Sir Alottafind's Expeditionen oder "Die Odyssee im Minicamper"

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  • Sir Alottafind
    Heerführer


    • 05.11.2018
    • 1044
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    #1

    Sir Alottafind's Expeditionen oder "Die Odyssee im Minicamper"

    Ich bring mal ein wenig System in meine Burgenzeigerei in Form einer Reihe mit Bildern nebst Begleittexten. Man kanns auch Reisebeschreibungen nennen.


    Ziel ist, auch nächstes Jahr etliche interessante Burgen, Ruinen, Schlösser und dergleichen in CH aufzusuchen. Dazwischenrutschen werden auch zb. historische Orte wie Schmelzen, Festungsbauten und ähnliches. Könnte fast ein wenig schwierig werden, bei der Auswahl. Auch besonders landschaftlich schöne Örtlichkeiten mit geschichtlichen Hintergründen werden auftauchen.

    Dass es gleich angemerkt sei: der begabteste Bildermaler bin ich ned ...............

    Zu Beginn einer jeden neuen Beschreibung unter SBT wird eine Übersichtskarte zur Orientierung zu sehen und der aktuelle Ort mit rotem Punkt gekennzeichnet sein.

    Als appetizer als erstes eine fette Gesamtübersicht Schweizer Burgen. Dort gibts auch Grundrisse und feindetailliertere Ausführungen.



    Ich geh davon aus, es besteht Interesse...........
    Zuletzt geändert von ghostwriter; 15.12.2018, 22:52. Grund: titel angepasst
    Wenn Dir das Leben eine Zitrone gibt, mach Limonade draus!
  • Eisenknicker
    Heerführer


    • 03.10.2015
    • 5463
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    #2


    Klar besteht Interesse!
    „Denn nicht durch Worte, aber durch Handlungen, zeigt sich wahre Treue und wahre Liebe.“ — Heinrich Von Kleist

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    • Sir Alottafind
      Heerführer


      • 05.11.2018
      • 1044
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      #3
      Burg Campell

      Die Lage der Burg im Schweizer Kanton Graubünden ersehe man bitte aus dem angehängten Lageplan, und die umfassenden historischen Hintergründe/Daten gibt’s hier.

      Ankommend am schon etwas späten Nachmittag aus östlicher Richtung Albulapass such ich mir in unmittelbarer Nähe von Campi ein nettes Stellplätzchen fürs Fahrzeug. Die Burg Campell ist schon im Blickfeld, und steht am Rande des Weilers Campi, der aus einer Handvoll Häusern besteht, hoch über dem Hinterrhein. Hier läuft die Schlucht ins Tal des Domleschg aus, aber die Lage der Burg ist dennoch noch beeindruckend.

      Aber zuerst steuer ich so vier Kilometer weiter den Migros-Supermarkt in Thusis an, damit ich was zu beißen/schlucken hab fürs opulente Camper-Abendmahl. Entgegen des weitverbreiteten Klischees vom Luxuszwangsdaseins bei Aufenthalten in der Schweiz kommt man als Camper mit schmalem Budget hervorragend zurecht (sofern man sich nicht täglich einen Ranzen anfrisst oder Restaurants frequentiert). Einiges an Wurscht hab ich allerdings von daheim mitgenommen.
      Bei der Gelegenheit werf ich einen Blick auf den hübschen Campingplatz in Thusis, sehr nah am Hinterrhein gelegen in einem Nadelwäldchen und mit Schwimmbad. Kanns nicht glauben, dass die Nacht reine Stellplatzgebühr für mein Campingformat nur 22 Franken kosten soll. Wahrscheinlich saisongeminderter Preis, und die Aussicht auf Kommunikation mit interessanten Mobilheimern ist verlockend.

