Mit Geheimplan: Neue Spur zum Bernsteinzimmer

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  • torstenk
    Geselle


    • 13.07.2005
    • 84

    #286

    Verschollen und verschüttet

    Nach einer Ausstellung 2013 ist die Hubertusburg wieder im Dornröschenschlaf. Dabei hütet sie Geheimnisse. Der Wermsdorfer Manfred John stößt seit Jahren immer wieder auf Hindernisse.


    Von Thomas Schade



    Wenn Manfred John am Westflügel des Hauptpalais von Hubertusburg vorbeikommt, wird er meist nachdenklich. „Ich dachte immer, ich kenne meine Gebäude, aber das ist wohl ein Irrtum“, sagt der 74-jährige Bauingenieur und Denkmalpfleger. Er zeigt auf ein paar zugemauerte Kellerfenster an der Südwestecke des Palais. „Warum sehen wir hier vermauerte Kellerfenster, obwohl dieser Flügel in den Bauzeichnungen gar nicht unterkellert ist?“ Das fragt er sich seit Jahren.

    Seit 1965 war Manfred John in Hubertusburg tätig, die meiste Zeit als technischer Leiter. Da war sie längst schon Klinikum. Dutzende Gebäude und 32 Hektar Betriebsgelände hatte er instand zu halten – auch das Jagdschloss mit der rätselhaften Südwestecke, das der Sohn Augusts des Starke einst zur Residenz vergrößern ließ.

    Wenige Jahre, nachdem Manfred John hier angefangen hatte, fand er auf dem Dachboden des Hauptpalais ein großes Ölbild, fast drei Meter lang und zwei Meter hoch. Wahrscheinlich eines von 286 Bildern der Dresdner Gemäldegalerie, die vor dem Siebenjährigen Krieg (1756–1763) in Wermsdorf versteckt worden waren. Nachdem mit dem Frieden von Hubertusburg hier in Wermsdorf der Siebenjährige Krieg beendet worden war, kehrten nur zwölf der Bilder nach Dresden zurück. Die „Wildschweinhatz“, die John unterm Dach fand, ist wohl Nummer 13. Das Bild hängt heute im Steinsaal von Schloss Moritzburg.

    200 Jahre hatte Hubertusburg das Geheimnis um die „Wildschweinhatz“ gehütet. Aber es ist nicht das Einzige, glaubt John. „Es gibt andere, die sind nicht einmal hundert Jahre alt“, sagt er. Das Wort Schatzsucher ist ihm eher unangenehm, „weil man da schnell als Spinner hingestellt wird“, sagt er. Aber John, der als kleiner Junge mit seiner Mutter aus Posen nach Sachsen kam, hätte es im Arbeitsleben als Bauleiter und Denkmalpfleger nie so weit gebracht ohne technische Exaktheit und historische Faktentreue. „Unsereiner prüft lieber einmal mehr als einmal zu wenig.“ Nur beim Anblick des Westflügels der Hubertusburg kommt er seit Jahren ins Geheimniskrämern. Hier war einst die Schauseite des Schlosses. „Warum sollte ausgerechnet ein Fünftel dieses Gebäudes nicht unterkellert sein?“, fragt John.

    Als technischer Leiter war er immer stolz auf den Fundus an Bauzeichnungen, auf den er zurückgreifen konnte. Sogar die Pläne von Schlossbaumeister Knöffel gibt es. Nur das Kellergeschoss fehlt. Und von vier großen Papptafeln mit den Kellerplänen des Hauptpalais, die all die Jahre in seinem Büro standen, fehlte ausgerechnet die Tafel mit der Ecke, die ihm so viel Kopfzerbrechen bereitet. „Auf einer Zeichnung der NS-Luftwaffe, der einzigen aus dieser Zeit, ist der Teil als nicht unterkellert gezeichnet“, sagt John. „Dabei führen Belüftungsrohre zu dem „nichtunterkellerten“ Teil.



