Militarismus in Deutschland

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  • kapl
    Landesfürst

    • 30.08.2002
    • 719
    • NRW. Ruhrstadt Essen. Kulturhaupstadt 2010

    #16
    Zitat von Nestor
    @ Wigbold
    Was erwartest du von einer Jahrzehntelangen Volksverdummung? Die Fragenden können für diese Erziehung nichts.
    Ich hoffe nur dass z.B. Foren dieser Art etwas am Bild ändern und Interessierte auch hinterfragen und in ihrer Meinung und Bildung mündig werden.
    MIT SICHERHEIT NICHT!
    Wenn ich das schon höre "Jahrzehntelange Volksverdummung" oder meintest du die Bildzeitung? Wie viele Jahrzehnte meintest du?

    Ich will jetzt aber keine politische Diskussion starten. Aber so eine XXX kann man ja nicht ohne Kommentar stehen lassen.

    Als Lit- Tipp empfehle ich dir die Enzyklopädie Erster Weltkrieg. Hrsg. Hirschfeld und Krumeich. Schöningh Verlag. Dort wirst du fündig werden!
    ( Kriegsliteratur, der Weg in den Krieg) usw..


    Des weiteren solltest du die Mentalitätgeschichte von D anschauen!



    Zitat von wigbold
    ALLE beteiligten Staaten des ersten Weltkriegs gingen mit Erwartung und Begeisterung in den Krieg.
    Man kann keinen Staat isoliert betrachten, die Verflechtungen waren bestimmend.
    Das gilt übrigens auch für den zweiten Weltkrieg, um es mal an dieser Stelle einzuflechten.


    Dazu noch ein Tip: Natürlich ist es bequem, wenn man heutige Bücher kauft, die sich mit dem gesuchten Thema beschäftigen. Aber damit erbt man auch gleich die Sicht und auch die ABsicht des Autors.

    Sehr interessant ist, Bücher aus der damaligen Zeit zu lesen. Und zwar NICHT solche, die sich mit dem Krieg auseinandersetzen.
    1. = totalter Quatsch. Warum gab es denn die Appeasement Politik? Gab es so ein Vertragsgeflecht wie beim WK 1, dass alle Staaten sofort los "mussten" ??? LAssen wir das....


    2. Deswegen guckt man ja auch in verschiedene Bücher. Guckt welche Quellen benutzt worden, vergleicht die Inhalte usw...
    Naja im Studium bekommt man so etwas erklärt

    Vorsicht vor Zeitzeugen! Oral History usw... ist nicht ohne...

    GA
    kapl
    Zuletzt geändert von kapl; 25.12.2005, 15:17.
    (vorerst) nur noch lesend. Schreibend? Woanders! Wo? pn!

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    • kapl
      Landesfürst

      • 30.08.2002
      • 719
      • NRW. Ruhrstadt Essen. Kulturhaupstadt 2010

      #17
      Hier mal etwas , was wohl auch zu der ursprünglichen Frage etwas passen kann
      (aus der His Soz Liste)

      Tagber: Augenzeugnisse versus Geschichtsbilder: Deutsche
      Geschichte (1870-1945) als erlebtes Ereignis und
      gedeutete Vergangenheit
      ------------------------------------------------------------------------

      Otto-von-Bismarck-Stiftung
      29.09.2005-30.09.2005, Friedrichsruh

      Bericht von:
      Andrea Hopp

      Weil er zum Zeitpunkt des Pogroms nicht am Ort war, entkam Dayas Quinoni
      als einziger Überlebender der Auslöschung der jüdischen Gemeinde des
      provençalischen Städtchens La Baume im Jahr 1348 zur Zeit der Schwarzen
      Pest. Das Massaker wäre nicht überliefert, hätte nicht dieser "einzige
      Zeuge" sich sein Leid auf einer Torarolle von der Seele geschrieben, die
      sich heute in der Wiener Nationalbibliothek befindet. Carlo Ginzburg
      nimmt diesen Fall in seinem Artikel "Just one witness"[1] zum Anlass, um
      am Extremfall die Zeugenschaft in der Geschichtsschreibung zu
      problematisieren. Anders als die Rechtswissenschaft, in der der
      Grundsatz gilt: testis unus, testis nullus, räumt Ginzburg diesem einen
      Zeugnis sogar besonderen Stellenwert ein, weil es ein denkwürdiges
      Ereignis vor dem Vergessen bewahrt hat.