      Fahr aber trotzdem zurück an meinen auserkorenen Freilandstellplatz, weil von hier aus die Tour am nächsten Tag losgehen soll, und mach mich auf den kurzen Zufussweg runter zur Burg. Direkt hinfahren ginge, ist aber nicht erlaubt. Zu Fuss ists eh schauergibiger: die teilweise sehr alten Häuser lohnen der näheren Betrachtung der Details. Ein altes Haus, wahrscheinlich ehemaliges Bauernhaus, wurde unaufdringlich wohl zu einem Bikerhotel umfunktioniert, worauf die abgestellten Radmaschinen und die Nummernschilder der Autos schließen lassen. Mein leicht neidvoller Blick fällt auf einen sehr bequem aussehenden jacuzi im pittoresken Gartenambiente. Sollte ich einfach mal fragen ob ich mal dürfte.... ?

      Erst lauf ich falsch und folge der Strasse in einen Feldweg. So komm ich zu der Bahnlinie, die ich vorher noch gar nicht bemerkt hatte. Bevor ich umkehr, gibt’s noch ein hübsches Bild mit Burg und Bahnkörper drauf.

      Also ein Stück zurück, aber ein definierter Zugang zur Burg ist nicht in Sicht. Also frag ich einen strammwadeligen Bikersmann, der grad ins Hotel retourniert: über die Wiese, unter den Obstbäumen und einem kleinen Gartentürchen durch, so kommt man zur Burg. Viel Leut sind den Weg bisher nicht zur Burg gegangen, sonst würde man einen Pfad erkennen. Bis auf den Biker und einer aus ner Tür rauslugenden alten Frau ist niemand zu sehen/hören.

      Man gelangt folgend auf einen kleinen, dicht umwachsenen huggeligen Burg-Vorplatz, der sicher verfallene Mauern birgt und grabungsmäßig was hergeben tät. Hier könnt man wunderbar ein Zelt aufschlagen.
      Drunter verläuft irgendwo der Bahntunnel. Der Eingang zur Burg selbst ist leider verrammelt; sie wird grad hergerichtet, und innen ist ein Gerüst zu sehen. Allzu sicher sieht die Burg tatsächlich schon von Aussen nicht aus. Zwei Seiten des Gebäudes kann man entlanglaufen, die anderen gehen offensichtlich in den steilen Schluchtabgrund über. Nach ein paar Photos und sinnierend auf der Burgmauer hockendem Opferns eines Räucherwerks mit Blick aufs Schluchtenpanorama tret ich den Rückzug an. Fast ein wenig bedauernd, weils eine echt schöne Ecke ist. Muss ich halt nächstes Jahr als Biker einchecken.

      Gegen Abend ists fast schon empfindlich kühl. Ein kurzes Stück der geplanten Wanderung des nächsten Tage lauf ich noch hoch, und einen Humpen heisser Griessnockerlsuppen mit Einlage später, angemessen grundsediert durch mitgebrachtem Fuchsberger Dunkel, lieg ich in der Falle, eingemullt in den Schlaftsack. Dessen Innentemperatur steigt stetig in den wohligen Bereich, und der müde Schädel ruht auf dem Knuddelkissen. Ich freu mich noch kurz auf die Tour am nächsten Morgen zum Crap Carschenna hoch, mit den seltsamen vorgeschichtlichen Felsritzungen dort, dann bin ich auch schon weggedämmert.


      Auf der Suche im web nach guten Bildern von der Burg bin ich auf eine Modellbauseite gekommen. Die Panoramen von der Burg sind super und sehr anschaulich!

      Die Photos sind mir nicht zufriedenstellend gelungen, aber es ist Besserung in Sicht durch neues Equipment in Form einer sony alpha68...
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      Wenn Dir das Leben eine Zitrone gibt, mach Limonade draus!

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      • Eisenknicker
        Heerführer


        • 03.10.2015
        • 5463
        • NRW
        • Akten

        #4
        „Denn nicht durch Worte, aber durch Handlungen, zeigt sich wahre Treue und wahre Liebe.“ — Heinrich Von Kleist

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        • Sir Alottafind
          Heerführer


          • 05.11.2018
          • 1044
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          #5
          Felszeichnungen Carschenna

          Especially für you, Eisenfalter, Du mein einzigster Lesefreund......



          Die Großlage ist wie gehabt aus der angehängten Karte zu ersehen.


          Noch O2-gesättigt von der Lauferei vom Vortag wach ich ohne Weckerunterstützung in meinem warmen Fahrzeugnest um 7.00 auf. Wie bequem doch so ein popeliger Van sein kann. Ein Glück, dass das Auto ein Schiebedach hat; kann man einen Spalt öffnen, damit nicht der ganze Männerdampf drinnebleibt.

