Granitene Sonnentour

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  • Sir Findalot
    Ratsherr


    • 31.01.2016
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    #1

    Granitene Sonnentour

    Was ein schöner Tag!

    Strahlend blauer Himmel, klare Luft, frei, Frau nicht da: da muaß i naus!
    ...und ein paar Kreuze auf der Landkarte abarbeiten. Schon lange wollt ich mal ein zerfallenes winziges Granithäuschen heimsuchen, dass für den aufmerksamen Autofahrer von der Strasse aus sichtbar ist. Heut nun bin ich hin, aber gar nicht so weit gekommen. Denn auf den Weg durch den Wald zum Objekt lief mir unerwartet ein markantes und zeitintensives ehemaliges Granitabbaugelände übern Weg.

    Zwar machte ich etliche Bilder von den Brüchen, aber auf den Bildern kommt gar nix an Tiefe oder Erkennbarkeit von Mächtigkeiten raus, außerdem standen zuviele Bäume im Weg. Habs also gelassen, hier reinzustellen.



    Flugs die grünende weite Wiese durchmessen, und schon beim Betreten des Waldes, raus aus der blendenden Sonne in die schattige Kühle, fallen einem zahlreiche größere Kuhlen im allgemein durchgewerkt erscheinenden Waldboden auf. Dort wurden wohl bei kleinem Bedarf Granitsteine entnommen. Man stösst bald folgend auf völlig verwachsene Aufschüttungen von Abraum, von relativ kleinen bis beeindruckenderen Dimensionen. Einige Ablagerungen, die aus gerade noch tragbaren Granitbrocken bestehen, wurden ganz offensichtlich sorgsam aufgeschichtet. Ob zum Ablagern oder Abholen, wer weiß. Nach weiterem munteren Dahinmarschieren steht man plötzlich, mitten in der Abgeschiedenheit, vor der Kante tiefer künstlicher Geländeeinschnitte aus längst vergangen Tagen des örtlichen Granitabbaus. Zwei gibt’s davon an dem Hügel.

    Neben einem wahrscheinlichen Abtransportweg lag ein überwucherter 5Meter-Graniteumel, wahrscheinlich ein liegengebliebender Sturz. Mein erster Gedanke galt aber den ebenfalls vergleichbar liegengelassenen oder vergessenen Stelen- und Bildhaurohlingen in diversen Brüchen auf den Osterinseln oder den Kalkbrüchen in Ägypten. Was die können, kann der Oberpfälzer locker auch.

    Die Granitbrüche sind nicht besonders groß, kein Vergleich zu modernen Brüchen. Aber dafür im Verhältnis recht markant und tief, und heute die reinsten tiefgründig-grünen Mutter-Erde-Schosse mit senkrechten und überhängenden Wänden, und die aufgrund des Fehlens (fast) von Modernmüll wohl keiner mehr frequentiert.

    Man kann sich die Grundfläche wie einen Bocksbeutel von der Seite vorstellen: in den Hügel wurde ein „Weg“ (Flaschenhals) waagerecht Richtung Hügelspitze hergestellt, und dann begonnen, das massivere Gestein abzubauen (Flaschenkörper). Das Material steht zu einem guten Anteil als richtig schön in verwendbarer Fast-Quader-Form an und ließ sich wohl durch „einfaches“ Abstemmen oder Spalten gewinnen. Hätt ich meinen Prospektierhammer in eine der Spalten getrieben und mal kurz gedreht, es hätt sich schon was bewegt.

    In einem Bruch war die unterste Abbaukante sehr schön zu sehen und dadurch gut ein oder der Grund erkennbar, weshalb der Bruch aufgegeben wurde: der Stein begann zu massiv zu werden und ohne Sprengen war da kein Weiterkommen.

    Aus den unformatierten Blöcken wurden, so vermute ich, die profanen Bauwerke für die umliegenden Bauernhöfe erstellt. Mancher noch erhaltene inaktive Viehstall hat zum Beispiel massive Boxentrennplatten aus Granit, daneben noch anzutreffen die typischen ausgehauenen Granittröge (die heute als vintage-Krempel in geschmacklosen Zuvielgeld-Gärten missbraucht werden) und Gartensäulen aus Granit in variierenden Herstellungsqualitäten usw. . Auch in industrieller Richtung wurden wohl Pflastersteine per Pferdefuhrwerke zum nächsten Bahnhof verbracht.

    Die Arbeit dort muss wohl nicht ungefährlich gewesen sein. Die hohen und praktisch senkrechten Granitwände waren für die Arbeiter denkbar kritische Erschlagquellen. Rein gefühlsmäßig würde ich schätzen, dass vielleicht 3 Mann aktiv am Stein gewerkt haben. Bis zur nächsten Wand ists nicht weit, das Ganze war/ist also recht beengter Fluchtraum. Dazu noch Fuhrwerke, Pferde, adieu Arbeitsschutz und hohes Lebensalter.

    Heut stehen auf den ehemaligen Arealen der schwitzenden Körperruinierungen dicke Bäume, und praktisch alles, herabgestürztes Totholz und Gestein, ist mit grünem Gemoose zugedeckt. Sieht sehr hübsch aus, aber erheblich abrutschig trotz kralliger Stiefel. Aber dank perfekter gazelliger Körperbeherrschung kein Problem

    Sichtbare metallene Reste der ehemaligen Abbautechnik gibt’s nicht viele: eine erst aus der Nähe erkennbare Schiene, und so etwas wie eine Lore, total zerwerkt. Auf dem Bild nicht erkennbar: der Behälter war per Achse kippbar.

