Gegen den Strom, Teil 8, Roman

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  • diverhans
    Ridderkreuzträger &
    Ritter


    • 03.11.2005
    • 443
    • BW

    #1

    Gegen den Strom, Teil 8, Roman

    Gegen den Strom


    Roman, Teil 8, Schluß


    Pünktlich um 19 Uhr sitzen wir – nach Deutscher Gewohnheit und wie immer - an unserem Zweiertisch in einer Ecke. Auch heute Abend ist wieder Zurückhaltung in Bezug auf Auswahl an Speisen angesagt, nur nicht den Magen versauen. Die Tasche mit unserem Laptop ist parat. Manne wird sein Laptop ebenfalls mitbringen. Er hat mit seiner neuen Kamera, welche sowohl Videoaufnahmen in PC-Qualität kann als auch Digitalfotos, ebenso viele Motive eingefangen und ich bin neugierig. Das Teil ist sehr handlich und ich beabsichtige mir ebenfalls eine zuzulegen. Brauche ich doch Wrackaufnahmen von Innen und meine Freundin ist bezüglich Penetration eher weniger dazu zu bewegen. Nur leider ist die Knipse bis lediglich 50 Meter Wassertiefe einsetzbar und das dämpft die Vorfreude und meine Entschlussfähigkeit.
    Manne und Kati erwarten uns bereits an der Poolbar mit Rumcola an Zitrone. Zwei Tische werden schnell zusammen geschoben, dann kommt auch schon Cloudine. Den guten Kulett hatte ich zwar auch eingeladen, doch er ist verhindert. Die anderen der Basis haben ebenso verbales Interesse geäußert, jedoch war mir schnell klar, dass das nur oberflächlicher Natur war.
    Cloudine ist von der Qualität unserer Aufnahmen von Wracks aus dem Mittelmeer und vom Schlepperwrack hier vor Ort begeistert und kann es kaum glauben, dass man grundsätzlich auf 65 Metern Tiefe mit Luft in den Tanks noch so klar in der Birne ist um eben solche Aufnahmen machen zu können. Miss „No“ hätte an dieser Stelle sicher behauptet, es handele sich um Fotomontagen oder gute Gemälde, denn tiefer 40 Meter folge ja unweigerlich der Tod.
    MachtMut kommt nun grinsend daher. Schnell steht er im Mittelpunkt – zieht an seiner Wasserpfeife und hat einen Deutschen Witz nach dem anderen auf Lager. Er sitzt breitbeinig auf seinem Stuhl und bewegt über seinen Schoß beide Unterarme parallel, vertikal auf und ab und wechselt nach kurzer Zeit in den bekannten Einhandbetrieb für Männer und fragt in die Runde, was das denn so zu bedeuten habe. Keiner weiß es und kurz darauf klärt er auf: „Gute Zeiten, schlechte Zeiten!“ Und beginnt sofort herzhaft und lauthals zu Lachen. Allein seine Lache steckt alle an und unser Gebrüll ist über den gesamten Platz zu hören.
    „So, jetzt zeig aber die Bilder von deinem gestrandeten Frachter!“ Fordert er mich auf. Ich lege noch ein U-Boot obendrauf, zudem einen Zerstörer, einen 5500 BRT großen Frachter und das Achterschiff eines Passagierschiffes mit (ehemals) zwei Schornsteinen. Dann fliegt der Deckel vom Laptop spontan zu und ich glotze ihn mit weit offenen Augen an:
    „So mein Freund! Jetzt kommen wir zu meinem zweiten Problem!“
    „Was hast du denn noch auf dem Herzen? Wann genau fährst du ab … wann bin ich dich los?“ Grinst er zurück.
    „Am Montagfrüh bin ich weg.“
    „Mohammermed sei Dank!“ Blickt er lachend in den Himmel mit gefalteten Händen.
    „Okay, MachtMut … drei Deutsche Witze gegen die Lösung meines zweiten Problems! Deal orr nouu Deal?“ Und dabei reiche ich ihm meine Hand entgegen. Er schlägt bereitwillig ein ohne nachzufragen.
    “Komm jetzt raus mit der Sprache!“
    „Ich muss morgen, spätestens jedoch übermorgen zum Tankerwrack namens Turbo. Das Wetter ist ausreichend gut und die Fahrt mit einem deiner Schiffe dauert in etwa 2mal zwei Stunden. Was ist? Geht das klar? Manne und Kati würden sich der Sache anschließen und somit sind wir schon vier Gäste … und Cloudine führt!“
    ..man kann nicht alle Wracks dieser Welt betauchen, aber .. man kann`s versuchen!
  • diverhans
    Ridderkreuzträger &
    Ritter


