Bestimmen
Warum nach Namen suchen?
Zum nach bestem Können präparierten Fund gehört auch der richtige Name, bevor das Fossil in die Sammlung eingereiht wird. Würden Sie auf den Vergleich Ihrer Fossilien mit denen in anderen Sammlungen oder mit den in Büchern abgebildeten verzichten oder aber gäbe es nur eine einzige Fossiliensammlung auf der Welt, nämlich Ihre, dann könnten Sie jedem Sammlungsstück einen selbsterfundenen neuen Namen geben. Und es dürfte ein verständlicher, deutscher Name sein, statt des üblichen zungenbrechenden lateinischen; sogar eine Nummer würde reichen. Nur darauf wäre zu achten,daßgleicheArtengleicheNamenerhaltenunddaßun sereSammlungbzw. Karteiüberschaubar bleibt.
Leider aber haben praktisch alle unsere Fossilien schon Namen. Sie sind nach den gültigen Nomenklaturregeln benannt und in wissenschaftlichen Arbeiten beschrieben und abgebildet. Das heißt also, dass wir versuchen müssen, diesen Namen herauszubekommen. Und dass dies meist gar nicht so einfach ist, erkennt jeder Fossiliensammler binnen kurzem. Zum Trost: Auch den Botanikern, Insekten- und Mineraliensammlern geht es nicht anders.
Der direkte Vergleich
Am einfachsten wäre es nun, wir könnten unser Fossil durch direkten Vergleich im Museum bestimmen. Das heißt, wir suchen unter seinen Beständen so lange, bis wir ein bereits benanntes Exemplar finden, das unserem Fossil aufs Haar gleicht, schreiben den Namen ab und sind alle Probleme los. In der Praxis würde das bedeuten, dass wir mit unseren gesamten Fundstücken in ein Museum ziehen und uns dort unter dem gesamten Material umtun, also nicht nur in der Schausammlung. Und dabei hätten wir noch nicht einmal die Gewähr, dass unsere Fundstücke überhaupt in den Sammlungsbeständen des betreffenden Museums enthalten sind. Kein Museum verfügt in einiger Vollständigkeit auch nur über den größeren Teil aller bekannten Fossilien. Darüber hinaus wäre besagte Durchmusterung der Sammlungen rein zeitlich und ebenso wenig organisatorisch kaum zu bewältigen.
Trotzdem ist und bleibt der direkte Vergleich die beste Methode zur Identifizierung unserer Fossilien. Und sie lässt sich ideal anwenden, wenn mehrere Sammler zusammenarbeiten. Sie müssen nur über einige - möglichst viele - bereits bestimmte Fossilien verfügen, Fossilien, deren Bestimmung durch einen Fachmann oder auf anderem Wege erfolgte . Damit ist das bekannte Fossil gegeben, neben das wir unseren Namenskandidaten legen können. Jeder Sammler kennt seine Sammlung, und in der Regel weiß er, ob er ein Exemplar in seiner Kollektion hat, das zu der zur Bestimmung vorgelegten Art passt. Und falls das nicht der Fall ist, kann er vielleicht mit Hinweisen helfen. Durch solche Zusammenarbeit addieren sich die Kenntnisse der einzelnen Sammler - man kann einander helfen, jeder lernt vom anderen.
Aber auch der Besuch von Museumssammlungen ist nie ohne Nutzen. Wenn er uns auch nicht zur Bestimmung ganzer Teile unserer Kollektion verhelfen wird, so sehen wir doch dieses oder jenes Stück, ähnlich wie wir es zu besitzen glauben, und können uns dazu Notizen machen, also auch auf diesem Weg ein wenig weiterkommen.
Hilfe durch den Fachmann
Die Hoffnung, dass einem ein Paläontologe "schnell mal diese 20 Ammoniten" bestimmen könnte, sollte man gleich aufgeben. Sicher, es gibt eine ganze Reihe unverkennbarer Cephalopoden-Gattungen und Arten, die auf Anhieb benannt werden können aber verteilt auf alle Schichten seit dem Kambrium! Und infolge der ungeheuren, für den einzelnen nicht mehr überschaubaren Wissensfülle in der Paläontologie gibt es keine Fachleute mehr, die überall Bescheid wissen. Spezialisierung ist auch in der Paläontologie Trumpf! Seit BRONN, ORBIGNY oder QUENSTEDT sind viele Jahre vergangen. Und war es seinerzeit einzelnen noch möglich, das "Fossilreich" zu überblicken, so sind diese Zeiten nun schon lange vorbei. Das heißt, dass ein Trilobitenspezialist bei Ammoniten in der Regel passen muss, obwohl er umfassende Kenntnisse in seinem Fachgebiet hat. Noch lange nicht heißt das aber, dass er alle Trilobiten auf Anhieb bestimmen kann. Auch der Spezialist braucht zum Bestimmen Ruhe, Vergleichsmaterial und eine Menge Literatur!