      Individuelle Zeugnisse vergangenen Geschehens, häufig privater Natur,
      sind unterdessen in zahlreichen Quelleneditionen publiziert, und in den
      Medien oder historischen Ausstellungen wird bevorzugt auf die
      persönlichen Erlebnisse von "Zeitzeugen" zurückgegriffen. Aber in
      welcher Weise vermögen solche subjektiven Schilderungen die
      Geschichtswissenschaft eigentlich zu bereichern, wo doch ihr Blickfeld
      stets begrenzt ist - etwa dadurch, dass bei der Betrachtung aus
      zeitlicher Nähe Konsequenzen, die im Nachhinein klar erkennbar sind,
      sich vielleicht noch gar nicht abzeichnen? Welche Rolle spielen darüber
      hinaus der Wandel von Geschichtsbildern und die damit verbundenen
      Konjunkturen von Erinnerungsorten für das Interesse an überlieferten
      Zeugnissen erlebter Ereignisse? Die Spannung zwischen Zeugenschaft und
      Geschichtsbild war Thema eines Workshops, der am 29. und 30. September
      2005 in der Otto-von-Bismarck-Stiftung in Friedrichsruh stattfand. Um
      die Transformation im Blick zu behalten, die sich von der Ebene der
      Augenzeugenschaft hin zum späteren durch Überlagerungen gekennzeichneten
      geschichtlichen Rekonstruktionsversuch vollzieht, wurden zwei
      Perspektiven der historischen Betrachtung miteinander konfrontiert: Der
      subjektiven zeitnahen Zeugenperspektive einerseits wurde die
      zurückschauende, distanzierte Betrachtung andererseits
      gegenübergestellt. In einem historischen Längsschnitt vom Kaiserreich
      bis zum Nationalsozialismus wurden markante politische Ereignisse
      ausgewählt - der Deutsch-Französische Krieg 1870/71, das Dreikaiserjahr
      1888, der Erste Weltkrieg 1914/18 und der 20. Juli 1944 - und auf ihre
      Wahrnehmung und Deutung in unmittelbaren Augenzeugnissen befragt. Dies
      wurde kontrastiert mit den Uminterpretationen, die das jeweilige
      Ereignis seither als gedeutete Vergangenheit erfahren hat, und dem
      Stellenwert, den es als deutscher Erinnerungsort aus heutiger Sicht
      einnimmt.

      In einer ersten Sektion ging Rainer Kipper (Erfurt) der Frage der
      Wahrnehmung des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 aus der Sicht
      zweier prominenter Zeitgenossen anhand ihrer Notizen zum Kriegsgeschehen
      nach. Als die Zeugenschaft bestimmende Faktoren machte er das
      Zusammenspiel biographisch-individueller, sozial-gruppenspezifischer und
      zufällig-situativer Aspekte aus. Während sich dies bei dem
      Schriftsteller hugenottischer Herkunft Theodor Fontane stark literarisch
      artikulierte, verrieten die Aussagen des jüdischen Liberalen Ludwig
      Bamberger eine betont politisch-ideologische Sicht. Bei Fontane hob
      Kipper eine auffällige, im engen Kulturkontakt entstandene unbefangene
      und differenzierte Schilderung der Franzosen hervor, die dem gängigen im
      Kaiserreich fortan laufend propagierten Bild vom französischen
      "Erbfeind" keineswegs entsprach; und am Beispiel von Tagebuch und
      Autobiographie Bambergers vermochte Kipper den Prozess vom soeben
      Erlebten hin zu den Stufen der rückschauenden Vergangenheitsbildung
      aufzuzeigen. Während bei Fontane in den folgenden Jahrzehnten eine
      weitgehende Kontinuität in der Bewertung vorherrschte, wurde Bambergers
      Rückblick auf den Krieg, den er 1870 im deutschen Hauptquartier im Stab
      Bismarcks voll patriotischer Hochstimmung miterlebt hatte, durch den
      politischen und persönlichen Konflikt mit Bismarck und den aufkommenden
      Antisemitismus getrübt.
      (vorerst) nur noch lesend. Schreibend? Woanders! Wo? pn!