    Seit 20 Jahren rätselt er über das Geheimnis unter dem Westflügel. Richtig elektrisiert hatte ihn seine Urlaubslektüre im Sommer 1987. Johns Ehefrau Karin hatte ihrem Mann den Bernsteinzimmer-Report eingepackt – eine zielgerichtete Veröffentlichung der Staatssicherheit, die dem Autor Paul Enke zu neuen Hinweisen aus der Leserschaft verhelfen sollte. Seit Mitte der 50er-Jahre suchte Paul Enke verbissen nach dem verschwundenen Kunstwerk, das im Range eines achten Weltwunders gehandelt wird. Anfangs recherchierte er als kunstsinniger Hobbydetektiv, seit 1980 als Offizier im besonderen Einsatz des MfS. Sein 240-seitiges Paperback-Bändchen gilt Bernsteinzimmer-Suchern bis heute als Standardwerk.

    Spätestens auf Seite 209 klingelten bei Manfred John die Alarmglocken. Dort schrieb Enke über jenen mysteriösen Funkspruch, dessen Text 1949 in einer alten ledernen Kartentasche gefunden worden war: „Aktion Bernsteinzimmer beendet. Einlagerung in B. Sch. (andere Fassungen lauten B Sch W bzw. IIIb) Zugänge versprengt. Opfer durch Feindeinwirkung“. So lautet Enkes Text, von dem offensichtlich verschiedene Fassungen kursieren, weil Engländer und Sowjets den Funkspruch abgefangen und übersetzt hatten. „B Sch W“ – Barockschloss Wermsdorf?

    Diese Interpretation lässt Manfred John seither nicht in Ruhe. Er begann Fakten und Hinweise zu sammeln über die Ereignisse der letzten Kriegsmonate in Wermsdorf. Immer mal hatten ihm Zeitzeugen über jene Zeit berichtet. So wusste er, dass ein Ersatz-Pionierbataillon der Luftwaffe im März und April 1945 im Keller des Schlosses zugange gewesen war. Auch im Wermsdorfer Steinbruch am Tiefen Teich war der Bautrupp gesehen worden. Und John war auf Albert Popp gestoßen, Standartenführer des NS-Fliegerkorps und Neffe des sächsischen NS-Gauleiters Mutschmann. In Enkes Bernsteinzimmer-Report spielt Popp beim Verschwinden des Kunstschatzes eine wichtige Rolle. „Popp hat hier gejagt“, sagt John nüchtern.

    Mitte November 1987 suchte er Kontakt zu Enke, rief im Verlag an und erzählte, was er mit dem Autor besprechen wollte. „Drei Tage später war Enke da“, sagt John. Der Name Popp habe ihn elektrisiert. Fünf Stunden saßen sie in Johns guter Stube, tranken Kaffee. „Enke berichtete, er komme vom Ministerium des Inneren, und hatte viel zu erzählen.“ Dann habe er seinem Gast die Keller im Schloss gezeigt. Beim Abschied versprach Enke, dass er mit einer Sonde wiederkommen wolle. Aber Enke kam nicht. Der Bernsteinzimmerjäger der Stasi verstarb wenige Tage nach seinem Besuch in Wermsdorf unerwartet. Enkes Lektor Günther Wermusch schrieb seinerseits 1991 ein Buch über die Suche nach dem Bernsteinzimmer. Darin erwähnt er den Besuch in Wermsdorf als Enkes „letzte Expedition“. Wieder zurück, habe Enke ihm erzählt, dass der Alarm von „Übereifrigen“ ausgelöst worden sei.



    Diese Geringschätzung kennt Manfred John natürlich. „Enke war damals sehr oberflächlich“, hält der Denkmalpfleger dagegen. Vom Vorwurf des Übereifers lässt einer wie er sich nicht entmutigen. Gemeinsam mit der Journalistin Gabi Liebegall recherchierte er weiter in Sachen Beutekunst. Beide durchstöberten im Laufe der Jahre mehr als 40 Archive. Sogar im Vatikan und im Zarskoje-Selo waren sie. Dort hatten die Nazis das Bernsteinzimmer 1941 aus dem Katharinenpalast geraubt.