Schön für den Sammler ist es, wenn er gute Kontakte zu den Paläontologen von Museen oder Instituten hat. Ihnen kann er dann schon mal einige Fundstücke vorlegen, die schwierig zu bestimmen sind. Ein vernünftiger Sammler wird sich für diese Hilfeleistung gerne mit Dubletten bedanken, die für das Institut wichtig sind, und auch einmal ein Einzelstück weggeben. Der Nutzen des Fossils für die Wissenschaft ist seinem Verstauben in einer Privatschublade vorzuziehen. Zumindest aber wird der Sammler sein Material zur Bearbeitung überlassen, wenn das gewünscht wird.
Bestimmen mit alten Büchern
In den meisten Fällen sind Sammler darauf angewiesen, ihre Funde mit Hilfe von Büchern zu bestimmen. Durch Vergleichen des Fossils mit den Fotos oder Zeichnungen samt zugehöriger Beschreibung ermitteln wir mit Glück und einer Menge Literatur mehr oder weniger ähnlich aussehende Exemplare. Genau gleiche Stücke gibt es nicht; Größe, Erhaltung, gattungs oder artspezifische Merkmale variieren immer.
Aber auch für dieses Vergleichen sind gewisse Grundkenntnisse nötig, z. B. über die Zuordnung des Fossils zu Stamm oder Klasse, ob Ammonit, Schnecke, Nautilide, Belemnit usw. Grundkenntnisse dieser Art erleichtern das Nachschlagen ebenso wie das Wissen um die stratigraphische Herkunft des Fossils, also ob es aus Jura oder Tertiär, Ordovizium oder Kreide kommt, Je genauer wir die Fundschicht ermitteln können, desto einfacher wird die Bestimmungsarbeit.
Steht uns eines der großartigen alten Tafelwerke zur Verfügung, wie z. B. ein Band des umfangreichen ORBIGNYWerkes"Paleontologie Francaise" oder QUENSTEDTS "Handbuch der Petrefaktenkunde", blättern wir, bis auf einer der Tafeln ein ähnliches oder unserer Meinung nach gleichartiges Stück abgebildet ist. Stimmt dann die Fundschicht überein und ist auch der Fossilbeschreibung (so vorhanden) nichts Gegenteiliges zu entnehmen, so ist die Übereinstimmung zumindest möglich oder gar wahrscheinlich. Ein Problem dieser Art des Vorgehens ist, dass wir größtenteils überholte Namen ermitteln: Viele dieser vor 100 Jahren verwendeten Namen sind inzwischen durch andere ersetzt. Bei den Ammoniten etwa wurde teilweise noch zu Beginn dieses Jahrhunderts (z. B. FRAAS: "Der Petrefaktensammler") so verfahren, dass nicht der Gattungsname vorangestellt wurde, sondern ganz allgemein die Bezeichnung "Ammonites", also Ammonites bifurcatus, Ammonites discoideus usw. Am ehesten haben noch die Artnamen ihre Gültigkeit behalten. Die meisten der höheren taxonomischen Einheiten (falls seinerzeit überhaupt auf Systematik Wert gelegt wurde) müssen neu ausfindig gemacht werden. Dies ist für einen Fachmann in der Regel einigermaßen schnell möglich, zumindest bei den häufigeren Formen. Durch Vergleich mit den Artbezeichnungen in neueren, auf Teilgebiete beschränkten Arbeiten bzw. durch das Studium von Synonymielisten lassen sich für viele alte Namen die neuen ermitteln.
