"Schiff im Nebel", Teil 3

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  • diverhans
    Ridderkreuzträger &
    Ritter


    • 03.11.2005
    • 443
    • BW

    #1

    "Schiff im Nebel", Teil 3

    “Schiff im Nebel“


    Teil 3


    Langsam tätige ich den Aufstieg – mich hetzt schließlich nichts. Das Wasser unten am Wrack hat eine Temperatur von etwa 18°C und das Oberflächenwasser (10 Meter – Bereich) knapp 24°C. Ich friere nicht.
    Stück für Stück komme ich der ersten Deco-Stufe näher. Auf 21 Meter eine Minute, auf 18 Meter eine Minuten auf 15 Meter zwei Minuten, auf 12 Meter auch zwei, …
    Ich habe keinen reinen Sauerstoff dabei; es erschien mir nicht zwingend notwendig. Auf 6 Metern bekomme ich permanent anwachsende Kopfschmerzen. Ich erinnere mich an Cavalaire in diesem Frühjahr – die 4 Tages Reise. Ich hatte eine anstrengende Woche seinerzeit, eine strapaziöse Anfahrt und die Quittung prompt an der „Prophete“ nach nur einem 34 Meter – Tauchgang bekommen. Ich wollte oben an Bord sterben. Oh Gott, was wird das jetzt wieder werden.
    Ich lenke mich ab und betrachte mir den 6 Meter-Muring-Schwimmkörper. Ich putze ihn ein wenig und stelle dabei fest, dass die an ihm befestigte Leine – welche zur Wasseroberfläche führt - zur Hälfte durchgescheuert ist. Lose Leine ist genug vorhanden und so mache ich einen neuen Knoten, verkürze die Leine minimal und der Schaden ist behoben.

    Mein Kopf lugt aus dem Wasser, gefolgt von dem klassischen Okay-Zeichen, dann werde ich perfekt aufgenommen.
    „Es ist die Sestri-KT … ein hammergeiles Wrack – verdammt! Du musst hier unbedingt mit runter. Erstklassige Sicht, heute.“ Klettert meine Stimme an Bord, bevor ich es kann. „Hier! Nimm mir dat mal ab. Lass bloß nicht fallen. Eine alte Armatur, steht sogar wat druff. Und dann ist da unten noch ein perfekt erhaltenes Waschbecken mit intakten Wasserhähnen. Wir sollten eh unser Bad mal renovieren!“
    Meine Freundin hilft mir aus der Ausrüstung. Und als ich nunmehr nahezu alles erzählt habe, nehme ich auch wieder meine Kopfschmerzen wahr, und sie werden stets stärker.
    „Gib mir mal `ne Tablette oder so.“
    „Was ist? Hast du wieder Kopfschmerzen?“
    „Ja!“ sage ich „Dat ist zu fett – dat mit der Arbeit und gleich losfahren, und so. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal vier Stunden am Stück geschlafen habe. Ich hau mich einen Moment in den Bug auf das Gerödel … bin gleich wieder fit … nur einen Moment. Lass den Dampfer einfach treiben. Wir fahren gleich nach Sestri in den Hafen.“
    Zwar bin ich relativ seefest, doch das Geschaukel tut nun sein übriges.
    „Dat is` so nix. Los! In den Hafen … lass mich bitte fahren. Das lenkt mich ab.“ Ändere ich mein Vorhaben verbal und anschließend in der Tat. Mit achterlicher See laufen wir ab.
    Im Hafen ist es ruhig. Die Ersten liegen bereits auf der „Sportbootreede“ – geschützt durch die Mole, …gehen Baden, Schwimmen oder Sonnen sich einfach nur. Unser Anker fällt auf sechs Meter, fünfzehn Meter Leine gebe ich, keine Kontrolle – ob der Anker greift. Lediglich die Halbtrockiweste streife ich mir ab, dann lasse ich mich auf die Matte in Vorschiff und den Kopf auf das Tauchgerödel fallen. Ich merke noch, wie mir meine Freundin liebevoll etwas Weiches unter den Kopf legt – dann wird es Nacht um mich herum; ich schlafe…
    ..man kann nicht alle Wracks dieser Welt betauchen, aber .. man kann`s versuchen!
  • diverhans
    Ridderkreuzträger &
    Ritter


