Hier ein neues Buch zum Thema Zwangsarbeit und Medizin in Göttingen:
ZIMMERMANN, V. (Hrsg.): Leiden verwehrt Vergessen. Zwangsarbeiter in
Göttingen und ihre medizinische Versorgung in den Universitätskliniken,
Wallstein Verlag (www.wallstein-verlag.de), Göttingen, 2007 , 301 S., 21
Abb., broschiert, 14 x 22,2 cm, ISBN-10: 3-8353-0152-7, ISBN-13:
978-3-8353-0152-8, € 28,00.
Aus dem Prolog: Seit Anfang des Jahres 2000 wurde am Institut für Ethik
und Geschichte der Medizin die Rolle der Zwangsarbeitenden an der
Medizinischen Fakultät der Universität Göttingen untersucht. Das
Forschungsprojekt wurde dann ab 2001 vom Vorstand des Bereichs
Humanmedizin in Form von Personalmitteln in zwei Phasen gefördert. Im
Mittelpunkt der Nachforschungen stand die bis dato ungeklärte Frage, in
welchem Umfang auch an den Göttinger Universitätskliniken
Zwangsarbeitende beschäftigt waren. Zum anderen war es wesentliches
Anliegen des Forschungsvorhabens, die Rolle der Universitätsmedizin für
die ortsnahe Versorgung zu untersuchen und Art und Umfang der
medizinischen Behandlungen erkrankter Zwangsarbeiter in den Göttinger
Universitätskliniken zu dokumentieren.
Als Quellen dienten neben Zeitzeugenberichten vor allem die
einschlägigen Akten des Stadt- und Universitätsarchivs sowie die
Lohnkartensammlung der Personalabteilung der Medizinischen Fakultät. Als
besonders aussagekräftige Quellen erwiesen sich die für die Zeit des
Zweiten Weltkrieges nicht vollständig erhaltenen, aber doch sehr
umfangreichen Bestände an Patientenakten der verschiedenen medizinischen
Fachrichtungen und Disziplinen.
Für den Zeitraum von 1940 bis 1945 wurden einschließlich
Mehrfachnennungen insgesamt über 160 Lohnkarten gefunden. Anhand der
vorhandenen Lohnkarten konnte der Einsatz von 95 Zwangsarbeitenden
nachgewiesen werden. Durch die Hinzuziehung weiterer Quellen wurden
schließlich über 120 Zwangsarbeitende ermittelt, die aus ganz Europa,
überwiegend aus Russland, Polen, der Ukraine, Frankreich und den
Niederlanden kamen. Auf den Lohnkarten wurden die vom Lohn einbehaltenen
Abzüge einzeln aufgeschlüsselt, neben den Abgaben für die
Krankenversicherung mussten die Zwangsarbeitenden für ihre Beköstigung,
Kleidung und Unterkunft zahlen. Allerdings ist nicht davon auszugehen,
dass die Löhne in jedem Fall ausgezahlt wurden.
Fast die Hälfte der Zwangsarbeitenden waren zwischen 18 und 21 Jahre
alt. Die »Einstellung« erfolgte hauptsächlich in den Jahren 1942 und
1943. Sie waren vor allem in den Abteilungen der Chirurgie, Inneren und
Gynäkologie eingesetzt, arbeiteten aber auch in der Nervenklinik,
Hautklinik, der HNO- und Kinderklinik sowie in der Zahnmedizin und
schließlich innerhalb der Mikrobiologie, Pathologie und Anatomie. Im
nicht-klinischen Bereich verfügten die Küche, die Wäscherei, das
Maschinenhaus sowie die Gärtnerei über Zwangsarbeitende. Während die
Zwangsarbeiterinnen überwiegend als Reinigungskräfte und Küchenhilfen
eingesetzt wurden, waren z. B. französische und niederländische
Medizinstudierende auch in der Pflege beschäftigt. Belegt ist auch der
Einsatz von »notdienstverpflichteten« Ärzten.
Ein solches breitgefächertes und über mehrere Jahre sich erstreckendes
Forschungsvorhaben ruht auf vielen Schultern. Für den ersten Abschnitt
gilt der Dank den Mitarbeitern Karin Gottschalk, Andreas Frewer, Jörg
Janßen, Ulf Schmidt sowie zahlreichen Studierenden.
Die zweite Phase wäre ohne die Tatkraft von Susanne Ude-Koeller nicht
denkbar. Sie hat den Band redaktionell betreut. Für die Unterstützung
bei den Druckkosten ist vor allem dem Vorstand des Bereichs Humanmedizin
sowie der Sparkasse Göttingen zu danken.