Besagte alte Werke werden allerdings kaum mehr im Handel angeboten, und wenn, dann zu beachtlichen Preisen. Die 1885 erschienene dritte Auflage von QUENSTEDTS "Handbuch der Petrefaktenkunde" wurde 1980 mit ca. DM 700, gehandelt; der 1973 erschienene Nachdruck der "Ammoniten des Schwäbischen Jura" vom selben Autor kostete DM 780,. Obwohl die Bestimmung mit Hilfe alter Tafelwerke nicht ganz problemlos ist, sind sie wegen ihrer zahlreichen Fossildarstellungen doch sehr nützlich. Wer es sich leisten kann und eine Kaufmöglichkeit auftut, sollte zugreifen. Nebenbei verschaffen diese Bücher interessante Einblicke in die Probleme der Forscher vor hundert Jahren. Zudem dürfen wir voraussetzen, dass auf den Tafeln in der Regel häufige und charakteristische Formen festgehalten sind - und an der Häufigkeit der Fossilien hat sich auch in den letzten 100 Jahren nichts geändert.
Neuere Literatur
Vor allem für den spezialisierten Sammler lohnt sich der Erwerb neuerer Veröffentlichungen, die sein Fachgebiet betreffen. Da diese Arbeiten mitunter sehr teuer sind, sollte geprüft werden, ob sie über Fernleihe zu beziehen sind. Auskunft darüber können Mitarbeiter größerer öffentlicher Bibliotheken geben. Auch ältere Bücher können auf diesem Weg für einige Wochen ausgeliehen und zu Hause in Ruhe durchgearbeitet werden.
Die meisten der auch für Sammler wichtigen Arbeiten erschienen und erscheinen in einer Reihe von Fachzeitschriften (z. B. Palaeontographica, Paläontologische Zeitschrift, Eclogae Geologicae Helvetiae, Paleontology usw.). Sie erscheinen meist jährlich oder halbjährlich, sind im allgemeinen sehr teuer und enthalten zu 80 % Arbeiten, die für Sammler unwichtig sind. Das macht sie zumindest für den regelmäßigen Bezug uninteressant. Normalerweise erfährt der Fossilienfreund nichts von für ihn wichtigen Veröffentlichungen in dieser Schriftenreihe, es sei denn, er hat einen "heißen Draht" zu einem Fachwissenschaftler. Wir können natürlich versuchen, uns auch anders Kenntnis über Neuerscheinungen zu verschaffen, z. B. durch das Studium der sporadisch (auf Anforderung) zugeschickten Verlagsprospekte. Wer sich dieser Mühe nicht unterzieht, erfährt meist recht spät von wichtigen Arbeiten, durch Hinweise von anderen Sammlern oder aus Literaturzitaten in Werken, die ihm etliche Jahre später in die Hände fallen.
Neben den Zeitschriften gibt es die sogenannten Monographien. Das sind Bücher, in denen eng begrenzte Gruppen bearbeitet werden, z. B. die Ammoniten der Familie Parkinsoniidae oder gar nur die Arten der Gattung Parkinsonia. Andere Autoren bearbeiten ganze Fannen einer bestimmten Schicht in einem begrenzten geographischen Bereich, z. B. die Ammonitenfauna des Lias zeta von Nordbayern. Solche Bücher erweisen sich natürlich als besonders wertvoll, da wir hiermit die meisten unserer Funde, z. B. eben die Parkinsonien oder Ammoniten aus dem Lias zeta, bis zur Art bestimmen können. Leider sind solche Monographien usw. nicht die Regel, sondern wir müssen die unser Spezialgebiet betreffenden Arbeiten mühsam aus zahlreichen Zeitschriften zusammensuchen und als Einzelveröffentlichungen zusammentragen.
Um einen Überblick über die Faunenzusammensetzung bestimmter Aufschlüsse zu bekommen, versuchen wir, uns geologische Karten und vor allem die dazugehörigen Erläuterungen der Gebiete zu besorgen, die uns interessieren. Dadurch entfällt zum einen die Schichtermittlung, denn unser Aufschluß ist, liegt das Aufnahme bzw. Revisionsdatum der Karte noch nicht zu weit zurück, in die Karte eingetragen und beschrieben, vielleicht sogar mit einem genauen Profil und einer Fossilliste im erläuternden Begleitheft. Zwar verzichten solche Erläuterungen in den meisten Fällen auf Fossilabbildungen, aber auch schon die Auflistung der vorkommenden Arten ist für uns wichtig genug, dürfen wir doch mit einiger Sicherheit annehmen, dass auch unsere gesammelten Stücke in der Fossilliste zu finden sein werden. Wir haben so sehr schnell eine Reihe von Namen, die in Frage kommen, und können dann in anderen Büchern nach den Abbildungen dazu suchen. Im Hinblick darauf sollten wir uns also immer um regionalgeologische bzw. stratigraphische Veröffentlichungen bemühen, wozu auch z. B. geologische Führer gehören.