    • 03.11.2005
    • 443
    • BW

    #2
    „Ich dachte du hast ein Problem! Hahaha…“ Dabei ist seine raue Lache erneut über die gesamte Hotelanlage verstreut und einige Fensterscheiben gehen zu Bruch. „Claudine! Du fährst morgen mit den vier Deutschen zum Wrack! Ist das klar? Wie heißt das Teil noch mal?“
    „Turbo!“ sagt Cloudine „Soll ich das wirklich machen, Boss?“
    Darauf verkrallt sich meine Rechte in ihren hübschen Nacken: „Hey hübscher Guide … seinem Brötchengeber widerspricht man nicht. Tut man so etwas in Deutschland, fliegt man fristlos raus! Sofort! Ist doch so … Manne? Kati?“ Beide nicken. Auch die kleine Cloudine verzieht wie seinerzeit Kulett ihr Gesicht und lächelt: „Ja-klar fahren wir dahin … wenn MachtMut das sagt … machen wir das natürlich!“
    „MachtMut?“ Frage ich ihn anschauend.
    „Cloudine … du fährst! Wann immer die Deutschen wollen!“
    „MachtMut!“ sage ich ruhig, „You are my Jesus!“ Und damit verkrallt sich meine Linke freundschaftlich auch in seinen Nacken und es gibt den ihm bereits bekannten Kuss auf die schweißnasse Stirn…
    Der Abend gestaltet sich noch weiterhin lustig und irgendwann muss sich MachtMut seinen Kumpels widmen - denn die fordern ihn über Handy zum Kartenspielen auf. Wir verabschieden ihn freundlich, kurz danach Cloudine und dann geht auch der Rest seiner Wege. Es wurde beschlossen, die Ausfahrt zur „Turbo“ auf Samstag zu verlegen, da dann das Wetter am besten sein soll. Morgen – so Cloudine – soll es zu ihrem Lieblingstauchplatz namens „Kokosnuss“ gehen, zwei Pyramiden-Korallen-Felsen von 30 Meter aufsteigend bis nahezu Oberfläche, hier ganz in der Nähe…


