Crysagons Aluhut im Dienste der Forschung

Einklappen
X
 
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge
  • maffyn
    Banned
    • 19.09.2015
    • 341
    • sachsen

    #16
    Zappo: du implizierst, daß das Konstruktionsprinzip fast egal wäre... Da bin ich gewaltig anderer Meinung...

    Es macht einfach was mit den Leuten, wenn alles um das Zentrum nach bestimmten Gesetzen angeordnet ist und dieses Zentrum dann auch noch ne Vatikanburg ist. Du verstehst, was ich sagen will? Wie zementiere ich meine Macht? Vor den Römern waren die kultischen Zentren ausserhalb des Dorfes. Kult, spirituelle Dinge und weltliche Macht waren verschiedene Sachen. Nur im Kriegsfalle schlossen sich die Stämme überhaupt zu größeren Verbünden zusammen.

    Im Falle der Vatikanischen Herrschaft gab es von vornherein ein Zentrum der Macht auf die alles geeicht wurde. Und das zementierst du am besten, wenn du das den leuten tagtäglich vor die Augen setzt und sie gar nciht anders können, als das als ihren Mittelpunkt zu empfinden. Mir gehts ja nicht um die "Leistung" der Menschen damals- die ist so oder so unbestritten- sondern eher um das gezielte Einwirken von Eliten, die das auch noch mit einem ganz bestimmten Hintergrund machen. Der Ansatz von Humbert öffnet mir hier Fragen, zu denen es dann wiederum bestimmt viel spannendes zu lesen oder zu recherchieren gibt.
    Ich erinner mich dunkel an so eine Sendung, wo die die Statik von Kathedralen in modernen Architekturptogrammen nachgebildet haben und auch absolut spannende Details stiessen (wie eine um das ganze Kirchendach herumgehende Eisenkette, die dann in der Tat die fehlenden Kräfte aufnahm, damit das nicht einstürzt).

    In normalem Umfeld herrscht über das Mittelalter wenig Kenntnis. Da hast du guten und wissenden Umgang.
    So oder so- das Thema ist gesetzt und mal sehen, ob über die Jahre hier noch was spannendes zutage kommt.

    Kommentar

    • Lucius
      Heerführer


      • 04.01.2005
      • 5783
      • Annaburg;Sachsen-Anhalt
      • Viel zu viele

      #17
      Oh, hast du eine neue Tastatur? Eine, an der die Groß und Kleinschreibung funktioniert?
      Mein Therapeut hat mir geraten, die Namen der Menschen, die ich hasse, auf kleine Zettel zu schreiben, sie ins Feuer zu werfen und zuzusehen, wie sie verbrennen. Das habe ich getan, und ich muss sagen, jetzt fühle ich mich viel besser.
      P.S. Was mache ich jetzt mit den Zetteln??

      Kommentar

      • Zappo
        Heerführer


        • 28.04.2006
        • 2428
        • Baden

        #18
        Zitat von maffyn
        Zappo: du implizierst, daß das Konstruktionsprinzip fast egal wäre... Da bin ich gewaltig anderer Meinung...
        Daß ich das implizieren würde, da bin ich aber gewaltig anderer Meinung

        DAS Prinzip ist ist nämlich : Städtebau. Das ist ein Handwerk des Baumeisters. Dahinter stecken zig einzelne Prinzipien, Grundsätze und Regeln in verschiedenster Form und Gestaltung - vom Notwendigen bis zur puren Ästhetik. Die alle mal mehr oder weniger zur Geltung kommen.

        Aber ob der Weg zum Stadtgrundriss das Reissbrett, das Modell, die Planung vor Ort bedeutet (eher all dieses zusammen) ist ja wohl egal. Geplant in irgendeiner Form ist das ja immer. Wenn sich da jemand abstrakte, geometrische Gedanken gemacht hat - von mir aus. Aber die sind dann drübergebreitet - und nicht essentiell wichtig. Das ist nur eine der vielen Spielarten.

        Und z.B. die Regel: "Die Kirche steht im Dorf auf nem Platz und gegenüber das Rathaus" bräuchte auch ja kein irgendgeartetes höheres, von Eliten* diktierte Absicht. Das war Gemeingut und der Ausdruck des Empfindens der damaligen Zeit - und zwar von ziemlich allen - vom Fuhrknecht bis zum Ratsherr. UND ist natürlich auch praktisch.

        Wenn ich mir unser altes Straßendorf so ansehe, ist das ein hervorragendes Beispiel, wie man mit ganz einfachen, aber wirkungsvollen Gestaltngsprinzipien einen reizvollen und l(i)ebenswerten Stadtraum hinbekommt.

        An einem Ende der Hauptstraße steht die Kirche. Die Straße geht dann gerade weiter zum Punkt X, wo rechtwinklig ne Straße kreuzt. An diesem Punkt stehen dann Kneipe und Laden und ab da klappt die eine Seite der Hauptstraßen-Bebauung zurück und bildet so einen Platz, auf dessen Schmalseite die Kirche steht.

        Städtebaulich perfekt angelegt. Wäre es.