Einen hervorragenden Überblick über die (bis zum Jahr des Drucks) bekannten Gattungen der Wirbellosen sowie über deren taxonomische Stellung gibt der "Treatise on Invertebrate Paleontology", herausgegeben von R.C. MOORE. In den meist sehr umfangreichen Einleitungstexten wird auf Morphologie, Anatomie, Systematik, Ökologie usw. der Gruppen eingegangen. Im nachfolgenden systematischen Teil sind alle Gattungen beschrieben und in der Regel wenigstens durch eine abgebildete Art belegt, In 24, oft mehrteiligen Bänden wird das riesige Spektrum der Wirbellosen vorgestellt. Der englische Text bildet für deutsche Sammler sicherlich eine Hürde; und billig sind die Bände auch nicht gerade. Normalerweise erwirbt der Sammler aber nur die, die sein bevorzugtes Sammelgebiet behandeln, z. B. den Band über Ammoniten.
Sehr nützlich ist auch das "Lehrbuch der Paläozoologie" von A. H. MÜLLER, das in 3 Bänden mit insgesamt 7 Büchern Wirbellose und Wirbeltiere abhandelt. Im Gegensatz zum "Treatise" wird jedoch nur eine Auswahl von Gattungen usw. vorgestellt.
Neuerscheinungen sind bei Fachbuchhandlungen vorrätig; schöngeistige Buchhandlungen besorgen sie dem Sammler. Teilweise führen besagte Fachbuchhandlungen auch antiquarische Werke. Überhaupt ist für den Sammler der Besuch örtlicher Antiquariate immer interessant. Der Aufbau einer guten Handbibliothek benötigt viel Zeit, von den Kosten gar nicht zu reden.
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Harry
Warum nach Namen suchen?
Zum nach bestem Können präparierten Fund gehört auch der richtige Name, bevor das Fossil in die Sammlung eingereiht wird. Würden Sie auf den Vergleich Ihrer Fossilien mit denen in anderen Sammlungen oder mit den in Büchern abgebildeten verzichten oder aber gäbe es nur eine einzige Fossiliensammlung auf der Welt, nämlich Ihre, dann könnten Sie jedem Sammlungsstück einen selbsterfundenen neuen Namen geben. Und es dürfte ein verständlicher, deutscher Name sein, statt des üblichen zungenbrechenden lateinischen; sogar eine Nummer würde reichen. Nur darauf wäre zu achten,daßgleicheArtengleicheNamenerhaltenunddaßun sereSammlungbzw. Karteiüberschaubar bleibt.
Leider aber haben praktisch alle unsere Fossilien schon Namen. Sie sind nach den gültigen Nomenklaturregeln benannt und in wissenschaftlichen Arbeiten beschrieben und abgebildet. Das heißt also, dass wir versuchen müssen, diesen Namen herauszubekommen. Und dass dies meist gar nicht so einfach ist, erkennt jeder Fossiliensammler binnen kurzem. Zum Trost: Auch den Botanikern, Insekten- und Mineraliensammlern geht es nicht anders.
Der direkte Vergleich
Am einfachsten wäre es nun, wir könnten unser Fossil durch direkten Vergleich im Museum bestimmen. Das heißt, wir suchen unter seinen Beständen so lange, bis wir ein bereits benanntes Exemplar finden, das unserem Fossil aufs Haar gleicht, schreiben den Namen ab und sind alle Probleme los. In der Praxis würde das bedeuten, dass wir mit unseren gesamten Fundstücken in ein Museum ziehen und uns dort unter dem gesamten Material umtun, also nicht nur in der Schausammlung. Und dabei hätten wir noch nicht einmal die Gewähr, dass unsere Fundstücke überhaupt in den Sammlungsbeständen des betreffenden Museums enthalten sind. Kein Museum verfügt in einiger Vollständigkeit auch nur über den größeren Teil aller bekannten Fossilien. Darüber hinaus wäre besagte Durchmusterung der Sammlungen rein zeitlich und ebenso wenig organisatorisch kaum zu bewältigen.
