Teil 2
Wir stehen heute am Dienstag erneut recht spät auf und ab zur Capitainerie von Port Argelès. Die zwei jungen Damen schauen uns argwöhnisch an. Ich habe über meine geliebte „MS Mütze“ die Kapuze gestülpt. Schließlich ist mir der speckige Hut gestern Abend weggeflogen und ich musste durch dichtes Gestrüpp um ihn mir zurückzuholen. Dazu tront die dunkle Sonnenbrille auf der Nase. Meine Freundin sieht vom Winde verweht aus, und so stehen wir vor dem Tresen und radebrechen unser Anliegen. Letztendlich stellt sich heraus, dass Port Argelès doch eine Slipanlage bietet, und diese ist sogar kostenlos. Fein, das bessert die Reisekasse deutlich auf; 62 Euro Krangebühr können transferiert werden.
Wir verbringen den Dienstagnachmittag in Spanien. Der Sturm ist zu fett für unser kleines Boot. Gegen 15 Uhr klappe ich an einem wassernahen Platz die hinter Bank vom Bus aus und lege mich voll gefressen zur Ruhe und lausche der starken Brandung. Der Sturm wiegt den Bus und letztendlich mich in den Schlaf. Eine Stunde später werde ich liebevoll von meiner Freundin geweckt:
„Wir wollen weiter ... man!“
„Noch 5 Minuten .. bitte!“ Erwidere ich schlaftrunken.
Nach 4,5 Minuten werde ich erneut jäh aus dem Schlaf gerissen.
„Schau mal der Sturm flaut ab!“ Werde ich nun etwas konkreter von meiner Freundin geweckt. Kerzengerade sitze ich im Bus; schnell ist alles zusammen gepackt und der Motor gestartet. Ich möchte dringen höher hinaus um die See im Ganzen betrachten zu können. Tatsächlich; der Wind lässt nach. Wir kommen gegen 18 Uhr in Argelès an, das Boot steht noch wie abgestellt samt Trailer vor den Yachthafen und aus dem Sturm ist ein Lüftchen geworden. Sofort beginne ich damit, den Tauchdampfer für morgen startklar zu machen. Alle drei Flaggenstöcke werden gesteckt: Franzmann-Flagge am Steuerstand für das Gastland, achtern backbord auf dem Navi-Bügel die große Alpha-Flagge und steuerbord meine dreifarbige Reedereiflagge ohne „Gold“ aber mit dem Hansekreuz, Schraube abgedeckt, Festmacher angebracht, Anker am Bug montiert, Stopper vorgelöst und nun geht es an die Tauchausrüstung; Doppel 12er für mich und Doppel 10er für meine Freundin – alles wird montiert und im Boot abgelegt. Wir müssen sehr früh aufstehen, denn nachts ist es nahezu windstill und im Laufe des Tages ist eine vier vorhergesagt. Der frühe Wurm fängt den Vogel! Die See wird mir nur am frühen Morgen ein Zeitfenster einräumen. Sie ist auf meiner Seite. Doch wird sie sich bald aufbäumen um andere von meinen Wracks fernzuhalten. Wir wollen auf die offene See, etwa sechs Meilen raus, zu der weit draußen liegenden „Alice Robert“ – meinem eigentlichen Ziel dieser Reise!
„Alice Robert“:
1934 Stapellauf in Dänemark, L=88,3m, B=14,65m, 2600 t, französisch, Fruchtdampfer. Von den Deutschen im Dezember 1942 beschlagnahmt, Truppentransporter bis an die Zähne bewaffnet. Vom britischen U-Boot „Ultor“ vor Port Vendres torpediert und versenkt.
Das Heck ist weggebrochen bei Laderaum 3 und etwa 200m vom intakten Hauptteil entfernt. Der Hauptteil steht aufrecht auf eben Kiel auf Sandgrund. Fockmast steht, Aufbauten intakt. Kanone am Bug.
Tiefe etwa 48m. Von den Franzosen „Le Bananier“ genannt.
(frei übersetzt aus dem Französischen, Quelle: www.scubadata.com)
Mittwoch:
6 Uhr klingelt der Handywecker, 6.45 Uhr Aufstehen, 7.30 Uhr ist das Boot im Wasser. Absolute Windstille draußen und eine spiegelglatte See finde ich vor; das mir eingeräumte Zeitfenster meiner angebeteten Göttin Meer! Ein Blick auf die See: „Danke meine liebe! Schön dass es dich gibt!“ Säusele ich vor mir hin. Meine Freundin hört es nicht, denkt sich jedoch ihr Teil. Sie trägt es mir nicht nach, dass diesmal nicht sie gemeint ist.
Volle Fahrt voraus, der Viertakter verrichtet leise seinen Dienst. Es ist frisch, mein graues Shirt aus Ägypten mit den großen Lettern „diverhans“ auf dem Rücken schützt mich etwas vor dem scharfen Fahrtwind. Meine Freundin sitzt auf der Bank vor dem Fahrstand und ist wegen des hoch erhobenen Bugs ebenfalls geschützt. Keiner ist draußen, alles liegt noch in seiner Koje oder wird gerade vom Morgenmief seines Nachbarn geweckt. Unser Kiel teilt das Wasser und Mooses sieh wieder einmal neidvoll weg. Besser kann er es auch nicht!
