Der Schatzsucher findet und Schweigt

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  • Juergi

    #1

    Der Schatzsucher findet und Schweigt

    Der Schatzsucher findet - und schweigt

    Im Norden Serbiens, an einem Ort, wo heute provinzielle Langeweile gähnt, lag vor gut anderthalb Jahrtausenden eine der größten Ansiedlungen des Römischen Reiches. Auch eine Münzpresse gehörte zu Sirmium. Einige macht das Gold heute noch reich.Von BORIS KALNOKY Belgrad - Sremska Mitrovica hat 70 000 Einwohner, drei kaputte Fabriken und auf den ersten Blick nichts wirklich Aufregendes an sich. Bei genauerem Hinsehen allerdings entpuppt sich die Stadt im Norden Serbiens als Kulisse für ein Versteckspiel mit vielen Facetten: Schatzsucher suchen nach versteckten Schätzen, die Erfolgreicheren unter ihnen verstecken sich vor weniger geschickten Nacheiferern, alle verstecken sich vor der Polizei, wer etwas findet, versteckt es vor den anderen, und die Antiquitätenmafia versteckt die in Mitrovica aufgekaufte Beute, um sie diskret außer Landes zu bringen. Für die Goldgräber kann es um Hunderttausende Mark gehen, für die Mafia um Millionen, für Serbien um sein kulturelles Erbe. Einst lag hier mit 100 000 Einwohnern eine der größten Ansiedlungen des Römischen Reiches. Sirmium war im vierten Jahrhundert Residenzstadt, von hier aus leiteten Kaiser den immer härteren Abwehrkampf gegen die Barbaren. Um diesen Kampf zu finanzieren, wurde 320 nach Christus in Sirmium eine kaiserliche Münzpresse eingerichtet. Dieses Geld verschafft einigen wenigen bis heute Reichtum. So auch Todor Stojnovic. Zur Arbeit auf dem Feld fährt er mit einem hellblauen Trabant. Den BMW läßt er zu Hause - man will doch bei der Polizei und den Bauern kein Aufsehen erregen. Außerdem, sagt er, sei es im Fall des Falles leichter, einen Trabi aus dem Schlamm zu heben. "Es gibt verschiedene Methoden, gute Plätze zu finden", erklärt Stojnovic, der früher einmal eine Mehlfabrik betrieben hat, weiter. "Am einfachsten ist es, in die Dörfer zu fahren und die Bauern zu fragen, ob sie alte Münzen haben - die finden sie meist beim Pflügen. Man kommt ins Gespräch, sie zeigen ein paar serbische Münzen, Mittelalter, und vielleicht ist eine römische darunter. Dann fragst du, ob du mal sehen könntest, wo derjenige die römische gefunden hat." Der Rest ist Verhandlungssache. Ein Liter Schnaps, dazu verpflichtet sich Todor Stojnovic, die Kosten für das Umpflügen zu übernehmen. Er ist kein Amateur, der mit Eimer und Schaufel arbeitet - er zahlt einem Traktorfahrer 100 Mark am Tag. Mit seinem Vater geht Stoijnovic danach herum, einen Metalldetektor über die Furchen haltend. "Die Geräte zeigen kleinere Stücke nur bis etwa 40, höchstens 70 Zentimeter Tiefe an", sagt er. "Das Pflügen bringt uns 30 Zentimeter extra." Todor Stojnovic' Vater ging vor 20 Jahren noch nach ganz anderen Methoden vor - damals hob man die Goldmünzen einfach auf: "Wenn es geregnet hatte, konnte man vieles finden, weil es dann glänzte." Er hatte freilich keine Ahnung vom wahren Wert der Dinge. Oft brachte er die Fundstücke für einen kargen Finderlohn zum Museum. Erst sein Sohn besorgte sich Kataloge, las über römische Geschichte, kaufte Metalldetektoren. Seit zehn Jahren macht das Familienteam fast nichts anderes mehr, als nach antiken Schätzen zu suchen. In dieser Zeit haben Vater und Sohn 600 000 Mark verdient, ein großes Haus gekauft und in dessen Erdgeschoß den nach einer römischen Goldmünze benannten "Klub Pertinax" eröffnet, eine Kneipe, die zum Treffpunkt der Schatzsucher von Mitrovica und ihrer Kunden wurde. Jedes Wochenende breiten hier rund 50 Verkäufer ihre Funde auf dem Billardtisch aus. Rund 300 Menschen gehen in Mitrovica regelmäßig auf Schatzsuche. Wenn einer etwas wirklich Großes findet, schweigt er, verkauft binnen Stunden an die Mafia ("Du rufst einen von ihnen in Belgrad an, und nach einer Stunde ist er da", sagt Stojnovic) - und schweigt weiter, bis die Ware sicher auß=
    er Landes und vergessen ist. Ein solcher Fund brachte auch das Geld für "Pertinax" ein. Details gibt Todor Stojnovic ungern preis. Nun ja, es brachte mehr als 150 000 oder 200 000 Mark. Nein, es war keine einzelne Münze. Ja, es waren viele Münzen. Gold. Welches Jahrhundert? Keine Antwort. Ein von fliehenden Römern versteckter Schatz? Ja, wahrscheinlich. Die meisten guten Münzfunde sind sogenannte "Sparkrüge"; wenn der Feind nahte, wurden sie vor Jahrhunderten meist einige hundert Meter abseits der Häuser verbuddelt. Hat Todor Stojnovic schon mal daran gedacht, seine Funde dem staatlichen Gewahrsam zu überlassen? "Wenn ich so dumm wäre, die Sachen dem Museum zu geben, würden sie von dort heimlich ins Ausland verkauft", meint er. Archäologen sage er prinzipiell nie Bescheid, selbst über leergegrabene Fundstätten nicht: "In den letzten Jahren haben wir 50 neue entdeckt, darin Fundstücke von Steinzeitwaffen über illyrische Schwerter bis zu keltischen Grabbeigaben. Von den Römern ganz zu schweigen. Die Archäologen haben keine Ahnung. Die kennen höchsten 20 Prozent der Fundstellen." Nach acht Stunden ist Todor Stojnovic' Arbeitstag auf dem Feld beendet. Zu Hause breitet er die Ernte aus - gut 100 Münzen im Wert zwischen 50 Pfennig und 20 Mark, ein paar Kleiderspangen - und ein kleiner Phallus aus Bronze. "Erstes Jahrhundert, die Zeit von Caligula", lautet das fachmännische Urteil. "Man trug sie als Glücksbringer um den Hals." Allzuviel Glück bringt das Fundstück heute allerdings nicht. "Wenn der Ring für die Kette noch dran wäre, könnte man 100 Mark verlangen", sagt Stojnovic. "So ist es nur gerade mal 50 Mark wert."
    (c) Die WELT online
  • Wünmann

