Schatztauchen Schweiz (hi Claus)

Einklappen
X
 
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge
  • Helvetikus
    Ritter

    • 23.09.2001
    • 599
    • Soladurum
    • bei uns verboten ;-)))

    #1

    Schatztauchen Schweiz (hi Claus)

    Der Schatz im Bielersee
    FACTS 21/2003, 22.5.03


    Hunderte von Wracks liegen in Schweizer Seen mit zum Teil wertvoller Ladung. Taucher träumen vom grossen Fund – zum Ärger der Archäologen.

    Von Ruth Brüderlin
    Fisch auf 16 Meter Wassertiefe. Grund: 40 Meter. Kurs: 30 Grad. Dichte Nebelschwaden wabern über den Bielersee. Sicht null. Irgendwo in der Ferne liegt das Ufer mit der kleinen Berner Seegemeinde Hagneck. Irgendwo in der Tiefe, unter den dunklen, glucksenden Wassermassen liegt der Raddampfer «Industriel». Rund 40 Meter lang, 7 Meter breit, Platz für 300 Passagiere und 8 Mann Besatzung. Gesunken im Jahr 1862 in einem heftigen Sturm. «Fisch» auf 7 Meter. Kurs Nord. Das Brummen des kleinen, weissen Motorschiffes, das an einem kalten Frühlingsmorgen 2003 die Wogen des Bielersees durchpflügt, wird vom Nebel verschluckt. An Bord vier Männer mit einem Ziel: das Wrack der «Industriel» orten. Koordinator der Suchexpedition ist an diesem Tag Jörg Mathieu, 42, aus Uetendorf bei Thun, Beruf Chemielaborant mit Spezialgebiet Sprengstoff. Sein Hobby: Tauchen und Schatzsuchen. Für ihn ist das eine fest mit dem anderen verbunden: «Tauchen an sich ist schon reizvoll. Mich fasziniert das Element Wasser. Wenn man es aber mit der Suche nach der Vergangenheit verbinden kann, ist es für mich absolut das Grösste.» Mathieu ist vom Schatzsuchervirus befallen. Er gehört zu einem 12-köpfigen Tauchverein, der sich Blue Water Search nennt und deren Mitglieder jede freie Minute damit verbringen, längst versunkene Kähne aufzuspüren. Gerade eine Hand voll solcher Schatz-Tauchgruppen gibt es in der Schweiz. Sie arbeiten in variierender Zusammensetzung, manchmal als Konkurrenz – aber immer im Team. Und sie sind alle angefressen von ihrem Hobby. Daniel Bernhard, 36, beschreibt sich und seinesgleichen so: «Wracksucher sind Idealisten, die in ihrer Jugend das Buch ‹Die Schatzinsel› gelesen haben und daraufhin beschlossen, nie richtig erwachsen zu werden.»

    Jagen, suchen, Geheimnisse lüften, entdecken, was jahrhundertelang kein menschliches Auge mehr erblickt hat, als reicher Mann dem Taucheranzug entsteigen – das ist der Stoff, aus dem Männerträume sind. Tatsächlich liegen in Schweizer Seen Hunderte von Wracks. In allen Grössen, aus allen Epochen und mit zum Teil wertvoller Ladung wie Wein oder Kupfer. Auch Teile des Schiffs selber, etwa eine Glocke oder eine Verzierung, sind für Sammler Gold wert und können viel Geld einbringen. Aber der eigentliche Schatz ist das Schiff selbst. Die Überreste liefern den Archäologen Hinweise über die Lebensumstände unserer Altvordern. Schatztaucher Daniel Bernhard, Coiffeur aus dem Obwaldner Dorf Alpnach, bekommt glänzende Augen, wenn er erzählt: «Wracks sind Zeitkapseln. Alles ist noch so, wie es war, als das Schiff sank. Man findet zum Beispiel einen Hammer, der da liegt, und fragt sich, wer ihn wohl vor hundert Jahren zuletzt in der Hand hielt. Es ist, als schaue man durch ein Fenster direkt in die Vergangenheit.»

