Irrfahrt, Teil 7, Roman

Einklappen
X
 
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge
  • diverhans
    Ridderkreuzträger &
    Ritter


    • 03.11.2005
    • 443
    • BW

    #1

    Irrfahrt, Teil 7, Roman

    Irrfahrt


    Teil 7:


    Wecken ist heute am Montag, den 04.06.2007 um 8.00 Uhr, Aufstehen um 8.30 Uhr – ich werde wohl alt.
    Ich würde lieber das Achterschiff der „Togo“ machen auf 65 Meter – ich hatte erst ein Rendezvous mit dem Hintern der alten Lady. Ganz passabel … für ihr Alter … und mit vielen Überraschungen. Auch werden wir heute nicht zum Vorschiff gehen, so der Wunsch meiner Freundin. Es wird sich für einen Besuch an dem französischen U-Boot „Rubis“ vorbereitet. Auch hier diesmal keine Penetration, sondern rein zu Fotozwecken und das ist gut, denn es soll windstill sein bis weit über Mittag hinaus. Das Boot liegt recht ungeschützt direkt vor Cap Camarat und ist somit nicht jeden Tag anzufahren. Zwei Tauchgänge – recht kurz hintereinander – könnten somit drin sein.

    Die See ist spiegelglatt, ich überlasse meiner Freundin das Boot fahren und sitze auf dem gepolsterten Klappstuhl vor dem Fahrstand. Auf etwa halber Strecke, Höhe „Prophete“ nehme ich das graue Achtfünfziger Rib von <Epperlan> war. Sie fahren Volle Kraft und sind nahezu besetzt.
    „Fahr volle Kraft voraus wenn wir sie passieren! Leg den Hebel bis Anschlag. Ich will, dass mir einer abgeht!“ Gebe ich mit verrenktem Hals nach „oben“ durch, damit das auch ja verstanden wird. „Und lass das Zerstörer-Signal 3mal zum Gruß ertönen!“ Ergänze ich.
    Wir kommen achtern eh schon ordentlich auf, doch beherzigt meine Freundin meine Wünsche und legt den Maschinentelegraphen auf 3mal-Wahnsinnige. Als wir fast überlappen haben uns einige Taucher zwar schon bemerkt, aber noch nicht der alte Jack und der junge Piere – der Typ, den man an seinem einzigen und grauen T-Shirt erkennt.
    Piere ist gleich nach unserer Ankunft in Cavalaire zu Beginn unserer Reise zu unserem Bootsliegeplatz gekommen und wollte sich unseren Dampfer einmal anschauen. Er war ganz begeistert und fragte mir Löcher in den Bauch bezüglich technischer Details … und überhaupt. Meine Reedereiflagge hatte ich gerade eingerollt gehalten – waren wir doch für eine Woche fort gewesen.
