Irrfahrt, Teil 1, Roman

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  • diverhans
    Ridderkreuzträger &
    Ritter


    • 03.11.2005
    • 443
    • BW

    #1

    Irrfahrt, Teil 1, Roman

    Irrfahrt


    Wie immer soll es gleich nach der Arbeit losgehen. 18.00 Uhr ist Dienstschluss, und es wird sofort nach Hause gehetzt. Gott sei Dank hatte ich den Bus tags zuvor schon mit dem Überwiegenden beladen. Die schweren Tauchflaschen sind an Bord, nur die persönlichen Sachen und das Futter müssen noch sinnvoll gepackt werden.
    Die Kopfschmerzen der vergangenen Woche sind auf ein erträgliches Maß reduziert. Den Donnerstag habe ich mit allerlei medizinischen Untersuchungen verbracht. Ab in die Röhre – etwa Hirnblutungen? Arbeiten war allein zeitlich begründet nicht möglich; der Chef hatte Verständnis geäußert, obwohl es ihm natürlich nicht in seinen Besetzungsplan passte.
    Es ist das Pfingstwochenende und wir müssen mit Chaos auf den Strassen rechnen. Die Katastrophe wäre eine Reise in den Norden – zu Mutti, doch das wollen wir nicht. Wir werden Port Vendres anfahren, über Cavalaire sur mer – den dort liegenden Tauchdampfer abholen vom letzten Wochenende – und in diese Richtung sollte sich das Verkehrsaufkommen vertretbar gestalten.
    Vor Lindau auf der B96 der erste Stau vor der Stahlbrücke. Wie immer klappt das legendäre Reisverschlusssystem nicht.
    Die ersten grenznahen Tankstellen in Österreich sind proppevoll. Die Eine im Hinterland, kurz vor der Schweizer Grenze nehmen wir. Dieselkraftstoff ist in „Ö“ günstiger als in der Schweiz.
    Meine Freundin ermahnt mich nun auf der Schweizer Autobahn, ich solle an unser beschränktes Reisebudget denken und mich an die Geschwindigkeitsvorgaben halten. Dann schließt sie genüsslich ihre Äuglein und schlummert auf der bequemen ledernen hinteren Sitzbank ein und überlässt mir die Sache mit dem Gaspedal und dem Lenkrad. Madonna dudelt wiederholt im Radio. Ist auch kein Wunder, denn die CD fängt von vorne an. Gut, dass in dem neuen Bus ein CD-Wechsler integriert ist, jetzt läuft Faithless. Die hinteren Lautsprecherboxen sind über den Fader auf stumm gestellt, so war es meiner Freundin`s Wunsch und das ist bekanntlich Befehl.
    Ich denke an die bevorstehenden Abenteuer und so verrinnt die Zeit am Ruder. Bergauf zeige ich den Schweizern, dass ich trotz schwer beladenem Bus doch die bessere Power habe.
    Meine Freundin schläft tief und fest und bekommt von der Aaserei mit dem teueren Kraftstoff nichts mit. Ich freue mich einfach darüber, nicht am falschen Ende gespart zu haben, denn Leistung ist nur durch noch mehr Leistung zu ersetzen. Das gilt bei der Arbeit ebenso wie bei der Motorisierung; Hubraum statt Spoiler!
    An der Grenze zu Italien muss ich aufpassen, dass mich die drängelnde Bande - nun auf der linken Spur - nicht schneidet. Megastau! Noch ein Stau an der ersten Italienischen Mautstation, dann läuft`s sauber. Jetzt - an der Französischen Grenze angekommen – kann ich nicht mehr; ich bin müde und erledigt. Auch ein dritter Cappuccino und ein Red Bull vermögen mich nicht aufzumuntern, soll doch der Red Bull zumindest Flügel verleihen. So könnte ich mich deutlich schneller und effizienter Fortbewegen. Aber nein – nichts der Gleichen! Bei Tempo 130 ist Schluss; der Windwiderstand fließt eben nun einmal quadratisch ein. Selbst die prasselnden Regentropfen wecken sie nicht auf – meine Kleine. Sie schläft den Schlaf der Gerechten und ich kann nicht mehr. Liebevoll aber schweren Herzens wecke ich sie auf und bereitwillig löst sie mich ab.