    ***


    8.20 Uhr Treffen, Rödeln, mit dem Pickup zur Marina, Rödeln, Ablgegen, Tauchen an zwei Felsen, einen Hai in weiter Ferne gesehen, Cloudine Unterwasser büschen geärgert und nach 45 Minuten sowie 33,2 Metern austauchen.
    Auf der Fahrt zum zweiten Tauchplatz ertönt das Delphin-Signal, ein Rudel Tümmler.
    Für die Guide`in gibt es wieder Futter in Form von einem Jupiter-Riegel. Diese Fütterung vollzieht sich jedoch mit den Worten: Turbo, morgen früh. Die anwesenden Gäste hinterfragen die Sache – wohl, um auch so einen Riegel zu bekommen - und so erkläre ich Allen, was morgen früh – für mich - anliegt und erzähle die Geschichte um den großen Tanker und beschreibe den Spot. Es bildet sich nach und nach ein Halbkreis um den diverhans. Nur der junge Mann mit dem schwarzen T-Shirt und darauf in leuchtend rot aufgestickt: P A I D , wirkt etwas verstockt in seiner Ecke und liest ein Buch mit dem Titel: „Do not deeper than 40 meter! Do not Deco!“ Recht so! Lesen bildet.
    Der zweite Tauchgang endet nach genau 70 Minuten und 17 Komma 1 Metern und so vielen Fischen, dass ich mir für den morgigen Tag Massen an Eisen und Messing wünsche.
    Auf der Rückfahrt smaltalk mit Schweizer Gästen über richtiges Tauchen. Mr. Paid liest nun im Salon … weiter.
    An der Tauchbasis gegen frühen Abend angekommen, zickt Novonne, als ich einen Fischführer käuflich erwerben möchte und erwähnt, dass sich nunmehr 16 Leute für die morgige Ausfahrt eingeschrieben haben und das hätte ich davon, dass ich immer und überall und überhaupt. Nun gut, ich erwähnte bereits mein Verteilungsprinzip und meine Einstellung zur Thematik – andere am Glück teilhaben zu lassen. Ich hätte durchaus meinen Schnabel halten können, denn die Tour war bereits beschlossen… Und Guten Tag hat sie mir auch nicht gewünscht.
    Bilder laden, Abendbrot.
    ..man kann nicht alle Wracks dieser Welt betauchen, aber .. man kann`s versuchen!

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    • diverhans
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      Ritter


      • 03.11.2005
      • 443
      • BW

      #3
      Danach versuche ich aus zwei Tauchlampen eine zu basteln – es gelingt mir; eine Funktioniert wieder. Und aus dem Grunde haben die Ruskies den Krich jewonnen, da sie nicht aus jedem Dorf einen anderen Köter dabei hatten.


      ***

      Endlich! Der Tag bangen Hoffens, langer Gebete, gründlicher Vorbereitung, diverser geplatzter Magengeschwüre ist gekommen. Diesmal ist um 7.45 Uhr das Treffen anberaumt, alle sind pünktlich. Kulett ist nun endlich auch mal wieder mit dabei und ergänzt Cloudine.
      Ich bin aufgeregt. Auf der dicht gedrängten Ladefläche muss ich unter anderem meiner Erregtheit Luft machen und lappe mit Manne ordentlich rum – Platzhirschverhalten, ganz klar; denn niemand soll mir meine Tour versauen. Die Anderen sind alle beinahe frisch angereist.
      Kulett hält eine Liste der Teilnehmer in seiner Hand, Manne reißt sie ihm mit den Worten: „Mal sehen, wer hier heute so alles mit ist.“ förmlich aus der Hand.
      „Gib her … alter Mann … du bist zum Lesen eh schon zu schwach!“ Und somit halte ich sie jetzt in meinen Händen; Manne grinst und kontert: „Nimm die fette Brille ab, damit ich dir ordentlich auf die Lichter geben kann und du automatisch auf der Liste viele Sterne … Taucher … siehst!“
      „Ja Manne … musst du auch, denn ich sehe hia beispielsweise einen OhWehDe – Taucher. Mein Gott … der Arme! Der darf nur bis 18 Meter runner und där Tankär fängt mit der Mastspitze auf genau 17 Meedern an. Na immerhin ein stolzer Anfang für die spätere Wracktauch-Kariere und zudem - schon ein Tauchgang ist belegt bezüglich Wräck-Deif-Schpescheltie-Kärtchen!“ Dabei schaue ich Manne an, wie auch er mich, einen Moment ist Ruhe; dann brechen wir in ein schallendes Gelächter aus – mit Schenkelklopfen vom Feinsten. Der Rest der Truppe hüllt sich in Schweigen. Sicher, es ist gemein gewesen, doch kommt mir heute rein gar nichts und niemand dazwischen und mein großer Schnabel soll lediglich nur das klarstellen. Lieber wahre Feinde als falsche Freunde – denn nachher soll / will sich vielleicht meiner Freundin und mir noch ein Einzelner anschließen. Das dürfte nun zweifelsfrei rum sein…