    • 03.11.2005
    • 443
    • BW

    #2
    Die brütende Hitze, das sonnenlichtabsorbierende Schwarz und das Geschnatter der zudem wild gestikulierenden Italiener auf den naheliegenden Booten lassen mich irgendwann am Nachmittag aufwachen. Die Kopfschmerzen sind weg.
    „Bist du noch da?“ Frage ich Richtung Achterschiff, denn meine Freundin ist nicht zu sehen. Das Boot schaukelt und sie erklimmt die Badeleiter neben dem Außenborder.
    „Ja! Ist schön hier, komm rein ins Wasser!“
    „Nee, lass ma`! Ich war heute schon „baden“ – geh du lieber mit mir Tauchen; an der „KT“ draußen! Ich fresse den Bordhandfeger restlos auf, wenn du nicht nach dem Tauchgang begeistert bis. Zudem brauche ich Fotos von dem Wrack.“ Antworte ich.
    „Ich weiß nicht…!“
    „Klar weißt du. Komm doch einfach mit. Wenn nicht is`, dann is` nicht und wir können jeder Zeit abbrechen.“
    „Wann willst du los?“
    „Jetzt! Mir ist warm!“
    „Und die Kopfschmerzen?“
    „Die sind wech! Also los – komm!“
    Ein wenig sticht es noch in der Birne, aber das braucht keiner der Anwesenden zu wissen.
    Der Anker ist schnell eingebracht. Laut GPS-Gerät sind 1,8 Kilometer zu fahren, tendenziell Richtung Süd.
    Die See ist deutlich ruhiger geworden. Kaum ein Lüftchen weht.
    Der Kanister ist auch ohne GPS schnell erreicht. Meine Freundin lässt sich überreden und kommt mit – mit Fotoklopper. Schnell ist alles vorgerödelt und die Halbtrockis angezogen.
    „Ich springe mit dem Festmacher in der Hand schnell rein und tüter dat Boot an der 6 Meter – Muring an. Fahr mich mal ran.“
    Beherzt springe ich mit Flossen und Maske bewaffnet über Bord und tauche apnoe den Schwimmkörper auf 6 Meter an. Der große Karabiner ist schnell eingeklinkt. Kaum Strömung, kaum Wind, kaum Welle; die Muring wird unser Boot schon halten. Ich hatte beim ersten Tauchgang alles gründlich inspiziert. Ist nur die Frage, ob der alte angerostete Dreibeinmast hält – im Fall der Fälle.
    Meine Freundin ist mit der D10 bewaffnet und ich mit meinem alten ausrangierten ADV-Jacket vom Typ Cressi S108. Als ich es schultern will, fällt das gute Stück, welches mir jahrelang treue Dienste erwiesen hat, auseinander. Irgend so eine Rückenplatte aus Plastik, welche mit dem Jacket verschraubt ist, gibt nach. Und der Hüftgurt schwirrt lose in der Gegend herum.
    „So nü Scheiße hia! Kann ich nicht einmal ohne Komplikationen Tauchen gehen? Das Einzige was ich auf dieser scheiß Welt will, ist Wracktauchen gehen – verdammt. Und noch nicht einmal das geht. Ständig ist irgendetwas! Ich schwitze wie die Sau und jetzt darf ich hia noch basteln … hia! Scheißdreck – verdammter!“
    Meine Nerven liegen blank, ist ja auch kein Wunder – ein cholerischer Anfall breitet sich gerade aus. Doch gebe ich nach dem Öffnen des Überdruckventils recht schnell Ruhe; ich laufe sonst Gefahr, meiner Freundin die Laune zu verderben.
    Mir reicht die Mono-15er mit zwei separaten Abgängen. Denn zum einen hat meine Freundin eine D10 dabei und zum anderen brauche ich das D12er-Paket noch für morgen. Heute richtig tief zu gehen ist Quatsch; einmal ist es nun ein Wiederholungstauchgang und die Grundzeit stark beschränkt oder die Deco endlos und zum anderen könnte ich unter Umständen heute Nacht im Bus mal ausschlafen und wäre somit für morgen früh fit.
    Die Schale ist entfernt und die Bändzel vom Hüftgurt einfach zusammen geknotet – das sollte für diesen „begleiteten“ Tauchgang so genügen.
    ..man kann nicht alle Wracks dieser Welt betauchen, aber .. man kann`s versuchen!