    Punkt siebe Uhr sind wir nach genau 8h und 45 Minuten am Hafen von Cavalaire. Der Himmel ist Wolken verhangen, und ein leichtes Lüftchen weht. Der Trailer steht wie abgestellt und das Boot dümpelt vor sich hin. Wir sind mehr als beruhigt; Zeit, um noch etwas im Bus die Augen ohne Motorenlärm und ohne an die Seitenwände während der Kurvenfahrt zu rutschen zu schließen. Doch schlafe ich unruhig – die bevorstehenden Tauchgängen lassen mich zum einen bezüglich der Erwartungen nicht los und zum anderen wegen der Kopfschmerzen. Ich weiß nicht, ob ich nach dem Auftauchen „wieder sterben muss“ und das lässt mir keine Ruhe. Sollte es jetzt schon mit dem Tauchen grundsätzlich vorbei sein?
    Um elf Uhr am Vormittag bin ich halbwegs Herr meiner Sinne und wir bereiten alles für einen Checktauchgang vor.
    Der Wind ist leicht und die See etwas kabbelig. Von der Sonne ist heute nun nichts zu sehen. Macht aber nichts, es sind recht gute Tauchbedingungen und dieses sollten genutzt werden. Die Rödelei ist umfangreich wie immer und geht uns gehörig auf den Sack – auch wie immer. Das Leben könnte so einfach sein; eben in eine Tauchbasis einloggen, Kohle abdrücken, Mono-15er schultern und abtauchen. Das hatten wir schon und wollen es aber nicht mehr. Alles Gute ist eben nie beisammen, doch wissen wir wofür es ist.
    „Lass uns an die „Prophete“ gehen, das Wetter ist gut und Graben möchte ich auch.“ Schlage ich meiner Freundin vor. Sie sagt nichts, schaut nur in die grauen Wolken und abwechselnd auf die aufgewühlte See. Wir passieren das Cap Lardier und die Welle vom Vortag peitscht uns heftig entgegen. Keine Schaumkämme, denn es ist kein Wind, aber eine lange Dünung.
    „Ich weiß nicht, ob ich da wieder ins Boot komme ... bei der Welle. Und außerdem sage ich dir das lieber jetzt und bevor du den Anker ausgebracht hast.“ Höre ich meine Freundin kleinlaut sagen. Etwas mürrisch lege ich das Ruder und drehe ab. Ist es letztendlich doch egal wo wir den Checkdive machen, solange es ein Wrack und kein Felsen ist. Alternativ bleibt nur die „Espingole“, sie liegt in knapp 40 Metern und zudem in der Bucht. Hier war vorhin die Welle angenehmer.
    Schnell ist die Position angefahren und das Wrack gefunden. Ein kleiner weißer Plastikkanister ziert die Stelle – ein Ausbringen der Markierungsboje ist also nicht erforderlich. Die Windrichtung ist schnell gepeilt und 70 Meter Ankerleine umgehend gesteckt. Das Boot dreht sich langsam in den Wind und meine überschlägliche Berechnung stimmt; wir liegen nun genau neben dem Kanister.
    Auf Lampen, Fotoapparat und anderes Gedöns wird schlichtweg verzichtet; einfach nur abtauchen und das Meer genießen und schauen, ob die Ausrüstung und letztendlich das Wohlbefinden passen.
    Der Tauchgang gestaltet sich recht kurz. In meinem Halbtrocki friere ich bei 15°C Wassertemperatur in 40 Metern Tiefe doch recht schnell. Nach nur 15 Minuten Grundzeit möchte ich austauchen. Meinen Fund des Tages hatte ich mir bereits nach nur 2 Minuten Tauchzeit an die Wade gesteckt: Bei der Ankunft am Wrack sah ich sofort den gelben Griff eines in der Ferne am Meeresgrund liegenden, wohl von einem Taucher verlorenen Messers; ein nagelneues Coltri Sub Messer der größeren Bauart. Gut 70 Euronen – immerhin!
    Das Oberflächenwasser ist mit nahezu 21°C angenehm warm, ich möchte nun am liebsten wieder abtauchen...