    Hui…huiee…huuieeee… ertönt das Signal als wir mit hohem Bug auf dem achteren Kiel sauber passieren. Unser Boot fliegt scheinbar über die ruhige See und macht kaum Welle. Alle drei Flaggen stehen wie ein Brett und ich Steuerbord neben dem Fahrstand – mit neuem Sturmbasecap tief in die Stirn gezogen, schwarzer Brille auf der Nase und rechtes Bein angewinkelt auf dem Schlauch mit Blickrichtung starr-voraus. Aus dem toten Winkel beobachten meine Augen schmerzend verkrampft ob nun auch alle gucken. Als wir quer ab sind und alle gucken, wende ich mein lächelndes Gesicht, hebe freundlich lässig die Linke zum Gruß mit den Worten: „Une bonne démarche de plonger! Mais, nous sommes là devant vous!“ was soviel heißt wie: „Schönen Tauchgang! Aber wir sind vor euch da.“ Der erste Teil meines Grußes wird eben so herzlich von Piere am Fahrstand laut lachend verbal wiederholt, und die anderen nebst Jack winken. Als wir ein ordentliches Stück voraus sind, sage ich zu meinem Steuermann: „So! Reicht! Fahr jetzt wieder langsamer. Wir haben es nicht eilig und auch nicht die Geldscheiße.“ Dann setze ich mich zurück … grinsend und zufrieden in den Klappstuhl. Was für ein wunderschöner Morgen das ist…
    „Okay man – da is`sa! Fahr noch mal die Wracklage ab, ich hab`se vergessen. Gut gemacht Kleines! Dauert nicht mehr lange, dann kriegst`e deinen Gesellenbrief.“ Wende ich mich nun von meiner immer noch Boot fahrenden Freundin ab, um die Markierungsleine fertig zu machen. Das Wrack liegt in etwas über 40 Metern Tiefe. Ich muss mehr als 50 Meter Leine stecken; die Strömung ist an diesem Spot fast ganzjährig recht ordentlich und die Sicht ausgezeichnet. Wir sind beim Umziehen, als sich uns das Achtfünfziger nähert – das war für mich bereits klar, das Wetter ist heute perfekt. Keine Acht-Komma-Acht wird besetzt und auch nicht die Vierlingsflak, auch die U-Boot – Schnarre wird nicht ertönen; kein Feind weit und breit in Sicht. Sie sehen, dass wir noch oben sind und kennen auch unsere „600 kg Leuchtboje“. Jack ist recht alt geworden und nimmt uns als solches erst jetzt war. Er lächelt lieb und winkt noch einmal; dann bereitet er seine kleine Angel vor. Die Tauchtruppe von <Epperlan> ist deulicher vorgerödelt und wird nachdem Piere eine Markierungsleine ausgesetzt hat nun ins strahlende Blau des Mittelmeeres geschickt. Einer nach dem anderen springt hinein und ist sogleich von der Wasseroberfläche verschwunden. Ihre Markierungsleine liegt ausreichend von unserer entfernt.
    ..man kann nicht alle Wracks dieser Welt betauchen, aber .. man kann`s versuchen!
  • diverhans
    Ridderkreuzträger &
    Ritter