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      • kapl
        Landesfürst

        • 30.08.2002
        • 719
        • NRW. Ruhrstadt Essen. Kulturhaupstadt 2010

        #18
        Andrea Hopp (Friedrichsruh) konzentrierte sich auf die Tagebuchnotizen
        Hildegard Baronin von Spitzembergs und Gertrud Bleichröders im
        "Dreikaiserjahr" 1888. Die Eintragungen lassen die Einbindung in
        unterschiedliche Gesellschaftskreise erkennen, aus der sich zwei
        Diskurse ergaben: ein höfisch-diplomatischer im Umfeld der Baronin
        Spitzemberg mit Konzentration auf den Machtstaat nach außen und ein
        jüdisch-bürgerlicher mit Schwergewicht auf den Rechtsstaat nach innen
        bei Gertrud Bleichröder. Gemeinsam war ihnen zwar das prägende Erlebnis
        einer durch Symbol und Ritual strukturierten Gegenwelt zum Alltag, die
        sich aus den Ereignissen um die beiden Thronwechsel ergab. Jedoch
        sorgten ein je spezifischer "Erfahrungsraum" und "Erwartungshorizont"
        (Koselleck) für divergierende Deutungen des damit verbundenen
        politischen Geschehens. Dies manifestiert sich in den Einschätzungen
        Friedrichs III., seiner Gattin Victoria sowie Wilhelms II. und
        dementsprechend kontroversen Reflexionen zur sich abzeichnenden
        Epochenwende.

        Gegenstand des Beitrags von Rüdiger Hachtmann (Berlin) war die Rückschau
        auf 1871 und 1888 aus der Distanz. Er konstatierte, dass das
        Reichsgründungsjahr von 1871 in der Erinnerungskultur als Markstein
        einer Wende an Bedeutung verloren hat und nur noch Mosaikstein einer
        historischen Langzeitentwicklung sei. Dafür führte er beispielsweise die
        Gliederung der Nipperdeyschen Gesamtdarstellung zur deutschen Geschichte
        an, deren erster Band mit dem Jahr 1866 endet. Gleichwohl blieben die
        Jahre 1871 und 1888 über Generationen hinweg Kristallisationspunkte
        polarer Erinnerungspolitik bzw. bildeten den Ausgangspunkt einer
        Hochzeit personenbezogener Mythen.