          Ich merk's schon: draussen ist es zwar gut hell, aber keine einladenden Sonnenstrahlen. Himmel ist ziemlich verhangen, es ist kältlich, und der Gedanke 'Leg dich wieder nieder, penn dich aus, fahrst zum nächsten Nettcafe und kippst dir einen tollen Verlängerten und ein paar Kuchen rein' schleicht durchs Hirn.
          Nönö, des machma jetzt, rauf zu den Felszeichnungen!! Das Radio angemacht, und zu konservierten Klängen von diesem und jenem gibt’s erst mal selbstredenderweise ne Wanne Selbstmachkaffee und zwei größere Wurschtsemmeln mit Gürkchen. Und während man sinnend vespernd dasteht, röhrt von irgendwo von den Hängen runter ein (wahrscheinlich) Hirsch. Der wird ja wohl doch nicht auf mich warten.... .
          Werf mich in meine Superwanderselbstlaufstiefel, check nochmal ob auch überall volle Batterien drin sind, schwing den daypack um und die Stapferei geht los.

          Es geht schon zu Anfang etwas steiler den Forstfahrweg hoch, rechtslinks steiles Gelände mit hohe Bäum, und man geht’s ein wenig gemächlicher an, damit der Apparat langsam auf Touren kommt. Nach einer Weile gibt’s den ersten Ausblick ins gesamte Domleschgtal bis zum Quertal. Hätte jede Burg/Schloss in diesem Tal in diesem Moment ein Leuchtzeichen an, wären mindestens 18 Leuchtpunkte in diesem Tal sichtbar. Einige davon werden mich früher oder später kennenlernen.

          Und es fängt an zu Wummern. Ein Lastenhubschrauber bringt vom Gegenhang schräg links gegenüber über den Hinterrhein aus hohen Lagen Holzstämme ins Tal. Raufrunterraufrunter. Eine gute halbe Stund lang sind die am werkeln. Vom Weg vortags den Albulapass runter, bei der Rast in Bellaluna (https://de.wikipedia.org/wiki/Bellaluna) an einer historischen Erzschmelze (auch dazu gibt’s hier noch einen kurzen Bericht/Bilder), konnte man den Stammtranport per unglaublich langer mobilen Seilbahn den Berghang surrend runter bewundern.
          Absolut erwähnenswert sind diese metallenen Wanderwegschilder. Edeledeledel, sag ich nur. Wo bei uns auf einer zerfallenden Holzplatte ein ebenso zerfallendes Plastikschild prangt, haben's hier solche schöne stabile Teile.

          Der Himmel über mir wird stellenweise hellbläulich, weiter droben wird’s also Sonne geben. Juchhu! Ich erreich ein größeres Wiesenplateau, welches wahrscheinlich zu dem Stolleneingang gehört, der plötzlich am Weg auftaucht. Solide verschlossen, industriell aussehend, nicht mehr in Betrieb, aber im gepflegten Zustand. Wohl hab ich das Schild gelesen, welche Gesellschaft oder Betreuungsverein usw., aber leider nicht photographiert und somit vergessen. Im web könnt man's schon rausfinden. Hauptsache, ich kann mich vor dem Stolleneingang pausemäßig in die warmen Sonnenstrahlen hocken.

          Und weiter geht’s. Plötzlich knatterts hinter mir, wird lauter, und ein rauchendes Enduromotorrädchen irgendwo aus den Siebzigern entsprungen, ohne Nummernschild und mit einem kleidungsmäßig zeitlich ebenso daherkommenden Fahrer drauf zieht stinkend an mir vorbei. Der Fahrer erwidert lässig meine Grußgeste, aber er hätt mich schon fragen können, ob ich nicht als Sozius mit hoch fahren hätte wollen. Ich hätt laut Ja gesagt. Der Forstweg ist für öffentlichen Verkehr gesperrt, so wird es wohl ein Almbewirtschafter gewesen sein. Allerdings, wenn man in einem Hotel wohnt, kann man sich mit Genehmigung auch hochfahren lassen.