Trotzdem ist und bleibt der direkte Vergleich die beste Methode zur Identifizierung unserer Fossilien. Und sie lässt sich ideal anwenden, wenn mehrere Sammler zusammenarbeiten. Sie müssen nur über einige - möglichst viele - bereits bestimmte Fossilien verfügen, Fossilien, deren Bestimmung durch einen Fachmann oder auf anderem Wege erfolgte . Damit ist das bekannte Fossil gegeben, neben das wir unseren Namenskandidaten legen können. Jeder Sammler kennt seine Sammlung, und in der Regel weiß er, ob er ein Exemplar in seiner Kollektion hat, das zu der zur Bestimmung vorgelegten Art passt. Und falls das nicht der Fall ist, kann er vielleicht mit Hinweisen helfen. Durch solche Zusammenarbeit addieren sich die Kenntnisse der einzelnen Sammler - man kann einander helfen, jeder lernt vom anderen.
Aber auch der Besuch von Museumssammlungen ist nie ohne Nutzen. Wenn er uns auch nicht zur Bestimmung ganzer Teile unserer Kollektion verhelfen wird, so sehen wir doch dieses oder jenes Stück, ähnlich wie wir es zu besitzen glauben, und können uns dazu Notizen machen, also auch auf diesem Weg ein wenig weiterkommen.
Hilfe durch den Fachmann
Die Hoffnung, dass einem ein Paläontologe "schnell mal diese 20 Ammoniten" bestimmen könnte, sollte man gleich aufgeben. Sicher, es gibt eine ganze Reihe unverkennbarer Cephalopoden-Gattungen und Arten, die auf Anhieb benannt werden können aber verteilt auf alle Schichten seit dem Kambrium! Und infolge der ungeheuren, für den einzelnen nicht mehr überschaubaren Wissensfülle in der Paläontologie gibt es keine Fachleute mehr, die überall Bescheid wissen. Spezialisierung ist auch in der Paläontologie Trumpf! Seit BRONN, ORBIGNY oder QUENSTEDT sind viele Jahre vergangen. Und war es seinerzeit einzelnen noch möglich, das "Fossilreich" zu überblicken, so sind diese Zeiten nun schon lange vorbei. Das heißt, dass ein Trilobitenspezialist bei Ammoniten in der Regel passen muss, obwohl er umfassende Kenntnisse in seinem Fachgebiet hat. Noch lange nicht heißt das aber, dass er alle Trilobiten auf Anhieb bestimmen kann. Auch der Spezialist braucht zum Bestimmen Ruhe, Vergleichsmaterial und eine Menge Literatur!
Schön für den Sammler ist es, wenn er gute Kontakte zu den Paläontologen von Museen oder Instituten hat. Ihnen kann er dann schon mal einige Fundstücke vorlegen, die schwierig zu bestimmen sind. Ein vernünftiger Sammler wird sich für diese Hilfeleistung gerne mit Dubletten bedanken, die für das Institut wichtig sind, und auch einmal ein Einzelstück weggeben. Der Nutzen des Fossils für die Wissenschaft ist seinem Verstauben in einer Privatschublade vorzuziehen. Zumindest aber wird der Sammler sein Material zur Bearbeitung überlassen, wenn das gewünscht wird.
Bestimmen mit alten Büchern
In den meisten Fällen sind Sammler darauf angewiesen, ihre Funde mit Hilfe von Büchern zu bestimmen. Durch Vergleichen des Fossils mit den Fotos oder Zeichnungen samt zugehöriger Beschreibung ermitteln wir mit Glück und einer Menge Literatur mehr oder weniger ähnlich aussehende Exemplare. Genau gleiche Stücke gibt es nicht; Größe, Erhaltung, gattungs oder artspezifische Merkmale variieren immer.
Aber auch für dieses Vergleichen sind gewisse Grundkenntnisse nötig, z. B. über die Zuordnung des Fossils zu Stamm oder Klasse, ob Ammonit, Schnecke, Nautilide, Belemnit usw. Grundkenntnisse dieser Art erleichtern das Nachschlagen ebenso wie das Wissen um die stratigraphische Herkunft des Fossils, also ob es aus Jura oder Tertiär, Ordovizium oder Kreide kommt, Je genauer wir die Fundschicht ermitteln können, desto einfacher wird die Bestimmungsarbeit.
