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Als der Beruf zum Familiennamen wurde
Die Nachnamen vererben sich - Ab dem 17. Jahrhundert per Gesetz
von Hans Markus Thomsen
Berlin - Der wichtigste Einschnitt in der Geschichte unserer Namen, der Übergang von der Einnamigkeit zur Zweinamigkeit, vollzieht sich fast wie ein naturgesetzlicher Vorgang, ohne jeden obrigkeitlichen Zwang, aus rechtlicher und ökonomischer Notwendigkeit - und mit enormer Geschwindigkeit: Er beginnt in Deutschland Ende des 11. Jahrhunderts und ist um 1500 weit gehend abgeschlossen. Am schnellsten in den Städten, auf dem Lande deutlich verzögert, im Süden Deutschlands erheblich früher als im Norden. Vorreiter war der Adel. Im Jahre 1037 hatte Kaiser Konrad II. dem Adel die Erblichkeit der Lehen zugestanden. Das hieß: Burgen und Besitz der Vasallen mussten nicht mehr bestätigt oder neu vergeben werden, sondern gingen ein für allemal in den Besitz der Familien über.
Der Stolz auf ihre erbliche Grundherrschaft und politischen Rechte führte dazu, dass die adligen Familien sich den Namen ihres Stammsitzes als Beinamen zulegten mit dem bis heute prestigebeladenen Wörtchen "von". So nannten sich schon die ritterbürtigen Dichter der Stauferzeit "Heinrich von Veldeke", "Wolfram von Eschenbach", "Hartmann von Aue". Diesem Brauch folgten auch die Dichter ohne ritterlichen Besitz und nannten sich nach ihren Heimatorten "Konrad von Würzburg" und "Gottfried von Straßburg".
Aber auch die wohlhabenden Patrizier in den Städten begannen, sich nach den Namen ihrer Häuser zu nennen. Hausnummern gab es noch nicht, die Häuser wurden nach bildlichen Darstellungen auf ihren Fassaden unterschieden. Heute findet man diese Namen noch an alten Apotheken und Gasthäusern: Adler, Löwe, Ochse, Weißes Ross, Sonne oder Stern.
Die einfachen Leute in den Städten hatten in der Regel keinen Haus- oder Grundbesitz, nach dem sie sich selbst und einander benennen konnten. So nutzten sie andere, nahe liegende Unterscheidungen. Und das muss man sich etwa so vorstellen: Ein damals sehr beliebter Name war Heinrich, ein alter Königsname. Es gab sehr viele Heinriche. So nannte man den einen nach seinem Beruf: Heinrich (der) Schmied (Schmidt).
Ein anderer erhielt seinen Beinamen nach dem Taufnamen seines Vaters. Hieß der also etwa Friedrich, dann war der Sohn "Heinrich, Friedrichs Sohn" oder einfach Heinrich Friedrichs. Einen anderen nannte man, weil er aus Mainz stammte, Heinrich Mainzer (Menzer). Wieder einen, der besonders groß gewachsen war, "den großen Heinrich" oder einfach Heinrich Groß, einen, der besonders hellhaarig war, Heinrich Weiß. Wieder ein anderer, der leicht aufbrauste, wurde so zu Heinrich Grimm. An diesen simplen Beispielen sind praktisch alle Möglichkeiten, wie Familiennamen aus Beinamen entstehen, schematisch dargestellt.
Noch lange, nachdem die Zweinamigkeit sich endgültig durchgesetzt hat - sie ist inzwischen weltweit eingeführt -, wird in Deutschland der Zweitname geringer geachtet als der Ruf- oder Taufname. Namenlisten werden oft noch alphabetisch nach den Rufnamen geordnet, die Zweitnamen kleiner geschrieben als die Rufnamen. Auch die Begriffe "Zuname", "Nachname" und "Schreibname" für den Familiennamen belegen die Höherwertigkeit des Rufnamens.
Aber es geschieht etwas ganz Entscheidendes: Diese ursprünglich auf eine Person bezogenen Beinamen sterben nicht mehr mit ihrem ersten Träger, sie werden vererbt. Geschwister tragen denselben Namen. Der Sohn heißt Metzger wie sein Vater, obwohl er Tischler ist, Johannes Mainzer war nie in Mainz, und Otto Klein ist ein Riese. Endgültig fest werden die Familiennamen aber erst in den folgenden Jahrhunderten: In Bayern verbot 1677 ein Gesetz Änderungen von Familiennamen, in Österreich erst 100 Jahre später: im Jahr 1776. In Preußen schrieb 1794 das Allgemeine Preußische Landrecht feste Familiennamen vor. Als Letzte widersetzten sich die Ostfriesen dem Zwang zur Zweinamigkeit. Ein Dekret Napoleons verfügte 1811 auch für sie die Annahme fester Familiennamen. 1874 wurde mit der Einführung der Standesämter in Deutschland auch die Schreibweise der Familiennamen verbindlich festgelegt. Die Möglichkeit, sich von einem ungeliebten oder herabsetzenden Familiennamen zu trennen, brachte erst das Namensänderungsgesetz von 1938. Seine damals vordringliche Absicht war allerdings, fremd klingende, vor allem slawische Namen, einzudeutschen. Heute nutzen jedes Jahr etwa 12 000 bis 15 000 Bürger die Möglichkeit, sich umtaufen zu lassen.
