Praktisches Bestimmen

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  • HarryG († 2009)
    Moderator

    Heerführer

    • 10.12.2000
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    • Meine Augen

    #1

    Praktisches Bestimmen

    Praktisches Bestimmen

    Nehmen wir als Beispiel einen Ammoniten, der bestimmt, dessen Stellung im System ermittelt werden soll. Insgesamt sind ca. 194.0 Ammonitengattungen bekannt, wovon aber aufgrund der stratigraphischen Herkunft ("Alter") des Fundes der größte Teil ausscheidet. Nehmen wir einmal an, in der stratigraphischen Zone unseres Ammoniten treten 30 Gattungen auf. Sie zeigen teilweise erhebliche Unterschiede im Gehäusebau, womit26 Gattungen ausscheiden. Esbleiben4 Gattungen, zu denen der Ammonit gehören könnte. Welcher er nun wirklich angehört, entscheiden morphologische Merkmale wie Gehäusebau, Skulptur sowie - eventuell - Lobenlinie. ﷓ Voraussetzung für eine derartige Auslese ist natürlich die Kenntnis aller in Frage kommenden Gattungen - und damit der "Treatise".
    Zur Artermittlung benötigen wir nun freilich die oben erwähnte Spezialliteratur, als da sind Monographien oder Abhandlungen über die verschiedenen, in der Herkunftsschicht auftretenden Arten. Verständlicherweise ist dieser Teil der Bestimmung wesentlich schwieriger als die Gattungsermittlung, da wir neben guter Beobachtungsgabe auch viel mehr Literatur benötigen; und außerdem existieren wesentlich mehr Arten als Gattungen.
    Wichtig bei dieser Bestimmungsarbeit ist, dass wir uns unsere Beobachtungen stichwortartig notieren. Nur dann lassen sich Bestimmungen später nachvollziehen und Fehler aufspüren. Wir halten also unsere Beobachtungen über die Gehäuseform usw. fest, ermitteln unter Umständen bestimmte Verhältniszahlen,zeichnenSkulpturoderOberflächenze ichnungauf,auchdenVerlaufderLobenlinie usw. Alle diese Angaben kommen auf die Rückseite der Karteikarte zum Fossil, und sind damit immer, auch lange später noch greifbar und einer Überprüfung zugänglich.
    Die meisten Sammler blättern beim Bestimmen alle Bücher mit "passenden" Abbildungen durch, bis sie eine entdecken, die mit dem Fund übereinstimmen könnte. Damit erwirbt man zwar ein gewisses Formempfinden (und nach jahrelanger Übung vielleicht auch eine ganz gute Übersicht über die zahlreichen Formen), braucht aber verständlicherweise jedes mal aufs neue sehr viel Zeit, um sich auch nur in die Nähe der gesuchten Formen vorzuarbeiten. Bewegen Sie sich lieber von "oben nach unten", verschaffen sich also zuerst einen Überblick über die höheren taxonomischen Einheiten wie Ordnung, Unterordnung und Familie und prägen sich die wesentlichen Gruppenmerkmale ein. Solche Kenntnisse reduzieren von Anfang an die Wahlmöglichkeiten: Zeigt ein Ammonit eine einfach geschwungene Lobenlinie, so kann er nicht zu den Mesoammonoidea (Ceratiten) und den Neoammonoidea (Ammoniten) gehören, sondern ist zu den Palaeoammonoidea (Goniatiten) zu stellen. Kriterien dieser Art erleichtern, sind sie dem Wissensschatz fest einverleibt, auf die Dauer gesehen die Bestimmungsarbeit sehr.
    Bei zahlreichen ähnlichen Fundstücken, z. B. Brachiopoden, aus einer Schichtversuche man nicht, aus jeder auch nur geringfügig abgewandelten Form eine neue Art zu machen und um jeden Preis eine Abbildung dazu zu finden. Beim Bestimmen dürfen wir niemals die Tatsache aus den Augen verlieren, daß alle Arten eine gewisse Variationsbreite aufweisen! Auch ohne variationsstatistische Untersuchungen erkennen wir, dass verschiedene Arten einer Gattung, vor allem bei gleichzeitigem Auftreten in einer Schicht, durch fließende Übergänge verbunden sein können. In solchen Fällen halten wir uns bei der Artabgrenzung an die entsprechende Literatur. Fehlt sie, legen wir die Artgrenze nach gründlicher Überprüfung der wesentlichen Merkmale provisorisch selbst fest. Wir belegen die Bestimmung in der Sammlung aber immer neben dem Mittelwert mit den Extremwerten. ﷓ Selbstverständlich lassen sich derartige Abgrenzungen nur durchführen, wenn reichlich Material vorliegt.
    Bestimmungsarbeit setzt neben biologischen und geologischen vor allem stratigraphische Kenntnisse sowie ein gutes Auge voraus, d. h. die Fähigkeit, wesentliche Merkmale zu erkennen, Spaß an gründlicher Arbeit, Geduld (wie lange man an der Bestimmung eines einzigen Stückes sitzen kann, wird ein gründlicher Sammler bald erfahren!) und vor allem Literatur. Auch dieses Buch kann die weiterführende Spezialliteratur, die zur Artermittlung nötig ist, nicht ersetzen.
    Bestimmungsarbeit ist mühsam, macht aber auch sehr viel Freude ﷓ wenn nach langen Bemühungen endlich ein fundiertes Ergebnis feststeht. Und dann dürfen wir mit Recht stolz sein. Zum Sammeln gehört eben nicht nur das Zusammentragen, sondern auch das Bemühen um eine sinnvolle Gestaltung der Sammlung, in der das Bestimmen ein wesentlicher Faktor ist. Und sollte sich bei einer "Revision" herausstellen, dass unser erstes Ergebnis falsch war, so ist das nicht weiter schlimm. Irren kann sich jeder, aber die bei der Arbeit gewonnenen Kenntnisse bleiben immer!