          Der Wald mit seinen stattlichen Bäumen wird stets lichter, die ersten Wiesenfreiflächen tauchen auf. In einer Kurve steht ein schiefes Schild: Strahlen verboten! Mein schnaufendes Hirn denkt sich erst, was??, Pinkeln soll hier verboten sein...... ??. Scheints also hier Mineralien zu geben.

          Es ist ein komisches Gefühl, wenn man sich einer glockenbimmelnden Weide nähert, und irgendwelche haarige kleine Tiere (Mischung aus Ziege und Schaf) verharren abrupt absolut regungslos und das Gebimmel bedrohlich stille schweigt. Alle Augen gerichtet auf den daherkommenden Wanderer. Dann fängt eins von den Viecher an, auf einen zuzurennen und wild zu ….keine Ahnung … blöken oder määh. Der große Rest zieht nach, und ein wenig Grusel überkommet mich. Das dürre Zäunchen wird mich nicht retten. Man ist's halt nicht gewohnt, dass man derart freudig mit dem Futterbringer verwechselt wird.

          Dort oben stehen recht hübsche kleine Holzhütten, die offensichtlich auch weidefremden Erholungszwecken dienen. So schön gestaltete freistehene Lokusse und Relaxingmöbel hab ich selten gesehen. Das Ziel des Wegs als auch dieser Schilderung kommt näher. Der Weg zweigt jetzt nach rechts ab, übergehend in die huggelige leichte Steigung eines Trampelpfades. Man sieht jetzt auch die Überlandstromleitung, im Zuge deren Baus in den 65ern die Felszeichnungen entdeckt wurden.

          Und da ist er, der erste geritzte, sehr große längliche Stein. Mit Ausblick auf eine darunterliegende Weide beseh ich mir die Ritzungen. Ich strebe jedoch weiter, um erst mal einen schönen Pausenplatz in der Sonne zu ergattern; ich habs echt nötig. Wie man auf der Abbildung 5 sieht, findet sich auch ein nettes Plätzchen für eine halbe Stunde an der Sonne. Wenns nicht so kühl wär, wärs ein ideal Plätzchen für Geschäker und Liebeleien (gemerkt fürs nächste Mal...).

          Es bimmelt von allen Seiten, man hört nen Hund bellen, kurz Kinderrufen. Hübsch hier, könnt man gut aushalten, auch für sehr länger. Ne hübsche Schweizerin, finanziell abgesichert, hier oben Carschennatorte feilbieten... mmmmh.

          Nach der Erholungsphase beginne ich bewusst die Topographie wahrzunehmen, und dann die Steine des stufigen Abhangs nach Zeichnungen abzusuchen. Es existieren hauptsächlich diese kreisförmigen Muster. Das sehr harte und homogene Steinmaterial verhinderte gut das Unkenntlichwerden durch Verwitterung. Gefahr droht heute durch die immer zahlreicheren Besucher und deren Sohlen.

          Die Lichtverhältnisse sind nicht so gut. Die mitgebrachte Lichtquelle fürs Schlachlicht brachte nichts. Per Bildnachbearbeitung kommen die Vertiefungen aber annehmbar zur Geltung. Besser kommts per Film rüber, aber die kann ich ja hier nicht reinstellen.

          Über die Ritzungen lässt sich trefflich sinnieren. Was die wohl darstellen sollen, wer wie warum, großes Rätseln. Die näheren Hintergrundinfos finden sich hier. Einige wohl interessante Ritzungen gehen einem vor Ort leicht durch die Lappen des Bewusstseins, weils einfach zu undeutlich sind.

          Nach so einer Stunde mit einsamen (dann ist so ein Ort erst zu genießen) Gucken und Photo tret ich den Rückweg an. Und wieder überholt mich der Töff-Fahrer, und wieder grüßt er nett zurück, und wieder nimmt er mich nicht mit ins Tal. So nen Seich!
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          Wenn Dir das Leben eine Zitrone gibt, mach Limonade draus!

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          • Sir Alottafind
            Heerführer


            • 05.11.2018
            • 1044
            • BY

            #6
            ein paar weitere Bilder...
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            Wenn Dir das Leben eine Zitrone gibt, mach Limonade draus!