Quelle:http://www.welt.de/data/2004/03/22/254428.html(Registrierung erforderlich)
Artikel erschienen am 22. März 2004
Als der Beruf zum Familiennamen wurde
Die Nachnamen vererben sich - Ab dem 17. Jahrhundert per Gesetz
von Hans Markus Thomsen
Berlin - Der wichtigste Einschnitt in der Geschichte unserer Namen, der Übergang von der Einnamigkeit zur Zweinamigkeit, vollzieht sich fast wie ein naturgesetzlicher Vorgang, ohne jeden obrigkeitlichen Zwang, aus rechtlicher und ökonomischer Notwendigkeit - und mit enormer Geschwindigkeit: Er beginnt in Deutschland Ende des 11. Jahrhunderts und ist um 1500 weit gehend abgeschlossen. Am schnellsten in den Städten, auf dem Lande deutlich verzögert, im Süden Deutschlands erheblich früher als im Norden. Vorreiter war der Adel. Im Jahre 1037 hatte Kaiser Konrad II. dem Adel die Erblichkeit der Lehen zugestanden. Das hieß: Burgen und Besitz der Vasallen mussten nicht mehr bestätigt oder neu vergeben werden, sondern gingen ein für allemal in den Besitz der Familien über.
Der Stolz auf ihre erbliche Grundherrschaft und politischen Rechte führte dazu, dass die adligen Familien sich den Namen ihres Stammsitzes als Beinamen zulegten mit dem bis heute prestigebeladenen Wörtchen "von". So nannten sich schon die ritterbürtigen Dichter der Stauferzeit "Heinrich von Veldeke", "Wolfram von Eschenbach", "Hartmann von Aue". Diesem Brauch folgten auch die Dichter ohne ritterlichen Besitz und nannten sich nach ihren Heimatorten "Konrad von Würzburg" und "Gottfried von Straßburg".
Aber auch die wohlhabenden Patrizier in den Städten begannen, sich nach den Namen ihrer Häuser zu nennen. Hausnummern gab es noch nicht, die Häuser wurden nach bildlichen Darstellungen auf ihren Fassaden unterschieden. Heute findet man diese Namen noch an alten Apotheken und Gasthäusern: Adler, Löwe, Ochse, Weißes Ross, Sonne oder Stern.
Die einfachen Leute in den Städten hatten in der Regel keinen Haus- oder Grundbesitz, nach dem sie sich selbst und einander benennen konnten. So nutzten sie andere, nahe liegende Unterscheidungen. Und das muss man sich etwa so vorstellen: Ein damals sehr beliebter Name war Heinrich, ein alter Königsname. Es gab sehr viele Heinriche. So nannte man den einen nach seinem Beruf: Heinrich (der) Schmied (Schmidt).
Ein anderer erhielt seinen Beinamen nach dem Taufnamen seines Vaters. Hieß der also etwa Friedrich, dann war der Sohn "Heinrich, Friedrichs Sohn" oder einfach Heinrich Friedrichs. Einen anderen nannte man, weil er aus Mainz stammte, Heinrich Mainzer (Menzer). Wieder einen, der besonders groß gewachsen war, "den großen Heinrich" oder einfach Heinrich Groß, einen, der besonders hellhaarig war, Heinrich Weiß. Wieder ein anderer, der leicht aufbrauste, wurde so zu Heinrich Grimm. An diesen simplen Beispielen sind praktisch alle Möglichkeiten, wie Familiennamen aus Beinamen entstehen, schematisch dargestellt.
Noch lange, nachdem die Zweinamigkeit sich endgültig durchgesetzt hat - sie ist inzwischen weltweit eingeführt -, wird in Deutschland der Zweitname geringer geachtet als der Ruf- oder Taufname. Namenlisten werden oft noch alphabetisch nach den Rufnamen geordnet, die Zweitnamen kleiner geschrieben als die Rufnamen. Auch die Begriffe "Zuname", "Nachname" und "Schreibname" für den Familiennamen belegen die Höherwertigkeit des Rufnamens.
Aber es geschieht etwas ganz Entscheidendes: Diese ursprünglich auf eine Person bezogenen Beinamen sterben nicht mehr mit ihrem ersten Träger, sie werden vererbt. Geschwister tragen denselben Namen. Der Sohn heißt Metzger wie sein Vater, obwohl er Tischler ist, Johannes Mainzer war nie in Mainz, und Otto Klein ist ein Riese. Endgültig fest werden die Familiennamen aber erst in den folgenden Jahrhunderten: In Bayern verbot 1677 ein Gesetz Änderungen von Familiennamen, in Österreich erst 100 Jahre später: im Jahr 1776. In Preußen schrieb 1794 das Allgemeine Preußische Landrecht feste Familiennamen vor. Als Letzte widersetzten sich die Ostfriesen dem Zwang zur Zweinamigkeit. Ein Dekret Napoleons verfügte 1811 auch für sie die Annahme fester Familiennamen. 1874 wurde mit der Einführung der Standesämter in Deutschland auch die Schreibweise der Familiennamen verbindlich festgelegt. Die Möglichkeit, sich von einem ungeliebten oder herabsetzenden Familiennamen zu trennen, brachte erst das Namensänderungsgesetz von 1938. Seine damals vordringliche Absicht war allerdings, fremd klingende, vor allem slawische Namen, einzudeutschen. Heute nutzen jedes Jahr etwa 12 000 bis 15 000 Bürger die Möglichkeit, sich umtaufen zu lassen.
Quelle:http://www.welt.de/data/2004/03/22/254428.html(Registrierung erforderlich)
Artikel erschienen am 22. März 2004





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