    Im Sommer 1990 tauchte in Wermsdorf die Kripo auf, um in den Schlosskellern nach verschollener Beutekunst zu suchen. Journalistin Liebegall hatte die Polizei mit einer anonymen Anzeige auf den Plan gerufen. Zuvor, im Frühjahr 1990, waren Johns Berichte an die Regierung Modrow nur formal beantwortet worden. „Ich dachte, ich kann was bewegen, aber in Berlin ging es um die Macht, da war Beutekunst wohl kein Thema“, vermutet John.



    Nur Peter Michael Diestel, damals letzter DDR-Innenminister, nutzte offenbar die Aktion für eine Schlagzeile. Die Kripo war noch in den Wermsdorfer Kellern, da ließ er in der Brandenburger Zeitung vom 8. August 1990 verkünden, dass man bei Grabungen „auf dem Gelände eines Rittergutes“ auf „versteckte Kunstschätze“ gestoßen sei. Indirekt habe er die Bestätigung erhalten, dass damit die Hubertusburg gemeint gewesen sei, sagt John. „Offiziell erhielten wir keine Auskunft über die Ergebnisse der polizeilichen Untersuchung“. Zehn Wochen später las er in der Zeitung: Die Bohrungen hätten ergeben, dass dieser Teil des Schlosses nicht unterkellert ist. John ist überzeugt, dass der damalige Kripochef in der Zeitung nicht die Wahrheit gesagt hat. Das habe ihnen Jahre später einer bestätigt, der dabei war: Sachsens bekanntester Bombenentschärfer Thomas Lange. Er hatte mit kleinen Sprengungen Öffnungen geschaffen. Auf Nachfrage teilte er ihnen mit, „dass der betreffende Raum leer war“.

    Die Widersprüche veranlassten Manfred John, den Eigentümer des Schlosses um Hilfe zu bitten – den Freistaat. So bohrte der Schachtbau Nordhausen im Mai 2000 erneut die ominöse, angeblich nicht unterkellerte Ecke des Schlosses an, vertikal und horizontal. „Anschließend erhielten wir von Staatshochbauamt die Auskunft, dass sich unsere Vermutung nicht bestätigt habe“, sagt John. Den Untersuchungsbericht erhielten sie erst vier Jahre später. Er enthält eine Grundrisszeichnung mit mehreren Fragezeichen und einen Punkt 8. „Offene Fragen“. Da ist von „Auffüllungen“ unter dem Fußboden des Erdgeschosses die Rede, die sich die Fachleute nicht erklären konnten. Der Befund lasse „eher eine Kellerdecke eines verfüllten Kellers vermuten“, heißt es da. Auch einen Entwässerungskanal konnten sich die Experten nicht erklären, so dass sich „weiterer Klärungsbedarf“ ergebe. „Das alles ist bis heute nicht geklärt“, sagt John.

    Zu dieser Zeit suchten John und Liebegall auch schon im Steinbruch, wo die Pioniertrupps der Luftwaffe im Frühjahr 1945 ebenfalls gesehen worden waren. An der Westkante des uralten Steinbruches, aus dessen Quarzporphyr die Hubertusburg errichtet worden war, tauchte 1994 das Mundloch eines Stollens auf. „Was soll ein Stollen in einem Steinbruch, der seit Jahrhunderten im Tagebau betrieben wird“, fragt sich Kurt Müller, der 38 Jahre hier Betriebsleiter war. Die Männer folgten dem Stollen, trugen Hunderte Eimer Geröll und Schutt aus dem Gang. Bis ihnen nach 60 Metern eine trocken gesetzte Wand aus Steinplatten den Weg versperrte.



    Ab und zu steigen Manfred John und Kurt Müller auf die Steinbruchhalde, um vor Ort zu beraten. 20 Meter hoch und inzwischen bewachsen trennt der Wall heute den Steinbruch und den Ort. Die Männer finden hier fast jedes Bohrloch, das sie einst mithilfe von Sponsoren in die Erde getrieben hatten, um hinter das Geheimnis des Stollens zu kommen. Geholfen hat ihnen ein Luftbild vom 20. April 1945. Darauf ist ein weißer Strich zusehen, der parallel zu dem unterirdischen Gang verläuft. Das haben Berechnungen ergeben, sagt John „Könnte eine frische Betondecke sein, die teilweise verschüttet ist“, sagt er. Seine Vermutung: Die Pioniere hatten neben dem Stollen von der Erdoberfläche aus ein Depot in den Fels gesprengt und mit einer Betonplatte abgedeckt. „Der Stollen war nur der Zugang.“ Kurt Müller ergänzt: „Tatsächlich lagen 1945 über dem Stollen nicht einmal drei Meter gewachsenes Gestein.“