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            • Sir Quickly
              Heerführer


              • 24.01.2010
              • 3156
              • Rhain-Mein
              • Oculus Rift

              #7
              Zitat von Sir Alottafind
              Especially für you, Eisenfalter, Du mein einzigster Lesefreund......
              [Meldung machend] Ich lese aber auch mit - und das mit Begeisterung.
              Danke für deine Mühe und die kurzweilige, sehr gelungene Schreibe!

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              • ghostwriter
                Moderator

                • 24.09.2003
                • 12048
                • Großherzogtum Baden
                • Suchnadeln

                #8
                er hat aktuell 57 lesefreunde ...
                und wenn zu jeder burgruine im kanton graubünden,
                solche berichte kommen, werden es wohl noch mehr
                werden!?


                ich lasse mir nicht in meinem gehirn rumwühlen,
                … ich lasse mir nicht meine kleine show stehlen!?

                dr. koch - "1984"
                😲

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                • Sir Alottafind
                  Heerführer


                  • 05.11.2018
                  • 1044
                  • BY

                  #9
                  Wennst mit der Klampfe nächtens ne Stunde vorm Fenster der Liebsten stehst und dein Sangestalent zum Besten gibst, die Dulcinea aber keinen Mucks von sich gibt, wird der Schmachter gern mal müde ob seines sinnlosen Tuns....

                  Denn vielleicht liegts ja an seiner Röhre oder Unlieblichkeit, dass sich die Dame wortlos lieber die Decke übern Kopf zieht......

                  Wird er dagegen mit Goldstücken, Seufz, Dacapo und Schlüpfern beworfen (Merci an Geistreiter und Sir Moped), macht er gerne weiter!
                  Wenn Dir das Leben eine Zitrone gibt, mach Limonade draus!

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                  • U.R.
                    Heerführer


                    • 15.01.2006
                    • 6487
                    • Niedersachsen
                    • der gesiebte Sinn ;-)

                    #10
                    Oh,oh...., auch ich lese mit Begeisterung mit......! +

                    Suuuuuper......





                    Danke, dafür einen < ALMDUDLER
                    Der sicherste Weg Geld zu verbrennen ist,......Kohle davon zu kaufen!

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                    • Sir Alottafind
                      Heerführer


                      • 05.11.2018
                      • 1044
                      • BY

                      #11
                      Erzschmelze Bellalluna

                      ....dann kann ich ja nicht mehr anders, wenn Uhr auch mitliest .....

                      Wie im Carschennabericht angekündigt, folgt ein kurzer über die Ruinen der Erzschmelze bei Bellaluna. Diese liegen unmittelbar und schnell übersehbar neben der Albula-Passstrasse, zwischen Ortschaften Bergün und Filisur gelegen.



                      Passstrassen fahren ist eine wunderbare Sache. Nach einer Eingewöhnung von so einem Tag schwindet auch das schwummrige Kopfgefühl mit teilweise schwitzigem Stressgefühl, welches durch die extremen und vielen Kurven einer nicht enden wollenden Serpentine bei empfindsamen Menschen hervorgerufen werden kann. Diesmal gehts den schon angezuckerten Albulapass runter Richtung Sils im Domleschg.
                      Nach einer hübsch kalten Pause im Puderzucker (ein selten und seriös Abbild von mir sei bei der Gelegenheit präsentiert) führt der Weg weiter bergab, hinein in die 'Wärme'. Himmel ist, wie bei glücklichen Reisepilzen wie mir üblich, natürlich wie immer ziemlich blau. Das dahinschlängelnde Strassenband ist sehr frei von Fremdverkehr, dann hat man auch mehr Freiraum zum Gucken. Dazu das passende Kling und Klang.

