Die seit Anfang Dezember 2015 laufenden Ausgrabungen am westlichen Marstall sind beträchtlich fortgeschritten. Im Rahmen eines Pressetermins am 18. Februar 2016 präsentierte die Ausgrabungsfirma Archaeofirm aus Isernhagen einige aktuelle Funde und Entdeckungen. Die freigelegten gründerzeitlichen Kellerstrukturen im nördlichen Bereich des Baufeldes wurden bereits dokumentiert und abgebrochen, um die darunter liegenden mittelalterlichen Schichten freizulegen. Die in Teilen erhaltenen mittelalterlichen Grabensysteme der Stadtumwehrung liegen nun offen. Im südlichen und westlichen Bereich konnten mittlerweile ein Abschnitt der mittelalterlichen Stadtmauer und Teile des Fundaments des nordwestlichen Stadtmauerturms freigelegt und untersucht werden.
Zudem befinden sich entlang der Stadtmauer neben mehreren Kellern noch sehr massive und gut erhaltene Mauerpartien aus Bruchsteinen, die überwiegend der frühneuzeitlichen Marstallbebauung zugeordnet werden können. Diese sollen ab Ende der 7. Kalenderwoche abgetragen werden, damit die darunter liegenden mittelalterlichen Schichten freigelegt werden können. In den dazwischenliegenden Kulturschichten sowie tiefer gehenden Sondierungsschnitten wurden bisher schon mittelalterliche Keramikscherben geborgen sowie ein verziertes Gefäßfragment, das aus der Zeit um Christi Geburt stammt. Darüber hinaus wurden auch ein aufwendig glasiertes und bemaltes Koch- und Tafelgeschirr sowie Ofenkacheln der Frühen Neuzeit gefunden.
In den freigelegten Schichten wurde nicht nur der stark verrostete Schlüssel gefunden, sondern auch mittelalterliche Keramikscherben. | Und ein bisher nicht datierter Grabungsfund.
Hintergrundinformationen
Das Baufeld liegt am nordwestlichen Ende des mittelalterlichen Siedlungskerns von Hannover. Der gegenwärtige Platz Am Marstall war in Längsrichtung von der mittelalterlichen Stadtmauer durchzogen, die kurz vor dem Leineufer nach Süden abknickte. Der hier positionierte Eckturm wurde 1682 zur Anbindung der Calenberger Neustadt als Neues Tor umgebaut. Es ist davon auszugehen, dass es an der südlichen Innenseite der Stadtmauer schon früh eine kleinparzellige städtische Grundstücksstruktur und Bebauung gab. Nördlich war die äußere Stadtbefestigung vorgelagert, die im 18. Jahrhundert zunächst durch die umfangreichen Marstallanlagen und später in Teilen auch durch Wohngebäude überbaut wurden. Parallel zu der nun beidseitig bebauten Stadtmauer verliefen die Straßen Schillerstraße und Marstallstraße, deren Verlauf sich heute an der Straße Am Marstall ablesen lässt. Nach den weitreichenden Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurden entlang dieser Straßen jeweils nur einseitig wieder Gebäude errichtet, in der Binnenfläche befindet sich der heutige Platz.
Das Baufeld Am Marstall liegt am nordwestlichen Ende des mittelalterlichen Siedlungskerns von Hannover
Scherbenfund am Marstall
Ist Hannover 1000 Jahre älter als gedacht?
Archäologen suchen am Hohen Ufer nach Resten der mittelalterlichen Stadt mit ihrer Befestigung.
Gefunden haben sie Alltagsgegenstände – und eine Scherbe aus der Zeit um Christi Geburt. Ist Hannover also viel älter als gedacht?
Die kleine Tonscherbe mit dem Kerbenmuster wirkt auf den ersten Blick unscheinbar. Ein Töpfer hat das Gefäß in der Zeit um Christi Geburt geformt und mit einem Kammstrich-Muster verziert. Doch wie kommt eine so alte Scherbe auf das Ausgrabungsfeld am Marstall? Seit Dezember legen Archäologen hier Schicht um Schicht Geschichte frei. Bis zur Anlage des Stadtbefestigung mit Wall und Wassergräben ab 1250 wollen sie vordringen. Einen Fund vom Beginn unserer Zeitrechnung hatten sie nicht auf dem Zettel.