    Wenn es hier im Steinbruch ein geheimes Depot gibt, dann gehört es zur Ironie der Geschichte, dass Steinbrucharbeiter in den vergangenen Jahrzehnten das Versteck mit einer 20 Meter hohen Geröllhalde überschüttet und so gut wie unzugänglich gemacht haben. Dann entdeckten sie den Zugang.

    Bis heute versuchen John, Liebegall und Müller mit interessierten Fachleuten, den Geheimnissen auf die Spur zu kommen, die die Nazis im Frühjahr 1945 hier vielleicht hinterlassen haben. „Bisher versuchten die Behörden, uns an der Nase herumzuführen“, sagt John. Deshalb müsse man mit bescheidenen Mitteln allein weitermachen. John hofft, dass er nun bei Finanzminister Georg Unland, einem Maschinenbauingenieur und Mineralien-Sammler, auf offene Ohren gestoßen ist. „Im Grunde ist der Fall Wermsdorf ungeklärt“, sagt John, den die Neugier wohl nie verlässt. „Wenn ich nicht mehr neugierig bin, bin ich tot“, sagt der 75-Jährige und lacht.

    „Faszination und Mythos Bernsteinzimmer“ ist eine Ausstellung, die bis Ende Juli 2016 in der Dresdner Zeitenströmung zu erleben ist. Ort: Königsbrücker Str. 96 in 01099 Dresden. Geöffnet: täglich 10 bis 18 Uhr.

    Link zum Beitrag steht ein Stück weiter oben

    Mir nicht aufgefallen, dass es im ABO-Bereich war

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    • Eisenknicker
      Heerführer


      • 03.10.2015
      • 5463
      • NRW
      • Akten

      #287
      Danke für die Geschichte

      Abo am Ars.......jetzt?
      „Denn nicht durch Worte, aber durch Handlungen, zeigt sich wahre Treue und wahre Liebe.“ — Heinrich Von Kleist

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      • torstenk
        Geselle


        • 13.07.2005
        • 84

        #288
        neeeee warum

        entweder man ist Kunde oder man nutzt das kostenlose Online-Probeabo und das geht unter vielerlei fiktivDaten


        Ach so


        die Ausstellung ist ECHT SEHENSWERT

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        • Frank Enstein
          Banned
          • 23.03.2015
          • 4029
          • B

          #289
          Tolle Geschichte. Liegt wieder an lahmen Behörden. Klingt soweit ja alles ganz nett. Bischen viel "Nazi" Geschwubbel aber da gehört wohl dazu.

          Da suchen lohnt sicher, wenn ich ach nicht verstehe warum vermauerte Kellerfenster nicht einfach aufgemacht werden können. Aber da kann man sicher mehr machen, man muss nur die richtigen Leute ins Boot holen!
          Kurios das sich immer genau die sich auf „gesunden“ und „Verstand“ berufen, weder das eine noch das andere ihr eigen nennen dürfen.

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          • bIauage
            Landesfürst


            • 19.01.2007
            • 605
            • Berlin

            #290
            Vielen dank für das Einstellen des Textes

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            • willie
              Anwärter


              • 26.04.2016
              • 18
              • NRW

              #291
              Habe vor 2 Stunden eine Nachricht bekommen vom Kollegen aus Mamerki.Ob das stimmt weiß ich nicht.Wird man sehen.Haben da in Bunkeranlage heute angeblich Kisten geortet von
              Bernsteinzimmer.

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              • Lucius
                Heerführer


                • 04.01.2005
                • 5784
                • Annaburg;Sachsen-Anhalt
                • Viel zu viele

                #292
                Also in meiner Kristallkugel ist nur Rauschen...
                Mein Therapeut hat mir geraten, die Namen der Menschen, die ich hasse, auf kleine Zettel zu schreiben, sie ins Feuer zu werfen und zuzusehen, wie sie verbrennen. Das habe ich getan, und ich muss sagen, jetzt fühle ich mich viel besser.
                P.S. Was mache ich jetzt mit den Zetteln??