    Viel Spass beim lesen
    Harry
    Zuletzt geändert von HarryG († 2009); 06.11.2001, 09:45.
    Glück Auf!
    Harry

    Nur die Harten kommen in den Garten!
    Und ich bin der Gärtner

    Harry hat uns am 4.2.2009
    nach schwerer Krankheit für immer verlassen.
    In stillem Gedenken,
    das SDE-Team
  • McSchuerf
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    • 31.01.2001
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    #2
    Hallo Harry,

    hast Du schon mal den Wissenschaftlern in der Grube Messel beim Bergen und Präparieren der Fossilien über die Schulter schauen dürfen? Ist wirklich interessant..


    Wusstest Du auch schon, weshalb man auch Raubfische und 'Opferfische' gleichermassen in ein- und demselben Areal oder auf ein-und demselben Fundstück finden konnte...? Sag's mir.. wenn Du's jetzt nicht weisst, ist es auch nicht schlimm, dann 'wachse' ich gerne bei Gelegenheit mal mit der Lösung rüber...

    Bis dahin ....

    Gruss Peter

    :cool:
    Glück auf zu Hauf!

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    • Jäger des feurigen Steins

      #3
      ..."über die Schulter schauen dürfen"

      Mein Besuch in der Grube Messel war die reinste Odyssee,
      natürlich Sonntags und unangemeldet

      Als allererstes ist mir natürlich die Kinnlade runtergefallen,
      als ich das Riesenloch sah. Der Eintritt scheiterte aber
      am herzhaften Eingriff des Pförtners, da der Zugang
      aufgrund des bergmännischen Status der Grube
      nicht erlaubt ist (und sicher auch um die wertvollen
      Fossillagerstätten zu schützen), und man eine Anmeldung
      brauche und dann eine Führer bekommt.

      Das war natürlich gegen meinen inneren Forscherdrang,
      so machte ich mich daran die Grube zu umwandern, um
      vielleicht in den oberen Schichten etwas stöbern zu
      können (Wo es natürlich auch Steinzeitartefakte geben
      kann). Die Grube ist allerdings komplett umzäunt, so
      das man auch dort nicht hinkommt, was auch ratsam
      ist wie ich dann sah, denn die Wände fallen oft
      senkrecht steil ab.

      So hab ich wenigstens ein paar leckere "unfossilierte"
      Pilze über der Grube gefunden


      "demselben Areal oder auf ein-und demselben Fundstück"

      Also, ich kanns mir denken, will aber nix verraten

      Viele Grüsse
      Markus

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      • McSchuerf
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        • 31.01.2001
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        #4
        ...überlassen wir mal HarryG die Antwort... (..Haha...)

        Aber da mache ich mir keine Sorgen, denn Harry ist hier der Fossilienexperte...stimmts, Harry?


        @Markus

        Wie gesagt, ich bin damals auch nur mit einer Besuchergruppe meines Ex-Vereins da reingekommen; musste vorher alles genau geplant werden, Besuchserlaubnis, etc...
        Dann fand ich auch noch, wie auch schon beschrieben, den vermutlichen Kakoxen, bunte Ölschieferstücke mit Siderit und anderen Überzügen drauf....
        Ich habe dann ein paar Tage später ein Fotoalbum zusammengstellt mit allen 'Stationen' des beeindruckenden Vortrags dort und habe unter anderem ausserdem ein Foto von 'Ötzi Nr. 2' aus dem Darmstädter Museum, dass wir dann nachmittags besuchten...dann noch Fotos von den ausgestopften Mammuts, etc...

        Gruss Peter
        Glück auf zu Hauf!

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        • HarryG († 2009)
          Moderator

          Heerführer

          • 10.12.2000
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          #5
          Hallo Mc..