                      Linkerhand glitzert plötzlich azurblaue Farbe durch die Bäume den Abhang rauf: ein gutaussehender See tut sich vor den geblendeten Augen auf. Es ist der Palpuognasee, der lockt. Muss man sich ansehen, also Auto parken und hin. Auf der Höhe herrschen noch empfindlich Kalttemperaturen, aber meiner doppelgemoppelten Jackenkombination macht das nix aus. Es reicht also für ein Verweilen auf einer Holzbank in der fast schon aufdringlich strahlenden Sonne und einem hellen Zigarillo. Ich realisier jetzt erst, dass auf einer wie gemalten Seeuferanhöhe gegenüber eine kleine Family irgendwie picknickt. Idyllisch, eine Gesamtszenerie geradezu nicht von dieser Welt. Tja, wennst Kindern solche Landschaften zeigen kannst, und die nicht gleich losjammern, weils ja ausser toller Landschaft und unkomfortablen Temperaturen nix zu sehen gibt..... .

                      Kurz danach passier ich die Ortschaft Preda. Just an diesem Tag erfolgt der Durchstich des zweiten Bahntunnels von Preda nach Spinas, also Albulatal ins Oberengadin. Der ca. 6 Kilometer lange Tunnel ist von der Rhätischen Bahn initiiert und dürfte der höchstgelegene Alpendurchstich sein.

                      Fahrt geht weiter, mit ein paar Blicken zurück auf die Albula. Nach Bergün und vor Filisur tauchen rechts der Strasse und jetzt ohne Puderzucker drei markante Ruinenfinger auf. Die sind mir schon zu früheren Gelegenheiten aufgefallen, aber Zeit war dafür nicht eingeplant. Heut schon. Aber auch ohne leichten Schneebelag ist es immer noch empfindlich niedertemperiert (in höheren Lagen lag Tage zuvor schon dicke Schnee auf Passstrassen: kurz vorm Umbrailpass auf viel Schnee ist der Sir Alottarutsch gescheitert. Hab noch nie Schiss gehabt beim Autofahren, aber da wars echt grenzwertig).

                      Es handelt sich um die historischen Ruinen einer Erzschmelze, genannt Bellaluna. Das Wie, Wann und Warum ist hier nachzulesen. Viel mehr an weiteren Bildern sind im web vorhanden.

                      Auf den Bildern sieht man das Absperrflatterband. Das bildet quasi einen Weg, dem ich hangaufwärts ziemlich ein Stück nachgehe. Aber es kommt nichts mehr an Ruinen, bzw. hätte vielleicht noch weiter rauf gemusst. Kommt auf den Bildern nicht zur Geltung, die Steilheit. Ohne griffigem Wanderschuhprofil ist da kaum ein Hochkommen. Die im vorangegangenen Bericht erwähnte mobile Holzstammseilbahn sieht man auf einem Bild als feine Linie im Hintergrund.

                      Auf der linken Strassenseite führt ein Fahrweg über eine kleine Brücke über das rauschende Albulaflüßchen. Dahinter befindet sich das alte Knappen- und Direktionshaus der Anlage. Und nu wird’s gruslig: dort wurde 1988 die Wirtin erdolcht. Sie soll eine recht schillernde Figur gewesen sein, und der Fall wurde sogar verfilmt. Auch einen alten Hexentanzplatz solls am Ort gegeben haben ('Bal a l'üna'; man beachte die Ähnlichkeit zu 'Bellaluna'). Nicht weniger interessant ist der kleine Schwatz mit einem artverwandten Minicamper: ein sehr netter Schweizer, der dort auf einem raren ebenen Platz gerade sein Rööschti brutzelt.

                      Nächste Haltestation meiner Fahrt wäre die Burg Greifenstein. Die würd einen schon reizen, aber deren Unzugänglichkeit erscheint mir als zu gewagt und meine körperlichen wie ausrüstungstechnischen Befindlichkeiten als zu unzureichend. Ist auch die Frage, ob mich das Schweizer Rettung- und Gesundheitssystem von da oben aufsammeln und wieder zusammenkleben können würde im Purzelfall. Ich heb mir diese Burg mal für eventuell später auf. Was aber gut erreichbar ist , ist die Burg Belfort. Und den Bericht gibt’s als nächstes.
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                      • Grubenmolch
                        • 26.02.2009
                        • 3158
                        • Ostsachsen

                        #12
                        Klasse Bericht, herrliche Gegend, interessante Orte!
                        Es macht Freude deine Berichte zu lesen. Bitte mehr davon!