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                • Frank Enstein
                  Banned
                  • 23.03.2015
                  • 4029
                  • B

                  #293
                  Zitat von Lucius
                  Also in meiner Kristallkugel ist nur Rauschen...
                  Weil du sie falsch rum anschaust. Die Wodkafüllung nach Osten!!
                  Kurios das sich immer genau die sich auf „gesunden“ und „Verstand“ berufen, weder das eine noch das andere ihr eigen nennen dürfen.

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                  • Lucius
                    Heerführer


                    • 04.01.2005
                    • 5784
                    • Annaburg;Sachsen-Anhalt
                    • Viel zu viele

                    #294


                    aber,@willie: Top Einstand!
                    Sich aus dem Nichts materialisieren und erstmal eine Latrinenparole in den Raum werfen.
                    Mein Therapeut hat mir geraten, die Namen der Menschen, die ich hasse, auf kleine Zettel zu schreiben, sie ins Feuer zu werfen und zuzusehen, wie sie verbrennen. Das habe ich getan, und ich muss sagen, jetzt fühle ich mich viel besser.
                    P.S. Was mache ich jetzt mit den Zetteln??

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                    • Sorgnix
                      Admin

                      • 30.05.2000
                      • 25923
                      • Pöhlde - (=> Süd-Nds.)
                      • Große Nase, Augen, Ohren, Merlin, Whites XLT, Tesoro, Nokta Impact, Rutus, Minelab XTerra, OGF-L, UW 720C, Mariscope Spy, Chasing M2 Pro ...

                      #295
                      .. es würde ausreichen, solche Ergüsse einfach zu ignorieren.
                      EINE Nachfrage reicht vollkommen - alles weitere ist dann eben auch nur "Erguß" ...



                      WENN jemand wirklich was zu "sagen" hat, wird er schon mit der Sprache rauskommen ...
                      Wenn nicht, ist´s auch gut.
                      Es nutzt aber nichts, einem Thread wg. "nix" noch zusätzliche (unnötige) Seiten zu bescheren ...


                      Danke!
                      Jörg
                      Die Berühmtheit mancher Zeitgenossen hat
                      zu tun mit der Blödheit ihrer Bewunderer ...

                      (Heiner Geißler)

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                      • elexx
                        Ritter


                        • 13.01.2007
                        • 319
                        • Werdau / Westsachsen

                        #296
                        Nochmals zum letzten Abschnitt des zitierten Zeitungsartikels aus #286, die Geschichte ist nämlich fast noch interessanter, als vermutete Keller unter einem Schloss:
                        • 1994 wird im Steinbruch Wermsdorf zufällig ein Stollen gefunden [1]
                        • kein Altbergbau, sondern Maschinenspuren vom Vortrieb sichtbar
                        • nach 60m ist der Stollen absichtlich versperrt, er führt hinter der Sperre weiter
                        • auf einem amerikanischen Aufklärungsluftbild findet sich an dieser Stelle ein ca. 20 m langer heller Streifen, nicht direkt über dem Stollen, aber parallel zu diesem.
                        • der Stollen wurde durch Helfer beräumt und vermessen
                        • die Stelle mit dem hellen Streifen ist jetzt durch eine Abraumhalde des Steinbruches ca. 10 m überdeckt
                        • In einer MDR-Dokumentation von 2009 ("Gebunkerte Geheimnisse") wird recht ausführlich darüber berichtet.
                        • Messungen, Probebohrungen und Kamerabefahrungen haben damals wohl nichts ergeben.

                        Weiß da jemand was Neues oder Näheres?