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    • diverhans
      Ridderkreuzträger &
      Ritter


      • 03.11.2005
      • 443
      • BW

      #3
      Meine Freundin greift beim Abtauchen an der Leine in den Karabiner vom Bootsfestmacher und verklemmt ihren Handschuh. Eine Minute in etwa verstreicht. Ich tauche waagerecht – mit dem Gesicht zur Oberfläche, die Augen auf meine Freundin gerichtet … rücklings ab. Für mich mal `was ganz Neues! Stets und ständig führe ich meine zwei ausgestreckten Finger der rechten Hand abwechselnd von meinen Augen in ihre Richtung. Das Zeichen, dass ich sie stets und ständig beobachte.
      Nach sieben Minuten sind wir an der Spitze des Dreibeinmastes endlich angekommen. Viel Zeit bleibt nicht mehr, aber dennoch: Was sich nun in den vergangenen Stunden der Oberflächenpause hier unten „schlagartig“ verändert hat, lässt diesen kurzen Wracktauchgang zu einem meiner schönsten Tauchgänge überhaupt werden:

      Absolute, glasklare Sicht! Nur vereinzelt sind noch größere Schwebeteilchen zu sehen – die einem Standbild gleich wie Regenstrippen herabhängen. Der Nebel ist geschichtet und in Wolkenformationen zu sehen. Man stelle sich folgendes vor: Wir starten mit dem Düsenjet zu einer Reise und durchbrechen den Wolken verhangenen Himmel. Über uns ist es strahlend blau und hell. Die Sonne blendet regelrecht. Unter uns sind die weißen Quellwolken. Und eben in diesen Wolken steckt zu einem Drittel dieses geheimnisvolle Wrack – einem fliegenden Holländer gleich, wie ein Schiff im Nebel! Kein Meeresgrund ist zu sehen! Dieses Wrack wird nun in atemberaubender Weise von dem Nebel getragen, die Kanonen wehrhaft gerichtet! Ich bin ein Vogel und betrachte mir dieses Szenario etwas abseits.
      Einige Nebelschwaden hüllen in verschiedenster Höhe das Wrack leicht ein. Aber ab Höhe Hauptdeck ist alles glasklar. Nur das Heck steckt – scheinbar wie immer – in Nebelfetzen. Ich genieße den Anblick, dass ich dabei vergesse zu Atmen und fern des Gedanken bin, zu penetrieren. Meine Freundin macht Fotos und ich schwimme zum Abschluss der recht beschränkten Grundzeit zum Buggeschütz. Die Fotos meiner Freundin werden nur einen Bruchteil dieses Schauspiels wiedergeben können. Man – ich bräuchte jetzt eine Videokamera!

      Auf der 6 Meter Deco stellen sich wieder die Kopfschmerzen ein und werden schlimmer. Ich schließe die Augen und versuche sie zu ertragen.
      Als erster gehe ich an Bord. Ich reiße mich mehr als zusammen, denn meine Freundin muss sicher aus dem Wasser geholt werden – natürlich auch die teure Kamera. Als sie auf der Backskiste Platz nimmt und ich sie anschließend von ihrer schweren Ausrüstung befreit habe, sinke ich sofort auf die Matratze im Vorschiff. Meine Hände umschließen meinen Kopf, mein Oberkörper ist schmerzverzerrt nach vorne gebeugt und wippt rhythmisch.
      „Gib mir eine Pistole oder ein Bolzenschussgerät! Irgend so`n Scheiß haben wir doch sicher an Bord. Ich erledige das dann schon…!“ Die Schmerzen sind unerträglich. Irgend so ein Fachbegriff fällt seitens meiner Freundin und darauf: „… dann hilft unter Umständen reiner Sauerstoff!“
      „Gib her – schnell!“
      Sekunden später liege ich wie ein Kleinkind auf meiner rechten Seite im Vorschiff und nuckle am Mundstück des Sauerstoffgerätes. Eine starke Schmerztablette gab es eben zusätzlich und reichlich Wasser.
      Das Boot ist über mehr als eine Stunde fest mit der Muring vertäut – ich bin zu nichts fähig, möchte nur noch Sterben…
      Es wird besser – irgendwann, und wie rödeln zusammen. Das Boot wird von der Muring befreit und meine Freundin nimmt Fahrt auf.
      „Wollen wir es wieder in St. Margharita versuchen? Vielleicht klappt der Trick noch einmal?“ Fragt sie mich.
      „Ja, ist mir auch wurscht wenn wir etwas zahlen müssen. Hauptsache keinen Sackgang heute mehr!“ Entgegne ich.
      ..man kann nicht alle Wracks dieser Welt betauchen, aber .. man kann`s versuchen!