    Als kleine Dreingabe der gütigen Suchergöttin an die verdienten und netten Sir Findalots dieser Welt gabs dort noch einen hübschen Fundkomplex anderer Art und einen weiteren in der Nähe.

    Zum ersten:
    Auch Oberpfälzer sind ab und an Schweine und kippen Zeug ins nächste Loch. Manche Sachen platziert man dabei lieber in abgelegenere Löcher wie diesen Brüchen.

    Das Durcheinander an Teilen ist mit wagemutigem Kraxelaufwand erreichbar in der Mitte der Bruchwand liegengeblieben. Die Bemoosung und Gammelgrad ließ auf einen länger zurückliegenden Tatzeitraum schließen. Das Bild, balancierend gemacht nach meiner Wühlerei, gibt die Steilheit und Abrutschigkeit des Ganzen nicht gut wieder. Erhebliche Zeit davor muss schon anderes dort versenkt worden sein, da unter den dicht herumliegenden Granitbrocken am Fuss der Wand Metall lokalisierbar ist. Aber da kommt man beim besten Willen und Buckel nicht weiter dran.

    (Fortsetzung folgt)







    Zum Schluss noch mein obligater Lobgesang auf die prinzipielle riesige Freude am Umherstreifen, besonders an diesem Tage. Eine entspannte Anfahrt mit offenem Fenster und Schiebedach bei DER Sonne, umrahmt mit James Brown Remixe, das Bereitmachen vor Ort für die Marschtour, das Wirkenlassen des Geländes und Richtungsentscheidung, was wirds wiedeer für Auge und Nase geben und die teilweise weiten Ausblicke in die derzeit rauh erscheinende Oberpfälzer Landschaft. Wenn dann noch der ältere Körper sehr gut voranschnürt, scheut man sich nicht, die ganze Zeit über einen geeigneten Liedtext (siehe meine Signatur) vor sich hin zu brummen oder zu pfeifen. Gern hätte ich heut dort auch jemanden angetroffen und in ein gschmackiges Gespräch verwickelt, aber meist ist ganz tote Hose und die Gutgelaunten scheinen eh am Aussterben zu sein. War an dem Tag so unverschämt gut drauf, ich hätt mich fast selber zammapackt. Meine Frau freute um so mehr


    (Das letzte Bild: kann wer die verwerkte Lore erkennen?)
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  • Deistergeist
    Moderator

    • 24.11.2002
    • 19522
    • Barsinghausen am Deister

    #2



    Was sind das denn für Kisten? Vom Himmel gefallen ja eher nicht...
    "The Man Who Saved the World" -S. J. Petrow-

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    • Sir Findalot
      Ratsherr


      • 31.01.2016
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      #3
      Den toten Käferkumpel hab ich fast vergessen: ist auf dem einzigen findbaren Stück Quarz hockend dahingegangen!
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      • Sir Findalot
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        #4
        Gemach, Deistergeist.
        Es heisst ja nicht umsonst: Fortsetzung folgt.

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        • Sir Findalot
          Ratsherr


          • 31.01.2016
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          #5
          Der Bretterhaufen zog natürlich meine gesteigerte Aufmerksamkeit auf sich.

          Beim kraxelnden Näherkommen war als erstes Weißes auffallend, das sich als kinderfaustgroße porzellanene Isolatoren entpuppte. Beim weiteren vorsichtigem Herumkruschen in ständiger hangabtriebiger Situation und glitschig-zerfallendem Holz kamen zahlreiche Reste von Natursteinschleifscheiben, von klein bis recht groß, in die Hände.

          Schaderweise war nur eine ganz, und die hab ich natürlich mitgenommen (Belgische Brocken sind nicht leicht zu bekommen). Alles schön durchsetzt mit öligen und daher erhaltenen bedrucktem Papier. Teilweise lesbar: Schweinepreise und Markttermine, Gebrauchsanleitungen und Blankovordrucke. Einige Holzkonstruktionen, oder besser was davon die Zeit übrigließ, dienten wohl zur Aufnahme der Schleifscheiben. Auf manchen Kistenresten gabs Aufdrucke: Franck Schutzmarke + Grafik (welche eine Kaffeemühle darstellt) steht für einen Mühlenbetrieb.
          Auf sampor.de ist eine vollständige Frachtkiste zu bewundern.
          Ein weiteres Kistenfragment zeigte einen undefinierbaren Buchstaben-Jahreszahlaufdruck, den ich nicht zuzuordnen vermag. Diese sozusagen erste Müllschicht bestand aus schwervermutend Resten einer Feldschmiede. Eine solche gabs laut Recherche in der Nähe, die bereits in den fünfzigern aufgelassen wurde.
          Unter dem Ganzen und einer Geröllschicht ginge es weiter, aber entgegen der Annahme, dass sich so Zeug stabil über die Jahre gesetzt hätte, ist das Gegenteil der Fall. Ziemliche Granitbrocken, gelockert von einem herauswachsendem Baum, möchten nur allzugerne und im Verband abwärts gleiten. Für alleine keine weitere Suchaktion.

          Als kleines Bonbon für unseren Garten hab ich in Würdigung vergangener mühsamer Handwerkskunst ein tragbares, fast unter dem Bewuchs untergegangenes Granitelement adoptiert.

          Ich hoffe, mit meiner längeren Schilderung einigen Bettlägerigen und Fussfaulen genügend "Mitgeherleben" vermittelt zu haben und vielleicht gibts mal einen kleinen Zusatzberischt.
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