                        Eine Geschichte, die ich bisher noch gar nicht auf dem Schirm hatte (vermutlich, weil ich das zugehörige Buch nicht gelesen habe )

                        [1] http://www.heimatverein-wermsdorf.de...nbruch,83.html

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                        • Eisenknicker
                          Heerführer


                          • 03.10.2015
                          • 5463
                          • NRW
                          • Akten

                          #297
                          Ich bin auf der täglichen Suche nach neuem Material auf den Artikel
                          gestoßen. Da zu dem Artikel evtl. nur Halbwissen vorliegt übersetze ich das Ganze in 5-6 Teilen:

                          Interview des Sławomir Orłowski mit Erich Koch im Jahr 1967

                          Sławomir Orłowski: Wir lesen in verschiedenen nationalen und internationalen Publikationen das, dass Bernsteinzimmer auf Ihren Befehl aus Puszkino nach Königsberg abtransportiert wurde. Wann und unter welchen Umständen ist es dazu gekommen?

                          Erich Koch: Das mit dem Befehl ist eine große Übertreibung aber sturen Leuten (stur zu eigenen Überzeugung stehenden) kann man das ja nicht erklären. Es war so das im Sommer 1942 der Direktor des Museums in Königsberg Dr. Alfred Rhode mich informierte, dass deutsche Einheiten die Leningrad umzingelten/ belagerten, Carskie Sielo besetzten, in dem sich das berühmte Bernsteinzimmer befindet. Dr. Alfred Rhode war Weltweit der beste Experte für Bernsteine und das Königsberger Museum besaß die Weltweit größte Sammlung an Bernsteinen. Die Sammlung bestand aus 100.000 einzigartigen Bernsteinen (oder er meint einzigartige Bernsteine und/ oder Bernsteinobjekte). Er bat mich, dass ich die Sicherung und Abtransport des Bernsteinzimmers zum Königsberger Museum veranlasse.

                          Sławomir Orłowski: angeblich haben Sie um das Kunstwerk zu bekommen eine große Intrige gesponnen. (um es nach Königsberg zu transportieren zu können)

                          Erich Koch: Ich habe/hätte kein Gewinn gehabt mich mit dem Haupt Theoretiker der Partei, Reichsleiter Alfred Rosenberg, anzulegen. Das aus zwei Gründen. Erstens weil das Bernsteintimmer auf dem Gebiet „Ostland“ und nicht der Ukraine war. Dort regierte Rosenberg und ich war Kommissar in der Ukraine. Als zweite war Rosenberg von Hitler gewählter „Direktor“ für die Sicherung von Kunstobjekten auf den besetzten Gebieten. Zu dieser Umsetzung gab Himmler ihm ein spezielles SS Bataillon, welcher aus Wissenschaftlern bestand die von einem Mann namens von Kuensberg befehligt wurden. Die erste Kompanie dieses Bataillons transportierte die Kunstwerke aus Westeuropa ab und die zweite Kompanie die aus Osteuropa. Um eine „Rechtsgrundlage“ für die Abnahme des Kunstwerks zu haben, habe ich eine Pressekonferenz in Königsberg organisiert. Auf dieser hat Dr. Rhode die Journalisten um Hilfe gebeten. Die Presse hat breit darüber geschrieben, mit der Angabe das dem großen Kunstwerk die Vernichtung droht und das keiner sich um dieses Kunstwerk kümmert.

                          @Jörg: kannst gerne verschieben
                          Zuletzt geändert von Eisenknicker; 04.08.2016, 20:25.
                          „Denn nicht durch Worte, aber durch Handlungen, zeigt sich wahre Treue und wahre Liebe.“ — Heinrich Von Kleist

                          Kommentar

                          • Eisenknicker
                            Heerführer


                            • 03.10.2015
                            • 5463
                            • NRW
                            • Akten

                            #298
                            Teil 2 von X :


                            Erich Koch: Als nächstes habe ich den Kommandeur der Leningrad belagernden Truppen angerufen, Feldmarschall Kuehler, welcher vor dem Krieg der Befehlshaber der Wehrmacht in Ostpreußen war.
                            Wir hatten eine freundschaftliche Beziehung und als ich Ihm die Sache erklärte sagte er Hilfe zu.
                            Er tat dies so, dass Soldaten aus ostpreußischen Einheiten mich um Hilfe baten, mich um das Kunstwerk zu kümmern.
                            Jetzt hatte ich einen Rechtskräftigen Grund.
                            Ein paar Tgae später ist Dr. Rhode hingefahren und brachte das Kunstwerk nach Königsberg.


