als Depot her. Eine Art Ge-genstück zu König Salomos Schatzkammer unter dem Tempel zu Jerusalem.
Reimann hat Ähnlichkeiten in der Topographie seines Poppenwald-Felsens mit dem Jerusalemer Felsen-dom ausgemacht. Im Süden ein Tal, im Osten ein Tal, auf dem Hügel der Tempel. Und 320 Meter östlich davon? Im Poppenwald ein Baum mit einem Rätsel. In Jerusalem der Garten Gethsemane, wo die Römer Jesus fingen. Wo aus dem König der Juden der Messias der Christen wurde...
K wie König. M wie Messias.
Auch Ralf Puschmann bewies Vor-stellungskraft, dachte aber weniger mystisch. Für ihn war die in Rinde geritzte Zeichensammlung eine Kar-te: „K ist der 11. Buchstabe des Alpha-bets. M der 13. Ganz einfach." 12 und 13 entsprechen dieser Übersetzung zufolge Linien auf einer Militärland-karte, die 1945 in Gebrauch war. Sie sollen das Suchgebiet eingrenzen.
Das Dreieck stellte seiner Meinung nach das Spitzdach eines Hauses dar, das von der Buche aus zu sehen ist. Puschmann: „Steht man an diesem Haus, sind auf der Karte zwischen den Linien 11 und 13 die anderen am Baum verschlüsselten Geländemerk-male leicht zu finden." In den bis da-to Undefinierten Krakeleien will der Schatzsucher ein Sumpfgebiet, eine Weggabelung und einen Pfad zwi-schen zwei Teichen erkannt haben.
Als Puschmann im Klosterhof Reimanns Zorn riskierte, hatte er einen Ort gefunden, der alle Merkmale aufwies. Eine geophysikalische Messung hatte „eindeutig einen Hohlraum" an-gezeigt. Die Sache hatte nur einen Ha-ken: Es war kein Hohlraum da. Puschmann zahlte Lehrgeld. Reimann hatte seines ein fahr zuvor berappt. Bei
Sondierungen im Poppenwald waren „mögliche Hohlräume" entdeckt worden, deren Auffinden sich als ebenso unmöglich erwiesen hatte.
Fährten, die niemals erkalten...
Deutschneudorfs Bürgermeister Heinz-Peter Haustein musste ähnli-che Erfahrungen machen. „Da, wc der Fortuna-Stolln laut Messung seir sollte, fanden wir nichts", erinnert er sich. Dann gab ein Hang nach, und der Stollen wurde sichtbar - abseits der Messung. Das war 1998. Heute ist aus dem Stolln ein Besucherbergwerk geworden, und Haustein ist über-zeugt, dass der Schatz bei der weiteren Erschließung des Systems entdeckt wird. Aber: „Bei uns liegt nur das Depot Nummer fünf aus einer umfassenden Aktion." Das hat jedenfalls ein anonymer Anrufer behauptet.
Die Suche im Westerzgebirge geht weiter. Ralf Puschmann gibt nicht auf. Nächstes Jahr will er eine neue Stelle bei Hartenstein unter den Spaten! nehmen. Ein vierter Jäger ist Theodor! Erdmann, Rentner aus Rostock, der als Soldat bei einer Versteck-Aktion im Raum Aue-Schwarzenberg dabei war - unter anderem im Poppenwald. Nach einem Misserfolg in Erlabrunn sucht er nun bei Johanngeorgenstadt.
Auch im Kloster Grünhain ist die Fährte nicht kalt. Ein Vermessungs-Team der Bergakademie Freiberg hat unter dem Klosterhof einen Hohlraum geortet. Vielleicht nur ein weiterer geophysikalischer Witz, doch Detektiv Reimann ist guter Dinge, bei seinen Recherchen in Grünhain wurden Aufzeichnungen über den Bau des Amtshauptmannsgebäudes gefunden. Da ist die Rede von drei Gewölben unterm Haus. Von denen ist heute nur noch eines bekannt... Wo also sind die restlichen zwei?
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