Steht uns eines der großartigen alten Tafelwerke zur Verfügung, wie z. B. ein Band des umfangreichen ORBIGNYWerkes"Paleontologie Francaise" oder QUENSTEDTS "Handbuch der Petrefaktenkunde", blättern wir, bis auf einer der Tafeln ein ähnliches oder unserer Meinung nach gleichartiges Stück abgebildet ist. Stimmt dann die Fundschicht überein und ist auch der Fossilbeschreibung (so vorhanden) nichts Gegenteiliges zu entnehmen, so ist die Übereinstimmung zumindest möglich oder gar wahrscheinlich. Ein Problem dieser Art des Vorgehens ist, dass wir größtenteils überholte Namen ermitteln: Viele dieser vor 100 Jahren verwendeten Namen sind inzwischen durch andere ersetzt. Bei den Ammoniten etwa wurde teilweise noch zu Beginn dieses Jahrhunderts (z. B. FRAAS: "Der Petrefaktensammler") so verfahren, dass nicht der Gattungsname vorangestellt wurde, sondern ganz allgemein die Bezeichnung "Ammonites", also Ammonites bifurcatus, Ammonites discoideus usw. Am ehesten haben noch die Artnamen ihre Gültigkeit behalten. Die meisten der höheren taxonomischen Einheiten (falls seinerzeit überhaupt auf Systematik Wert gelegt wurde) müssen neu ausfindig gemacht werden. Dies ist für einen Fachmann in der Regel einigermaßen schnell möglich, zumindest bei den häufigeren Formen. Durch Vergleich mit den Artbezeichnungen in neueren, auf Teilgebiete beschränkten Arbeiten bzw. durch das Studium von Synonymielisten lassen sich für viele alte Namen die neuen ermitteln.
Besagte alte Werke werden allerdings kaum mehr im Handel angeboten, und wenn, dann zu beachtlichen Preisen. Die 1885 erschienene dritte Auflage von QUENSTEDTS "Handbuch der Petrefaktenkunde" wurde 1980 mit ca. DM 700, gehandelt; der 1973 erschienene Nachdruck der "Ammoniten des Schwäbischen Jura" vom selben Autor kostete DM 780,. Obwohl die Bestimmung mit Hilfe alter Tafelwerke nicht ganz problemlos ist, sind sie wegen ihrer zahlreichen Fossildarstellungen doch sehr nützlich. Wer es sich leisten kann und eine Kaufmöglichkeit auftut, sollte zugreifen. Nebenbei verschaffen diese Bücher interessante Einblicke in die Probleme der Forscher vor hundert Jahren. Zudem dürfen wir voraussetzen, dass auf den Tafeln in der Regel häufige und charakteristische Formen festgehalten sind - und an der Häufigkeit der Fossilien hat sich auch in den letzten 100 Jahren nichts geändert.
Neuere Literatur
Vor allem für den spezialisierten Sammler lohnt sich der Erwerb neuerer Veröffentlichungen, die sein Fachgebiet betreffen. Da diese Arbeiten mitunter sehr teuer sind, sollte geprüft werden, ob sie über Fernleihe zu beziehen sind. Auskunft darüber können Mitarbeiter größerer öffentlicher Bibliotheken geben. Auch ältere Bücher können auf diesem Weg für einige Wochen ausgeliehen und zu Hause in Ruhe durchgearbeitet werden.
Die meisten der auch für Sammler wichtigen Arbeiten erschienen und erscheinen in einer Reihe von Fachzeitschriften (z. B. Palaeontographica, Paläontologische Zeitschrift, Eclogae Geologicae Helvetiae, Paleontology usw.). Sie erscheinen meist jährlich oder halbjährlich, sind im allgemeinen sehr teuer und enthalten zu 80 % Arbeiten, die für Sammler unwichtig sind. Das macht sie zumindest für den regelmäßigen Bezug uninteressant. Normalerweise erfährt der Fossilienfreund nichts von für ihn wichtigen Veröffentlichungen in dieser Schriftenreihe, es sei denn, er hat einen "heißen Draht" zu einem Fachwissenschaftler. Wir können natürlich versuchen, uns auch anders Kenntnis über Neuerscheinungen zu verschaffen, z. B. durch das Studium der sporadisch (auf Anforderung) zugeschickten Verlagsprospekte. Wer sich dieser Mühe nicht unterzieht, erfährt meist recht spät von wichtigen Arbeiten, durch Hinweise von anderen Sammlern oder aus Literaturzitaten in Werken, die ihm etliche Jahre später in die Hände fallen.