    «Fisch» 10 Meter, Kurs Süd. Die Jäger der verlorenen Schätze umkreisen ihre Beute. Das Suchgebiet ist in gleichmässige, 40 Meter breite Bahnen eingeteilt. Sie werden fein säuberlich der Länge nach abgefahren. Keine einfache Sache. Steuermann Martin Hintermeister, 55, im zivilen Leben Maschinen-Ingenieur aus Biel, hat grösste Mühe, den Kurs zu halten. Das Gewicht des «Fischs» bringt das kleine Boot immer wieder vom Weg ab: Der «Fisch» ist ein hoch empfindliches Gerät, ein so genanntes Protonen-Magnetometer. Das etwa drei Meter lange Teil wird in 10 bis 40 Meter Tiefe über den Seeboden gezogen. Dort registriert er kleinste Veränderungen des Erdmagnetfeldes, welches durch magnetische Metalle gestört wird. Diese Daten werden auf einen der Computer an Bord übermittelt und lassen auf dem Bildschirm eine exakte Magnetkarte entstehen, auf der nicht nur Gegenstände am Boden, sondern je nach Sediments-Beschaffenheit bis 20 Meter tief im Seegrund deutlich zu erkennen sind. Der «Fisch» ist nur eines der Hightech-Geräte, mit denen die Sucher ihrem Schatz auf die Schliche kommen wollen. Thomas Peck, 46, Elektroniker aus dem zürcherischen Nürensdorf, lässt den Screen mit den Daten des Magnetometers nur kurz aus den Augen, um mit klammen Fingern das Protokoll nachzuführen. Waypoints aufnehmen, heisst das. Dank dieser Daten kann später jede Stelle auf dem See wieder gefunden werden. Peck ist Direktor der Dübendorfer Niederlassung von Inter Mares, einem internationalen Unternehmen, das ferngesteuerte Unterwasserkameras herstellt. Die Geräte bekommt Blue Water Search leihweise. Sie zu kaufen, würde das Budget jedes Tauchklubs sprengen.

    «Jedes Hobby hat seinen Preis», tröstet sich Jörg Mathieu, «reich ist noch keiner geworden, und nur wegen der Aussicht auf einen lukrativen Fund nimmt keiner diese Plackerei auf sich.» Aber hoffen und träumen vom ganz grossen Coup ist ja nicht verboten. Was in Schweizer Seen gefunden wird, gehört sowieso den Kantonen und muss dort gemeldet werden. Beat Eberschweiler, wissenschaftlicher Leiter für Unterwasser-Archäologie der Stadt Zürich, ist diesbezüglich zufrieden mit den Schatzsuchern. «Die Zusammenarbeit ist gut. Unsere Aufgabe ist, alle Funde zu registrieren und zu wissen, wo sich was befindet.» Oft dürfen die Finder ihren Schatz sogar behalten, denn Museen leiden unter Platzmangel. «Praktisch jeder pensionierte Lehrer der Seeanrainer-Gemeinden besitzt ein paar Scherben oder ein steinzeitliches Beil, das er hütet und dem Sonntagsbesuch vorführt», lacht er. «Das ist sinnvoller, als die Teile in Lagern verstauben zu lassen.»

    Trotzdem schauen die Archäologen dem Treiben der Schatztaucher mit gemischten Gefühlen zu. Einerseits ist Schatzsuche ohne amtliche Bewilligung illegal. Anderseits können Wracks schon durch blosses Anfassen beschädigt werden – wofür die Taucher zur Rechenschaft gezogen und für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes haftbar gemacht werden. Zudem gehen die Funde ins Geld. Genauer: Sie zehren an den knappen Budgets der Kantonsarchäologen. Funde müssen vermessen, katalogisiert und registriert werden. Stellt sich ein Wrack auch noch als besonders erhaltenswert heraus, verursacht das enorme Folgekosten für Bergung, Restaurierung und Konservierung. Das bringt das Budget von Albert Hafner, Leiter der Aussenstelle Unterwasser-Archäologie im Kanton Bern, öfters gefährlich in Schieflage. Darum ist er froh, wenn niemand etwas findet. Er vertritt die Maxime der Unesco, die besagt, dass nur ausgegraben werden soll, was kaputtzugehen droht. Alles andere soll man dort lassen, wo es ist. «In dem Sinne ist der See das beste Archiv», erklärt Hafner. Deshalb hat das Team von Blue Water Search auch nur eine beschränkte Bewilligung für die Expedition «Industriel» bekommen. Sie dürfen suchen, aber nicht bergen. Es sei denn, sie garantieren die Finanzierung – auch für alle anfallenden Folgekosten.