          Die Antwort auf Raub- und Opferfische auf einer Platte lautet:

          Es gibt zwei Antworten.
          Ich versuchs mal anhand des Kupferschiefers zu erklären.
          Der Kupferschiefer ist eine Faulschlammablagerung. In diesem Kupferschiefermeer gab es Todeszonen, das heißt, es gab im Wasser keinen Sauerstoff. Die Fischschwärme, die dort hineinschwammen, verendeten dort sofort. Deshalb findet man dort auch soviel Fossilien (Palaeoniscumformen, Pygopterus, Acrolepis, Wodnicka, Platysomus, Dorypterus und den seltenen Janassa bituminosa, 8 x auf der Welt gefunden. 5 x davon in Bruchstücken. 3 x ganz. 1 mal hatte ich das seltene Glück, bei einer wissenschaftlichen Grabung dabeizusein und einen Janassa zu bewundern. Er ist der Vorläufer unserer heutigen Rochen.

          Das heißt, in dieser Todeszone kamen nicht nur Opfer- sonder auch Raubfische um, die ihrer Beute hinterherschwammen. Es wurden Platten gefunden, in der ein Haiartiger (so werden die Vörläufer genannt) einen Hering (Palaeoniscum) im Maul oder im Magen hatte.
          Bei der Grabung lernte ich einen sehr wertvollen Menschen kennen, der mir sehr viel Wissen über das Kupferschiefermeer vermittelte.
          An dieser Stelle noch mal Dank an Professor Dr. Schaumburg.
          Herausgeber des Buches "Der Kupferschiefer" und an das leitende Dipl. Geologen-Team aus Hi.
          Der zweite Fall ist eigentlich wie der Erste. Raubfisch schwimmt Opferfisch hinterher und kommt mit ihm aus irgendeinem Grund zusammen ums Leben. Da sind die Fundmöglichkeiten dan auch weitaus seltener.
          Hoffe, die Erklärung reicht.
          By
          Harry
          Glück Auf!
          Harry

          Nur die Harten kommen in den Garten!
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          Harry hat uns am 4.2.2009
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          • Jäger des feurigen Steins

            #6
            Hallo Peter & Harry,

            "Fotos von den ausgestopften Mammuts"

            Das ist faszinierend!!!! Das man heute noch komplett
            erhaltene Tiere aus der Eiszeit findet!
            Hast du den Film gesehen über diese Russlandexpedition?
            Dort haben sie ein Mammut aus dem Eis freigegraben,
            alles noch dran, Fleisch, Haut, Haar,...

            Es wurde auch von Fällen berichtet, wo Ureinwohner
            Mammutfleisch aufgegessen haben, das müssen
            aber Kotteletts gewesen sein... :


            "...ein Haiartiger einen Hering im Magen hatte"
            genau das war es was ich auch im Sinn hatte

            Viele Grüsse
            Markus

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            • McSchuerf
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              • 31.01.2001
              • 2168
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              • C-Scope

              #7
              Hallo Harry,

              dass mit dem Kupferschiefer und dem Faulschlamm mit Todeszonen ohne Sauerstoff ist natürlich völlig korrekt! Gratulation!

              Zu ergänzen wäre vielleicht nur noch, dass die Raubfische auf der Jagd nach ihrer Beute auch durch seitliche Strudel mit in die Gewässerbereiche der Beutefische gelangt sein sollen...

              Glück auf zu Hauf!

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              • McSchuerf
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                • 31.01.2001
                • 2168
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                #8
                Hallo Markus,

                ich könnte nächsten Samstag auch mal das Fotoalbum von Messel mit nach Ober-Olm bringen oder noch besser - ich versuche mal ein paar meiner Messel- und Darmstadt-Fotos einzuscannen und Dir dann zuzumailen...

                Morgen muss ich aber erst mal auf einen Geburtstag und dann muss ich schauen, wann ich dazu komme...


                Bis dann erst einmal..


                Gruss Peter
                Glück auf zu Hauf!

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                • HarryG († 2009)
                  Moderator

                  Heerführer

                  • 10.12.2000
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                  #9
                  Hallo zusammen
                  Noch mal ein bischen Eigenwerbung.
                  Wer möchte, kann mal auf meiner kleinen Homepage stöbern. Sind auch ein paar Fische aus dem Kupferschiefer drin.
                  Ist nicht proffesionel aber selber gemacht.

                  Finde deine Wunsch-Domain mit nur wenigen Klicks. ✓ Günstige Preise ✓ SSL-Zertifikat & ✓ 100 % deutsche Server bei freenet.de.


                  Viel Spass Harry
                  Glück Auf!
                  Harry

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                  Harry hat uns am 4.2.2009
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                  • Jäger des feurigen Steins

                    #10
                    Hallo Harry,

                    vielen Dank für deinen Link, super Homepage mit
                    gelungenen Bildern!!!!

                    Ich habe dir deswegen noch ein Email geschickt

                    Viele Grüsse
                    Markus

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                    • McSchuerf
                      Banned
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                      #11
                      Hallo Harry,

                      Dein Link funktioniert bei mir leider nicht..oder es liegt momentan am Server.. Ich probiers später nochmal gerne...
                      Glück auf zu Hauf!

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