                        Meint Grubenmolch.
                        Endlich auch mal Fotowettbewerbgewinner 11/2020

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                        • 1_highlander
                          Heerführer


                          • 13.03.2008
                          • 5055
                          • L
                          • GMP

                          #13
                          Schöne Fotos und gute Berichte! Bin begeistert und interessiert! Danke!

                          PS: Sind die Stellen auch mit einem größeren Wohnmobil erreichbar?
                          Gruß Carsten

                          "Es irrt der Mensch, solang`er strebt."
                          (Goethe Faust I)

                          Gewinner Fotowettbewerb Mai 2011/April, Mai, Juli, August 2017, Dezember 2018, Oktober 2019, April 2021
                          Mitgewinner Fotowettbewerb März/April 2013/Dezember 2016

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                          • Sir Alottafind
                            Heerführer


                            • 05.11.2018
                            • 1044
                            • BY

                            #14
                            Merci für den Zuspruch!

                            Mit einem 'normalen' Womo kommst an alle Burgen heran, bzw. in deren Nähe zum Erwandern. Manche Strassen als auch idyllische Ortsdurchfahrten sind aber mitunter sehr schmal, und wehe du verfahrst dich mal und die Wegerl werden noch enger...... .

                            Infos gibts hier und hier. Schöne Campingplätze gibts auch genügend und über web leicht rauszufinden.

                            Will man über einen der zahlreichen Pässe, und derer gibts in der Schweiz viele (man kommt eigentlich nicht drumrum), sollte man sich über die Benutzungsreglements informieren. Für mich persönlich wärs keine Freude, zb. das Stilfser Joch Richtung Trafoi mit einem Womo-Gerät hoch- oder runterzufahren. Um Mittag rum, allgemein bei den doch vielen Velofahrern und noch belebter an Wochenenden ist das eher Stress. Zum groß Landschaftskucken kommst da wohl nicht mehr.

                            Ps: Wo ich bisher immer die meisten Womos für Übernachtung stehen gesehen habe, war stets aufm Gotthardpass (webcam) Zu dem sind aber auch die Rampen von Airolo und Hospental rauf gut ausgebaut. Ich weiß jetzt nicht definitiv, ob die historische Passstrasse Tremola von Airoloseite hoch für Womo freigegeben ist; aber wer die mit einem solchen Format fährt, tut sich echt was an.
                            Zuletzt geändert von Sir Alottafind; 02.12.2018, 18:20.
                            Wenn Dir das Leben eine Zitrone gibt, mach Limonade draus!

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                            • Sir Alottafind
                              Heerführer


                              • 05.11.2018
                              • 1044
                              • BY

                              #15
                              Sperre Nauders

                              Vorweg eine Berichtigung zum Beitrag Burg Campell:
                              Die als auch der Weiler Campi liegen natürlich nicht übern Hinterrhein, sondern über der Albula. Die Albula mündet ein paar Kilometer weiter in den Hinterrhein, der aus der Via Mala Schlucht ins Domleschg einfließt.



                              Auf der Tour von Burg zu Burg kommt man an neumilitärischen Bauten wie Festungen oder Strassensperren usw. in A und CH kaum vorbei. Möcht nicht wissen, an wievielen getarnten Geschützwerken, Einmannbunkern oder künstlichen Talverengungen usw. ich schon unbemerkt vorbeigefahren oder -gelaufen bin. Auf dem Weg in Unterengadin nun lag die Sperre Nauders, die ich mir mal ein wenig angesehen hab. Die Bildermenge ist sehr mager.


                              Ich befinde mich auf dem Anmarschweg nach Graubünden via Österreich.