      An Bord angekommen: „Sei bitte so lieb und hole als erstes gleich 6 einzelne Stücken Blei … für mich, denn die brauche ich dringend. Es scheint für heute nicht genug davon an Bord zu sein, bei der Masse Taucher.“ Bitte ich meine Freundin. Kurz überlege ich noch, uns Nitrox-Flaschen anzubauen, doch würde meine Freundin so nur eine 11,1er statt einer 15er auf dem Rücken haben. Und ich möchte doch unten am Wrack übernachten. Lieber die Deco kürzen, als Luftmangel und frühzeitiges Umkehren. Diese Logik geht nicht wirklich auf, doch scheint es mir egal. Luft ohne Ende wird gebunkert, denn eine Flasche mit kleiner 200 bar Fülldruck wird prompt zurückgestellt.

      Die Ausfahrt genieße ich bei leicht achterlichen schwachen Winden und wenig Schiffsbewegung in Bezug auf das Rollen. Wolkenloser Himmel und eine herrliche Sonne. So sitze ich auf dem höchsten Deck des größten von den vier zur möglichen Auswahl gestandenen Schiffen. MachtMut hat eben so entschieden; zwei Motoren als Antriebsanlage seien wegen möglichem Maschinenschaden sicherer – bei dieser langen Reise. Mein Blick ist lautlos auf die Küste gerichtet; wir laufen dicht unter Land. Ich genieße zum einen die Fahrt, doch mache ich mir zum anderen Sorgen, dass etwas dazwischen kommen könnte – alles läuft zurzeit zu perfekt.
      ..man kann nicht alle Wracks dieser Welt betauchen, aber .. man kann`s versuchen!

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      • diverhans
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        • 03.11.2005
        • 443
        • BW

        #4
        Cloudine läutet zum Briefing, wir sind beinahe da.
        Alle finden sich ein, Cloudine hat in Perfektion alles vorbereitet: Aus dem Buch „Schlafende Schiffe“ ist die sehr gelungene Zeichnung in 16facher Form kopiert worden und wird nun an alle Gäste verteilt. Sie stellt zu erst meine Wenigkeit gebührend vor und verweist darauf, dass ich im Anschluss für die Deutsche Fraktion sicher gerne Ergänzen könnte – falls noch Fragen auftreten.
        Doch die Kleine macht es so perfekt, dass ich es hätte nicht besser bringen könnte; sie umreißt kurz die Geschichte und kommt dann zur Sache – dem Ablauf und dem Tauchgang. Abschließend weißt sie ausdrücklich auf ein Hineintauchen-Verbot hin und gestattet mir und meiner Freundin dieses hoch offiziell, da wir Fotoaufnahmen machen müssten. Keiner hat im Anschluss Fragen an mich; ich bin eh schon unten und rödele mich an. Die Freundin tut es mir gleich.
        Geschlossen stehen alle bunt durcheinander auf der Taucherplattform; Manne macht noch eine Videosequenz. Ich habe Mühe, die anderen Gäste bei Seite zu schieben, doch man lässt mich durch und so stehe ich mit Cloudine`s verbaler Hilfe neben meiner Freundin … ich musste noch meine Zange und den großen stabilen Schraubendreher holen – man weiß ja nie!
        Es ist zu merken, dass das paarweise Absprung – Prinzip hier nicht so oft angewendet wird. Das Tauchboot kann nicht fest machen; wir haben auflandigen Wind. Kulett geht als erster hinein, die Aufregung ist groß, wir sollen warten bis er das Wrack von der Oberfläche bei diesem klaren Wasser ausgemacht hat – dann gebe er ein Signal. Leichte Missverständnisse zwischen Kulett`s Handzeichen und der allgemeinen Reaktion darauf, doch letzten Endes bleiben alle gelassen; dann folgt das Signal zum Absprung für alle…


