Coitus interruptus: Das vorzeitige Ende einer Recherche

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  • jacobson15
    Ritter


    • 17.06.2007
    • 312
    • Oberbayern

    #1

    Coitus interruptus: Das vorzeitige Ende einer Recherche

    Im Winter 2008/2009 sind wir einer interessanten Spur im Oberland nachgegangen. Das Buch "Preis der Herrlichkeit" von Henriette von Schirach hatte uns schon bei der Suche nach den Weinflaschen des Goldoberst wertvolle Hinweise gegeben. ( http://www.fragen-forschen-finden.de/html/home.html ) Diese versteckten sich allerdings in Nebensätzen oder kurzen Erlebnisbeschreibungen. So auch im vorliegenden Fall.

    Die Frau des Reichsjugendführers Baldur von Schirach schildert ihre Erlebnisse in Kochel am Ende des zweiten Weltkrieges. Eine kurze Episode beschreibt zwei für uns interessante Vorkommnisse. Einmal wird 1943 ein kranker Baum, eine der großen Linden, ausbetoniert. In die Betonplombe wird von Frau Schirach eine Zeitkapsel eingebracht. Darin eine Zeitung, etwas Kleingeld und ein Schmusetier, für uns ein interessantes Zeitdokument. Zum anderen wird die Verbergung eines wertvollen Ringes in einem Gemüsebeet beschrieben, der der Existenzsicherung später dienen sollte.

    Mit ergänzenden Informationen durch einen der renommiertesten Schatzsucher aus der Region sind wir diesen Spuren gefolgt. Ein erster Location Check ergab, dass sich die Situation vor Ort im Laufe der Zeit verändert hat. In der Vergangenheit fanden umfangreiche Bauarbeiten statt. Die Linde wurde gefällt, die Gemüsebeete wurden eingeebnet.

    Nichts zu machen, der Istzustand wird dokumentiert und ad acta gelegt. Drei Wochen später ergab sich aus einem anderen Projekt, "Das versunkene Boot im Kochelsee“, eine unerwartete Querverbindung durch einen Zeitzeugen. Damit lebte die bereits beendete Nachforschung neu auf. Er erzählte: „Die Linde wurde 1954 gefällt und zu Feuerholz gesägt. Äste und Reste wurden den Hang hinab geworfen.“ Ob auch eine Betonplombe dabei war wusste der Zeitzeuge nicht zu benennen. Auch an die Lage der Gemüsebeete erinnerte sich der alte Mann und konnte auf Bildern die Fläche eingrenzen.

    Ergebnisse brachte dann ein weiterer Besuch vor Ort. Der Aussage folgend untersuchten wir den Hang. Dort fanden sich einige Betonreste. Treffer! Um die Lage der Beete zu verifizieren bedienten wir uns der Methodik der so genannten geofloralen Analyse, die durch menschliche Bodenbearbeitung eine veränderte Vegetation entstehen lässt. Wir suchten also nach „Zeigerpflanzen“. Beispielsweise findet man auf bleihaltigen Böden Wiesen-Schaumkresse. Für uns interessant war, dass ehemalige Beetflächen, bedingt durch intensive Bewirtschaftung, eine üppigere Vegetation an Brennnesseln, Huflattich, Disteln usw. aufweisen. Dieser Bewuchs ließ sich in zwei Bereichen nachweisen. Damit waren wir an der Grenze der Vorrecherche angekommen und benötigten für das weitere Vorgehen die Genehmigung der Grundeigentümer. Eine umfangreiche E-Mail von Andy an den Hausherrn, eine politische Fort- und Weiterbildungsakademie, stellte die bisherigen Ergebnisse detailliert dar. Wir baten um eine Suchgenehmigung vor Ort. Leider wurde unser Ersuchen von den Eigentümern mit folgender Begründung abgelehnt:

    „[Der Hausherr] unterstützt im Rahmen [seiner] Aufgabenstellung die wissenschaftliche Erforschung der jüngeren Geschichte. Dazu gehört jedoch nicht die Suche nach Wertgegenständen und Devotionalien aus der Hinterlassenschaft der Nazi-Herrschaft.“

    Damit fand unser Projekt ein zweites Mal sein vorzeitiges Ende.

    Aber auch das gehört zur Schatzsuche. Nicht immer ist es uns möglich Projekte bis zur endgültigen Verifikation der recherchierten Ergebnisse durchzuführen. Doch Situationen verändern sich im Laufe der Zeit. Was heute nicht möglich ist, kann in zwei Jahren machbar sein. Deshalb fassen wir die Ergebnisse zusammen (Ausschnitt siehe http://www.fragen-forschen-finden.de..._projekte.html ) und legen ein offenes Projekt an. Das bedeutet eine jährliche Überprüfung der Situation. Vielleicht ist es in der Zukunft möglich, die bisherigen Ergebnisse zu bestätigen. Wir hoffen das.
  • ghostwriter
    Moderator

    • 24.09.2003
    • 12048
    • Großherzogtum Baden
    • Suchnadeln

    #2
    hmh, ...

    und trotzdem eine richtig klasse sache!!
    vom ende mal abgesehen, macht genau so recherchieren unendlich laune ...
    für das nächste projekt wünsche ich mehr erfolg!!
    nette hp habt ihr da ...

    ich lasse mir nicht in meinem gehirn rumwühlen,
    … ich lasse mir nicht meine kleine show stehlen!?

    dr. koch - "1984"
    😲

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