Neben den Zeitschriften gibt es die sogenannten Monographien. Das sind Bücher, in denen eng begrenzte Gruppen bearbeitet werden, z. B. die Ammoniten der Familie Parkinsoniidae oder gar nur die Arten der Gattung Parkinsonia. Andere Autoren bearbeiten ganze Fannen einer bestimmten Schicht in einem begrenzten geographischen Bereich, z. B. die Ammonitenfauna des Lias zeta von Nordbayern. Solche Bücher erweisen sich natürlich als besonders wertvoll, da wir hiermit die meisten unserer Funde, z. B. eben die Parkinsonien oder Ammoniten aus dem Lias zeta, bis zur Art bestimmen können. Leider sind solche Monographien usw. nicht die Regel, sondern wir müssen die unser Spezialgebiet betreffenden Arbeiten mühsam aus zahlreichen Zeitschriften zusammensuchen und als Einzelveröffentlichungen zusammentragen.
Um einen Überblick über die Faunenzusammensetzung bestimmter Aufschlüsse zu bekommen, versuchen wir, uns geologische Karten und vor allem die dazugehörigen Erläuterungen der Gebiete zu besorgen, die uns interessieren. Dadurch entfällt zum einen die Schichtermittlung, denn unser Aufschluß ist, liegt das Aufnahme bzw. Revisionsdatum der Karte noch nicht zu weit zurück, in die Karte eingetragen und beschrieben, vielleicht sogar mit einem genauen Profil und einer Fossilliste im erläuternden Begleitheft. Zwar verzichten solche Erläuterungen in den meisten Fällen auf Fossilabbildungen, aber auch schon die Auflistung der vorkommenden Arten ist für uns wichtig genug, dürfen wir doch mit einiger Sicherheit annehmen, dass auch unsere gesammelten Stücke in der Fossilliste zu finden sein werden. Wir haben so sehr schnell eine Reihe von Namen, die in Frage kommen, und können dann in anderen Büchern nach den Abbildungen dazu suchen. Im Hinblick darauf sollten wir uns also immer um regionalgeologische bzw. stratigraphische Veröffentlichungen bemühen, wozu auch z. B. geologische Führer gehören.
Einen hervorragenden Überblick über die (bis zum Jahr des Drucks) bekannten Gattungen der Wirbellosen sowie über deren taxonomische Stellung gibt der "Treatise on Invertebrate Paleontology", herausgegeben von R.C. MOORE. In den meist sehr umfangreichen Einleitungstexten wird auf Morphologie, Anatomie, Systematik, Ökologie usw. der Gruppen eingegangen. Im nachfolgenden systematischen Teil sind alle Gattungen beschrieben und in der Regel wenigstens durch eine abgebildete Art belegt, In 24, oft mehrteiligen Bänden wird das riesige Spektrum der Wirbellosen vorgestellt. Der englische Text bildet für deutsche Sammler sicherlich eine Hürde; und billig sind die Bände auch nicht gerade. Normalerweise erwirbt der Sammler aber nur die, die sein bevorzugtes Sammelgebiet behandeln, z. B. den Band über Ammoniten.
Sehr nützlich ist auch das "Lehrbuch der Paläozoologie" von A. H. MÜLLER, das in 3 Bänden mit insgesamt 7 Büchern Wirbellose und Wirbeltiere abhandelt. Im Gegensatz zum "Treatise" wird jedoch nur eine Auswahl von Gattungen usw. vorgestellt.
Neuerscheinungen sind bei Fachbuchhandlungen vorrätig; schöngeistige Buchhandlungen besorgen sie dem Sammler. Teilweise führen besagte Fachbuchhandlungen auch antiquarische Werke. Überhaupt ist für den Sammler der Besuch örtlicher Antiquariate immer interessant. Der Aufbau einer guten Handbibliothek benötigt viel Zeit, von den Kosten gar nicht zu reden.
By
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