        Die zweite Sektion beschäftigte sich mit "Augen- und Ohrenzeugnissen"
        des Ersten Weltkriegs, d.h. literarischen und ästhetischen Formen, die
        unter dem Eindruck des kriegerischen Geschehens entstanden. Jürgen
        Müller (Frankfurt am Main) richtete sein Augenmerk auf Lyrik und
        Malerei. Carsten Kretschmann (Stuttgart) widmete sich der Kriegsmusik,
        einer in der Historiographie noch wenig akzeptierten Quellengattung, die
        einen interdisziplinären Zugang impliziert. Tausende von Künstlern waren
        am Krieg beteiligt und reflektierten ihn zeitnah. Die Überlieferungen
        ihrer Sinneseindrücke stellen darum erfahrungsgeschichtliche Quellen
        ersten Ranges dar, die in die Produktion von Geschichtsbildern
        einflossen - nicht zuletzt aufgrund der von ihnen geschaffenen
        wirkmächtigen Metaphern wie "Totentanz", "Stahlgewitter" oder
        "Blutmühle" bzw. Kompositionen, die die patriotische Aufwallung, Trauer
        und Verzweiflung sowie den Bomben- und Granathagel hörbar machten. Die
        künstlerischen Deutungsmuster spielten eine Rolle bei der semantischen
        Konturierung der sogenannten "Frontgeneration" und des
        "Kriegserlebnisses", wurden sie doch nach dem Krieg und vor allem in den
        1920er-Jahren im politischen Kampf um die Deutung der Vergangenheit
        instrumentalisiert. Rekurrierend auf die Formensprache ergab die
        Diskussion, dass auch in der Sphäre der Kunst dem zunehmenden Abstand
        zum Erlebten und den sich daraus ergebenden Verarbeitungsstufen
        Beachtung geschenkt werden muss: Bei der Analyse der
        Entstehungsgeschichte des Gemäldes "Flandern" (1934-1936) von Otto Dix
        etwa, dessen Werk im Nationalsozialismus als "entartete Kunst" galt,
        darf der neue politische und gesellschaftliche Hintergrund, der sein
        Schaffen beeinflusste, nicht unberücksichtigt bleiben.
        (vorerst) nur noch lesend. Schreibend? Woanders! Wo? pn!

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        • kapl
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          • 30.08.2002
          • 719
          • NRW. Ruhrstadt Essen. Kulturhaupstadt 2010

          #19
          Die dritte Sektion thematisierte den 20. Juli 1944 als Erinnerungsort
          aus der Zeit des Nationalsozialismus: Anhand der Tagebücher und Briefe
          ihrer 1894 geborenen Großmutter und ältesten Tochter Herbert von
          Bismarcks, Hannah von Bredow, gab Vendeline von Bredow (Paris) einen
          Einblick in die Lebenswelt jener Adelskreise, die in Opposition zur
          nationalsozialistischen Politik gerieten und damit zugleich in Gegensatz
          zur Mehrheit ihrer eigenen Familie wie des Adels überhaupt. Hannah von
          Bredows ausführliche Aufzeichnungen in Tagebüchern und Briefen lassen
          einige der Beweggründe, die zu unterschiedlichen Handlungsmustern
          innerhalb ein und derselben Familie (hier: der Familie von Bismarck)
          führten, erkennen: geschlechtsspezifische Aspekte spielten auf dem Weg
          in den Widerstand ebenso eine Rolle wie die Position in der
          Geschwisterfolge, die Wahl des Ehepartners und die daraus resultierende
          Geselligkeit. Am vorgestellten Beispiel der Aufzeichnungen Hannah von
          Bredows wurde einmal mehr deutlich, dass die Historiographie
          Konjunkturen unterworfen ist, welche die Wahrnehmung und Bewertung der
          Quellen von gegenwärtiger Einschätzung und Wissensstand aus lenken:
          Bemerkenswert erscheinen aus der Distanz nämlich die von Hannah von
          Bredows kontinuierlich oppositionellem Blickwinkel bestimmten
          hellsichtigen Prognosen über die für Deutschland von 1933 an zu
          erwartenden Entwicklungen. Ebenso evident sind nach heutigem
          Forschungsstand die Fehleinschätzungen über den Ablauf der Ereignisse um
          den 20. Juli selbst, die der Nähe zum Geschehen und der dadurch
          eingeschränkten Perspektive geschuldet sind.

          Jürgen Danyel (Potsdam) stellte den zeitgenössischen Eindrücken die
          wechselhafte Perzeption des 20. Juli 1944 bis in die Gegenwart
          gegenüber. Stichwortartig ging er auf die frühe symbolische Verdichtung
          eines komplexen historischen Ereigniszusammenhangs ein, auf die
          Konkurrenzen paralleler Überlieferungen, etwa im geteilten Deutschland,
          die Funktionalisierung zu politischen Zwecken und die dementsprechende
          Verankerung in neuen Kontexten. Grundsätzlich nahm er das Beispiel des
          20. Juli jedoch zum Anlass zu prüfen, wie sich die beiden Begriffe
          "Augenzeugnisse" und "Geschichtsbilder" zueinander verhalten, und zwar
          mit Blick auf deren enge Verschränkung. Im vorliegenden Fall erfolgte
          nämlich die erste Geschichtsdeutung durch die Gestapo; von Anfang an gab
          es eine sichtliche Konkurrenz paralleler Gegenüberlieferungen.