    Nachmittags im Hafen dösen wir noch an Bord, ich schlafe alsbald ein und werde mit duftendem Kaffee und Baguette mit Nuss-Nougat-Creme geweckt. Boot reinigen, Fische füttern, Unterwasserkamera zusammenbauen für den morgigen Tag, Bericht schreiben, Gläschen Sekt zur Nachtruhe und ab in die Heia, denn morgen möchten wir Aufnahmen vom Vorschiff der „Togo“ machen. Mal sehen, was der Tag bringen wird!

    Es ist heute am Sonntag, den 27.05.2007 geplant, ganz früh – in aller Herrgott Frühe aufzustehen, um zum Vorschiff der „Togo“ abzutauchen. Um halb Acht letztendlich öffnet sich zum ersten Mal die Bus-Schiebetür. Es war einfach zu muschlig und kuschlig und viel zu gemütlich in dem noch frisch duftenden Schlafsack. Ich bin irgendwie einfach nicht ausgeschlafen. Noch ist absolute Flaute ... draußen. Es wird sich aber in den nächsten Minuten schlagartig ändern. Für heute ist Mistral angesagt und das nicht zu knapp – in Böen bis 8 Windstärken. Wir sollten schon längst draußen sein – verdammt. Diese ewige Bequemlichkeit und dann sich darüber aufregen wenn man deutlich zu spät am Spot ist.
    Und wir sind deutlich zu spät am Spot; der Mistral bläst nun aus vollen Zügen und die Welle beginnt sich von Minute zu Minute mehr aufzubauen. Alles ist vorgerödelt und die Trockis bereits angezogen. Die weiße Markierungsboje tanzt lustig auf den Wellen. Dieser Spot wird von den örtlichen Basen recht häufig angefahren und ist markiert. Allerdings wage ich es nicht, mein Boot daran zu vertäuen; die Verankerung könnte reißen. Ich greife auf mein Ankergeschirr zurück: Windrichtung, Boot und weiße Boje müssen eine Linie bilden. Gut 80 Meter Leine sind gesteckt und das Boot treibt nun mit dem Heck genau auf die Boje zu. Einige wenige Meter werden eingeholt und jetzt stimmt`s auch mit dem Abstand.
    Meine Freundin taucht D10, ich D12. Wir nehmen die Kamera mit dem 14/54 mm Objektiv und Blitz mit runter.
    Die Abstiegsleine ist am Aufbau nahe der Bruchkante befestigt – das weiß ich und so ist es auch. Die Sicht ist vertretbar und könnte das ein oder andere brauchbare Foto hervorbringen. Nur war meine Freundin schon lange nicht mehr an der „Togo“, hoffentlich geht alles glatt.
    Wir wollen nicht zu tief gehen; die oberen Aufbauten sind bei etwa 48 Metern angesiedelt, und das sollte als „Foto-Togo-Einstiegstauchgang“ genügen. Ich plane den Tauchgang rein für Fotozwecke und werde Penetrationen und Seitensprünge vermeiden. So wird sich meine Freundin recht sicher fühlen und von dem Tauchgang profitieren können.
    Nach dem Blick auf die angezeigte Temperatur fühle ich mich deutlich wohler in meinem Trocki; es sind hier unten nur etwa 13°C.
    Alles ist wie immer; totenstille und wir sind alleine mit dem großen Wrack, dem tiefblauen Meer, den mystischen Bewuchs und den zahlreichen kleinen und großen Fischen. Meine Freundin zeigt sich begeistert, hat sie den Dampfer doch rein gar nicht mehr in Erinnerung. Sie weiß nicht, was sie zu erst fotografieren soll und aus welcher Entfernung und mit oder ohne Blitz. Ich schaue ihr diskret zu und freue mich für sie...
    Meine veranschlagten 14 Minuten Grundzeit sind auf der Uhr angebildet, Zeit zum Auftauchen in Anbetracht der Wetterlage und physischen Gegebenheiten – der Anker ist auch noch zu bergen.
    Die Deko gestaltet sich kurzweilig. Zum einen werde ich permanent geknipst und zum anderen höre ich Schraubengeräusche. Ein Doppelschraubendampfen hält sich scheinbar nicht an unser Alpha-Signal; ich sehe ihn ganz klar über mir Kreise ziehen. Dann machen sich drei dunkle Gestalten an der Boje zu schaffen. So; jetzt klaun `se unser Boot!
    Nein es ist die Tekki-Schule. Die drei dunklen Gestalten entpuppen sich als Tekk-Taucher-Lehrlinge mit ihrem Meister. Sie zerren an der Leine, kommen nicht runter, haben eine Mono-15er – Kanne auf dem Rücken und dazu nur eine Stage an der Seite. Der Meister taucht Doppelgerät. Oh je, gleich werden die Truppen über unsere Birnen entlang dem Abstiegsseil poltern und mir und meine Freundin Regler und Maske von der Fresse treten! Schnell tariere ich mich waagerecht bäuchlings aus, um dem Schlimmsten zu entgehen.
    Na ja, die scheinen recht gut geschult zu sein und tauchen neben dem Seil ab. Hübsch – wie ihre Blasen Richtung Oberfläche tollpatschig tanzen ... anfangs sind sie recht groß, später dann fein zerteilt wie Schrot. Hoffentlich geht es den Tekkis nicht ebenso.
    Das Blau des geliebten Meeres ist leuchtend-prächtig wie sonst auch. Die Sonnenstrahlen glitzern durch das Wasser und oben tobt die See mittlerweile. Ich kann unser Boot kämpfen sehen – das Ankergeschirr hält, Gott sei Dank.
    Etwas später kommen noch drei weitere Tekkis von oben und dann noch einmal zwei. Es muss ein Glas von der wilden See zerschlagen worden sein...
    Bevor wir austauchen, kommen die anderen ersten drei schon wieder hoch. Und ich schäme mich innerlich wegen der peinlichen 14 Minuten Grundzeit – warum eigentlich? Aber vielleicht habe ich ja so rumgemulmt – da unten – dass die Tekkis ihr Training wegen mangelnder Sicht abbrechen mussten. Wer weiß?
    ..man kann nicht alle Wracks dieser Welt betauchen, aber .. man kann`s versuchen!
  • diverhans
    Ridderkreuzträger &
    Ritter