                            Sławomir Orłowski: wo wurde das Bernsteinzimmer installiert Aufgestellt)


                            Erich Koch: Bevor ich auf diese Frage antworte, möchte ich Unterstreichen, dass der Abtransport nach Königsberg den Kampf um das Bernsteinzimmer nicht beendet hat.

                            Rosenberg, unterstützt durch Minister Lammers und Goebbels hat bei Hitler eine Beschwerde eingereicht.
                            Er wollte sich selber um das Bernsteinzimmer kümmern. Auf meine Seite standen aber Goering, Himmler, Martin Bormann und das Militär.

                            Hitler hat Befohlen, dass das Kunstwerk in Königsberg bleibt.

                            Das Bernsteinzimmer wurde in einem speziell angepassten Sal im Königsberger Schloss aufgestellt. Oh wie ich mich an den Tag, als Dr. Rohde die feierliche Eröffnung des Saals machte, erinnern kann. Wir fanden uns unerwartet in irgendeiner Märchenwelt. Die Wände des Saals waren bis zu der Decke mit reichlich verziertem Bernsteinen verkleidet. Im Rahmen aus Bernstein eingefasste Kristallspiegel haben gefunkelt. Diese Rahmen waren montiert in einer Bernsteinvertäfelung. Manche der Reliefs / Skulpturen waren so klein, dass man durch ein Vergrößerungsglas schauen musste.


                            Sławomir Orłowski: Wie war das weitere Schicksal des Bernsteinzimmers?


                            Erich Koch: Bis Herbst 1944 blieb sie im Königsberger Schloss. Nach zwei Luftangriffen der Amerikanisch-Englischen Luftwaffe, bei der die Stadt zu 80% zerstört wurde, wurde das Bernsteinzimmer abmontiert, in Kisten verpackt und im Keller des Schlosses deponiert.
                            „Denn nicht durch Worte, aber durch Handlungen, zeigt sich wahre Treue und wahre Liebe.“ — Heinrich Von Kleist

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                              • 03.10.2015
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                              #299
                              Teil 3:

                              Sławomir Orłowski: Da waren doch auch Wertvolle Ikonen aus dem Mittelalter und andere Kunstwerke die aus der Ukraine abtransportiert wurden? Wer hat sie transportiert und was mit diesen passiert?


                              Erich Koch: Ich weiß nicht ob da Ikonen aus Kiew und Kunstwerke aus Rostow und Charkow waren, aber ich nehme an, dass die Kellergewölbe des Schlosses, der sicherste Platz war. Die Ukrainischen Kunstwerke wurden durch den Kustos (Kurator?) des Königsberger Museums in Zusammenarbeit mit einer sowjetischen Bürgerin, der Ukrainer in und Kunsthistorikerin Arkadiewna Kulżenko, nach Königsberg gebracht. Sie ist dazu übergegangen mit den deutschen Behörden zusammen zu arbeiten.
                              Diese Kunstwerke waren hier bis zu Umschließung und Einnahme durch die Russen.


                              Sławomir Orłowski: Ein Moment, Sie haben doch Befohlen, dass die Kunstwerke in Königsberg und Umgebung versteckt werden sollen, als die Russen die Stadt bedrohten!


                              Erich Koch: Ja, aber das waren die Exponate des Museums und nicht das Bernsteinzimmer. Dr. Rhode hat sie auf eigene Faust versteckt. Ich hatte keine Zeit mich mit diesen Dingen zu beschäftigen. Ich kann aber bestätigen, dass das Bernsteinzimmer in Königsberg versteckt ist.
                              „Denn nicht durch Worte, aber durch Handlungen, zeigt sich wahre Treue und wahre Liebe.“ — Heinrich Von Kleist

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                                #300
                                Der letzte Satz im Teil 3 müsste richtiger so heißen: Ich kann garantieren, dass das Bernsteinzimmer in Königsberg versteckt ist. (ich habe hier nochmal genauer nachgeschaut weil diese Aussage eine Schlüsselerklärung ist. Er sagte nicht das Bernsteinzimmer wurde in Königsberg versteckt sondern es ist in Königsberg versteckt)


                                Teil 4 von 5


                                Sławomir Orłowski: Durch was stützen sie Ihre Hypothese?