„Die Scherbe kommt aus der unmittelbaren Umgebung. Sie ist in einer Siedlung hergestellt worden, die vielleicht ein paar Hundert Meter entfernt lag“, schätzt Friedrich-Wilhelm Wulf, Bezirksarchäologe vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege. Viel später, wohl im Mittelalter, schütteten Menschen das Leineufer großflächig auf. Dabei mag Schutt aus der lange aufgegebenen Siedlung ins Füllmaterial geraten sein. Auch bei anderen mittelalterlichen Städten an der Leine wurde der sumpfige Uferbereich künstlich erhöht und damit bewohnbar, berichtet Wulf. Es ist höchst wahrscheinlich, dass für diese Arbeiten Erdreich aus der direkten Umgebung genommen wurde - alles andere wäre unverhältnismäßig mühsam gewesen.
Dafür, die Geschichte Hannovers neu zu schreiben, reicht eine einzelne Scherbe dennoch noch nicht. Belegt ist die Besiedlung des Stadtgebiets ab dem 10. Jahrhundert. Früher entdeckte Einzelfunde, wie eine römische Münze aus dem 3. Jahrhundert, Beile und Äxte aus der Jungsteinzeit, sind kein Beweis für ein Dorf. „Wir wissen nicht, wo die Siedlung lag, aus der unsere Tonscherbe stammt. Das ist das Problem.“ Deshalb gibt Wulf sich noch vorsichtig - und hofft nun auf weitere Funde. „Eine Scherbe kommt selten allein. Wir sind schon ein bisschen aufgeregt.“
Forschen bis in 4,50 Meter Tiefe
Handfester wirkt das kleine Stück Stadtmauer, das die Archäologen freilegen konnten. Da nur an wenigen Stellen in der Stadt Abschnitte erhalten sind, will Wulf mit dem Investor klären, ob die Mauer in das geplante Gebäude mit Tiefgarage integriert werden kann. Die Firma Hochtief baut nach Ende des Ausgrabungen an der Stelle ein fünfgeschossiges Wohn- und Geschäftshaus.
Am Donnerstag waren noch die massiven Grundmauern des Marstalls zu erkennen. Diese Reste des königlichen Pferdestalls vom Ende des 17. Jahrhunderts müssen weichen. Die Archäologen dokumentieren alles und forschen weiter bis auf 4,50 Meter Tiefe nach mittelalterlichen Resten wie Schutzwall und Wassergräben. Der innere Graben hatte mindestens 10, der äußere 35 Meter Breite. „Sie wurden gern zur Abfallentsorgung genutzt“, sagt Grabungsleiter Markus Brückner von der Firma Archaeofirm aus Isernhagen. Die Mitarbeiter haben etliche Rinderkiefer und zerbrochene Keramik geborgen.
Nun gibt es auch erste Fotos von den Ausgrabungen im Ostteil des Marstalls zu sehen.
Auch hier werden bestimmt interessante Funde ans Tageslicht kommen.
Ein kleines Update zum Thema:
Aktuell kann man Teile der Stadtmauer, zwei Brunnen, Mauerreste vom Marstall (Und Nachbebauung) sowie den inneren und äußeren Graben der Stadt sehen.
Man hat vom Zaun aus einen guten Blick auf alles sehenswerte.
Allein der innere Befestigungsgraben (Zur Burgstr. hin) ist von imposanter Erscheinung (Derzeit ist das Profil gut sichtbar).
Hier der Befestigungsgraben.
Das komplette Areal ist vom Zaun gut einzusehen. Es lohnt sich also, dort vorbeizuschauen und das Objektiv durchs Zaungitter zu schieben.
Hier der Befestigungsgraben.
Das komplette Areal ist vom Zaun gut einzusehen. Es lohnt sich also, dort vorbeizuschauen und das Objektiv durchs Zaungitter zu schieben.
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