                              Das Wetter ist ungemütlich für die Jahreszeit. Überraschungen erlebt man hinsichtlich des Wetters in und nahe den Bergen aber immer wieder. Es ist feucht, es ist relativ kalt, es nieselt leicht, und das Licht ist gegen frühen Abend diesig. Gar viel Verkehr ist nicht, und im Grenzbereich Österreich-Schweiz fahr ich die Reschenstrasse hoch in Richtung Unterengadin. Als Reisender ist das eine sehr einsame Tageszeit.
                              Hier geht’s kurvig sehr flott bergan, teilweise in Galerien hindurch. In denen kommt man sich zeitweise wie in einer dunklen, feuchten und von oben intensiv tröpfelnden Grotte vor. (Manche sehr 'urige' Tunnels auf italienischen Passstrassenstrecken sind reinrassige schlängelnde enge Grottenbahnen, die keine Ausbetonierung aufweisen und wie frisch/wild in den Fels gebissen aussehen. Wenn einem da ein hochprofessioneller italienischer Fahrzeuglenker mit Kastenwagen voller Schifahrer entgegenkommt, ist meist ein weiteres ergrautes Haar fällig.)

                              Es taucht rechterhand unvermittelt die Sperre Nauders auf, ein felsgraues klotziges Etwas.

                              Solche alten müffeligen Militärbauten, massiv hingeklotzt und wenig gemütserheiternd aussehend, wirken bei dem aktuellen Wetterbedingungen noch mal so grauslich. Eigentlich möcht ich gar ned aussteigen aus dem gemütlich verräucherten Wageninnern, wo grad besinnliche Klänge erklingen. Aber dann denkt der brave Mann an die lesewütigen Festungsfans auf sde, überwindet sich und zwackt ne halbe Stund Besuchszeit ab. Scheine der einzigste Besucher zu sein, was die drückende Verlassenheit der Örtlichkeit nochmal unterstreicht. Zirkle in die sparsame Parkmöglichkeit direkt vor dem Hauptgebäude, schlag kurz im Internet Festung Nauders nach, und schnapp mir Kamera und Regenschutz.

                              Nun stellt sich noch ein italienisches Auto dazu, mit vier jungen Burschen drin. Laut Kennzeichen aus Brescia; die hamms aber auch noch etwas weit bis z'Haus. Leider verstehen die weder Deutsch noch Englisch. Solcherlei und auch verquatschtere Begegnungen gibt’s auf meinen Touren gerne mal, wie später im San Bernardino Hospiz mit einer ausnehmend hübschen jungen und suppeschlürfenden Frau, die sich auf der Heimreise ins Trentino befindet. Solche Geschöpfe trifft man eher selten in den tiefen bayerischen Gefilden. Gottchen, was bin ich doch schon alt und was für ein eckiger Provinzheini!! Zum Glück kann ich recht gut Englisch. Aber das ist eine andere Geschichte.

                              Das Museum im Sperrwerk ist heut geschlossen, also lauf ich so rum. In der Schlucht gibt’s natürlich auch ein rauschendes Gewässer mit Namen Stiller Bach. So stille ist der gar nicht. Zur Schneeschmelze oder bei viel Regen geht hier wohl richtig die Post ab. Er führt unter dem Bauwerk durch, man kann runter und über ein Brückchen laufen. Dort beginnt ein wahrscheinlich recht neuer und abenteuerlich ausgesetzt verlaufender Metallsteig. Der geht irre steil bergan und ist sehr schmal. Meine hübschen muskulösigen Beine melden bald ihre dringende Bitte um weniger schnelle Steiggeschwindigkeit an. Weiter oben sollen die Reste der frühmittelalterlichen Niklasmauer zu sehen sein, aber dazu ist heut wohl nicht der Tag. Ich kehr eher lustlos um und lass die Bergaufgehjungs gern vorbei.

                              Es ist recht laut hier in der Enge der Schlucht. Der Bach, dann die Autos und vor allem Laster. Die fahren wie die Gestochenen, und ich muss richtig achtgeben, wenn ich die Strasse überquer und ein paar Meter höherlaufend den Panzergarten ansteuer. Auf dieser Seite der Anlage steht ein Kasernengebäude und hier liegen auch einige verschlossene Eingänge in den Fels. Artillerie steht rum, und eingezäunt ein paar tote Panzer. Mit Waffenphotographieren hab ichs nicht so, deshalb welche hier und da allgemein.
                              und allgemein

                              Das Unterengadin, seine Burgen und der ersehnte Schlafplatz bei der Burg Tschanüff warten, daher setz ich meine Fahrt alsbald fort, mit dieser schönen Musike.
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