          Der öffentliche Abendvortrag Martin Sabrows (Potsdam) beschäftigte sich
          mit der "Zeitzeugenkraft des Historikers" einerseits und der
          "historischen Kraft des Zeitzeugen" andererseits. Das Diktum, der beste
          Historiker sei der Zeitzeuge selbst, widerlegte er am Beispiel der
          Lebensrückblicke nicht emigrierter westdeutscher Historiker, die sich
          episodal und wenig stringent gestalteten, um so mehr, je stärker sie im
          Nationalsozialismus verwickelt waren. Dessen ungeachtet sei der
          Zeitzeuge immer mehr zur beherrschenden Figur der Vergangenheitsdeutung
          geworden: Die Konjunktur der Zeitzeugen, die ihre eigene Erzählung
          kreierten, autorisiert durch die persönliche Perspektive als
          Erfahrungsträger, sieht Sabrow bestimmt durch die Gesetze des
          Medienzeitalters und die Verschiebung des geschichtskulturellen
          Blickfeldes. Gerade die "Unbestimmtheit" des Zeitzeugen stifte darüber
          hinaus eine Gemeinschaft all jener, die an einem Ereignis teilhatten mit
          dem Resultat einer verschwimmenden Differenz von Täter und Opfer.

          In einer letzten Sektion ging es um Geschichtsbewusstsein und
          Geschichtsdeutung als Problem der Vermittlung von Ereignismomenten.
          Monika Flacke (Berlin) beleuchtete die Transformation vom Ereignis zur
          Geschichte anhand eines auch in der Geschichtswissenschaft immer größere
          Bedeutung gewinnenden Mediums: dem Bild. Wie Bilder die Erinnerung zu
          leiten und zu prägen vermögen, hatte sie in der Ausstellung "1945:
          Mythen der Nationen - Arena der Erinnerungen" des Deutschen Historischen
          Museums in Berlin vorbildlich vorgeführt. Sie referierte ihre These,
          wonach die Dialektik von Verdrängung und Mythisierung nicht zu trennen
          sei von der Befriedung der Gesellschaften, die den Neubeginn Europas
          ermöglichte. Als Beleg führte sie Beispiele von Bildern und
          Vorstellungen an, die sich in Europa vom Zweiten Weltkrieg und dem
          Völkermord formten und aus denen unterschiedliche
          Geschichtskonstruktionen resultierten.
          (vorerst) nur noch lesend. Schreibend? Woanders! Wo? pn!

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          • kapl
            Landesfürst

            • 30.08.2002
            • 719
            • NRW. Ruhrstadt Essen. Kulturhaupstadt 2010

            #20
            Mit dem Schulunterricht und seinem Verhältnis zu Erinnerungsorten
            deutscher Geschichte im konkreten und übertragenen Sinne sowie der damit
            zusammenhängenden Didaktik am historischen Lernort beschäftigte sich
            Martin Liepach (Frankfurt am Main). Exemplarisch ging der Beitrag auf
            den Stellenwert von im Zeitraum zwischen 1871 und 1945 entstandenen
            Denkmälern ein, als Reflex (um-)gedeuteter Geschichte und den damit
            verbundenen Möglichkeiten für den Geschichtsunterricht. Für die
            Geschichtsdidaktik stelle das Konzept der Erinnerungsorte von Pierre
            Nora eine Herausforderung dar. Ein moderner Geschichtsunterricht mache
            es erforderlich, die Fixierung auf den Lernort Schule aufzugeben und
            andere didaktische Situationen historischen Lernens einzubeziehen. Die
            Geschichtsdidaktik habe die Chancen und Problematiken der Integration
            von Erinnerungsorten in den schulischen Ablauf bisher jedoch erst
            ansatzweise diskutiert.