Inhalt
Prolog
SUSANNE UDE-KOELLER / VOLKER ZIMMERMANN: Einführung
I. NS-Einflüsse auf die Göttinger Universitätsmedizin
VOLKER ZIMMERMANN: Die Medizinische Fakultät der Göttinger Georgia
Augusta während der NS-Diktatur
URSULA KÖMEN: »… warum ausgerechnet K. und R. nicht für eine Verlegung
in Frage kommen …«. Die Heil- und Pflegeanstalt Göttingen: Rassenpolitik
und innere Dynamik bei der Selektion der »T 4-Transporte«
II. Zwangsarbeit in Göttingen
CORDULA TOLLMIEN: »In Göttingen befinden sich etwa 6000 ausländische
Arbeiter« – NS-Zwangsarbeiter in der Stadt Göttingen
ECKART SCHÖRLE: Zwangsarbeit in Göttinger Industriebetrieben: Sartorius
und Feinprüf (Mahr)
III. Zwangsarbeit in der Region
MARC CZICHY: NS-Zwangsarbeit auf dem Gebiet des heutigen Landkreises
Northeim – ein Überblick über die Ergebnisse einer
regionalgeschichtlichen Studie
DIETMAR SEDLACZEK: Zwangsarbeit im Jugend-KZ Moringen (1940-45)
FRIEDHART KNOLLE / MICHAEL BRAEDT / PETER SCHYGA: Schwerpunkte von
NS-Zwangsarbeit und Kriegsgefangeneneinsatz im Westharz unter besonderer
Berücksichtigung medizinischer Aspekte
SASKIA RUSCH / CARINA DIMMEK / HEINER FANGERAU: Ein Sanatorium für »…
Volksgenossen, deren Nerven im Lebenskampf …« versagten – Zwangsarbeit
im Sanatorium zur Pflege deutscher Nerven
IV. Medizinische Versorgung von Zwangsarbeitenden
SUSANNE UDE-KOELLER: »Dass der Patient […] selbst der Meinung sei, nur
in der Heimat gesund werden zu können« – Die Behandlung von
Zwangsarbeitenden in der »Staatlichen Universitäts=Klinik für psychische
und Nervenkrankheiten Göttingen«
SUSANNE UDE-KOELLER: Zwangsarbeit und medizinische Versorgungspraxis im
Spiegel der Versichertenkartei der AOK Göttingen
V. Wider das Vergessen
KAREN NOLTE / JÖRG JANßEN: Gedächtnisorte im Alltag – Überlegungen zum
Gedenken an die Geschichte der Zwangsarbeit im Nationalsozialismus
Epilog und Autorenverzeichnis
ZIMMERMANN, V. (Hrsg.): Leiden verwehrt Vergessen. Zwangsarbeiter in
Göttingen und ihre medizinische Versorgung in den Universitätskliniken,
Wallstein Verlag (www.wallstein-verlag.de), Göttingen, 2007 , 301 S., 21
Abb., broschiert, 14 x 22,2 cm, ISBN-10: 3-8353-0152-7, ISBN-13:
978-3-8353-0152-8, € 28,00.
Aus dem Prolog: Seit Anfang des Jahres 2000 wurde am Institut für Ethik
und Geschichte der Medizin die Rolle der Zwangsarbeitenden an der
Medizinischen Fakultät der Universität Göttingen untersucht. Das
Forschungsprojekt wurde dann ab 2001 vom Vorstand des Bereichs
Humanmedizin in Form von Personalmitteln in zwei Phasen gefördert. Im
Mittelpunkt der Nachforschungen stand die bis dato ungeklärte Frage, in
welchem Umfang auch an den Göttinger Universitätskliniken
Zwangsarbeitende beschäftigt waren. Zum anderen war es wesentliches
Anliegen des Forschungsvorhabens, die Rolle der Universitätsmedizin für
die ortsnahe Versorgung zu untersuchen und Art und Umfang der
medizinischen Behandlungen erkrankter Zwangsarbeiter in den Göttinger
Universitätskliniken zu dokumentieren.
Als Quellen dienten neben Zeitzeugenberichten vor allem die
einschlägigen Akten des Stadt- und Universitätsarchivs sowie die
Lohnkartensammlung der Personalabteilung der Medizinischen Fakultät. Als
besonders aussagekräftige Quellen erwiesen sich die für die Zeit des
Zweiten Weltkrieges nicht vollständig erhaltenen, aber doch sehr
umfangreichen Bestände an Patientenakten der verschiedenen medizinischen
Fachrichtungen und Disziplinen.