    • 03.11.2005
    • 443
    • BW

    #2
    Die drei Meter zwischen Markierungsboje und Hühnerleiter des Bootes sind schnell überwunden. Doch kriege ich gleich eins in die Fresse – die Welle hat sich ordentlich aufgebaut und das Boot schlägt nach recht und links, nach oben und unten aus. Schnell aus der Weste und schnell der Freundin helfen; erst die Fotoausrüstung, dann sie. Alles geht gut, nur hat sich der Anker verhakt. Der Meeresboden ist mit Wrackteilen gespickt und diesmal haben wir wohl Pech; der Kampf beginnt!
    „Soo-nü-Scheißää-hia! Für jeden Mist wird Kohle ausgegeben, doch füa nü ordentliche Ankerwinde ist scheinbar nix da! Scheißää hia!“ mein Überdruckventil öffnet gerade und bläst ab. Gut so, denn alles andere gibt im Alter Magengeschwüre! Natürlich habe ich den Anker weit genug entfernt vom Wrack ausgebracht, aber irgendwie hat er sich verhakt. Außer dem Trümmerfeld ist hier unten nur Sandboden.
    „Einkuppeln man! Voraus ... daa lang! Anker losbrechen, der sitz fest!“ gebe ich Befehl an den Steuerstand. Alles wird prompt und zu meiner Zufriedenheit ausgeführt. Meine Freundin macht sich in solchen Situationen besser am Steuerstand und ich mich besser bei der Männerarbeit. Doch möchte ich manchmal tauschen, und heute ist so ein Tag.
    „Soll ich ein par Meter einholen?“ fragt liebevoll meine Kleine.
    „Damit ich dich auch noch und gleich zusammen mit Anker, V4A-Kettenvorfach, Bleileine und Ankertau bergen kann? Nee, lass man! Dich Fliegengewicht mit den dünnen Ärmchen holt sich die See in Null-Komma-Nichts zum Frühstück! Bleib du man am Ruder und halte Kurs!“ lautet meine barsche aber korrekte Antwort.
    Den Kampf kann ich wieder einmal für mich entscheiden, der Anker ist losgebrochen und vom Hindernis frei. Jetzt sind „nur noch“ knapp 60 Meter senkrechtes Geschirr einzuholen. Ich warte bis die Welle den Bug hebt und hole in der anschließenden Talfahrt des Vorschiffes einige Meter Leine ein. Das spart zumindest etwas an Kraft, dauert aber länger.
    Zurück fährt meine Freundin einen leichten Leebogen. Sie hat schon eine Menge an Seemannschaft gelernt! Ich bin beeindruckt.