    Nicht für schnöden Mammon also, sondern für simplen Ruhm und Entdeckerehre durchkreuzen die Schatzsucher die Wellen. Letztes Jahr fanden Mathieu, Peck und drei weitere Kollegen von Blue Water Search das Schwesterschiff der «Industriel», den Passagierdampfer «Bellevue». 138 Jahre war sie im Thunersee verschollen. Ihre Wiederentdeckung wurde in der Region und in der Taucherszene als Sensation gefeiert. Die Informationen über die «Industriel» sind spärlich. Das Team kennt nur das Unglücksjahr. In den Archiven sind keine Aufzeichnungen erhalten. Aber ein Sporttaucher soll sie per Zufall gesehen haben, vor Jahren. Seine Erinnerung ist die Basis für die Suche. Etwas dürftig. Immerhin weiss man, wie die «Industriel» etwa aussah. Martin Hintermeister vom Bieler Klub «Tauch-Freunde» hat die Archive durchforstet und im Buch «Die Geschichte der Schifffahrt auf den Jura-Gewässern» eine Zeichnung gefunden. Zudem hat er herausgefunden, dass der Kahn zuletzt mit Torf beladen war und eventuell vom Eigentümer absichtlich versenkt wurde, weil eine Verschrottung zu teuer gekommen wäre. «Erst wenn man alle verfügbaren Informationen zusammengetragen hat, kann man mit der Suche beginnen», sagt Hintermeister. «Sonst muss man gar nicht erst anfangen.»

    Fisch 13 Meter, Kurs Nord. Langsam zerteilen wärmende Sonnenstrahlen die dichte Nebelwand, Land taucht auf. Das erleichtert die Arbeit der Crew wesentlich. Kirchturmspitzen, Wasserzuflüsse und Bergkuppen werden jetzt sichtbar und dienen als Orientierungshilfe. «Achtung, Boje vor Bug», brüllt Steuermann Hintermeister. Boje, das bedeutet höchste Alarmbereitschaft, denn sie zeigt an, dass hier Fischernetze ausgelegt sind – die grössten Feinde der Schatzsucher. Verheddert sich der «Fisch» in einem der Netze, bedeutet das einen unliebsamen Arbeitsunterbruch und mühsame «Entwicklungsarbeit». Ganz abgesehen vom Krach, den die Fischer wegen der kaputten Netze schlagen.

    «‹Fisch› 7 Meter, die Baseline steigt», schreit Coiffeur Daniel Bernhard plötzlich. Es kommt Hektik auf: Auf dem Bildschirm schlagen die Linien aus wie das Kardiogramm eines Infarktpatienten. Kein Zweifel. Da unten ist etwas. «Jetzt müsste die Linie wieder sinken!», ruft Skipper Mathieu zurück. Thomas Peck am Heckcomputer starrt auf seinen Schirm. «Bei mir tut sich nichts.» Sekundenlang halten alle den Atem an. Pech. Was immer sich da unten verbirgt, die «Industriel» ist es nicht. «Es kann alles Mögliche sein», erklärt Jörg Mathieu leicht genervt. «Ein Fischschwarm, ein gesunkenes Ruderboot oder wie in diesem Fall vermutlich ein Stromkabel, das unter dem Boden verlegt ist.»

    Weiterfahren. Bahn um Bahn. Noch hat keiner auch nur die Flossen montiert. «Das kommt erst ganz am Schluss», grinst Thomas Peck. «Wenn die Geräte klar zeigen, dass von der Form her das Gesuchte unter uns liegt, schauen wir zuerst mit der Unterwasserkamera nach.»