    #2
    Irgendwie wirkt die Schatzsuche dort doch sehr nüchtern...

    Hi Jürgen,

    im ersten Augenblick dachte "Geil, das is es.Wann geht der Zug?" Aber ehrlich gesagt, unsere hiesige Schatzsuche ist irgendwie verklärter,romatischer.Zwar nicht soo erfolgreich, aber allein der heiße Kaffee in der Thermoskanne, die Gespräche am Feldesrand und dann der wenige Streß, weil wir nicht davon leben müssen....Mein Gott, so ein Glücksamulett würde mir den Atem verschlagen( Nein, nicht wg. der anregenden Form;-) ), wir alle würden ehrfurchtsvoll davor verharren und die Geschichte würde durch unseren Geist schweben. Hand in Hand mit dem Römer, der ihn verloren hat.Was ist bloß passiert, damals? Und wo ist die Zeitmaschine, die mich nur 2 min. sehen läßt.Was für eine Geschichte hat das gute römische Stück in meiner Hand? All das ist doch unbezahlbar.Vielleicht ist es ja auch ganz gut, daß wir hier lange suchen müssen, bei Wind und Wetter und mit Vaseline im Gesicht.Wobei, Vaseline hat der sibierische Schatzsucher bestimmt auch im Gesicht.

    Also, wenn es nur noch Routine ist, dann verkaufe ich auch noch meinen Detektor bei ebay!! Ehrenwort, ab 1 DM!!!

    Und, ist der Boden heute noch "uneindringbar"?


    Liebe Grüße an Dich und fröhliche Feiertage

    Diane

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    • Juergi

      #3
      Re: Irgendwie wirkt die Schatzsuche dort doch sehr nüchtern...


      Hallo Diane
      Es soll doch auch ein tolles Hobbie bleiben,ohne Stress aber mit viel Spass.
      Gruss Juergi

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      • Geselle

        • 18.11.2000
        • 53
        • Deutschland,Hamburg

        #4
        Hi Leute ,

        ...und wir schreiben seitenlange Beiträge ob man einen vergammelten Römer den man zufällig auf dem Acker gefunden
        hat dem LDA vorlegen (soll) muß oder nicht.
        Aber Ihr habt recht: wenn das Hobby in Arbeit ausartet macht's auch keinen Spass mehr.
        Gut Fund !
        Gratian

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        • Juergi

          #5
          Hallo Gratian
          Das war mit diesem Beitrag beabsichtigt.
          Wir quälen uns um die Gunst der Archis und da werden die Funde Verhökert.
          Gruss Juergi

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