Ich lasse das Boot laufen und die Servolenkung los. Das Boot ist italienische Handarbeit und läuft ohne Korrekturen gerade aus; ich muss das Hansekreuz auf meiner Reedereiflagge wieder anheften. Zum einen geht es ohne nicht - ganz alte Säcke könnten doch einen falschen Eindruck bekommen und zum anderen ist das Hansekreuz zurzeit nur ein Provisorium: es besteht aus Klebeband und löst sich einstweilen etwas vom Stoff. Für Nähmaschinenfertigung hatte ich mir bis weilen noch keine Zeit genommen – kommt aber noch!
Die Pyrenäen sind deutlich sichtbar – ein Berg trägt noch Schnee, Port Vendres und Argelès Port nicht mehr.
Die Nacht war in der Summe schlaflos; zumindest brauchte ich etwa 2 h um einzuschlafen. Hin und wieder habe ich solche Nächte. Wirre Gedanken plagten mich: Was, wenn viel zu früh Wind aufkommt und der Anker nicht hält oder bricht? Ich bin in diesem Teil des Mittelmeeres fremd, wir sind meilenweit auf offener See und keine Seele weit und breit. Was, wenn ich mich im Wrack verirre/verheddere – wie findet meine Freundin nach Hause? Was, wenn ich meine Freundin aus den Augen verliere und sie alleine nicht die Auftauchleine findet – die Sicht in dieser Gegend ist ganzjährig kaum besser als 6 Meter horizontal? Was ist wenn …? Wir sind sicher ein eingespieltes Team, und üblicherweise gehe ich bei solchen Spots erst einmal alleine runter. Doch diesmal wollen wir Wrackaufnahmen machen. Der Dampfer ist topp erhalten und mehr als mystisch innen und außen und ausreichend recherchiert! Die Fotos werden in schwarz/weiß und/oder sepia mehr als spektakulär werden. Und ich will sie! Und ich habe vor, hier neun Wracks zu betauchen – die Zeit ist mein Feind und wir haben schon viel davon wegen der Wetterlage verloren. Ein oder zwei Tauchgänge werden an der „Alice Robert“ nur möglich sein, mehr erlaubt die Zeit nicht…
Wir stehen heute am Dienstag erneut recht spät auf und ab zur Capitainerie von Port Argelès. Die zwei jungen Damen schauen uns argwöhnisch an. Ich habe über meine geliebte „MS Mütze“ die Kapuze gestülpt. Schließlich ist mir der speckige Hut gestern Abend weggeflogen und ich musste durch dichtes Gestrüpp um ihn mir zurückzuholen. Dazu tront die dunkle Sonnenbrille auf der Nase. Meine Freundin sieht vom Winde verweht aus, und so stehen wir vor dem Tresen und radebrechen unser Anliegen. Letztendlich stellt sich heraus, dass Port Argelès doch eine Slipanlage bietet, und diese ist sogar kostenlos. Fein, das bessert die Reisekasse deutlich auf; 62 Euro Krangebühr können transferiert werden.
Wir verbringen den Dienstagnachmittag in Spanien. Der Sturm ist zu fett für unser kleines Boot. Gegen 15 Uhr klappe ich an einem wassernahen Platz die hinter Bank vom Bus aus und lege mich voll gefressen zur Ruhe und lausche der starken Brandung. Der Sturm wiegt den Bus und letztendlich mich in den Schlaf. Eine Stunde später werde ich liebevoll von meiner Freundin geweckt:
„Wir wollen weiter ... man!“
„Noch 5 Minuten .. bitte!“ Erwidere ich schlaftrunken.
Nach 4,5 Minuten werde ich erneut jäh aus dem Schlaf gerissen.
„Schau mal der Sturm flaut ab!“ Werde ich nun etwas konkreter von meiner Freundin geweckt. Kerzengerade sitze ich im Bus; schnell ist alles zusammen gepackt und der Motor gestartet. Ich möchte dringen höher hinaus um die See im Ganzen betrachten zu können. Tatsächlich; der Wind lässt nach. Wir kommen gegen 18 Uhr in Argelès an, das Boot steht noch wie abgestellt samt Trailer vor den Yachthafen und aus dem Sturm ist ein Lüftchen geworden. Sofort beginne ich damit, den Tauchdampfer für morgen startklar zu machen. Alle drei Flaggenstöcke werden gesteckt: Franzmann-Flagge am Steuerstand für das Gastland, achtern backbord auf dem Navi-Bügel die große Alpha-Flagge und steuerbord meine dreifarbige Reedereiflagge ohne „Gold“ aber mit dem Hansekreuz, Schraube abgedeckt, Festmacher angebracht, Anker am Bug montiert, Stopper vorgelöst und nun geht es an die Tauchausrüstung; Doppel 12er für mich und Doppel 10er für meine Freundin – alles wird montiert und im Boot abgelegt. Wir müssen sehr früh aufstehen, denn nachts ist es nahezu windstill und im Laufe des Tages ist eine vier vorhergesagt. Der frühe Wurm fängt den Vogel! Die See wird mir nur am frühen Morgen ein Zeitfenster einräumen. Sie ist auf meiner Seite. Doch wird sie sich bald aufbäumen um andere von meinen Wracks fernzuhalten. Wir wollen auf die offene See, etwa sechs Meilen raus, zu der weit draußen liegenden „Alice Robert“ – meinem eigentlichen Ziel dieser Reise!