        > Der Tanker „Turbo“ <


        Mein Gott; sofort nach dem Abtauchen sehe ich die riesige Bordwand. Nein, nicht nur sie sondern gigantische Ausmaße, nahezu das ganze Wrack ist bei diesen guten Sichtverhältnissen zu sehen. Ein kurzer Blick nach hinten, meine Freundin folgt mir und auf Nachfrage bekomme ich das Okay – Zeichen.
        Die Wracklage ist mir sofort und zweifelsfrei klar; ich weiß wo ich mich zurzeit befinde und welche Richtung ich zu bewerkstelligen habe. Es geht sofort zum achtern angeordneten Aufbau. Nochmals fordere ich meine Freundin auf, mir zügig zu folgen. Die Heerscharen von Taucher könnten Mulmen oder allein mit ihrer Anwesenheit die Motive der Fotos beeinträchtigen – ein unbestrittener Nachteil meiner „Werbung“. Aber … was soll’s?
        Meine Freundin weiß was zu tun ist und so steuere ich als erstes auf das Maschinenraumoberlicht zu. Denn dies ist grundsätzlich ein guter und geeigneter Zugang zum Maschinenraum, insofern mindestens eine der Klappen geöffnet ist oder fehlt. Es geht vorbei an dem gewaltigen Backborddruckkopflüfter – welcher immer noch in seiner ursprünglichen Lage seit nunmehr 95 Jahren eisern – im wahrsten Sinne des Wortes - trotzt. Und schuppdiwupp verschwindet der diverhans vorbildlich mit den Füßen voran in der Öffnung. Ich passe gerade so durch, Manne fotografiert und ich möchte nicht stroke in den einschlägigen Tauchzeitschriften abgebildet sein – man soll wenigstens meinen in Eishaube gehüllten Kopf mit der knallgelben Maske erkennen können statt nur die Woolo-Flosse…
        Ein gigantischer Maschinenraum offenbart sich mir, die Orientierung fällt nicht schwer – obwohl der Dampfer mit etwa 65° auf seiner Backbordseite geneigt liegt. Ich halte einen Augenblick inne, um zu schauen was ich mir als erstes vornehme und welchen Weg ich beschreiten möchte. Die Dreifachexpansionsdampfmaschine ist mein Ziel – vorbei an den Zylindern soll es hinunter bis zum Kurbeltrieb gehen. Die Tauchlampe von Manne wird eingeschaltet und wird mir gute Dienste erweisen. Meine eigene habe ich an Bord gelassen.
        ..man kann nicht alle Wracks dieser Welt betauchen, aber .. man kann`s versuchen!

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        • diverhans
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          • 03.11.2005
          • 443
          • BW