    Mittagspause, dann fertig machen zum flachen Wiederholungstauchgang an der „Ramon Meumbru“. Ein anderer Spot ist bei dieser See nicht mehr möglich.
    Meine Freundin steckt nun zum ersten Mal das Fisheye auf. Wir wollen Unterschiede definieren.
    Der Tauchgang an sich gestaltet sich recht langweilig; ein flaches Wrack eben, welches stark zerstört und mehrfach umgegraben ist. Zudem herrscht schlechte Sicht.

    Wir verabreden uns mit unserer altbekannten Truppe zum Flaschenfüllen. Wer nicht kommt ist die altbekannte Truppe. Meine Freundin sieht den Transporter in der Parallelstraße vorbeirauschen. Schnell hinterher. Doch der ist weg! Wen wir an der Füllstation der <Epperlan> treffen ist nicht Mamor oder seine Truppen, sondern das Zicklein und diesmal sogar ohne Sonnenbrille aber mit riesigen Ohrenschützern! Was macht den die Konkurrenz hier ... in Marmors Laden?

    Es ist wie ich es vor geschlagenen zwei Jahren bereits festgestellt habe: Zicklein sieht mit Sonnenbrille deutlich besser aus als ohne! Ihre Krähenfüße haben auch zugenommen. Aber; sie lächelt - immerhin! Ich lache auch - mich jedoch innerlich tot, denn ohne Sonnenbrille sehe ich nun, dass Zicklein eigentlich keine „Farbige“ ist: Die gebremsten UV-Strahlen haben aus Gnatz zwei riesige weiße Flecken um die Augen hinterlassen. Sie wirkt heute etwas schüchtern – liegt vielleicht daran, dass wir sie nicht stolz hinter dem Pult des Siebenfünfzigers sehen, sondern mit ölverschmierten Handschuhen ... und ohne Sonnenbrille eben!
    Schnell ist die Sachlage geklärt und als Zicklein sich meine kürzlich erst erworbene neue gebrauchte 12er etwas näher anschaut, reiche ich ihr schnell einen „Picolo Sekt“ im Geschenkkarton um vom letzten Tüv, welcher die Jahreszahl 1998 deutlich ausweist abzulenken. 20 Minuten später sind alle acht Flaschen gefüllt. Nun hat sich auch Alman dazu gesellt – wohl um nach dem Rechten zu sehen oder Zicklein auch mal ohne schwarze Brille zu Gemüte zu führen. Alman erkennt uns sogleich wieder. Im Smalltalk erklären wir ihm, dass wir morgen Vormittag nach Port Vendres aufbrechen wollen. Auf sein Warum hin, hole ich schnell die entsprechende Seekarte aus dem Bus und erkläre ihm unser Vorhaben. Es ändert nicht daran, dass wir glatt 50 Euro für das Flaschenfüllen berappen müssen. Es sei teurer, da ihre eigene Füllstation defekt ist und sie das hier zeitweise gemietet haben. Sauer bin ich trotzdem etwas – das unter „Bekannten“. Beide schämen sich nun – nachdem ich in norddeutscher Manier tacheles Gesprochen haben. Ich reiche den Fuchs rüber, beide versprechen einen guten Preis bei der nächsten Füllaktion. Damit ist die Welt gefriedet.
    ..man kann nicht alle Wracks dieser Welt betauchen, aber .. man kann`s versuchen!