            Den Abschlusskommentar formulierte Gangolf Hübinger (Frankfurt/Oder),
            der zusammenfassend dem "subjektiv gemeinten Sinn" privater
            Selbstzeugnisse und den diesbezüglichen Chancen und Aufgaben der
            Kulturgeschichte im Umgang mit Augenzeugnissen nachspürte. Hübinger
            konzentrierte sich auf die anthropologische Prämisse des Weberschen
            Grundbegriffs - der dem Menschen eigene Sinngebungszwang - und nahm dies
            zum Anlass, die zwischen den individuellen Überlieferungen und dem
            konstruktiv geformten Geschichtswissen bestehenden Spannungen
            aufzuschlüsseln. Er verwies auf die Filterfunktion des kulturellen
            Gedächtnisses, das dem derzeit seriell persönliche Geschichtsquellen
            produzierenden kommunikativen Gedächtnis gegenübersteht und mit darüber
            entscheidet, wessen Zeugenschaft als belangvoll erachtet wird und wessen
            nicht. Konsequent zugespitzt ließe sich umgekehrt daraus ableiten, dass
            die Zirkulation von Geschichtsbildern im öffentlichen Kommunikationsraum
            überhaupt erst subjektive Erfahrung produziere. Er plädierte daher
            dafür, die Spannungen zwischen zeitnaher Erfahrung und distanzierten
            Verarbeitungen noch eindringlicher zum Gegenstand der Forschung machen.
            Hierfür benötige die Kulturgeschichte jedoch dringend ein verbessertes
            Instrumentarium, um die Codierungen für Verklärungen oder Verteufelungen
            historischer Ereignisse und damit Prozesse der Vergesellschaftung über
            Geschichtsbilder differenziert entschlüsseln zu können - gerade weil
            Erlebnisschilderungen nie einfach den subjektiv gemeinten Sinn
            reflektierten, sondern strukturierten Sprachmustern und
            Handlungshorizonten eines spezifischen sozialen Raumes folgten.

            Konsens bestand darin, dass Zeugenschaft nie objektiv, sondern stets
            partiell ist, das Interesse an ihr abhängig von den jeweils kursierenden
            Geschichtsbildern ("Sehepunkt"), die Analyse zudem eines
            interdisziplinären Zugangs bedarf. Zweierlei Chancen bietet indessen der
            zeitnahe subjektive Blick der Historiographie schon jetzt: zum einen
            Einblick in längst vergangene Lebenswelten mit reichhaltigen
            Detailinformationen über momentane Beobachtungen und daraus unmittelbar
            hervorgehende Reflexionen, Stimmungen und Empfindungen wie Ängste,
            Hoffnungen, etc., die in der rückblickenden Betrachtung, die durch
            spätere Eindrücke überlagert wird, verloren gehen; zum anderen geht aus
            ihm hervor, was Menschen überhaupt zu erfassen vermochten, während das
            Geschehen sich um sie herum gerade erst entfaltete. Das schärft den
            Blick für das, was Historiker wie Fritz Stern oder Thomas Nipperdey
            stets betont haben, nämlich dass historische Entwicklungen nicht von
            vornherein feststehen, Geschichte vielmehr offen sei. Je länger ein
            Ereignis zurückliegt und von nachfolgenden Geschehnissen überlagert
            wird, desto geringer ist jedoch nicht selten das Bewusstsein hierfür
            ausgeprägt.

            Die Beiträge der Tagung sollen als Band in der "Wissenschaftlichen
            Reihe" der Otto-von-Bismarck-Stiftung veröffentlicht werden.