          #5
          Manne braucht keine, er möchte – wenn überhaupt – nicht tief penetrieren, lediglich seinen Kopf mal reinstecken und so reicht ihm seine zweite.
          Der Weg ist grob auserkoren und mit kaum spürbaren Flossenschlägen dringe ich weiter hinein in den Keller. Sofort bemerke ich, dass hier absolut alles an seinem Fleck ist; ich sehe Handräder über Handräder. Nicht ein einziges auf meinem Weg fehlt. Einige lassen sich öffnen, beziehungsweise schließen. Leichtes Kratzen am spärlichen Bewuchs lassen Edelmetall erkennen, wenn auch nur vereinzelt und an kleinen Ventilen. Werkzeug finde ich und Ersatzteile verschiedenster Art. Der Schlick hält sich in Grenzen – verhältnismäßig wenig Versandung im Inneren und glasklare Sicht. Eine Kabellampe – das Glas ist nicht implodiert hängt augenscheinlich einsatzbereit über ein Geländer. Nur wenige Fische treffe ich an, habe ich doch Respekt vor riesigen Muränen oder anderen gruselig wirkenden Fischen. Der Weg wird jetzt eng – der Versperrungsgrad konstruktiver Natur nimmt zu. Die Flossen ruhen und von nun an gilt es sich entlang zu hangeln. Die ersten Hacker stellen sich ein, doch sind es keine Netze oder lose Kabelstränge. Lediglich die Automatenstufen an dem Doppelpaket schlagen an oder der Anzug reibt an den Waden, da diese häufig aber beabsichtigt einer der höchsten Punkte bilden.
          Ich suche nach lose und herab gefallenem Messing und finde auch im Schlicke nichts der gleichen. Aber die Suche ist plantechnisch nur von sehr kurzer Dauer, ebenso das Erkunden der stattlichen Maschinenanlage nach Typenschilder oder Ähnlichem, denn ich muss mir die Zeit einteilen – gilt es primär Fotos zu machen. Auf den zweiten Tauchgang möchte ich diese Priorität nicht verlegen. Was man jetzt kann besorgen verschiebe nie auf morgen und auch niemals auf den Folgetauchgang. Es kommt stets etwas dazwischen.
          Und so ist diese Penetration im Gesamtverlauf dieses Tauchganges nur von recht kurzer Dauer. Der Weg zurück gestaltet sich ebenso wie der Hinweg; meine Freundin hat mich im Skylight verschwinden sehen und wird sich vermutlich in näherer Umgebung aufhalten, will ich ihr doch das ein oder andere Motiv diktieren.
          Nach dem Verlassen des Maschinenraumes kann ich sie bei der Arbeit sehen. Ein kurzes Anstubsen verbunden mit dem Fingerzeig in Richtung mein nächstes Penetrationsvorhaben – die ganz achtern und weiter im Schiff liegenden Räumlichkeiten. Hier werde ich höchst wahrscheinlich nicht die Küche finden – denn diese ist mit der Vorschiffsektion und dem Brückenaufbau untergegangen – aber vielleicht doch eine achtlos stehen gelassene Kaffeetasse, einen Teller oder die von einem Besatzungsmitglied heimlich mitgenommene Brotdose aus purem Messing.
          Schnell bin ich auch hier im Schiffsinneren. Die Trennwände sind verrottet, die Struktur ist erhalten. Auf den ersten Blick ist alles leer. Ich wende mich dem tiefsten Punkt zu. Das Sediment ist wie Staub. Und da ich wegen der großen Penetrationsöffnung vielleicht mein Freundin doch überzeugen kann mir hier hinein zu folgen bezüglich einiger Fotos von innen, vermeide ich strickt zu mulmen – schweren Herzens allerdings. Keiner der Taucher wagt sich rein, alle halten sich an die Vorgabe, auch wenn es sehr auffällig erscheinen muss, dass lediglich meine Freundin eine Knipse mit dabei hat und von außen fotografiert - währenddessen ich ohne Kamera von einem Loch in das andere springe. Nicht einmal ein Kopf dringt ansatzweise in einen der Räume ein. Respektvoll – nicht nur wegen der Vorgabe, so will mir scheinen – umkreisen die Haie ihr Opfer, greifen aber nicht an.
          In den Kesselraum komme ich blitzartig nicht hinein. Ich muss einen Weg suchen und als dieser gefunden ist, sehe ich etwa acht Feuerfische den Einstieg bewachen. Nun gut, ich bin zwar beinahe hermetisch abgeriegelt hinsichtlich meiner Bekleidung, doch lehne ich dankend ab weil alleine der Kampf mit dieser Übermacht viel Zeit kosten würde. Ich lasse das – auch schweren Herzens.
          ..man kann nicht alle Wracks dieser Welt betauchen, aber .. man kann`s versuchen!

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          • diverhans
            Ridderkreuzträger &
            Ritter