        Bei näheren Befassen erkennt man dann, daß die Kreuzung bei Punkt X erst seit den 60ern existiert - vorher gabs die kreuzende Straße nicht und die hat man dann DA angefügt, wo die wichtigen Häuser stehen (und nicht umgekehrt) und die so reizvoll zurückklappende Häuserfront im Laufe der Jahrzehnte entstand dadurch, daß die vorne stehenden Wirtschaftsgebäude abgerissen wurden und die Wohnhäuser dann nach und nach bis zur gedachten Front hinerweitert wurden.

        So kanns gehen

        Geometrische GENAUE Regeln im mittelalterlichen Grundriss versuchen nachzuermitteln, halte ich angesicht unklarer und zeitlich fast nicht nachzuvollziehender Fundlagen für ne ziemlich sportliche Aufgabe - und das Ergebnis für entsprechend schwammig. Ein Denkansatz ist es natürlich - und interessant natürich immer.

        Aber immer wenn ZU genaue Zahlen und geometrische Bezüge im Rennen sind, denke ich an die Pyramiden. Da kann man jonglieren wie man will und die Seitenlängen noch in Zusamnmenhang mit dem Mond setzen: VOR ORT ist es schwierig, überhaupt die Eckpunkt genau zu setzen.

        Gruß Zappo

        *Von Eliten soweit unabhängig zu sein wie möglich war ja das ausgemachte Ziel der Städte. "Stadtluft macht frei".

        Kommentar

        • maffyn
          Banned
          • 19.09.2015
          • 341
          • sachsen

          #19
          Zitat von Zappo
          Daß ich das implizieren würde, da bin ich aber gewaltig anderer Meinung



          Und z.B. die Regel: "Die Kirche steht im Dorf auf nem Platz und gegenüber das Rathaus" bräuchte auch ja kein irgendgeartetes höheres, von Eliten* diktierte Absicht. Das war Gemeingut und der Ausdruck des Empfindens der damaligen Zeit - und zwar von ziemlich allen - vom Fuhrknecht bis zum Ratsherr. UND ist natürlich auch praktisch.
          und die Regel und das "natürliche Empfinden von nichtnatürlichen Städten" kommt woher? Wer hat die aufgestellt? Tja, eben!!
          Dein Text bestätigt ja quasi wie genau hintenrum so eine echte "elite" arbeitet ;-) Der Sklave merkt es gar nicht und denkt es ist ja alles ganz natürlich so.

          So ein Germane hatte sein grosse Langhaus, das eingekreiste befriedete verpalisadierte Dorf mit seinen Häuseln drin, samt Vieh und die Götter sassen auf dem Berg oder im Baum. Zentren, wie die auf den Hertzsprungschilden dargestellten, waren eher die Ausnahme. Wie hätte der so eine mittelalterliche Stadt empfunden? (denen, denen das zu römisch usw. war, die segelten ja auch nach Island und sagten LmaA...)

          Mein Verständnis ist ja genau in dem Punkt die "heilige Geometrie", wo ich mir vorstelle, daß es genau durch Anwendung jener möglich war, die Menschen zur Annahme so einer Stadtkonstruktion zu bewegen! Oder das als irgendwie "natürlich" zu empfinden, weil eben die geometrische Ordnung Ausdruck höherer Prinzipien ist.



          Lucius: je nach Rechner woran ich schreibe, kann ich mal Gross und mal klein...

          Kommentar

          • Zappo
            Heerführer


            • 28.04.2006
            • 2428
            • Baden

            #20
            Zitat von maffyn
            und die Regel und das "natürliche Empfinden von nichtnatürlichen Städten" kommt woher? Wer hat die aufgestellt? Tja, eben!!
            Dein Text bestätigt ja quasi wie genau hintenrum so eine echte "elite" arbeitet ;-) Der Sklave merkt es gar nicht und denkt es ist ja alles ganz natürlich so.

            So ein Germane hatte sein grosse Langhaus, das eingekreiste befriedete verpalisadierte Dorf mit seinen Häuseln drin, samt Vieh und die Götter sassen auf dem Berg oder im Baum. Zentren, wie die auf den Hertzsprungschilden dargestellten, waren eher die Ausnahme. Wie hätte der so eine mittelalterliche Stadt empfunden? (denen, denen das zu römisch usw. war, die segelten ja auch nach Island und sagten LmaA...)

            Mein Verständnis ist ja genau in dem Punkt die "heilige Geometrie", wo ich mir vorstelle, daß es genau durch Anwendung jener möglich war, die Menschen zur Annahme so einer Stadtkonstruktion zu bewegen! Oder das als irgendwie "natürlich" zu empfinden, weil eben die geometrische Ordnung Ausdruck höherer Prinzipien ist...
            Wenn (WENN) ich Dich richtig verstehe, dann gehst Du also davon aus, daß da jemand (die Elite) irgendwann beschlossen hat "wir werden ab jetzt die Obermuftis und wenn wir unsere (?) Städte so und so bauen, dann werden wir das auch so bleiben. Und das erreichen wir ganz easy dadurch, daß wir bei der Stadtplanung dafür sorgen, daß die heilige Geometrie da berücksichtigt wird".