            Anmerkungen:
            [1] Carlo Ginzburg, Just One Witness, in: Saul Friedlander (Ed.),
            Probing the Limits of Representation, Cambridge, Mass. 1992, S. 82-96.
            (vorerst) nur noch lesend. Schreibend? Woanders! Wo? pn!

            Kommentar

            • C-4
              Heerführer

              • 01.08.2002
              • 2106
              • D

              #21
              Habt ihr sonst nix zu tun?
              Man merkt, dass Weihnachten ist. So ein Bullshit.

              Kommentar

              • kapl
                Landesfürst

                • 30.08.2002
                • 719
                • NRW. Ruhrstadt Essen. Kulturhaupstadt 2010

                #22
                So zurück zum Thema: Mentalitätsgeschichte.

                * Kriegssammlungen im Ersten Weltkrieg: Denkmäler oder Laboratoires d'histoire? in: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Irina Renz, (Hrsg.), Keiner fühlt sich hier mehr als Mensch... Erlebnis und Wirkung des Ersten Weltkriegs, (Schriften der Bibliothek für Zeitgeschichte, N.F., Bd.1), Essen 1993, S.241-258.
                (1996 in unveränderter Form als Fischer-Taschenbuch erschienen.)

                * The Memory Makers: Museums and Exhibitions of the First World War, in: History & Memory, 6(1994), Nr. 1, S. 95-122.
                * Mobilmachung. Auf Schienen: Die Schlacht von Verdun wird vorgefahren, in: FAZ v. 2.7.1996.
                * Bilder von der Zerstörung an der Westfront und die doppelte Verdrängung der Niederlage, in: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Dieter Langewiesche, Hans-Peter Ullmann, (Hrsg.), Kriegserfahrungen. Studien zur Sozial- und Mentalitätengeschichte des Ersten Weltkriegs, Essen 1997, S.439-454.
                * Kollektiver Dix, in: (OmU), Ausstellungskatalog Peter Zimmermann, hrsg. v. Verein der Freunde und Förderer der Kunstsammlung Gera, Gera 1997, S. 13-19.
                * Bei unseren Helden an der Somme / German heroes on the Somme, in: Bericht der Tagung des Historial de la Grande Guerre, Péronne 1998.

                * Der Erste Weltkrieg und die Medien des Gedächtnisses. Filme, Soldatenfriedhöfe und Kriegsfotos nach 1918, in: sowi 28 (1999), Nr. 4, S. 261-271.
                * Vom Kriegsschauplatz zum Gedächtnisraum: Die Westfront 1914-1940, Baden Baden 2000.
                * Im Westen nichts Neues. Antikriegsfilm zwischen den Fronten: Erbitterter Kampf um die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg, in: Badische Zeitung vom 2.2.2000.
                * Versailles auf den ehemaligen Schlachtfeldern im Westen, in: Gerd Krumeich (Hrsg.), Versailles 1919. Ziele - Wirkung - Wahrnehmung, Essen 2001, S. 323-332.
                * “Zerborstene Türme, tote Trümmer fragen die Welt: Wer sind die Barbaren?” Filme im Ersten Weltkrieg und kollektives Erinnern, in: Vittoria Borsò, Gerd Krumeich, Bernd Witte (Hrsg.), Medialität und Gedächtnis. Interdisziplinäre Beiträge zur kulturellen Verarbeitung europäischer Krisen, Stuttgart, Weimar 2001, S. 259-287.
                * Trauer und fortgesetzter Krieg. Totengedenken zwischen Trauer und Kriegsverherrlichung in Düsseldorf nach dem Ersten Weltkrieg, in: Gerd Krumeich, Jost Dülffer (Hrsg.), Der verlorene Frieden: Politik und Kriegskultur nach 1918, Essen 2002, S. 243-260.
                GA
                kapl
                Zuletzt geändert von kapl; 25.12.2005, 16:20.
                (vorerst) nur noch lesend. Schreibend? Woanders! Wo? pn!