                                Erich Koch: Ich habe die Kisten gesehen, in denen das Bernsteinzimmer verpackt war und Dr. Rhode hat mir über sie erzählt. Das war als die Stadt bereits abgeschnitten von Hinterland/Rückzugswegen (zaplecze) war. Darüber hat auch der Beauftragte von Himmler am 8 April berichtet, also ein Tag vor der Einnahme der Stadt.


                                Sławomir Orłowski: Sie meinen SS Obersturmbahnführer Georg Ringel, der auf Ihre Anforderung nach Königsberg gekommen ist?


                                Erich Koch: Als die Russen die Stadt direkt bedrohten, habe ich mich an Hitler gewendet, mit der Bitte Leute zu senden die, die wertvollen Kunstwerke, Papiere und Regierung- und Parteidokumente so wie Wertgegenstände (kosztowności). Himmler schickte 10 Leute unter dem Befehl von Ringel. Ich weiß das sie mit dem Bernsteinzimmer nach Pillau unterwegs waren. Das Bernsteinzimmer sollte über das Meer in das dritte Reich gebracht werden aber daraus ist nichts geworden und sie sind als Endergebnis wieder nach Königsberg zurück gekommen. Mit Hilfe von Juden, die sie später erschossen damit es keine Zeugen gab, haben sie in den Nächten im Geheimen die Kunstwerke, Wertgegenstände und Dokumente versteckt. Ich hatte auf die Sache kein Einfluss und habe mich auch nicht drum gekümmert, weil ich mit der Stadtverteidigung beschäftigt war. Um alle Dinge dieser Art hat sich auf meine Anweisung der Oberbürgermeister von Königsberg, Helmut Will gekümmert und ich habe Ringel geraten ihn zu Kontaktieren.


                                Sławomir Orłowski: Kennen Sie Bunker in welchen das Bernsteinzimmer oder andere Wertvolle Kunstwerke versteckt wurden?


                                Erich Koch: Ich kenne zwei Schutzräume in der Nähe der alten Kirche in dem damaligen Ortsteil Ponarth. Ich war damals auf der Halbinsel „Sambijskim“ (kenne den deutschen Namen nicht) . Helmut Will und Rigel riefen mich an, sie informierten mich das, der Befehlshaber der Stadt Königsberg, General Lasch am nächsten Tag die Stadt den Russen übergibt. Damals hat Rigel erwähnt, dass zwei Bilder aus meiner privaten Galerie in den zwei Bunkern in der Nähe der kirche versteckt wurden. Er sagte mir, das dort auch andere Kunstwerke versteckt wurden. Später wurden die Bunker zugeschüttet und Häuser in der Nähe gesprengt um eine Schuttabladeplatz vorzutäuschen. Vielleicht ist gerade da das Bernsteinzimmer oder die erwähnten Ikonen. Während des Telefonats fragte ich sogar Ringel was mit dem Bernsteinzimmer passiert ist, aber als er anfing mir zu Antworten ist die Telefonleitung zusammengebrochen. Offensichtlich hat eine Granate die letzte Telefonleitung von Königsberg zu dem Rest der Welt beschädigt.


                                Sławomir Orłowski: Wissen Sie das Ringel in Königsberg mit falschen Papieren geblieben ist?


                                Erich Koch: Ja. Er hatte ein Befehl von Himmler und Hitler persönlich. Er sollte in der Stadt Wehrwolf organisieren und Befehlen. Wie ich später erfahren habe, ist nichts daraus geworden und Rigel ist nach einer gewissen Zeit nach Westdeutschland als Vertriebener ausgereist und ist dort gestorben.

                                Übrigens die Quelle meiner Quelle - also das Original ist hier gewesen:

                                Erich Koch, Bursztynowa Komnata, Rozm. przepr. Sławomir Orłowski, „Na Antenie” 1967, nr 48, s. 6.
                                Zuletzt geändert von Eisenknicker; 07.08.2016, 20:25.
                                „Denn nicht durch Worte, aber durch Handlungen, zeigt sich wahre Treue und wahre Liebe.“ — Heinrich Von Kleist

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