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    • diverhans
      Ridderkreuzträger &
      Ritter


      • 03.11.2005
      • 443
      • BW

      #3
      Montag:
      Erst um 9.00 Uhr stehen wir auf, es stürmt und es ist für heute die Weiterreise nach Port Vendres geplant. Wir haben uns vorgenommen spätestens um 12.00 Uhr alles fertig zu haben und abzureisen aus dem schönen aber stürmischen Cavalaire sur mer.
      Die Slipanlage ist von einem größerem Trailer an der Wind zugewandten Seite belegt, wir müssen warte, Zeit fürs Frühstück. Meine Freundin nimmt wie sonst auch den Cityroller und holt Baguette.
      Es dauert und dauert, bis das große Boot aufgeladen ist. Ein anderer – ebenfalls in Warteposition – holt auch noch seinen Dampfer aus dem Bach, dann sind wir endlich dran. Das Ablegemanöver vom Bootssteg gestaltet sich bei dem starken auflandigen Wind für mich recht schwierig. Das Rib hat keinen Kiel. Eine leichte Kollision mit einem neben uns liegenden Segler lässt sich nicht vermeiden. Gut, dass unser Boot an sich ein Fänder ist. Doch muss ich aufpassen, dass unsere Schraube nicht in die flach verlaufende Muringkette gerät.
      12.30 ist alles Verladen und reisefertig. Wir haben gut 450 km zu fahren.

      Die Strecke ist recht frei, auch das Stück Autobahn vor Spanien. Dennoch sind wir in Port Vendres erst gegen 18.00 Uhr. Sturm.
      Eine Slipanlage finden wir nicht. Es bleibt nichts anderes übrig, als die umliegenden Ortschaften mit Hafen nach einer solchen abzusuchen. Die Slipanlage, welche in Port Vendres verzeichnet ist, stellt sich als ein Strandabschnitt mit einer schräg ins Wasser verlaufenden, faulen Holzplatte dar.
      Collioure bietet ebenso nichts. Nur in Banyuls finden wir hinter einer Schranke eine geeignete Anlage. Doch unser Boot steht abgehängt in Argelès Port. Wir kehren zurück und schauen hier noch einmal nach. Nur ein Kran ist offensichtlich und das wird teuer! Abendbrot.

      Es ist noch Zeit und auch noch hell draußen. Trotz der Fahrt bin ich zum Schlafengehen noch nicht bereit. Wir beschließen, das Boot abgehängt zu lassen und rüber nach Spanien zu Fahren. Der Tank vom Van ist leer und die Kraftstoffpreisdifferenz ist verlockend, zudem die herrliche Aussicht auf das sturmgepeitschte Mittelmeer – Windstärke 9 in Böen 10!
      Die grenznahe Tanke oben auf dem Pass ist natürlich schon geschlossen – was für eine dumme Idee, um 21.30 Uhr eine Tanke auf einem Bergpass anzufahren. In Llancà ist eine große Tankstelle geöffnet. Der Rüssel steckt noch, da geht das Licht aus – Punkt 22.00 Uhr. In der Hoffnung, dass der Mann nun alles zu hat möchte ich losfahren – ohne zu bezahlen. Schließlich ist das Licht aus. Brüllend kommt er aus seiner Butze hervorgesprungen und ich bin etwas über 70 Euro los.
      Zurück geht es über den nächtlichen Pass. Der Sturm tobt, die See ist weis vor Wut, der Mond stellt sich nahezu kreisrund dar und lässt das weite Meer hell erleuchten. Ein Frachter liegt regungslos weit draußen – scheinbar vor Anker; er ist hell erleuchtet. Ob er ein Problem hat, gar in Begriff zu sinken ist? Das grelle Licht des Frachters könnte sich doch für den Laien als ein Passagierdampfer darstellen – aber es ist ein Frachter! Er sollte abgeblendet sei, britische U-Boote sind hier gemeldet worden und treiben ihr Unwesen. Die Frachter „Alice Robert“ und „Astrèe“ sind ihnen schon zum Opfer gefallen…
      Ich sehe dunkle Gestalten am Straßenrand stehen. Beim Näher kommen höre ich lautes Grölen. Sie öffnen ihren Hosenladen und pissen auf unseren Wagen.
      „So eine Saubande!“ Ruft meine Freundin.
      „Das nennt sich Sprengwagen, Kleines! Leute von unserem Boot, sieh doch!“ Grinse ich zurück. Ich lehne mich zufrieden in meinen bequemen Sitz zurück, richte mein Ridderkreuz am Hals und die Kaleu-Mütze; Zeit, dass wir hier mal aufräumen – sind meine Gedanken.
      „Bei den Angelsachsen klappt der Nachschub besser! Die haben einige Boote in der See stehen. Unsere kommen bei Gibraltar nicht durch.“ Erwähne ich abschließend.
      Ich halte in einer dem Meer zugewandten Kehre an, steige aus und bei einer Zigarette verharre ich stumm mit Blick auf die See. Hier bin ich Mensch, hier möchte ich sein. Und ich bin hier – wenn auch nur für kurze Zeit. Morgen soll das Wetter besser werden. Ob es für eine Ausfahrt gut genug sein wird? Ich muss heute Abend noch einmal zur Capitainerie und mir den ausgehängten Wetterbericht ansehen. Meine Gedanken sind nun wieder ganz bei ihr – bei meiner geliebten See. Der Blick ist phantastisch – die Luft klar. Südlich blinkt das Leuchtfeuer 2mal kurz, nördlich 3mal kurz. Ich träume kurz davon, hier eines Tages eine eigene Hütte zu haben; entweder um mich zurückzuziehen oder vielleicht doch noch eine kleine Pension mit ausgewählten Wrackausfahrten zu betreiben. Letztendlich ist der Ort dieses zu verwirklichen Traumes fast egal; nur muss er am Mittelmeer sein und es sollte Wracks geben – aus der alten Zeit!
      Meine Freundin wird nun müde und ich wollte doch noch den aktuellen Wetterbericht einholen. Wir fahren weiter. Nicht sehr weit, dann steige ich erneut aus unter dem Vorwand Pinkeln zu müssen. Das Pinkeln ist schnell erledigt, der Blick auf die schwarze See nicht…