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                • kapl
                  Landesfürst

                  • 30.08.2002
                  • 719
                  • NRW. Ruhrstadt Essen. Kulturhaupstadt 2010

                  #23
                  Noch ein Beispiel aus meinem Museumsalltag.
                  (Verkaufe ich den Schülern gerne als Vorläufer ihrer Playstation)

                  Die Electra! Elektrischer Schießautomat. Einsatz 5 Pfennig (Die in eine Pistole eingelegt werden, dann Kimme und Korn, und wenn man dann einen Schlitz trifft, ertönt eine Glocke! ) Gewinn 10 Pfennig. (1 Glas Bier, oder 1 Schnaps 2 Cigarren)
                  Diese Electra stand im Ruhrpott, nicht nur da, in den Arbeiterkneipen.
                  Die Aufnahme unten ist nicht aus dem Ruhrlandmuseum sondern aus Frankreich aus Peronne.

                  Da wir uns aber im Kaiserreich befinden steht links und rechts quer auf der Electra: "Üb Aug und Hand fürs Vaterland"

                  Ein Tipp wäre noch der Artikel von Kerner, Frank: "Wir Deutschen fürchten Gott aber sonst niemand in der Welt" in: Die Erfindungs des Ruhrgebiets. Arbeit und Alltag um 1900. Katalog zur soziahistorischen Daueraustellung. Ruhrlandmuseum Essen (Hrsg.) Essen 2000 S.eite 163-177


                  Dort tauchen Aspekte auf wie:
                  Bismarkvereine und Kaiser Wilhelm Vereine.
                  Über 300 Vereine errichteten die 7.000 Bismarkdenkmäler . B. wurde bevorzugt in Uniform abgebildet, kaum mit Atrributen der Bürgerlichkeit. Als Gedenktag nicht der Tag der Kaiserproklamation sondern der Tag der Schlacht bei Sedan wurde Nationalfeiertag

                  GA
                  kapl

                  PS A pro pro Verweise, bei der Electra verweise ich bei den Kids darauf, dass auch heute das Militär hinter der Entwicklung von Spielen, bzw. Egoshootern und Simulatoren steckt....
                  Angehängte Dateien
                  Zuletzt geändert von kapl; 25.12.2005, 19:20.
                  (vorerst) nur noch lesend. Schreibend? Woanders! Wo? pn!

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                  • Deistergeist
                    Moderator

                    • 24.11.2002
                    • 19538
                    • Barsinghausen am Deister

                    #24
                    Sehr ausführliche Antwort!

                    Glückauf! Thomas
                    "The Man Who Saved the World" -S. J. Petrow-

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                    • mun_depot
                      Heerführer


                      • 04.09.2004
                      • 1383
                      • 3rd stone from the sun
                      • brain 2.0

                      #25
                      "Immer feste druff!"*

                      Es gab sehr wohl Militarismus im Deutschen Reich!

                      Beispiele dafür sind der schon genannte Hauptmann von Köpenik als Posse im Alltag des Reiches, oder aber die Zabern-Affäre, die große Wellen geschlagen hat.

                      Definition Militarismus:


                      Geschichte des "Hauptmann von Köpenik":


                      Zabern-Affäre:


                      * Immer feste druff! (Wilhelm von Hohenzollern, der Sohn des Kaisers, in einem Telegramm zum Jahreswechsel)
                      Zuletzt geändert von mun_depot; 26.12.2005, 00:38.

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                      • linux_blAcky
                        Heerführer


                        • 10.09.2004
                        • 4898
                        • Köln / NRW
                        • Bounty Hunter Tracker 1D

                        #26
                        hi...

                        etwas weniger kriegsbegeistert war dieser zeitgenössische autor:

                        Adam Scharrer - Vaterlandslose Gesellen


                        mfg,

                        blAcky
                        Zuletzt geändert von linux_blAcky; 26.12.2005, 04:46.
                        Twitter ist eine typische Erscheinung der Generation ADS & SMS. Für einen Brief zu faul, für einen kompletten Satz zu dumm und für korrekte Grammatik zu cool.

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