            • 03.11.2005
            • 443
            • BW

            #6
            So wende ich mich nun meiner Freundin zu und mache ihr das ein und das andere Motiv begreiflich in der Art, wie ich es mir wünschen würde. Ein Foto folgt dem anderen. In den kleinen Pausen lasse ich dieses vollständig bis ins Detail erhaltene Wrack in seiner Schönheit auf mich wirken. Ich berühre nicht nur 100% intakte und 95 Jahre alte Messing-Bullaugen…
            Es geht vom Hauptdeck um das Heck herum zu Ruder und Schraube. Die Schraube lugt nur mit einem Flügel aus den Sandmassen. Während sich der Ruderschaft als gebrochen und leicht versetzt darstellt. In teils gewohnter Manier hetze ich von einer Ausgangsposition wieder zurück in das Freiwasser um meiner Freundin eben diesen Platz frei zu machen, dann schwimme ich heran und weise die zu fotografierende Richtung an, danach verschwinde ich wieder ins Freiwasser damit weder ich noch Teile meiner Flossen am Bildrand erscheinen. Das kostet Luft!
            Rauf zum Steuerbordschanzkleid. Auch hier Fotos, dann nochmals runter zu den Aufbauten und dann tauchen wir über das lange Hauptdeck. Von hier noch einmal Fotos von den Aufbauten, den schönen Bullaugen, den vielen auf dem Deck angeordneten Handrädern und Rohrleitungen, vom Laufsteg und nun endlich ist der leider - wohl kürzlich erst - abgebrochene Mast dran. Traumhafte Bilder sollen es werden! Die Zeit rinnt und wir sind schon beinahe eine Stund am Wrack. Eine Trosse schwebt an der Bruchkante horizontal und dieser Teil des Wracks stellt sich als der höchste dar. Ein guter Platz für den ersten Deco-Stopp. An dieser Stelle haben wir nur noch 10 Meter Wassertiefe. Wie verweilen hier und tätigen weitere Fotos. Die letzten Taucher verlassen die Drei-Meter-Stufe; wir sind die letzten an diesem stolzen Tanker. Der Kompass ist eingestellt und die restlichen Minuten der letzten Stufe tauchen wir im Freiwasser in Richtung Boot. Ich sehe nach einigen Minuten des Schwimmens ein Besatzungsmitglied mit Schnorchelausrüstung und einem dicken Tampen in der Hand. Er winkt aufgeregt. Natürlich ergreifen wir dieses Ende und hangeln uns etwa 80 Meter bis zu unserem Boot.

            Mein Kopf ist noch voller Eindrücke und so bekomme ich real nicht mit, was Cloudine zu melden hat. Meine Freundin übersetzt kurz was gesprochen wurde:
            „Es gibt hier am Wrack keinen zweiten Tauchgang mehr. Das Wetter soll sich verschlechtern und der Kapitän verweigert einen weiteren und vor allen Dingen längeren Aufenthalt hier. Wir fahren ein Riff weiter draußen an.“
            „Haben die ein Ei uff`m Kopp oder wat? … Verdammte Scheißää! Ich kann mich über dem Wasser rasieren, so glatt ist das … verdammte Katzenpissää! Scheiß-Weicheier … die!“ Bin ich für einen Moment sehr laut und sichtlich sauer. Zudem hat regelwidrig Cloudine eine Abstimmung einberufen und die Hälfte war eh gegen einen zweiten Tauchgang am Wrack. Und da Manne und Kati eher aus Sympathie mir gegenüber dem Wrack die Stimme gegeben haben und ich somit beinahe alleine auf weiter Flur dastehe, werde ich mein Verteilungsprinzip und das mit dem Teilhaben lassen an konkret meinen Glück in zumindest Wrackfragen noch einmal grundsätzlich überdenken müssen. Denn sie wissen nicht was sie da eben betaucht haben. Die „Blaue Diestel“ ist nur eine graue Maus dagegen…
            Cloudine versucht mich zu beruhigen. Ich lenke schnell ein, denn bis hierhin ist alles nach Plan verlaufen und wichtige Fotos sind im Kasten. Zudem ist das Mädel erst um die dreiundzwanzig und wird in Sachen Konsequenz noch einiges lernen müssen und es sicher auch lernen werden.
            „Ist schon gut … alles okay … es war ein super Tauchgang für mich, ich danke dir von ganzem Herzen liebe Cloudine.“ Sage ich zu ihr. Dann drücke ich sie und lächele wieder.
            ..man kann nicht alle Wracks dieser Welt betauchen, aber .. man kann`s versuchen!