    • 03.11.2005
    • 443
    • BW

    #2
    Unser Boot habe ich diesmal und aus Sicherheitsgründen etwas abseits verankert. Zum einen ist mir klar, dass wir heute und hier nicht die einzigen Taucher sein werden, zum anderen kann Wind aufkommen der nicht mit der Strömung parallel liegt und somit könnte die Möglichkeit bestehen, dass die Leine übers Wrack treibt. Das Achtfünfiger ist nun bis auf den angelnden Jack und Piere am Fahrstand leer. Piere lässt in unsere Richtung treiben und hält Smalltalk mit mir. Nebenbei und aus dem Zusammenhang gerissen fragt er in Englisch: „ Hey … sag mal; was ist das eigentlich für eine Flagge … da … die du da führst?“ und grinst über beide Ohren.“ „Das ist XXX vor 100 Jahren … mit dem Hansekreuz … als viele noch zur Arbeit mussten um zu Essen und zu Trinken! Für mich nun die Flagge der Heimatlosen. Die Flagge des Flying German!“ „Aah! Pirates! The Flying Dutchman!“ Ruft er lachend herüber. „Ja … so kann man`s natürlich auch nennen!“ Erwidere ich und beiße mir dabei sichtlich auf die Zähne. „Ich bin auf Gedeih und Verderb an das Mittelmeer gefesselt. Irgendwann wirst du diese hier unten am Fahrstand mal an deren Stelle dort oben sehen. Dann ist meine Irrfahrt zu Ende. Und diese dort…“ dabei zeige ich wieder auf meine Reedereiflagge „…werde ich dann gefaltet in einer Schublade aufbewahren, wo sie einstauben und von Motten aufgefressen werden kann. Und mehr steckt auch nicht dahinter.“ Und nach einer kurzen Pause des Schweigens und um die Party mit meinem wirren und unverständlichen Gefühlen nicht zu töten: „Die Totenkopfflagge hat ja nun schon jeder zweite an seinem Plastik-Vierteltonner an der Saling. Oder?“ „Ja …“ lacht er schallend „da hast du natürlich Recht. Egal, ich kannte sie bloß … bis eben nicht. Ist auch wurscht …`bist willkommen.“ Lächelt er mich freundlich an. Jack spricht kaum Englisch. Und er angelt lieber, grinst ab und an nur.
    Wir haben uns nun etwas verspätet – beim Abtauchen. Die Strömung ist oben geringl und unten um so heftiger. Unsere Abtauchleine verläuft jetzt nahezu waagerecht; meine Freundin ist nach meinem Umdrehen recht weit abgeschlagen. Ich stoppe. Eine nicht gänzlich durchdachte Handbewegung soll ihr zu verstehen geben, sie möge sich nicht an der Leine entlang ziehen da sie sonst eher das Bleilot befördern würde als voran zu kommen. So wende ich mich wieder um, mit dem Gedanken, schnell an das Bleilot heran zu tauchen, es zu ergreifen und Geschirr nebst dranhängender Freundin an das Wrack zu führen – eine sehr anstrengende Arbeit – bei der starken Strömung. Dabei lenkt mich die Beobachtung eines schleifenden Ankers mit daran verknäulten Tauchern ab. Sie ziehen und zerren an der ausgebrachten Leine vom Achtfünfziger, haben den Vierflunken-Anker unwissendlich heraus gebrochen und treiben nun von der starken Strömung mitgerissen fort und hinterlassen eine tiefe Schleifspur. Es ist geschafft und etwas Formschluss mittels Eingraben hergestellt – das Bleilot habe ich Kräfte zerrend am Grund krabbeln an das Wrack herangebracht, da erblicke ich auch meine Freundin in Seilnähe, leicht über mir. Sie gibt mir den Daumen nach oben als Zeichen des Auftauchens. Ich verstehe nicht und frage nach. Sie wiederholt es und wir beginnen den ruhigen Aufstieg. Dabei frage ich sie und mich nach den möglichen Gründen; von ihr bekomme ich lediglich das Okay-Zeichen als Antwort…
    An der Oberfläche wird dieser „Tauchgang“ ausgewertet und diskutiert. Dabei mutiert das Rätsel in erschreckender Weise zum einem fatalen Fehler: Meine Freundin hat meine Handbewegung so gedeutet, sie möge die Leine loslassen um mir mein interpretiertes/geahntes Vorhaben zu ermöglichen. Die starke Strömung lässt sie augenblicklich von der Leine wegtreiben. Geistesgegenwärtig lässt sie sich die wenigen Meter zum Meeresgrund absinken und krabbelt nun in Richtung meiner noch eben gesehenen Blasenbahn – die Sicht ist gut, doch das Wrack nicht in Sicht. Als sie das Wrack als Schatten ausmacht und sich wissend auf dem richtigen Weg befindet sieht sie alsbald auch die Leine, steigt vom Grund auf und ergreift sie und taucht zu mir. Es sind nur wenige Minuten vergangen, doch was kann nicht alles passieren – in wenigen Minuten…
    Wir sind nicht alleine auf der Deco; zwei verirrte Taucher vom Achtfünfziger hängen gemütlich an unserer Leine, beziehungsweise sind neutral daneben austariert – denn jetzt ist von der Strömung kaum noch etwas zu merken. Sie waren sicher die letzten Rückkehrer vom Wrack und hatten ihre Leine vermisst.
    ..man kann nicht alle Wracks dieser Welt betauchen, aber .. man kann`s versuchen!