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      • diverhans
        Ridderkreuzträger &
        Ritter


        • 03.11.2005
        • 443
        • BW

        #4
        Wir laufen in St. Margharita ein und steuern auf denselben Steg zu, wie im Frühjahr. Die Ägyptische Flagge ist diesmal umgedreht.
        „Hier, zieh noch dein „Staff“-Shirt an. Vielleicht bringt`s was.
        Der freundliche Angestellte kommt mit meiner Freundin zurück, erkennt scheinbar unser Boot wieder und spricht von zwanzig Euronen. Ich nicke. Es gibt Doseneintopf…

        Wir haben nur einen Cityroller und so tätigen wir einen wunderschönen, abendlichen Spaziergang zu unserem Bus.
        „Und? Ich will`s noch mal hören – wie war der Tauchgang?“ Frage ich.
        „Fantastisch! Genial! Ich habe so etwas noch nicht gesehen, geschweige denn mir vorstellen können!“
        Die Kopfschmerzen sind nun nahezu weg. Oh Gott – wie soll ich nur den morgen anstehenden, sicher sehr tiefen Tauchgang überstehen…


        *** Fortsetzung folgt ***


        © Rene Heese 2007


        Rechtlicher Hinweis:

        Dieser Roman ist frei erfunden. Die Gegebenheiten, die Tauchgänge haben so
        nie statt gefunden. Tauchen ist lebensgefährlich. Ich rate von Tauchgängen
        und Nachahmungen dringend ab. Keine Haftung aus Nachahmung!
        ..man kann nicht alle Wracks dieser Welt betauchen, aber .. man kann`s versuchen!

        Kommentar

        • MvR
          Heerführer


          • 03.01.2007
          • 2735
          • Mecklenburg-Vorpommern/Rügen

          #5
          Äh,ma ne zwischenfrage.
          veröffentlichst du hier dein erstlingswerk als schriftsteller oder was bezweckst du mit diesen 3 threads?
          Für Gott, Kaiser und Vaterland!!!
          Spandau!!! Was sonst??

          Kommentar

          • diverhans
            Ridderkreuzträger &
            Ritter


            • 03.11.2005
            • 443
            • BW

            #6
            Zitat von MvR
            Äh,ma ne zwischenfrage.
            veröffentlichst du hier dein erstlingswerk als schriftsteller
            Nö, mein Erstlingswerk ist bereits veröffentlicht.

            Zitat von MvR
            oder was bezweckst du mit diesen 3 threads?
            *büschen Unterhaltung,
            *Abgabe eines Lebenzeichens,
            *auf Wunsch einiger Herren, die mich sonst prügeln und mir ggf. meinen
            schwer verdienten Dienstgrad aberkennen und hohe Auszeichnungen
            zurückverlangen könnten.

            Es ist ein Taucherforum. Ich schreibe zum Thema Tauchen und das auch nicht seit gestern erst.

            Lg., Rene
            ..man kann nicht alle Wracks dieser Welt betauchen, aber .. man kann`s versuchen!

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            • Deistergeist
              Moderator

              • 24.11.2002
              • 19505
              • Barsinghausen am Deister

              #7
              SDE Hausschriftsteller mit eigenem Dienstgrad, so ist es.
              "The Man Who Saved the World" -S. J. Petrow-

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              • diverhans
                Ridderkreuzträger &
                Ritter


                • 03.11.2005
                • 443
                • BW

                #8
                Man .. wo steckt ihr denn alle?
                `Kämpfe hia auf einsamer Flur und völlig alleine gegen Typen mit 3 Köpfen und Fragezeichen upp`m Kopp... !

                Lg., Rene
                ..man kann nicht alle Wracks dieser Welt betauchen, aber .. man kann`s versuchen!

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