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            • diverhans
              Ridderkreuzträger &
              Ritter


              • 03.11.2005
              • 443
              • BW

              #7
              ***


              Über 60 Minuten waren wir am Wrack und viel länger hätten wir auch nicht bleiben können, da meine Tanks beinahe leer waren. Wir sind noch zu dem Riff gefahren und meine Freundin hat sich wieder an ihren Fischchen erfreuen können – 70 Minuten lang. Abends haben wir uns herzlichst bei MachMut bedankt und noch etwas zusammen gesessen. Der darauf folgende Sonntag blieb tauchfrei und Montagfrüh haben wir uns auch von Miss „No“ nett verabschiedet und sind in den Bus gestiegen. Nach 40 Kilometern war mein Blick starr nach rechts gerichtet, auf eben meinen gestrandeten Frachter aus längst vergangenen Zeiten.
              Was MachtMut möglich ge(macht) und welchen (Mut) er insofern bewiesen hat, als dass er mich kaum kannte und somit riskierte, dass etwas am Strandungswrack hätte mit mir oder gar uns geschehen können, beweist Courage, Angagement, Freundlichkeit höchsten Grades und verdient meinen ungeteilten Respekt und Hochachtung. Ähnliches kann ich von Kulett und Cloudine sagen.
              Der, der gegen den Strom schwimmt sollte sehr gut ausgerüstet und vorbereitet sein in jeder Form. Manchmal wird auch dieses Verhalten respektiert und der gewünschte Erfolg stellt sich ein – das Ziel wird erreicht und von Erfolg gekrönt, so wie in diesen zwei Wochen Lahachmich Bai.


              * * * E N D E * * *


              (c) Rene Heese 2008


              Rechtlicher Hinweis:

              Die Begebenheiten sind frei erfunden. Die geschilderten Tauchgänge sind
              lebensgefährlich und nicht zur Nachahmung empfohlen! Die Tauchgänge haben in
              der Realität niemals so stattgefunden. Es wurden keine Gegenstände aus
              Wracks geborgen. Bevor sie Tauchen gehen, machen sie einen geeigneten
              Tauchkurs bei einer anerkannten Tauchsportorganisation. Tauchen sie niemals
              alleine, sondern nur mit kompetentem(n) Tauchpartner(n) und einer
              geeigneten, technisch einwandfreien Tauchausrüstung! Wracktauchen ist eine
              Spezialdisziplin des Tauchens.
              Tauchen sie nicht in Wracks hinein, wenn sie dafür nicht ausgebildet sind
              und / oder über einen ausreichenden Erfahrungsschatz verfügen! Tauchen sie
              nicht tiefer als von führenden und anerkannten Tauchsportorganisationen für
              sicher erklärt ist. Tragen sie zum Umweltschutz und zur Erhaltung einer
              intakten Unterwasserwelt bei, indem sie Unterwasser nichts berühren oder gar
              töten. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein
              zufällig.
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              • intravenoes
                Ritter


                • 04.10.2005
                • 428
                • Riedenburg

                #8
                Bin jetzt erst dazu gekommen alles zu lesen, wieder mal Klasse gemacht Rene!
                Hab leider auch den Beitrag mit den dazu passenden Fotos verpasst und nun sind die Fotos wieder weg, kommt da mal noch was von dir?
                Würde mich sehr interessiern!
                Mach weiter so!

                P.S.. Nimm dir das nächste Mal im Urlaub ne Windel mit! Hab tierisch gelacht...
                Chris

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                • diverhans
                  Ridderkreuzträger &
                  Ritter


                  • 03.11.2005
                  • 443
                  • BW

                  #9
                  Ich stelle in absehbarer Zeit einige Unterwasserfotos ein; melde dieses (rechtzeitig) an. Danke fürs Lesen.

                  Bis bald, lg., Rene :-)
                  Zuletzt geändert von diverhans; 11.02.2008, 22:14.
                  ..man kann nicht alle Wracks dieser Welt betauchen, aber .. man kann`s versuchen!

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