Für den Zeitraum von 1940 bis 1945 wurden einschließlich
Mehrfachnennungen insgesamt über 160 Lohnkarten gefunden. Anhand der
vorhandenen Lohnkarten konnte der Einsatz von 95 Zwangsarbeitenden
nachgewiesen werden. Durch die Hinzuziehung weiterer Quellen wurden
schließlich über 120 Zwangsarbeitende ermittelt, die aus ganz Europa,
überwiegend aus Russland, Polen, der Ukraine, Frankreich und den
Niederlanden kamen. Auf den Lohnkarten wurden die vom Lohn einbehaltenen
Abzüge einzeln aufgeschlüsselt, neben den Abgaben für die
Krankenversicherung mussten die Zwangsarbeitenden für ihre Beköstigung,
Kleidung und Unterkunft zahlen. Allerdings ist nicht davon auszugehen,
dass die Löhne in jedem Fall ausgezahlt wurden.
Fast die Hälfte der Zwangsarbeitenden waren zwischen 18 und 21 Jahre
alt. Die »Einstellung« erfolgte hauptsächlich in den Jahren 1942 und
1943. Sie waren vor allem in den Abteilungen der Chirurgie, Inneren und
Gynäkologie eingesetzt, arbeiteten aber auch in der Nervenklinik,
Hautklinik, der HNO- und Kinderklinik sowie in der Zahnmedizin und
schließlich innerhalb der Mikrobiologie, Pathologie und Anatomie. Im
nicht-klinischen Bereich verfügten die Küche, die Wäscherei, das
Maschinenhaus sowie die Gärtnerei über Zwangsarbeitende. Während die
Zwangsarbeiterinnen überwiegend als Reinigungskräfte und Küchenhilfen
eingesetzt wurden, waren z. B. französische und niederländische
Medizinstudierende auch in der Pflege beschäftigt. Belegt ist auch der
Einsatz von »notdienstverpflichteten« Ärzten.
Ein solches breitgefächertes und über mehrere Jahre sich erstreckendes
Forschungsvorhaben ruht auf vielen Schultern. Für den ersten Abschnitt
gilt der Dank den Mitarbeitern Karin Gottschalk, Andreas Frewer, Jörg
Janßen, Ulf Schmidt sowie zahlreichen Studierenden.
Die zweite Phase wäre ohne die Tatkraft von Susanne Ude-Koeller nicht
denkbar. Sie hat den Band redaktionell betreut. Für die Unterstützung
bei den Druckkosten ist vor allem dem Vorstand des Bereichs Humanmedizin
sowie der Sparkasse Göttingen zu danken.
Inhalt
Prolog
SUSANNE UDE-KOELLER / VOLKER ZIMMERMANN: Einführung
I. NS-Einflüsse auf die Göttinger Universitätsmedizin
VOLKER ZIMMERMANN: Die Medizinische Fakultät der Göttinger Georgia
Augusta während der NS-Diktatur
URSULA KÖMEN: »… warum ausgerechnet K. und R. nicht für eine Verlegung
in Frage kommen …«. Die Heil- und Pflegeanstalt Göttingen: Rassenpolitik
und innere Dynamik bei der Selektion der »T 4-Transporte«
II. Zwangsarbeit in Göttingen
CORDULA TOLLMIEN: »In Göttingen befinden sich etwa 6000 ausländische
Arbeiter« – NS-Zwangsarbeiter in der Stadt Göttingen
ECKART SCHÖRLE: Zwangsarbeit in Göttinger Industriebetrieben: Sartorius
und Feinprüf (Mahr)
III. Zwangsarbeit in der Region
MARC CZICHY: NS-Zwangsarbeit auf dem Gebiet des heutigen Landkreises
Northeim – ein Überblick über die Ergebnisse einer
regionalgeschichtlichen Studie
DIETMAR SEDLACZEK: Zwangsarbeit im Jugend-KZ Moringen (1940-45)
FRIEDHART KNOLLE / MICHAEL BRAEDT / PETER SCHYGA: Schwerpunkte von
NS-Zwangsarbeit und Kriegsgefangeneneinsatz im Westharz unter besonderer
Berücksichtigung medizinischer Aspekte
SASKIA RUSCH / CARINA DIMMEK / HEINER FANGERAU: Ein Sanatorium für »…
Volksgenossen, deren Nerven im Lebenskampf …« versagten – Zwangsarbeit
im Sanatorium zur Pflege deutscher Nerven
IV. Medizinische Versorgung von Zwangsarbeitenden
SUSANNE UDE-KOELLER: »Dass der Patient […] selbst der Meinung sei, nur
in der Heimat gesund werden zu können« – Die Behandlung von
Zwangsarbeitenden in der »Staatlichen Universitäts=Klinik für psychische
und Nervenkrankheiten Göttingen«
SUSANNE UDE-KOELLER: Zwangsarbeit und medizinische Versorgungspraxis im
Spiegel der Versichertenkartei der AOK Göttingen
V. Wider das Vergessen
KAREN NOLTE / JÖRG JANßEN: Gedächtnisorte im Alltag – Überlegungen zum
Gedenken an die Geschichte der Zwangsarbeit im Nationalsozialismus
Epilog und Autorenverzeichnis
Kommentar