    Kommentar

    • diverhans
      Ridderkreuzträger &
      Ritter


      • 03.11.2005
      • 443
      • BW

      #3
      Das Achtfünfziger entfernt sich winkend. Wir bleiben entspannt vor Anker liegen und Sonnen uns bei einer Tasse Kaffee. In einer Stunde wollen wir in etwa wieder ins Wasser. Ich lasse mir den misslungenen Tauchgang mehrmals durch den Kopf gehen. Es war mein Fehler, doch ist es gut, wenn der Partner über hinreichend Erfahrung und Solokompetenz verfügt.
      Die Stunde ist um. „Lass uns anrödeln. Noch zwei Stunden Oberflächenpause zusätzlich, reduzieren den Zeitzuschlag nur um wenige Minuten, erhöhen aber Wahrscheinlichkeit bezüglich Aufkommen Wind und Welle erheblich. Der Anker vom Boot hält … weiß aber nicht was ist, wenn genannte Faktoren in entsprechender Stärke dazu kommen. Ich müsste einen Reiter ausbringen und mein Arm …! Das Bleilot wird wegen vier statt zwei Taucher von vorhin nicht mehr am Wrack sein. Der Weg ist klar – ich habe die Schleifspur. Stell dich bitte auf eine ähnliche Aktion ein … und … lass um Gottes Willen nicht die Leine los!“
      Wir stecken bereits in unseren Anzügen: „Gib mir mal das Glas … aus dem Fahrstand! Fordere ich meine Freundin auf… „Verdammte-Scheiiiße!“ sage ich mit ruhiger Stimme, mit dem Fernglas vor den Augen und Blickrichtung St. Tropez „ …da kommen Schwarz/Rot/Gold … und gleich im Doppelpack!“ „Wer kommt?“ „Einigkeit und Recht und Freiheit! … Einig sind sich die Brüder nur dahingehend, dass der angestellte Mittelstand viel mehr als nur die Hälfte seines Verdienstes abliefern sollte und die Erdbeeren die Bohlen pflücken. Das Recht ist bis zum Bersten gebeugt und die Freiheit besteht darin, den ganzen Tag Computer spielen zu können, ohne sich Gedanken um dessen Anschaffung und um Essen, Trinken und Wohnen machen zu müssen. Und nun stell dir vor, die wollen gleich mit uns Tauchen!“ „Nun hör doch mal auf … damit!“ Erwidert meine Freundin barsch. „Wir sprechen uns wieder, wenn das Recht der ersten Nacht eingeführt ist, jeder wieder Wartburg fährt und du als medizinischer Außendienst Berufverbot - weil per Gesetz Abgeschafft - hast.
      Ich vernehme einen starken Windstoß, setze das Glas ab, … sehe wie sich das Meer an der Oberfläche kurz kräuselt um sich nach einem Lidschlag wieder zu glätten; ich wanke sogar leicht. Mit zugekniffenen Augen, dabei die beiden heranbrausenden Boote beobachtend sage ich mit gesenkter Stimme: „Dasss … gibt sicher … Ärger.“ „Sollten wir dann nicht lieber oben bleiben … und runter gehen wenn die wieder weg sind?“ Fragt meine Freundin achtern auf der Poop sitzend. „Naaa…ain!“ hauche ich in Richtung der Boote, mit dem Fernglas an den Augen „Dasss… will ich jetzt wissen.“ Und wieder vernehme ich den Windstoß; blicke aber diesmal nicht auf…



      *** Ende Teil 7, Fortsetzung folgt ***


      Rechtlicher Hinweis:

      Dieser Roman - auch in Teilen - ist urheberrechtlich geschützt! Die
      Tauchgänge haben in der Realität so nie stattgefunden. Keine Haftung aus
      Nachahmung! Es wurden keine Gegenstände aus dem Meer/Wracks geborgen. Die Personen, die Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig.

      Tauchen ist grundsätzlich lebensgefährlich!


      (c) Rene Heese 2007
      ..man kann nicht alle Wracks dieser Welt betauchen, aber .. man kann`s versuchen!

      Kommentar

      Lädt...