            Da bleiben denn doch ein paar Fragen - nicht zuletzt, woher die heilige Geometrie denn so weiß, wem sie dienen soll - und warum sie das tut

            Warum kann das nicht alles viel einfacher sein? Die Welt ist so, weil wir so sind, wie wir sind. Da brauchts keinen übergeordneten Plan.

            Jeder, der das Sagen hat, will das weiter so (er)halten. Jeder, der von den anderen lebt und nutznießt, will das auch weiter so tun. Alles, was wir bauen (oder anziehen oder wie wir handeln) hat zu großen Teilen damit zu tun, andere zu beeindrucken und die eigene Wichtigkeit zu unterstreichen - und die Unterprivilegierten in die Schranken zu weisen.

            Und das trifft auf Gutsherr, König, Kirche oder einfach den, der Pferde statt Kühe hat, auch zu. Da machen alle mit. Immer und in jeder Zeit.

            Das Haus des erfolgreichen Tuchhändlers im Mittelalter sieht anders aus als das des Flößerknechts. Da wird präsentiert. Die unzähligen Burgen bei uns in der Pfalz haben genau DIE Aufgabe - oft fortifikatorisch (bis auf Lage und Mauer) fortifikatorisch völliger Unsinn - demonstrieren sie Macht und "ich King - DU Depp". Heute brauchen manche dafür Goldkettchen, Jogginghosen und AMG-Mercedesse

            Und die Kirche muß - entsprechend ihrer Wichtigkeit im Leben - eben auch ein prächtiges Gebäude sein. Und genau DAs hat auch der Schafhirte so empfunden. Weil Kirche, Religion bzw. der Kampf ums Seelenheil damals völlig REAL war.


            Das Langhaus des oft von erfolgreicher Wikingfahrt heimgekehrten Nordmanns ist im übrigen auch ein repräsentatives Gebäude- und auch seine Klamotte und sein Trinkhorn und alles. Denn auch "so ein Germane" lebte von sozialen Unterschieden. Das ist ja jetzt keine Erfindung von Städten oder deren Planern.

            Und die Situation ist doch auch nicht, daß die Leute vor der Entscheidung standen, daß sie in die (fertige?) Stadt ziehen oder im Langhaus bleiben sollten.

            Städte sind ja in den allermeisten Fällen gewachsen - d.h. auch z.B. Strasbourg ist von einem kleine Fischerdorf über JahrHUNDERTE zur Stadt geworden. Und das Münster war irgendwann auch ne kleine Kapelle (und vorher ne heilige Stätte, m.Ws. - und der nötige Platz aussenrum wurde dann durchs Abreissen geschaffen. Natürlich ist das alles Ausdruck von Macht und - wenn man so will - Unterdrückung. Aber ob das mit der metergenauen Stadtkonstruktion nach irgendwelchem übergeordneten, generationenlang weitergereichten Plan zu tun hat, wage ich zu bezweifeln. Wir sind ja nicht bei Dan Brown.

            Die Gelegenheit zum "Städtebau" d.h. vom grundsätzlichen Planen einer Stadt von Grund auf sind ja eher selten - das betrifft ein paar Städte des Mittelalters und der Neuzeit - möglich ist das auch nach irgendwelchen Katastrophen wie Neros (?) Rombrand und unseren Weltkriegen. Nach den Wirren der französischen Revolution usw. wurde der Stadtkern von Paris neu organisiert - schöne breite Boulevards, auf denen sich viel Militär ausbreiten und vorrücken kann, geteert, nicht gepflastert, damit der Pöbel keine Barrikaden errichten kann - und schnurgerade, damit Kanonen möglichst effektiv wirken können.

            DAS sind denn doch handfestere machterhaltende Maßnahmen als ne heilige Geometrie.

            Mit "Regeln" im Städetbau meine ich im übrigen das Berücksichtigen der Empfindungen, die wir seit hunderttausenden Jahren mit uns tragen. Das ist u.a. das, was uns in Städten (und Gebäuden) Verengungen und Erweiterungen, Durchgänge und Plätze* genießen lässt - und was bestimmt, wo Du zuhause Deine Couch und Dein Lagerfeuer ähhhh Fernseher hinstellst - und welchen Platz Du dir in der Kneipe raussuchst (wenn er frei sein sollte).

            DAGEGEN sind alle zielgerichteten menschengemachten Absichten ne Lachplatte.

            Gruß Zappo

            *Wenn wir auch in Sienna den reizvollen Marktplatz, die Gassen und die Dachlandschaft bewundern - zuhause müssen wir ums Haus rumfahren können, kriegen Schnappatmung, wenn Nachbars Regenrinne 10 cm über unsere Einfahrt ragt und führen Prozesse, damit wir entgegen dem Bebauungsplan pinkfarbene Ziegel aufs Dach packen können.

            Sorry, kleiner Exkurs eines Planers. Ich muß jetzt arbeiten

            Kommentar

            Lädt...