    Das Herunterlassen der ferngesteuerten Kamera ist der Moment, von dem alle Wracksucher träumen. Dafür haben sie oft wochenlang Material geschleppt und aufgebaut. An einem Wintertag vor fünf Jahren entdeckten drei Sporttaucher 80 Meter vor dem Dorf Bipschal am Bielersee in 25 Meter Tiefe ein 12 Meter langes und 2,5 Meter breites Wrack. Per Zufall. Das etwa 150 Jahre alte Transportschiff enthielt noch seine Ladung. Kies. Martin Hintermeister war einer der Entdecker. Zusammen mit seinen Sportsfreunden kreierte er spezielle Absaugrohre und befreite das Wrack von 20 Kubikmeter Schlick. Aus dem Wrack will er eine Art Unterwassermuseum für andere Hobbytaucher machen. Es wäre das Erste seiner Art in der Schweiz. Auch wenn die Wrackfunde noch so spektakulär sind, gehoben werden sie in den seltensten Fällen, das ist zu aufwändig und zu teuer. Auch die «Bellevue», auf deren Fund Mathieu so stolz ist, liegt noch dort, wo sie sank. «Immerhin weiss man jetzt, wo sie ist, und alles ist sauber dokumentiert. Das Geheimnis ist gelüftet, unser Job getan», sagt Mathieu.

    Wracksuche sei eines der letzten grossen Abenteuer unserer Zivilisation, behaupten die Taucher. So gesehen ist die Suche in der Schweiz höchstens ein Flirt, ein Vorgeschmack. Die echten Herausforderungen liegen in den unendlichen Tiefen der Weltmeere. Auch die Männer vom Team Blue Water Search nehmen immer wieder an spektakulären Suchaktionen in internationalen Gewässern teil. Daniel Bernhard zum Beispiel war bei der Bergung der wertvollen Ladung des Postdampfers «Cimbria» in der Nordsee dabei. Dort waren allerdings nicht Hobbytaucher am Werk, sondern professionelle Bergungsfirmen, die Wracksuche als einträgliches Business betreiben.

    Diesen Sommer zieht es das Team Blue Water Search ins Mittelmeer. Dort, vor dem italienischen Hafen Livorno, haben sie ein hoch spannendes, hoch lukratives und hoch geheimes Projekt. Dort werden sie wieder einmal voll auf ihre Rechnung kommen und ihren Bubentraum in vollen Zügen geniessen können. «Ein Schatzsucher», erklärt Daniel Bernhard, «vereinigt verschiedenste Fähigkeiten. Er braucht Ideen, Recherchegeschick, Interesse an Geschichte, Fantasie, Kombinationsgabe, den Hang zu leichter Schizophrenie, Freude an Planung, Technik, Elektronik, zeichnet sich aus durch Willensstärke, Systematik, Improvisationsgabe, Ausdauer, Seefestigkeit und viel, viel, viel Geduld.»

    Ausserdem haben Schatzsucher den Hang zum Aberglauben, meint Bernhard: «Jeder, der bei einer Wracksuche dabei war, kann bestätigen: Wenn die Batterien des Fischs am Ende sind, gleichzeitig das Papier vom Echograf zur Neige geht, die Antenne vom GPS-Empfänger knickt und der Motor anfängt zu stottern, hat man eine wirklich gute Chance, dem gesuchten Objekt ganz nahe zu sein.»

    «Fisch» an Bord. Kurs Richtung Heimathafen. Die Suche auf dem Bielersee verlief an diesem Tag ohne Probleme, aber ernüchternd. Die «Industriel» wurde nicht gefunden. Die stillen Gebete des Berner Kantonsarchäologen wurden erhört – bislang.

    Auf blubberblasen achtenderweise

    Helvetikus
  • Claus
    • 24.01.2001
    • 6219
    • Bernau bei Berlin
    • Pulse Star II pro, modifiziert ...und einen guten Freund mit Bergeunternehmen :-)

    #2
    willst mich wohl

    neidisch machen, wa?

    claus
    Vertrauen ist eine sehr zerbrechliche Angelegenheit!

    Kommentar

    • Helvetikus
      Ritter

      • 23.09.2001
      • 599
      • Soladurum
      • bei uns verboten ;-)))

      #3
      überhaupt nicht

      Helvetikus

      Kommentar

      • eurasia
        Geselle


        • 24.08.2007
        • 57
        • Schweiz
        • DEUS

        #4
        Einfach super der Beitrag!!!

        Kommentar

        Lädt...