„Alice Robert“:
1934 Stapellauf in Dänemark, L=88,3m, B=14,65m, 2600 t, französisch, Fruchtdampfer. Von den Deutschen im Dezember 1942 beschlagnahmt, Truppentransporter bis an die Zähne bewaffnet. Vom britischen U-Boot „Ultor“ vor Port Vendres torpediert und versenkt.
Das Heck ist weggebrochen bei Laderaum 3 und etwa 200m vom intakten Hauptteil entfernt. Der Hauptteil steht aufrecht auf eben Kiel auf Sandgrund. Fockmast steht, Aufbauten intakt. Kanone am Bug.
Tiefe etwa 48m. Von den Franzosen „Le Bananier“ genannt.
(frei übersetzt aus dem Französischen, Quelle: www.scubadata.com)
Mittwoch:
6 Uhr klingelt der Handywecker, 6.45 Uhr Aufstehen, 7.30 Uhr ist das Boot im Wasser. Absolute Windstille draußen und eine spiegelglatte See finde ich vor; das mir eingeräumte Zeitfenster meiner angebeteten Göttin Meer! Ein Blick auf die See: „Danke meine liebe! Schön dass es dich gibt!“ Säusele ich vor mir hin. Meine Freundin hört es nicht, denkt sich jedoch ihr Teil. Sie trägt es mir nicht nach, dass diesmal nicht sie gemeint ist.
Volle Fahrt voraus, der Viertakter verrichtet leise seinen Dienst. Es ist frisch, mein graues Shirt aus Ägypten mit den großen Lettern „diverhans“ auf dem Rücken schützt mich etwas vor dem scharfen Fahrtwind. Meine Freundin sitzt auf der Bank vor dem Fahrstand und ist wegen des hoch erhobenen Bugs ebenfalls geschützt. Keiner ist draußen, alles liegt noch in seiner Koje oder wird gerade vom Morgenmief seines Nachbarn geweckt. Unser Kiel teilt das Wasser und Mooses sieh wieder einmal neidvoll weg. Besser kann er es auch nicht!
Ich lasse das Boot laufen und die Servolenkung los. Das Boot ist italienische Handarbeit und läuft ohne Korrekturen gerade aus; ich muss das Hansekreuz auf meiner Reedereiflagge wieder anheften. Zum einen geht es ohne nicht - ganz alte Säcke könnten doch einen falschen Eindruck bekommen und zum anderen ist das Hansekreuz zurzeit nur ein Provisorium: es besteht aus Klebeband und löst sich einstweilen etwas vom Stoff. Für Nähmaschinenfertigung hatte ich mir bis weilen noch keine Zeit genommen – kommt aber noch!
Die Pyrenäen sind deutlich sichtbar – ein Berg trägt noch Schnee, Port Vendres und Argelès Port nicht mehr.
Die Nacht war in der Summe schlaflos; zumindest brauchte ich etwa 2 h um einzuschlafen. Hin und wieder habe ich solche Nächte. Wirre Gedanken plagten mich: Was, wenn viel zu früh Wind aufkommt und der Anker nicht hält oder bricht? Ich bin in diesem Teil des Mittelmeeres fremd, wir sind meilenweit auf offener See und keine Seele weit und breit. Was, wenn ich mich im Wrack verirre/verheddere – wie findet meine Freundin nach Hause? Was, wenn ich meine Freundin aus den Augen verliere und sie alleine nicht die Auftauchleine findet – die Sicht in dieser Gegend ist ganzjährig kaum besser als 6 Meter horizontal? Was ist wenn …? Wir sind sicher ein eingespieltes Team, und üblicherweise gehe ich bei solchen Spots erst einmal alleine runter. Doch diesmal wollen wir Wrackaufnahmen machen. Der Dampfer ist topp erhalten und mehr als mystisch innen und außen und ausreichend recherchiert! Die Fotos werden in schwarz/weiß und/oder sepia mehr als spektakulär werden. Und ich will sie! Und ich habe vor, hier neun Wracks zu betauchen – die Zeit ist mein Feind und wir haben schon viel davon wegen der Wetterlage verloren. Ein oder zwei Tauchgänge werden an der „Alice Robert“ nur möglich sein, mehr erlaubt die Zeit nicht…
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