      Der Wetterbericht verheißt Besserung, statt einer 9 ist für morgen eine 7 bis 8 angesagt. Verdammt! Ein weiterer Tag des Wartens. Ich fahre hier nicht unverrichteter Dinge wieder weg!
      Drei Tage kommt der Mistral, drei Tage bleibt er und drei Tage geht er, bis er alsbald zurückkommt um die See erneut aufzuwühlen. Nicht wirklich etwas für Taucher mit einem kleinen Gummiboot...

      *** Ende Teil 1


      Rechtlicher Hinweis:

      Dieser Roman - auch in Teilen - ist urheberrechtlich geschützt! Die
      Tauchgänge haben in der Realität so nie stattgefunden. Keine Haftung aus
      Nachahmung! Es wurden keine Gegenstände aus dem Meer/Wracks geborgen. Die Personen, die Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig.

      Tauchen ist grundsätzlich lebensgefährlich!


      (c) Rene Heese 2007
      ..man kann nicht alle Wracks dieser Welt betauchen, aber .. man kann`s versuchen!

      Kommentar

      • Dirk.R.
        Heerführer


        • 25.12.2004
        • 6906
        • Dorf

        #4
        supi

        bin , befriedigt !

        Kommentar

        • Deistergeist
          Moderator

          • 24.11.2002
          • 19505
          • Barsinghausen am Deister

          #5
          Das wurde auch Zeit, hatte die Tauchgeschichten schon vermisst...

          Glückauf! Thomas
          "The Man Who Saved the World" -S. J. Petrow-

          Kommentar

          • Gucker
            Landesfürst


            • 15.09.2005
            • 661
            • Lörrach

            #6
            Ich glaub ich leg mich noch in die Badewanne....

            Kommentar

            • diverhans
              Ridderkreuzträger &
              Ritter


              • 03.11.2005
              • 443
              • BW

              #7
              Danke!

              Heute Abend stelle ich den 2. Teil ein. Geschrieben habe ich bis jetzt 8 Teile, es werde wohl zehn werden. Hoffe, es wird euch dann nicht _zu_ langweilig ...

              Lg., Rene
              ..man kann nicht alle Wracks dieser Welt betauchen, aber .. man kann`s versuchen!

              Kommentar

              • Pit123
                Bürger


                • 15.05.2005
                • 121
                • Schleswig-Holstein
                • Minelab Advantage

                #8
                Deine Berichte sind nie Langweilig...

                Gruss Pit

                Kommentar

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