Urteil bestätigt uneingeschränkte Haftung für Forenbetreiber

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  • linux_blAcky
    Heerführer


    • 10.09.2004
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    #1

    Urteil bestätigt uneingeschränkte Haftung für Forenbetreiber

    Mit einer weiteren höchst umstrittenen Entscheidung der 24. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg endete das Verfahren, das von dem Betreiber des "Supernature"-Forums", Martin Geuß, angestrebt wurde, um Rechtssicherheit für Forenbetreiber zu erreichen. Nach dem nun im Volltext vorliegenden Urteil vom 27. April 2007 (Az. 324 O 600/06) haftet der Betreiber eines Internetforums grundsätzlich und auch ohne Kenntnis für sämtliche dort eingestellte Beiträge. Dieselbe Kammer des LG Hamburg hatte bereits mit der erstinstanzlichen Entscheidung im Rahmen des heise-Foren-Urteils für erhebliche Rechtsunsicherheit im Netz gesorgt.

    Hintergrund des Verfahrens war eine Abmahnung, die der Forenbetreiber Anfang 2006 hinsichtlich mehrerer Postings auf seinem Board erhalten hatte. Die Abmahnung nahm in ihrem Text Bezug auf das seinerzeit noch nicht einmal schriftlich begründete und in der Berufung später stark eingeschränkte "heise-Foren-Urteil" des LG Hamburg. Geuß reagierte auf diese Abmahnung seinerseits mit einer Gegenabmahnung. Obwohl die Gegenseite daraufhin erklärte, die Ansprüche nicht weiter zu verfolgen, erhob der Forenbetreiber eine negative Feststellungsklage mit dem Ziel, "allen Forenbetreibern in Deutschland ein Stück Rechtssicherheit zu geben". Insbesondere wolle man sich bestätigen lassen, dass "der Heise-Fall individuell und nicht auf andere Foren übertragbar" sei. Finanziert wurde die Klage durch eine von Geuß initiierte Spendensammlung.

    In der nun vorliegenden Urteilsbegründung hält das Landgericht Hamburg zwar fünf der sechs durch die Abmahnung angegriffenen Postings hinsichtlich des abmahnenden Unternehmens für rechtmäßig, darunter auch Äußerungen wie "Penner" und "Betrügerfirma". Für eine Äußerung stehe der Beklagten jedoch ein Unterlassungsanspruch zu. Der Kläger müsse sich als Störer die Verbreitung dieser Äußerung zurechnen lassen, denn sie waren über ein von ihm unterhaltenes Internetforum öffentlich zugänglich gemacht worden.

    Für die Störereigenschaft reiche bereits das bloße Verbreiten einer unzulässigen Äußerung aus. Nicht erforderlich sei, dass der Verbreiter selbst hinter den rechtswidrigen Inhalten stehe oder sie gar verfasst habe. Auch komme es nicht darauf an, ob es sich dabei um eigene oder fremde Informationen handele oder ob der Anbieter davon Kenntnis habe. Ausreichend sei bereits, dass der Betreiber für deren Verbreitung seinen eigenen Internetauftritt zur Verfügung stelle. Eine Haftung könne nach Auffassung der Richter allenfalls dann ausgeschlossen werden, wenn sich der Betreiber der Internetseite von der betreffenden Äußerung nicht pauschal, sondern konkret und ausdrücklich distanziere.

    Im Übrigen ergebe sich eine Haftung bereits daraus, dass es sich bei einem Internetforum grundsätzlich um ein journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot im Sinne des neu geschaffenen Paragrafen 54 des Rundfunkstaatsvertrages (RStV) handele. Danach sind Nachrichten vom Anbieter vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Inhalt, Herkunft und Wahrheit zu prüfen.

    Vor der Entscheidung waren Geuß und der ihn vertretene Anwalt heftig dafür kritisiert worden, den Rechtsstreit ohne Notwendigkeit ausgerechnet in Hamburg anhängig zu machen. Das nun vorliegende Urteil geht in seiner Begründung sogar noch über die Forderungen hinaus, die die 24. Zivilkammer des LG Hamburg im Falle des heise-Forums erhoben hatte. Bereits diese Entscheidung war seinerzeit in der juristischen Literatur übereinstimmend als unhaltbar kritisiert und von der Berufungsinstanz auch wesentlich eingeschränkt worden.

    Rechtlich höchst fragwürdig und kaum mit dem Gesetzeswortlaut und den Entscheidungen des BGH vereinbar ist nach der Einschätzung von Juristen in dem nun vorliegenden Urteil die völlige Gleichsetzung von eigenen und fremden Inhalten auf Websites. Überaus fragwürdig erscheint auch die Einordnung von Internetforen als journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote im Sinne des Rundfunkstaatsvertrags.

    Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Ob die Parteien gegen die Entscheidung Rechtsmittel einlegen, ist noch nicht bekannt. (Joerg Heidrich) / (anw/c't)

    quelle: http://www.heise.de/newsticker/meldung/89348
    Zuletzt geändert von linux_blAcky; 06.05.2007, 18:11.
    Twitter ist eine typische Erscheinung der Generation ADS & SMS. Für einen Brief zu faul, für einen kompletten Satz zu dumm und für korrekte Grammatik zu cool.
  • Markus
    Admin

    • 18.06.2000
    • 7266
    • 45357 Essen

    #2
    Zitat von linux_blAcky
    Danach sind Nachrichten vom Anbieter vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Inhalt, Herkunft und Wahrheit zu prüfen.

    danke, sehr interessant!
    Ich bin mal gespannt wann der erste mit diesem Urteil Wikipedia verklagen wird!



    denn dat Leech do ahm Eng vun dämm Tunnel ess en....... Panoramatapet
    (Wolfgang Niedecken)

    Kommentar

    • linux_blAcky
      Heerführer


      • 10.09.2004
      • 4898
      • Köln / NRW
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      #3
      hi....

      die wikipedia - betreiber (und auch einige andere) dürften sich da bestimmt auf einen kampf einlassen.
      siehe letzte woche der digg - fall.
      da stellt sich dann die frage, wer den längeren atem hat. etliche betreiber die bis zum ende prozessieren würden oder die deutsche rechtsprechung.........
      nicht zuletzt komment es ja auch auf den standort der jeweiligen server an.

      Blogger vs. Digg: Streit um Beiträge mit Processing Keys von HD DVDs

      Nachdem ein Moderator der Social-News-Seite Digg.com[1] Beiträge, die den so genannten Processing Key[2] von HD-DVDs im Klartext enthielten, gelöscht hat, wird der Dienst seit dem 1. Mai mit "Diggs" zu diesem Thema überhäuft[3]. Die Nutzer verleihen ihrem Ärger über das Löschen der Beiträge Ausdruck, indem sie einerseits Blog-Beiträge, die den Key enthalten, oder Berichte über das nach ihrer Meinung falsche Vorgehen von Digg.com selbst "ausgrabben". Damit es News-Beiträge überhaupt auf die Digg.com-Homepage schaffen, müssen genügend Nutzer eben diese häufig genug "diggen".

      Die Betreiber der Webseite hatten im Vorfeld offenbar eine einstweilige Verfügung von der AACS LA[4] erhalten, die sich auf den "Digital Millennium Copyright Act" beruft, nach dem es verboten ist, Anleitungen und Hinweise zum Umgehen eines Kopierschutzes zu veröffentlichen. Die AACS LA handelt im Auftrag der Entwickler des AACS-Kopierschutzes für HD-Disc-Formate, der mit Hilfe des Processing Key ausgehebelt werden kann.

      Da sich Digg.com ohnehin vorbehält, illegale und pornographische Einträge zu löschen, habe man sich entschlossen, den Beitrag zu entfernen und der Aufforderung der AACS LA nachzukommen, schrieb Digg-Mitgründer Kevin Rose in einem Beitrag im offiziellen Digg-Blog[5]. Brisanterweise enthält die Überschrift selbst den zuvor entfernten Processing Key, mit dem sich alle bislang veröffentlichten HD-Discs entschlüsseln lassen. Nachdem Rose aber ohnehin ankündigte, dass Digg.com die diesbezüglichen Beiträge nicht mehr löschen werde, weil die Nutzer den Dienst offenbar lieber "kämpfend untergehen sehen als sich mit Zensur abzufinden", dürfte das einzig dazu führen, dass die AACS LA schneller Rechtsmittel gegen Digg.com einsetzt.
      (vza[6]/c't) (vza/c't)

      URL dieses Artikels:
      Nachdem ein Moderator auf Digg.com Beiträge gelöscht hat, die den so genannten "Processing Key" von HD DVDs im Klartext enthielten, wird der Dienst mit Diggs zu diesem Thema geradezu überschwemmt.


      Links in diesem Artikel:
      [1] http://www.digg.com
      [2] http://www.heise.de/newsticker/meldung/85258
      [3] http://www.digg.com/news/popular/24hours
      [4] http://www.aacsla.com/home
      [5] http://blog.digg.com/?p=74?
      [6] mailto:vza@ct.heise.de
      Twitter ist eine typische Erscheinung der Generation ADS & SMS. Für einen Brief zu faul, für einen kompletten Satz zu dumm und für korrekte Grammatik zu cool.

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